Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die klagende Partei begehrt mit der am 29.4.1993 beim Erstgericht eingelangten Klage vom Beklagten die Räumung eines näher bezeichneten Bestandobjektes und zuletzt die Bezahlung von S 1.576,18 sA. Sie brachte hiezu vor, daß sie das Haus, indem sich das Bestanobjekt befindet, mit Kaufvertrag vom 30.12.1991 vom Eigentümer erworben habe. Obwohl sie im Grundbuch noch nicht als Eigentümerin eingetragen sei, sei sie zur Einbringung der Klage legitimiert, weil das Haus bereits in ihren Besitz übergeben worden sei und sie auch die Verwaltung übernommen habe. Der Beklagte habe trotz mehrmaliger Mahnung den Bestandzins nicht zur Gänze bezahlt.
Der Beklagte bestritt, daß ein Mietzinsrückstand bestehe.
In der über die Klage durchgeführten mündlichen Verhandlung dehnte die klagende Partei das Klagebegehren auf Räumung eines weiteren Bestandobjektes und Bezahlung des nach ihrem Vorbringen hiefür rückständigen Bestandzinses aus.
Das Erstgericht gab mit Teilurteil dem Klagebegehren statt, soweit es das in der Klage genannte Bestandobjekt betrifft. Es stellte im wesentlichen fest, daß die klagende Partei "außerbücherlicher Erwerber" der Liegenschaft sei, auf der sich der Bestandgegenstand befindet, und daß hiefür zum 1.9.1993 ein Mietzinsrückstand von S 1.576,18 bestand. Rechtlich folgerte es daraus, daß der vom Beklagten geschlossene Bestandvertrag gemäß § 1118 ABGB aufgelöst sei.
Das Berufungsgericht wies infolge Berufung des Beklagten das mit dem Teilurteil erledigte Klagebegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der klagenden Partei fehle die Klagelegitimation, weil es bei der Veräußerung der Liegenschaft, auf der sich der Bestandgegenstand befindet, vor der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch ohne Zustimmung des Mieters nicht zu einem Wechsel in der Person des Vermieters komme. Ohne diese Zustimmung sei die klagende Partei daher in den vom Veräußerer mit dem Beklagten geschlossenen Mietvertrag nicht eingetreten und könne daher die "Vermieterstellung" nicht ausüben.
Rechtliche Beurteilung
Die von der klagenden Partei gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, welche Rechtsstellung dem "außerbücherlichen Erwerber" gegenüber dem Bestandnehmer zukommt, nicht einheitlich oder zumindest nicht eindeutig ist; sie ist auch berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit liegen allerdings nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Der Oberste Gerichtshof hat in jüngerer Zeit in den ausführlich begründeten, im wesentlichen gleichlautenden Entscheidungen je vom 17.11.1993, 1 Ob 512/93 (= ecolex 1994, 226) und 1 Ob 620/93 (= JUS Z 1994/1615), unter Ablehnung früherer gegenteiliger Entscheidungen die Ansicht vertreten, daß der Erwerber einer verbücherten Liegenschaft vor Einverleibung seines Eigentumsrechtes im Grundbuch in bestehende Bestandverträge nur eintrete, wenn ihm der Veräußerer im Vertrag Besitz, Verwaltung und Nutznießung überläßt und überdies der Bestandnehmer der Vertragsübernahme zumindest schlüssig zustimmt. Er hat in diesen Entscheidungen aber auch auf die Möglichkeit hingewiesen, daß mit der Abtretung der Bestandzinsforderungen oder überhaupt aller Rechte des Bestandgebers aus dem Bestandvertrag auch dessen Gestaltungsrechte übergehen könnten. Die Lösung dieser Frage hat er allerdings offengelassen, weil er nur darüber zu entscheiden hatte, ob die Pflichten des Bestandgebers auf den Erwerber der Liegenschaft übergegangen sind. Der erkennende Senat hat zu dieser - hier für die Entscheidung wesentlichen - Frage erwogen:
Es ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt, daß auch Gestaltungsrechte sofern sie nicht höchstpersönliche Rechte sind, Gegenstand einer Zession sein können (vgl SZ 61/238 = JBl 1991, 241; EvBl 1980/140; P Bydlinski, Übertragung von Gestaltungsrechten [1986] 25; Ertl in Rummel2 Rz 5 zu § 1393; Koziol/Welser I9 291). Ob eine Einschränkung zu machen ist, wenn das Gestaltungsrecht selbständig, also unabhängig von dem Recht, auf das es Bezug hat, abgetreten werden soll (vgl SZ 61/238 = JBl 1989, 241, P Bydlinski aaO 32 ff; Ertl aaO), ist hier nicht zu entscheiden, weil dieser Fall nicht vorliegt. Geht man vom Vorbringen in der Klage aus, so wurde der klagenden Partei vom Veräußerer der Besitz und die Verwaltung des Hauses übertragen. Vom (redlichen) Besitzer ist mangels einer gegenteiligen Vereinbarung anzunehmen, daß er Anspruch auf die Früchte der Sache hat (vgl § 330 ABGB). Wird im Zusammenhang mit der Veräußerung einer verbücherten Liegenschaft, die in Bestand gegeben wurde oder auf der sich in Bestand gegebene Objekte befinden, dem Erwerber der Besitz an der Liegenschaft schon vor der Eintragung im Grundbuch übertragen, so ist daher mangels gegenteiliger Anhaltspunkte aufgrund der zwischen den Vertragsparteien geschlossenen Vereinbarung davon auszugehen, daß der Veräußerer dem Erwerber seine Forderung auf Bezahlung des Bestandzinses abgetreten hat (vgl auch ecolex 1994, 226 und JUS Z 1994/1615). Da in dem dargestellten Verhalten des Veräußerers aber auch zum Ausdruck kommt, daß er an der Geltendmachung von Rechten, die ihm aufgrund seiner Stellung als Vermieter zustehen, und damit auch an der Geltendmachung von Gestaltungsrechten kein Interesse mehr hat, kann es bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise nur dahin verstanden werden, daß er schlüssig seine gesamten Rechte als Vermieter an den Erwerber abgetreten hat. Dies bedeutet noch keine Vertragübernahme, für die nach der zutreffenden herrschenden Ansicht (JBl 1984, 439 uva; Apathy in Schwimann, ABGB Rz 5 zu § 859; P Bydlinksi aaO 181; Koziol/Welser I9 304; Rummel, Würth und Ertl in Rummel2 Rz 34 zu § 859, Rz 14 zu § 1098 und Rz 2 zu § 1406) die Zustimmung des verbleibenden Vertragspartners notwendig wäre. Sie läge nämlich nur und erst vor, wenn der Erwerber vollständig in der Rechtsstellung des Veräußerers und damit auch in die diesen treffenden Pflichten eintreten sollte. Nur hiefür kann daher die Zustimmung des Bestandnehmers gefordert werden. Da für die Abtretung von Rechten hingegen die Zustimmung des Schuldners nicht notwendig ist (ÖBA 1990, 55; RZ 1965, 126; Ertl aaO Rz 1 zu § 1395; Honsell in Schwimann Rz 1 zu § 1395; Koziol/Welser aaO 293), gilt dies nicht, wenn der Vermieter die ihm aus dem Bestandverhältnis zustehenden Rechte ausdrücklich oder schlüssig dem Erwerber der Liegenschaft abtritt. Diese Abtretung ist unabhängig davon wirksam, ob der Bestandnehmer ihr zugestimmt hat. Zu diesem Ergebnis ist der Oberste Gerichtshof, schon in Entscheidungen Miet
38.218 und 5 Ob 82/92 gekommen. Soweit nach den Entscheidungen Miet 37.194, 35.238, 30.237, 24.180 die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Erwerbers oder sonst die Zustimmung des Bestandnehmers verlangt wird, kann ihnen für den Fall nicht gefolgt werden, daß aufgrund der zwischen den Veräußerer und dem Erwerber getroffenen Vereinbarung eine Abtretung der dem Vermieter aus dem Bestandvertrag zustehenden Rechte anzunehmen ist.
Das Erstgericht hat nur festgestellt, daß die klagende Partei "außerbücherlicher Erwerber" der Liegenschaft ist, auf der sich die dem Kläger in Bestand gegebenen Wohnung befindet. Es ist jedoch nicht eindeutig, was unter diesem Begriff zu verstehen ist. Vor allem geht daraus nicht hervor, ob die Liegenschaft der klagenden Partei bereits in den Besitz übergeben wurde, weil nach dem Wortsinn bis zur Eintragung im Grundbuch auch ein Erwerber, bei dem dies nicht geschah, als "außerbücherlicher Erwerber" anzusehen ist. Da nach dem Gesagten aber für die Sachlegitimation der klagenden Partei entscheidend ist, ob ihr der Besitz an der Liegenschaft und allenfalls ausdrücklich auch die Nutznießung übertragen wurde, wird das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren zu prüfen und festzustellen haben, ob das entsprechende Vorbringen der klagenden Partei zutrifft.
Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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