OGH 5Ob44/97z

OGH5Ob44/97z11.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinrich Viktor E*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Broesigke und Dr.Bertram Broesigke, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Franz S*****, Pensionist, und 2. Martha S*****, Pensionistin, beide ***** beide vertreten durch Dr.Roland Hubinger und Dr.Michael Ott, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. Oktober 1996, GZ 40 R 408/96p-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 23.April 1996, GZ 7 C 2504/95g-9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit S 2.234,50 (darin enthalten S 372,42 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 4.653,79 (darin enthalten S 445,63 Umsatzsteuer und S 1.980 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagten Parteien sind aufgrund des am 23.März 1947 mit dem damaligen Hauseigentümer abgeschlossenen Mietvertrages Mieter der in ***** gelegenen Wohnung top Nr 14. Infolge Begründung von Wohnungseigentum im Jahre 1990 steht unter anderem auch die streitgegenständliche Wohnung top Nr 14 "im Eigentum" des Klägers, wobei er insgesamt über weniger als die Hälfte der Gesamtanteile verfügt.

Nunmehr kündigte der Kläger den Beklagten das Mietverhältnis mit der am 27.November 1995 beim Erstgericht eingelangten gerichtlichen Aufkündigung zum 31.Jänner 1996 auf und macht geltend, die Wohnung werde von den Beklagten, welche ständig in ihrem Einfamilienhaus in Tragwein leben, nicht benützt und stehe leer, wobei eintrittsberechtigte Personen nicht vorhanden seien. Der Kläger sei Wohnungseigentümer der aufgekündigten Wohnung zur Aufkündigung berechtigt.

Die beklagten Parteien wendeten den Mangel der aktiven Klagslegitimation des Klägers ein, weil der gegenständliche Mietvertrag vor Begründung des Wohnungseigentums abgeschlossen worden sei, weshalb der Kläger als Minderheitseigentümer nicht zur Aufkündigung berechtigt sei.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Klagebegehren ab.

Es verneinte aufgrund der eingangs wiedergegebenen Feststellungen die Aktivlegitimation des Klägers, und zwar aus folgenden Erwägungen:

Bei Abschluß des Mietvertrages sei der damalige (schlichte) Hauseigentümer Vertragspartner der beklagten Parteien geworden sei. Gemäß § 2 Abs 1 MRG seien infolge von Begründung von Wohnungseigentum sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer als Rechtsnachfolger des bisherigen Eigentümers in bestehende Mietverträge eingetreten. Eine nach Abschluß des Mietvertrages erfolgte Verbücherung von Wohnungseigentum könne nichts an der Vermieterstellung sämtlicher Miteigentümer des Hauses oder ihrer jeweiligen Rechtsnachfolger ändern. Bei einer Vermietermehrheit sei zur Aufkündigung einer Wohnung als einer Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung nur ihre Mehrheit aktiv legitimiert. Als Minderheitseigentümer wäre der Kläger allein lediglich bei Zustimmung weiterer mit ihm zusammen die Mehrheit bildender Miteigentümer zur Aufkündigung berechtigt gewesen. Eine derartige Zustimmung habe der Kläger weder behauptet noch nachgewiesen.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei; es führte im wesentlichen aus: Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 30.Juni 1992, 5 Ob 111/92, in WoBl 1994/212 löse nicht die Frage, wer zur Aufkündigung berechtigt sei, wenn zuerst das Mietverhältnis und dann Wohnungseigentum begründet worden sei. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall sei dem Mieter die Möglichkeit eröffnet worden, Erhaltungsansprüche gegen sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer geltend zu machen, da diese gemäß § 1120 ABGB und § 2 Abs 1 Satz 2 MRG in das zwischen ihm und dem Voreigentümer vor Wohnungseigentumsbegründung geschlossene Mietverhältnis eingetreten seien.

In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 13.11.1985, 1 Ob 668/85, teilweise veröffentlicht in MietSlg 37.459 wiederum habe das Höchstgericht ausgesprochen, daß der Wohnungseigentümer bei der Vermietung der Eigentumswohnung von seinem ausschließlichen Nutzungs- und Verfügungsrecht über diese Wohnung Gebrauch mache und insoweit die Gesamtheit aller Miteigentümer darstelle, so daß ihm das Kündigungsrecht in Ansehung seiner vermieteten Eigentumswohnung allein zustehe. Auch in diesem Fall sei Wohnungseigentum erst während des Bestandes des Mietvertrages geschaffen worden. Dennoch löse die zitierte Entscheidung die hier relevante Frage, ob der Kläger zur Aufkündigung berechtigt sei, obwohl er lediglich Minderheitseigentümer sei, und sein Wohnungseigentum erst nach dem Mietverhältnis begründet worden sei, nicht unbedingt: In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall seien die Kläger nämlich außer Wohnungseigentümer auch zur Gänze Liegenschaftseigentümer gewesen.

Gemäß § 13 Abs 1 WEG komme dem Wohnungseigentümer die Verwaltung der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeit zu. Das "Verwaltungsrecht" des § 13 WEG betreffe nur den Wohnungseigentumsanteil bzw das Wohnungseigentumsobjekt und sei von der Verwaltung der Liegenschaft zu unterscheiden. Aus dem Nutzungs- und Verwaltungsrecht ergebe sich weiters das Recht des Wohnungseigentümers, das Wohnungseigentumsobjekt auf eigene Rechnung zu vermieten (vgl Würth in Rummel2 Rz 3 und 4 zu § 13 WEG). Der Wohnungseigentümer vermiete nicht als Repräsentant der übrigen, sondern ausschließlich im Rahmen seines beschränkten Nutzungsrechtes (vgl Württh in Rummel2, Rz 4 zu § 2 MRG). Im Rahmen dieses Rechtes sei auch der Wohnungseigentümer, dessen Wohnungseigentum nach dem Mietverhältnis begründet worden sei, berechtigt, das Mietverhältnis über das Wohnungseigentumsobjekt, aufzukündigen. Unabhängig davon könne der Mieter, dessen Mietverhältnis schon vor Wohnungseigentumsbegründung begann, seine Erhaltungs- und Verbesserungsansprüche an gemeinschaftlichen Teilen des Hauses gegenüber sämtlichen Miteigentümern durchsetzen, da diese gemäß § 1120 ABGB und § 2 Abs 1 Satz 2 MRG als Rechtsnachfolger in das zwischen ihm und dem Voreigentümer begründete Mietverhältnis eingetreten seien (vgl OGH 30.6.1992, 5 Ob 111/92). Der Wohnungseigentümer sei daher legitimiert, allein und im eigenen Namen die Aufkündigung einzubringen und das Kündigungsverfahren zu führen. Da das Erstgericht, ausgehend von seiner vom Berufungsgericht nicht geteilten Rechtsansicht, Feststellungen zur Frage des Vorliegens des geltend gemachten Kündigungsgrundes nicht getroffen habe, sei das angefochtene Urteil aufzuheben gewesen.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Höchstgerichtes zu der wesentlichen Frage existiere, ob der Wohnungseigentümer der nicht (Mehrheits)Liegenschaftseigentümer sei und dessen Wohnungseigentum erst nach dem Abschluß des Bestandvertrages am Wohnungseigentumsobjekt begründet worden sei, allein und im eigenen Namen zur Aufkündigung berechtigt sei.

Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Der Kläger begehrt, den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß zu bestätigen.

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Für die Beurteilung des zwischen den Streitteilen bestehenden Rechtsverhältnisses ist wesentlich, daß die Beklagten den Mietvertrag schon Jahre vor der Wohnungseigentumsbegründung mit dem damaligen Hauseigentümer abgeschlossen haben. Der Mietvertrag ist also gerade nicht mit dem Wohnungseigentümer der Bestandräumlichkeiten geschlossen worden. Nach der Verbücherung des Wohnungseigentums im Jahre 1990 sind die neuen Mit- und Wohnungseigentümer Rechtsnachfolger im Eigentum der Liegenschaft geworden und damit ex lege (§ 1120 ABGB) in das Mietverhältnis eingetreten (vgl 5 Ob 2310/96; 5 Ob 111/92 = RdW 1993, 109 = EWr I/2/19 = WoBl 1994, 212/56). Die Tatsache, daß nach Abschluß des Mietvertrages eine Änderung auf Vermieterseite durch Übertragung von Miteigentumsanteilen auf andere Personen, teilweise verbunden mit Wohnungseigentum, erfolgte, vermag die Rechtsstellung des Mieters nicht zu beeinflussen, da es sich dabei um Vorgänge ausschließlich in der Sphäre der Vermieter handelt. Die Änderung der Anzahl der Miteigentümer und die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses der Miteigentümer untereinander ist eben grundsätzlich auf die Rechte und Pflichten eines Mieters ohne Einfluß (vgl Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19 Anm 4 zu § 2 MRG). Diesem Bestandgeberwechsel von einem Liegenschaftseigentümer auf mehrere Wohnungseigentümer steht auch nicht entgegen, daß mit den einzelnen Miteigentumsanteilen jeweils das dingliche Recht verbunden ist, eine bestimmte selbständige Wohnung oder sonstige selbständige Räumlichkeit dieser Liegenschaft ausschließlich zu nutzen bzw darüber allein zu verfügen, und ebensowenig, daß sich das Bestandverhältnis auf die Wohnungseigentumseinheit top Nr 14 des Klägers erstreckt. Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch unbeachtlich, wem der Bestandzins zufließt (5 Ob 2310/96h).

Auf der Bestandgeberseite ist der jeweilige Bestandgeber zur Kündigung aktiv legitimiert. Bei Miteigentum steht die Aktivlegitimation zur Kündigung als einer Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung grundsätzlich der Mehrheit der Miteigentümer zu. Der Minderheitseigentümer kann nur dann alleine kündigen, wenn weitere Miteigentümer, die mit ihm zusammen die Mehrheit bilden, mit der Kündigung einverstanden sind, wobei bloß der Nachweis des schon vorher vorliegenden Einverständnisses auch erst im Prozeß erfolgen kann. Ein weiteres Eingehen darauf erübrigt sich, da diesbezüglich ein Vorbringen weder erstattet noch unter Beweis gestellt wurde; der Kläger ist vielmehr persönlich und nicht als Vertreter der Vermietergemeinschaft eingeschritten (Würth in Rummel2, Rz 15 f zu § 1116 ABGB; Gamerith in Rummel2, Rz 5 zu § 833 ABGB mwN).

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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