OGH 6Ob52/97h

OGH6Ob52/97h24.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Viktoria W*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr.Theodor Strohal und Dr.Wolfgang G.Kretschmer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Kurt E*****, Arzt, ***** vertreten durch Dr.Helene Klaar, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung, infolge "Revision", richtig Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 10.September 1996, GZ 40 R 410/96g-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 3. April 1996, GZ 18 C 7/95z-17, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit S 2.436,48 (darin S 406,08 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rechtsmittelbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Minderheitseigentümerin einer Liegenschaft in Wien 20, ***** an der zum Teil auch Wohnungseigentum begründet wurde. Die Mehrheit der Miteigentümer sind zugleich auch Wohnungseigentümer. Aufgrund einer zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und den übrigen Mit- bzw Wohnungseigentümern getroffenen Benützungsvereinbarung steht der Klägerin die alleinige Nutzung der gegenständlichen Wohnung top Nr 20 zu. Sie vermietete diese Wohnung mit Mietvertrag vom 20.6.1977 an den Beklagten. Das Mietverhältnis begann am 1.7.1977 und wurde für unbestimmte Zeit abgeschlossen.

Die Klägerin macht als Kündigungsgrund geltend, der Beklagte benutze den Mietgegenstand nicht mehr und habe ihn gegen übermäßiges Entgelt weitergegeben. Er lebe mit seiner Familie in einer anderen Wohnung.

Der Beklagte bestritt die Aktivlegitimation. Die Klägerin habe die Zustimmung der übrigen Miteigentümer nicht eingeholt und sei daher aktiv nicht legitimiert. Eine Weitergabe des Mietobjekts sei nicht erfolgt, es werde nach wie vor vom Kläger und seinem Bruder, der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebe, benützt.

Das Erstgericht stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus fest, der Beklagte habe die Wohnung als Studentenwohnung benutzt und dort sämtliche persönlichen Bedürfnisse befriedigt. Seit 1988 habe er mit Frau und Kindern seinen Lebensmittelpunkt in der Wohnung B*****gasse 6/17. Er benutze seither die aufgekündigte Wohnung lediglich als Hobbyraum, arbeite dort auf seinem Computer und schlafe dort nach seinen Nachtdiensten als Arzt. Seit 1986 benutze auch sein Bruder die aufgekündigte Wohnung. Er habe dort gelernt und auch zum Teil geschlafen. Ebenso habe er auch in der elterlichen Wohnung, die sich im selben Haus befinde, geschlafen und hauptsächlich gegessen. Der Bruder des Beklagten habe sich mit zunehmendem Alter immer mehr in der aufgekündigten Wohnung aufgehalten, ein gemeinsamer Haushalt habe nicht bestanden.

Das Erstgericht verneinte ein dringendes Wohnbedürfnis des Beklagten. Einer Eintrittsberechtigung seines Bruders stehe der mangelnde gemeinsame Haushalt mit dem Beklagten entgegen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Auch nach der im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses (1977) geltenden Rechtslage könne ein Miteigentümer eine ihm durch Benutzungsregelung überlassene Wohnung an Dritte vermieten. Er nehme diese Verfügung als Vertreter der übrigen Miteigentümer vor. Dies gelte auch dann, wenn an der Liegenschaft Wohnungseigentum bestehe, das vermietete Objekt jedoch davon nicht erfaßt sei. So bestimme § 8 Abs 3 WEG 1948, daß die Verwaltung einer im Wohnungseigentum stehenden Wohnung ausschließlich dem Wohnungseigentümer obliege, für die Verwaltung der anderen Bestandteile der Liegenschaft die Vorschriften des 16.Hauptstückes des ABGB gelten. § 14 Abs 1 WEG 1975 bestimme, daß für die Verwaltung der Liegenschaft das 16.Hauptstück des zweiten Teils des ABGB zur Anwendung komme, wobei zu den Angelegenheiten, in denen die Mehrheit entscheide, insbesondere auch die Vermietung der verfügbaren Teile der Liegenschaft gehöre, sofern Wohnungseigentum daran nicht bestehe. Vermieter des im Jahr 1977 geschlossenen Mietvertrages seien daher nicht nur die Rechtsvorgängerin der Klägerin, sondern sämtliche anderen Miteigentümer der Liegenschaft, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Wohnungseigentümer oder schlichte Miteigentümer handle. Daran habe auch das Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes nichts geändert. Seien aber sämtliche Miteigentümer einer Liegenschaft Bestandgeber, müßten sie auch im Verfahren über die Auflösung des Bestandvertrages als Partei auftreten, wobei der Nutzungsberechtigte im Kündigungsverfahren als Vertreter der Miteigentümergemeinschaft auftrete. Die materiellrechtlich richtige Bezeichnung der klagenden Partei müßte daher "Wohnungseigentümergemeinschaft der Liegenschaft..., vertreten durch den Miteigentümer....." lauten. Eine entsprechende Richtigstellung sei auch noch nach Zustellung der Aufkündigung möglich. Das Erstgericht habe die Frage der Richtigstellung der Parteibezeichnung nicht mit den Parteien erörtert, so daß sich eine Aufhebung und Rückverweisung als erforderlich erweise. Sollte die Klägerin trotz Erörterung die Parteibezeichnung nicht entsprechend richtigstellen, müßte der Schluß gezogen werden, daß sie lediglich im eigenen Namen auftreten und keine Erklärungen für die anderen Eigentümer habe abgeben wollen.

Im übrigen reichten die getroffenen Feststellungen weder für die Beurteilung der Benutzung der Wohnung durch den Beklagten noch seines Bruders aus. Es bedürfe geeigneter Feststellungen über die Benützungsfrequenz durch den Beklagten und seine Kinder. Das Erstgericht werde zur Beurteilung eines allfälligen Eintrittsrechts des Bruders des Beklagten auch Feststellungen hinsichtlich der Art der Benützung in den Jahren 1986 bis 1988 zu treffen haben. Diesen Jahren käme - für den Fall nicht ausreichender Benützung durch den Kläger selbst - entscheidende Bedeutung zur Qualifikation seines Bruders als eintrittsberechtigter Person zu.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision (gemeint wohl der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO) zulässig sei, weil zur Frage der Legitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft, der Parteibezeichnung und deren Berichtigungsfähigkeit im Falle einer Aufkündigung durch bloß einen verfügungsberechtigten Miteigentümer keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der als "Revision" bezeichnete Rekurs der Klägerin ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, daß auch nach der für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (1977) anzuwendenden Rechtslage ein Minderheitseigentümer einen ihm durch Benützungsregelung überlassenen Teil der gemeinschaftlichen Sache an Dritte vermieten kann und diese Verfügung materiellrechtlich als Vertreter der übrigen Miteigentümer (bzw Wohnungseigentümer im Falle gemischten Miteigentums, siehe Meinhart, Das WEG 1975, 118; vgl JBl 1989, 526 zur insoweit unveränderten Rechtslage nach Inkrafttreten des MRG) vornimmt (Gamerith in Rummel, ABGB2 Rz 12 zu § 833; MietSlg 25.053 XXVII/9; 27.089; 30.091, 30.092, 31.075, XXXIX/45). Der zum Gebrauch bestimmter Räumlichkeiten der gemeinsamen Liegenschaft berechtigte Miteigentümer ist somit zum Abschluß eines Bestandvertrages im Namen aller Miteigentümer gleich einem Verwalter legitimiert. Er handelt, auch wenn er dies nicht zum Ausdruck bringt, im Zweifel als Vertreter sämtlicher Miteigentümer (JBl 1989, 526) und begründet durch Vermietung des ihm zur Benützung zugewiesenen Objektes ein Mietverhältnis mit allen Miteigentümern, wobei es nicht darauf ankommt, ob mit diesen Anteilen der übrigen Miteigentümer Wohnungseigentum verbunden ist (Würth in Rummel ABGB2 Rz 9 zu §§ 1092 bis 1094; SZ 42/126, MietSlg 32.091; 5 Ob 37/92; 4 Ob 2024/96t, teilweise veröffentlicht RdW 1996, 406).

Vertragspartner des im Jahr 1977 abgeschlossenen Mietvertrages ist somit auf Vermieterseite die - insoweit vom Minderheitseigentümer gleich einem Verwalter vertretene - Miteigentumsgemeinschaft des Hauses.

Zur Kündigung ist auf Bestandgeberseite der jeweilige Bestandgeber aktiv legitimiert (Würth aaO Rz 15 zu § 1116). Ein Miteigentümer kann grundsätzlich nur dann alleine kündigen, wenn weitere Miteigentümer, die mit ihm zusammen eine Mehrheit bilden, mit der Kündigung einverstanden sind. Wurde einem Miteigentümer jedoch der physische Besitz eines Teiles der Liegenschaft durch Benützungsregelung allein überlassen, liegt darin auch eine Verwaltungsvollmacht zur Vermietung dieses Teiles, die ihn auch berechtigt, das von ihm eingegangene Mietverhältnis ohne Zustimmung der anderen Miteigentümer aufzukündigen (Gamerith aaO Rz 12 zu § 833).

Die Berechtigung des Minderheitseigentümers als Benützungsberechtigtem, das Bestandverhältnis allein, das heißt ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer aufzukündigen (Würth aaO Rz 16 zu § 1116), ändert aber nichts daran, daß als Partei des Kündigungsstreites nicht der Minderheitseigentümer allein, sondern alle Miteigentümer als Bestandgeber anzusehen sind, als deren Vertreter bzw Verwalter der Nutzungsberechtigte auftritt. Die rechtsgestaltende Wirkung der Aufkündigung erstreckt sich auch auf sie als einheitliche Streitpartei (vgl Fasching, Lehrbuch2 Rz 375; ders ZPO II, 194). Aus diesen Erwägungen ergibt sich die Notwendigkeit einer Richtigstellung der Bezeichnung der klagenden Partei.

Wurde - wie im gegenständlichen Fall - hinsichtlich einzelner Miteigentümer Wohnungseigentum begründet, ist Partei des Kündigungsstreites auf Aktivseite materiellrechtlich die Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 13c WEG in der auf die gegenständliche, nach 1.1.1994 eingebrachte Kündigung anzuwendenden Fassung des 3.WÄG). Die Bezeichnung der Klägerin ist - wie das Berufungsgericht zu Recht erkannte - in diesem Sinn richtigzustellen.

Einer amtswegigen Richtigstellung steht - anders als in dem jüngst entschiedenen Fall 5 Ob 9/95 - der Umstand entgegen, daß sich die Klägerin auch noch in ihrem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß ausdrücklich darauf beruft, zur Kündigung im eigenen Namen (und nicht als Vertreterin auch der übrigen Mit- bzw Wohnungseigentümer gleich einem Verwalter) berechtigt zu sein. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht eine Erörterung angeordnet.

Eine Aufhebung der Kündigung und Abweisung des Räumungsbegehrens käme allerdings nur dann in Betracht, wenn die Klägerin eine Richtigstellung der Parteibezeichnung trotz Erörterung nicht vornimmt und auch weiterhin zum Ausdruck bringt, nur im eigenen Namen aufzutreten und keine Erklärungen für die übrigen Mit- (und Wohnungs)eigentümer abgeben zu wollen (vgl jüngst 5 Ob 44/97z).

Hinsichtlich des weiteren, den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG betreffenden Aufhebungsgrundes hat das Berufungsgericht zutreffend dargelegt, daß der bisher festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung nicht ausreicht.

Voraussetzung für das Vorliegen dieses Kündigungsgrundes ist nach ständiger Rechtsprechung einerseits das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung der Wohnung zu Wohnzwecken, andererseits der Mangel eines dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen (MietSlg 46.379, 46.380, WoBl 1993, 139; Würth in Rummel, ABGB2 Rz 31 zu § 30 MRG). Beweispflichtig für das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung ist der Vermieter (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19 Rz 39 zu § 30 MRG).

Nach ständiger Rechtsprechung erfüllt die Benützung zweier Wohnungen an sich noch nicht den genannten Kündigungsgrund, wenn der Mieter - oder eintrittsberechtigte Personen - die Wohnung wenigstens während eines beachtlichen Zeitraums im Jahr oder mehrere Tage in der Woche (MietSlg 40.458, 46.379; Würth aaO Rz 32 zu § 30 MRG) als wirtschaftlichen und familiären Mittelpunkt ausnützen (MietSlg 34.468, 38.464, 40.459, 46.380 ua; Würth/Zingher aaO Rz 41 zu § 30 MRG; WoBl 1993, 139). Die Wohnung darf nur nicht als gelegentliches Absteigquartier verwendet werden (MietSlg 46.379; WoBl 1993, 139 mwH), das Interesse an der Wohnung muß über das der bloßen Bequemlichkeit hinausgehen (MietSlg 34.468, WoBl 1993, 139). Auch reichen gelegentliche einzelne Verrichtungen, wie Baden, Wäschewaschen oder ähnliches nicht aus, um eine Benützung für Wohnzwecke anzunehmen (WoBl 1993, 139), wohl aber genügt es für die Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses, daß die aufgekündigte Wohnung zumindest in mancher Beziehung noch Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit und des Familienlebens des Mieters ist (MietSlg 40.459, 46.379 ua).

Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann dem bisher festgestellten Sachverhalt nicht entnommen werden, so daß sich die vom Berufungsgericht aufgetragene Verfahrensergänzung als erforderlich erweist.

Sollte der dann festgestellte Sachverhalt ergeben, daß der Beklagte die Wohnung seit 1988 nicht mehr regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet (und schon damals an seinen Bruder weitergegeben hat), wäre zu klären, ob in den Jahren vor Weitergabe des Mietgegenstandes ein gemeinsamer Haushalt mit dem Bruder als einer allenfalls eintrittsberechtigten Person im Sinn des § 14 Abs 3 MRG bestanden hat.

Der gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist daher insgesamt nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 und 52 Abs 1 Satz 2ZPO.

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