OGH 8Ob153/69

OGH8Ob153/6916.9.1969

SZ 42/126

Normen

ABGB §833
ABGB §1090
ABGB §833
ABGB §1090

 

Spruch:

Die anläßlich der vertraglichen Benützungsregelung dem Miteigentümer eingeräumte unbeschränkte Verfügungsmacht über den zur Benützung überlassenen Teil ist einer auch zur Vermietung mit Wirkung für die Gesamtheit der Liegenschaftseigentümer berechtigenden Verwaltungsvollmacht gleichzuhalten.

Entscheidung vom 16. September 1969, 8 Ob 153/69.

I. Instanz: Bezirksgericht Fünfhaus; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Parteien sind je zur Hälfte Eigentümer eines Hauses in Wien. Der Beklagte bewohnt in diesem Haus die aus drei Zimmern samt Nebenräumen bestehende Wohnung im Mezzanin. Der Klägerin wurde im Übereinkommen vom 18. Juni bzw. 20. Juni 1960 das Recht eingeräumt, über die im ersten Stock des Hauses gelegene, etwa gleich große, damals anderweitig vermietete Wohnung nach Beendigung dieses Mietverhältnisses nach eigenem Gutdünken zu verfügen, ohne hiezu der Zustimmung des Beklagten zu bedürfen. Die Klägerin hat für die Freimachung dieser Wohnung einen größeren Betrag aufgewendet und die Wohnung sodann an ihren Bruder Karl H. vermietet. Sie stellt das Begehren, der Beklagte sei als Hälfteeigentümer der Liegenschaft schuldig, den von ihr hinsichtlich der gegenständlichen Wohnung mit Karl H. abgeschlossenen Mietvertrag anzuerkennen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte das zwischen den Parteien am 18. Juni bzw. 20. Juni 1960 geschlossene Übereinkommen als Benützungsregelung. Die Klägerin sei wohl auf Grund dieser Regelung berechtigt, im Rahmen des ihr eingeräumten Benützungsrechtes auch durch Abschluß eines Mietvertrages über die ihr zur Benützung zugewiesene Wohnung zu verfügen. Der Beklagte sei jedoch nicht verpflichtet, seine Zustimmung zu dieser Vermietung zu erklären, weil er durch diese Vermietung gar nicht berührt werde. Auch wenn die Klage in die Form einer Feststellungsklage gekleidet worden wäre, wäre sie abzuweisen gewesen, weil die Berechtigung einer solchen Feststellung die Zustimmung des Beklagten zur Vermietung durch die Klägerin zur Voraussetzung hätte, eine solche Zustimmung aber nicht einmal behauptet worden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge. Es änderte das Urteil der ersten Instanz dahin ab, daß es mit Urteil erkannte:

"Das von der Klägerin als Eigentümerin der Hälfte der Liegenschaft

mit Karl H. begrundete Mietverhältnis über die ... Wohnung Nr. 3 im

ersten Stock des Hauses ... besteht auch gegenüber dem Beklagten als

Eigentümer der anderen Hälfte dieser Liegenschaft." Das Berufungsgericht teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß es sich bei der Vereinbarung vom 18., bzw. 20. Juni 1960 um eine Benützungsregelung handle. Es vertrat aber die Auffassung, daß ein Miteigentümer, dem ein Teil der gemeinschaftlichen Sache auf eine Weise zur ausschließlichen Benützung überlassen worden sei, wie dies im vorerwähnten Übereinkommen geschehen sei, berechtigt sei, über den ihm zugewiesenen Teil auch durch Vermietung an einen Dritten mit Wirkung für die übrigen Miteigentümer der Liegenschaft zu verfügen. Der Mietvertrag werde in einem solchen Falle zwar formell im eigenen Namen, materiell aber auch namens der Miteigentümer geschlossen. Die dem Miteigentümer zugestandene alleinige Verfügungsmacht über einen Teil der Liegenschaft sei nämlich einer Verwaltungsvollmacht gleichzuhalten, die auch zum Abschluß eines Mietvertrages mit Wirkung für die Gesamtheit der Miteigentümer berechtige. Der zwischen der Klägerin und Karl H. geschlossene Mietvertrag binde daher auch den Beklagten als Hälfteeigentümer der Liegenschaft. Das Klagebegehren sei seinem Inhalt nach nicht ein Leistungsbegehren, sondern ein Feststellungsbegehren. Das rechtliche Interesse der Klägerin an der Feststellung, daß der Mietvertrag auch mit Wirkung für den Beklagten als Hälfteeigentümer der Liegenschaft geschlossen worden sei, sei zu bejahen. Bei dem festzustellenden Rechtsverhältnis handle es sich um ein Dauerschuldverhältnis. Der Beklagte habe ernstlich bestritten, daß der Mietvertrag auch für ihn wirksam sei. Mit der Behauptung, der Mietvertrag sei erst nach Einbringung der Teilungsklage geschlossen worden, habe der Beklagte zum Ausdruck gebracht, daß er sich jedenfalls mit Rücksicht auf den im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages bereits anhängigen Teilungsprozeß an den Mietvertrag nicht gebunden erachte. Die Klägerin habe auch ihrem Bruder als Bestandnehmer gegenüber für Mängel am Bestandrecht Gewähr zu leisten. Daher müsse das rechtliche Interesse der Klägerin an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses bejaht werden, zumal die Benützungsregelung als solche nur obligatorische Wirkung habe und Rechtsnachfolger des Miteigentümers nicht binde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Beklagte bestreitet zwar nicht, daß bei der Prüfung der Frage, ob es sich bei dem Klagebegehren um ein Leistungsbegehren oder um ein Feststellungsbegehren handelt, nicht am Wortlaut zu haften, sondern das Begehren im Zusammenhalt mit dem Vorbringen seinem Inhalt nach zu beurteilen ist (EvBl. 1956 Nr. 34 S. 71 u. a.). Der Beklagte wendet sich aber gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß das Klagebegehren seinem Inhalte nach ein Feststellungsbegehren sei. Die Klägerin wolle ihn zu einer aktiven Tätigkeit zwingen, nämlich zu einer ausdrücklichen Anerkennung des von der Klägerin mit Karl H. geschlossenen Bestandvertrages. Dieser Ansicht des Beklagten kann aber nicht beigepflichtet werden. Der Beklagte soll nicht, wie er meint, zu einer im Exekutionswege erzwingbaren Leistung, nämlich zur Abgabe einer ausdrücklichen Anerkenntniserklärung verhalten werden. Das dem Klagebegehren stattgebende Urteil stellt vielmehr als solches die Verbindlichkeit des von der Klägerin mit Karl H. abgeschlossenen Bestandvertrages auch für den Beklagten fest, ohne daß es irgend eines Zutuns des Beklagten bedürfte. Dem Berufungsgericht ist daher darin beizupflichten, daß das Klagebegehren seinem Inhalt nach ein Feststellungsbegehren ist.

Dem Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, daß es an einem rechtlichen Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung im Sinn des § 228 ZPO. mangle. Zu den Ausführungen des Beklagten, er habe entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes die Wirksamkeit des gegenständlichen von der Klägerin mit Karl H. geschlossenen Mietvertrages nie ernstlich bestritten, ist zu bemerken, daß es hier nicht um die vom Beklagten nicht bestrittene Wirksamkeit des Bestandvertrages im Verhältnis zwischen der Klägerin und Karl H. geht, sondern darum, ob der zwischen der Klägerin und Karl H. geschlossene Vertrag auch gegenüber dem Beklagten in seiner Eigenschaft als Hälfteeigentümer der Liegenschaft wirksam ist. Daß er sich auch in seiner Eigenschaft als Miteigentümer der Liegenschaft an den Vertrag gebunden erachte, hat der Beklagte nie zum Ausdruck gebracht. Aus seinem im Prozeß eingenommenen Standpunkt ergibt sich vielmehr, daß er den Bestandvertrag ausschließlich als eine das Rechtsverhältnis der Klägerin zu Karl H. berührende Angelegenheit betrachtet sowie, daß er in diesem Zusammenhang auch dem Umstand Bedeutung beimißt, daß der Vertrag erst nach Einbringung der Teilungsklage geschlossen worden sei. Welchen anderen Zweck hätte aber der Hinweis auf die zeitliche Reihenfolge der Einbringung der Teilungsklage und des Abschlusses des Mietvertrages haben sollen als eben den, daß die Rechtsstellung des Beklagten als Hälfteeigentümers der Liegenschaft durch den von der Klägerin mit Karl H. erst nach Einbringung der Teilungsklage geschlossenen Bestandvertrag nicht berührt werde. Es trifft auch nicht zu, daß die Wirkung des Feststellungserkenntnisses auf den vorliegenden Prozeß beschränkt sei. Das dem Klagebegehren stattgebende Urteil äußert seine Wirkung auch in künftigen Streitigkeiten zwischen den beiden Hälfteeigentümern der Liegenschaft, soweit sich diese Streitigkeiten auf den Umfang der Wirksamkeit des zwischen der Klägerin und Karl H. geschlossenen Mietvertrages beziehen. Das rechtliche Interesse der Klägerin, die, wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, nicht nur in ihrer Eigenschaft als Miteigentümerin der Liegenschaft, sondern auch in ihrer Eigenschaft als Vertragspartnerin des Karl H. an einer Klarstellung interessiert ist, ob das Bestandsverhältnis auch für den Beklagten in seiner Eigenschaft als Hälfteeigentümer der Liegenschaft verbindlich ist, kann daher nicht bezweifelt werden.

Ist aber der Klägerin das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung nicht abzusprechen, dann muß auf die vom Beklagten in der Revision gar nicht behandelte Frage eingegangen werden, ob der von der Klägerin mit Karl H. geschlossene Mietvertrag auch für den Beklagten als Hälfteeigentümer der Liegenschaft verbindlich ist. Diese Frage wurde vom Berufungsgericht mit Recht bejaht. Der Klägerin wurde im Punkt V des Vertrages vom 18., bzw. 20. Juni 1960 nicht nur das Recht der alleinigen Benützung der gegenständlichen, im ersten Stock des Hauses gelegenen Wohnung zugestanden. Es wurde ihr vielmehr darüberhinaus ausdrücklich das Recht eingeräumt, über diese Wohnung nach eigenem Gutdünken zu verfügen, ohne hiezu der Zustimmung des Beklagten zu bedürfen. In dieser Vereinbarung hat das Berufungsgericht mit Recht nicht bloß eine Zuweisung zum Gebrauche, sondern darüber hinaus die Ermächtigung erblickt, die Wohnung auch mit Wirkung für die übrigen Miteigentümer der Liegenschaft, also auch mit Wirkung für den Beklagten, zu vermieten. Diese unbeschränkte Verfügungsmacht muß nämlich, wie der Oberste Gerichtshof bereits in mehreren ähnlich gelagerten Fällen zum Ausdruck gebracht hat, einer auch zur Vermietung mit Wirkung für die Gesamtheit der Liegenschaftseigentümer berechtigenden Verwaltungsvollmacht gleichgehalten werden (MietSlg. 17.043, 4902). Ob im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages bereits die Teilungsklage anhängig war, hat das Berufungsgericht mit Recht nicht als entscheidend angesehen, weil durch die bloße Tatsache der Einbringung der Teilungsklage noch nicht das schon vorher vertraglich begrundete Recht der Klägerin zum Erlöschen gebracht worden ist.

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

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