European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00037.920.0407.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 2.720 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei ist Miteigentümerin von 29.550/44.000-Anteilen der Liegenschaft EZ ***** KG A***** mit dem Haus Wien F***** und hat auf Grund einer Benützungsregelung alleinige Sondernutzungsrechte an den Geschäftsräumen top. 25 im obersten Geschoß dieses Hauses. Das Objekt wird seit Jahren für Zwecke der W***** verwendet; alle anderen selbständigen Räumlichkeiten des Hauses stehen seit 1956 im Wohnungseigentum anderer (nicht an diesem Verfahren beteiligter) Miteigentümer.
Die beklagte Partei behauptet, seit 1. Jänner 1964 Hauptmieterin von top. 25 zu sein. Tatsächlich wurde am 14. Dezember 1963 zwischen Dipl.-Ing. Dr. Franz K*****, dem seinerzeitigen Eigentümer der bereits erwähnten 29.550/44.000 Liegenschaftsanteile, und der U***** - W***** ein Mietvertrag über das fragliche Geschäftslokal abgeschlossen, der der beklagten Partei - worüber sich die Streitteile einig sind - mit Wirkung vom 1. Jänner 1964 Hauptmietrechte verschaffte. Schon damals bestand zwischen den Liegenschaftseigentümern die Vereinbarung, daß jenem einzigen Miteigentümer, mit dessen Liegenschaftsanteil kein Wohnungseigentum verbunden war, das ausschließliche Nutzungsrecht an top. 25 zukommen sollte.
Am 10. August 1966 kaufte die Republik Österreich von Dipl.-Ing. Dr. Franz K***** die Anteilsrechte an der Liegenschaft EZ ***** KG A***** so, wie sie dieser "besessen hat oder zu besitzen und zu benützen berechtigt war" und wurde selbst Miteigentümerin. Die W***** behielten das Geschäftslokal und zahlten weiterhin (bis Juni 1990) den ihnen von der Gebäudeverwaltung vorgeschriebenen Mietzins.
Am 18. Dezember 1989 verkaufte die beklagte Partei ihre Liegenschaftsanteile an die klagende Partei. Im Zuge der Vertragsverhandlungen nahm die beklagte Partei (vertreten durch die Bundesgebäudeverwaltung) die Position ein, daß das Institut ***** W***** (weiterhin) Mieterin des Geschäftslokals top. 25 sei, während Rechtsanwalt Dr. O***** als Vertreter der klagenden Partei auf dem Standpunkt stand, die Mietrechte der beklagten Partei seien auf Grund ihres Eigentumserwerbs im Jahr 1966 erloschen. In Punkt 5 des dennoch abgeschlossenen Vertrages heißt es:
"Die mit den Liegenschaftsanteilen verbundenen Bestandverhältnisse werden ohne Anrechnung auf den Kaufpreis von der Käuferin übernommen und diese hält die Verkäuferin aus diesem Titel schad- und klaglos".
Die klagende Partei begehrt jetzt die Räumung des Geschäftslokals mit der Begründung, die beklagte Partei habe es seit 1966 nur mehr auf Grund ihres Eigentums benützt und habe diesen Benützungstitel durch den Verkauf ihrer Anteilsrechte verloren. Die beklagte Partei hält dem entgegen, ihre Hauptmietrechte auch als Miteigentümerin der Liegenschaft behalten und ausgeübt zu haben (das weitere Prozeßvorbringen der Streitteile ist für das Revisionsverfahren ohne Belang).
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Obwohl die Passivlegitimation der beklagten Partei gar kein Streitpunkt war, nahm es an, daß die Hauptmietrechte am fraglichen Geschäftslokal auf Grund des Mietvertrages vom 14. Dezember 1963 der U***** kraft eigener Rechtspersönlichkeit zustünden; selbst wenn jedoch die beklagte Partei im Jahr 1964 Mieterin geworden sein sollte, wäre das Räumungsbegehren verfehlt, weil durch den Erwerb von Miteigentumsanteilen an der Bestandsache im Jahr 1966 keine Vereinigung von Vermieter- und Mieterstellung im Sinne des § 1445 ABGB eingetreten sei (MietSlg. 31.166). Zu einem Erlöschen des Bestandrechtes wäre es nur bei einer ausdrücklich darauf abzielenden Vereinbarung gekommen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung auf der Grundlage des unstrittigen Sachverhalts, daß das mit Wirkung vom 1. Jänner 1964 begründete Bestandverhältnis mit der beklagten Partei zustandegekommen war. Diese Hauptmietrechte seien aus den vom Erstgericht angestellten Erwägungen nie untergegangen. Auch der vermietende allein verfügungsberechtigte Miteigentümer begründe nämlich bei der Vermietung des ihm zur Benützung zugewiesenen Objektes ein Mietverhältnis mit allen Miteigentümern (Würth in Rummel I2, Rz 9 zu §§ 1092 bis 1094 ABGB; derselbe in Rummel II, Rz 4 zu § 2 MRG; EvBl. 1988/58; 4 Ob 520/89 = JBl. 1989, 526). Er handle - auch wenn er dies nicht zum Ausdruck bringt - im Zweifel als Vertreter sämtlicher Eigentümer der Liegenschaft (4 Ob 520/89 = JBl. 1989, 526). Daran vermöge auch die Tatsache nichts zu ändern, daß mit den Anteilen der übrigen Miteigentümer Wohnungseigentum verbunden war und ist. Auch bei einem "gemischten Haus" könne ein Mietverhältnis wirksam nur mit allen Miteigentümern (also schlichten Miteigentümern und Wohnungseigentümern) zustandekommen. Wenn die Mietzinseinnahmen nur demjenigen Miteigentümer zufließen, der kraft einer Benützungsvereinbarung über das einzige nicht im Wohnungseigentum stehende Objekt disponieren kann, entspreche dies nur der klaren Regelung des § 20 Z 2 WEG.
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes enthält den Ausspruch, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß sich der Oberste Gerichtshof - soweit ersichtlich - noch nicht zur Frage geäußert habe, ob auch der allein verfügungsberechtigte schlichte Miteigentümer einer ansonsten im Wohnungseigentum stehenden Liegenschaft bei der Vermietung der ihm vorbehaltenen Räumlichkeiten im Zweifel Bestandverhältnisse mit allen Miteigentümern begründet.
Gegen dieses Urteil hat die klagende Partei fristgerecht Revision mit der Begründung erhoben, daß der einzige schlichte Miteigentümer einer Liegenschaft, dem durch eine Benützungsvereinbarung mit den Wohnungseigentümern das alleinige Verfügungsrecht an einem Objekt überlassen wurde, wie ein Wohnungseigentümer behandelt werden müsse und deshalb bei der Vermietung des ihm überlassenen Objekts alleiniger Bestandgeber sei. Folgerichtig habe der Erwerb dieses schlichten Miteigentumsanteils durch die beklagte Partei zum Erlöschen der Hauptmietrechte durch Vereinigung im Sinne des § 1445 ABGB geführt. Der Revisionsantrag geht dahin, das Berufungsurteil entweder im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern, oder aber aufzuheben und die Klage zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.
Von der beklagten Partei liegt dazu eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Bestätigung des Berufungsurteiles vor.
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Dem Anliegen der Revisionswerberin, zu den Eigentumsverhältnissen an der streitgegenständlichen Liegenschaft von 1964 bis heute auch noch die seit 1956 unverändert gebliebene Benützungsvereinbarung festzustellen, hat bereits das Berufungsgericht entsprochen, indem es das diesbezügliche Vorbringen der klagenden Partei als schlüssig zugestandenen Sachverhalt (§ 267 Abs 1 ZPO) einer rechtlichen Beurteilung unterzog. Auch die eingangs wiedergegebenen Entscheidungsgrundlagen berücksichtigen die im fraglichen Zeitraum geltende Benützungsvereinbarung zwischen den jeweiligen Mit- und Wohnungseigentümern als feststehende Tatsache, sodaß eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht zu erkennen ist.
In der Sache selbst bestreitet auch die Revisionswerberin nicht, daß von einem Fortbestand der Hauptmietrechte der beklagten Partei auszugehen wäre, wenn Vermieter des mit Wirkung vom 1. Jänner 1964 begründeten Mietverhältnisses nicht der damalige Anteilseigentümer Dipl.-Ing. Dr. Franz K*****, sondern die gesamte Eigentümergemeinschaft war. Der Kauf der schlichten Miteigentumsanteile durch die beklagte Partei hätte dann nämlich nicht zu einer Vereinigung sämtlicher Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag in einer Person geführt (E 3 zu § 1445 ABGB, MGA33 u. a.; zuletzt EvBl. 1991/197; Gamerith in Rummel I2, Rz 5 zu § 834 ABGB; Hofmeister in Schwimann, Rz 27 zu § 834 ABGB). Da ein vernünftiger Grund fehlt, warum ein Bestandnehmer beim Erwerb eines Miteigentumsanteils am Bestandobjekt seine geschützte Position als Hauptmieter aufgeben sollte, hätte es einer ausdrücklichen Preisgabe der Hauptmietrechte bedurft, um die beklagte Partei auf die allein aus dem Miteigentum erfließenden Benützungsrechte zu beschränken (vgl. Harrer in Schwimann, Rz 9 zu § 1445 ABGB mwN).
Ebenfalls in Judikatur und Lehre abgesichert ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß ein schlichter Miteigentümer, dem auf Grund einer Benützungsvereinbarung das alleinige Nutzungsrecht an bestimmten Räumlichkeiten der gemeinsamen Liegenschaft zukommt, bei der Vermietung dieser Räumlichkeiten im Namen der Eigentümergemeinschaft kontrahiert. Die Benützungsvereinbarung verschafft ihm die dazu notwendige Verwaltungsvollmacht (Gamerith aaO, Rz 12 zu § 833 mwN; Würth in Rummel I2, Rz 9 zu §§ 1092 bis 1094 ABGB; WoBl. 1988, 37 u.a.).
Diese Rechtskonstruktion hat Eingang in § 2 Abs 1 MRG gefunden, der in allgemein gültiger Weise klarstellt (vgl. MietSlg. 35.289; MietSlg. 39/45), daß Hauptmietrechte nur vom Eigentümer sowie Fruchtnießer der ganzen Liegenschaft oder vom Wohnungseigentümer erworben werden können (vgl. Jus Extra 914). Warum der mit dem schlichten Miteigentümer einer Liegenschaft über ein seiner ausschließlichen Nutzung vorbehaltenes Objekt abgeschlossene Hauptmietvertrag anders behandelt werden sollte, weil alle übrigen Miteigentümer und Partner der Benützungsvereinbarung über Wohnungseigentum verfügen, ist nicht einzusehen. Auch ein solcher Mietvertrag wurde notwendigerweise im Namen der Eigentümergemeinschaft abgeschlossen, weil schlichtes Miteigentum - mögen sich auch die damit verbundenen Nutzungsrechte auf bestimmte Räumlichkeiten konzentrieren - die für das Wohnungseigentum typische alleinige Verfügungsmacht über reale Teile der gemeinsamen Sache nicht vermitteln kann. Die Grenze der Verfügungsmacht des Miteigentümers über den ihm zur Alleinbenützung überlassenen Teil der gemeinsamen Sache liegt dort, wo wichtige Interessen der übrigen Miteigentümer berührt werden (MietSlg. 23.081; MietSlg. 27.070; vgl. auch MietSlg. 38.050 und Faistenberger-Barta-Eccher, Schuldrecht, Bes. Teil und Schadenersatz2, 333). Eine Treuepflicht zur Wahrung der Gemeinschaftsinteressen trifft zwar auch den Wohnungseigentümer (§ 14 Abs 1 WEG iVm §§ 825 ff ABGB); anders als beim schlichten Miteigentümer ist jedoch das Objekt seiner Rechtsmacht die ihm gemäß § 1 Abs 1 WEG zur ausschließlichen Nutzung und alleinigen Verfügung zugeordnete selbständige Räumlichkeit (vgl. Faistenberger-Barta-Call, Kommentar zum WEG 1975, Rz 10 zu § 1) und nicht nur der ideelle Miteigentumsanteil an der gemeinsamen Sache. Darum disponiert der Wohnungseigentümer über sein Objekt grundsätzlich frei und allein, während der schlichte Miteigentümer durch Verfügungen über reale Teile der gemeinsamen Sache in die Rechte der Teilhaber eingreift (§ 828 ABGB). Eine Benützungsregelung ändert diese unterschiedlichen dinglichen Rechtspositionen nicht, weil sie nur obligatorische Rechte begründet (Gamerith aaO, Rz 4 zu § 834 mwN). Die beklagte Partei konnte daher ihre Hauptmietrechte (mit allen Konsequenzen, die sich daraus für den späteren Erwerb des Miteigentums am Bestandobjekt ergeben haben) nur von der Eigentümergemeinschaft und nicht von einem einzelnen schlichten Miteigentümer erhalten haben, mögen diesem auch obligatorische Alleinbenützungsrechte am Bestandobjekt zugestanden sein.
Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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