OGH 6Ob226/97x

OGH6Ob226/97x12.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hartwig F*****, vertreten durch Dr.Karl-Heinz Plankel, Dr.Herwig Mayrhofer und Dr.Robert Schneider, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei Dr.Gebhard H*****, vertreten durch Winkler-Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in Bregenz, wegen Feststellung (Streitwert 300.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 11.April 1997, GZ 4 R 67/97b-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 10.Jänner 1997, GZ 6 Cg 236/96k-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das Berufungsurteil dahin abgeändert, daß das klageabweisende Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 22.870,80 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 3.811,80 S Umsatzsteuer) und die mit 40.700 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 4.575 S Umsatzsteuer und 13.250 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der von 1990 bis Mai 1995 unter Sachwalterschaft stehende Kläger, zu dessen Sachwalter - insbesondere auch zur Vertretung vor Behörden und Ämtern sowie vor Gericht - mit Beschluß des zuständigen Bezirksgerichtes vom 8.Oktober 1990 der (pensionierte) Steuerberater Dkfm.Reinhold M***** bestellt worden war, war und ist Eigentümer eines mehrgeschossigen Wohnhauses in Dornbirn, in dessen Erdgeschoß sich ein von ihm verpachtetes türkisches Cafehaus mit Nachtbetrieb befindet. Am 24.Juni 1993 beantragte der Grundnachbar des Klägers die Baubewilligung für den Umbau (Errichtung von Kleinwohnungen ua) und die Renovierung eines bestehenden Wirtschaftsgebäudes, an welches das Haus des Klägers bereits vor dem Umbau abstandslos anschloß. Die Ladung zur Bauverhandlung vom 2.September 1993 wurde dem Kläger und nicht seinem Sachwalter zugestellt, die Bauverhandlung an Ort und Stelle wurde in Abwesenheit des Klägers und seines Sachwalters durchgeführt. Am 16.September 1993 ersuchte der Kläger den beklagten Rechtsanwalt telephonisch, für ihn in dieser Bausache einzuschreiten. Nachdem der Beklagte Einsicht in den Bauakt genommen hatte, kam es am 24. September 1993 zu einem ersten Kontakt zwischen ihm und dem Sachwalter des Klägers. In einem etwa 20 Minuten dauernden Gespräch vertrat der Sachwalter den Standpunkt, er halte ein Einschreiten des Beklagten nicht für zielführend, nach seinen Erfahrungen in Bausachen habe man keine Chance. Als Sachwalter habe er auch das Vermögen des Klägers ordnungsgemäß zu verwalten; dazu gehöre auch, keine unnötigen Rechtsanwaltskosten auflaufen zu lassen. Da jedoch der Kläger unbedingt ein Einschreiten des Beklagten wünschte, wirkte dieser auf Vollmachtserteilung durch den Sachwalter hin. Schließlich erklärte sich der Sachwalter mit dem Einschreiten des Beklagten im Bauverfahren als Nachbar des Bauobjektes einverstanden. Der Beklagte wußte von der anhängigen Sachwalterschaft und der Bestellung des Sachwalters.

Der Beklagte erklärte im Schreiben vom 27.September 1993 an das Amt der Stadt Dornbirn ua, der Kläger sei aus einer Reihe von Gründen zur Erteilung der erforderlichen Abstandsnachsicht nicht bereit. Eine Kopie dieses Schreibens erhielt auch der Sachwalter. Das Amt der Stadt Dornbirn erteilte mit Bescheid vom 8.November 1993 die Baubewilligung. Im Bescheid ist festgehalten, daß der Stadtrat der Stadt Dornbirn in einer näher bezeichneten Sitzung die Genehmigung für die Zulassung einer Bauabstandsnachsicht (von 6,96 m auf 0) gegenüber der Liegenschaft des Klägers erteilt habe. Der Beklagte diktierte nach Erhalt des Baubescheides am 16.November 1993 am 17. November 1993 folgendes Schreiben an den Sachwalter:

"In obiger Sache habe ich nunmehr den beiliegenden Bescheid der Stadt Dornbirn erhalten. Aufgrund des Umstandes, daß ich mit Schreiben vom 25.10.1993 der Stadt Dornbirn mitgeteilt habe, daß die Stellungnahme vom 27.9.1993 auch in ihrem Einverständnis abgegeben wurde, gehe ich davon aus, daß der Bescheid mir rechtsgültig für Herrn ... (Kläger) zugestellt wurde.

Meines Erachtens ist der Bescheid formell bereits deshalb fehlerhaft,

weil die Zustellung der Vorladung zur Bauverhandlung an den unter

Sachwalterschaft stehenden ... (Kläger) am 20.8.1993 nicht

rechtswirksam erfolgen konnte, und ihn daher auch keine Säumnisfolgen treffen können.

Da Herr ... (Kläger) nicht mit dieser Bauführung einverstanden ist,

andererseits aber derzeit nicht zu erreichen ist, bitte ich Sie, sich mit mir umgehend in Verbindung zu setzen, ob Berufung gegen den Bescheid zu erheben ist oder nicht. Die Berufungsfrist endet am 29.11.1993, ich benötige aber einige Tage Vorbereitungszeit."

Nach Erhalt des Baubescheides, überschneidend mit dem Diktat des Berichtschreibens vom 17.November 1993, erhielt der Beklagte einen Telefonanruf des Sachwalters wegen einer Pachtsache, in der der Beklagte gleichfalls für den Kläger tätig war. Der Beklagte - für ihn war der Kläger zu diesem Zeitpunkt wegen eines Kuraufenthaltes nicht erreichbar - teilte in diesem Telefonat dem Sachwalter mit, der Bescheid der Stadt Dornbirn wäre gekommen, die Einwendungen gegen das Bauvorhaben wären abgelehnt worden. Der Sachwalter kommentierte diese Mitteilung damit, dies wäre für ihn ohnedies von vorneherein klar gewesen. Der Beklagte teilte dem Sachwalter mit, letzterer werde ein Berichtschreiben und seine Meinung zum Bescheid erhalten. Der Sachwalter solle sich die Unterlagen anschauen und dem Beklagten daraufhin mitteilen, ob er eine Berufung wolle oder nicht. Beim Telefonat selbst äußerte sich der Sachwalter zu dieser Frage nicht. Zu diesem Zeitpunkt war jedenfalls für den Beklagten aufgrund des Telefongespräches klar, daß der Sachwalter sich beim Beklagten melden werde, wenn eine Berufung gewünscht werde. Aufgrund des Telefongespräches und seines dem Sachwalter zugekommenen Berichtschreibens ging der Beklagte davon aus, der Sachwalter wünsche keine Berufung, und erachtete es für nicht notwendig, den Sachwalter dazu zu überreden. Auch auf das Berichtschreiben reagierte der Sachwalter nicht, sodaß der Beklagten keine Berufung einbrachte, obwohl ihm der Fristablauf bewußt war.

Als sich der Kläger am 9.Dezember 1993 telefonisch beim Beklagten erkundigte, teilte ihm letzterer mit, er habe den Bescheid erhalten, jedoch keine Berufung gemacht, weil der Sachwalter eine solche nicht gewollt hätte. Da der Kläger den Beklagten aufforderte, unbedingt Berufung zu erheben, brachte der Beklagte einen (schließlich erfolglosen) Wiedereinsetzungsantrag ein, in dem (unrichtigerweise) mit einer entsprechenden, vom Sachwalter unterfertigten Erklärung vorgebracht wurde, der Sachwalter habe das Berichtschreiben nicht erhalten.

Der Kläger begehrt nun die Feststellung, der Beklagte hafte für alle Schäden, die ihm aus seiner rechtsfreundlichen Vertretung in diesem Bauverfahren, insbesondere durch die Versäumung der Berufungsfrist und die Nichterhebung von Einwendungen nach § 6 Abs 10 des Vorarlberger BauG (vBauG) erwachsen seien. Denn ihm sei durch die Versäumung des Beklagten, Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid einzubringen und eine subjektiv öffentliche Einwendung nach § 6 Abs 10 vBauG zu erheben - was möglich gewesen wäre, weil der Kläger übergangene Partei iSd § 37 AVG gewesen sei - , Schaden entstanden. Es drohe die Gefahr, daß aufgrund von Beschwerden der in den Neubau eingezogenen Personen die Schließung des im Hause des Klägers betriebenen Cafehauses oder eine Einschränkung der Betriebszeit angeordnet werde; aber auch, daß sich der für den Kläger erzielbare Pachtzins wegen der Probleme mit den Nachbarn mindere. Eine Berufung wäre erfolgreich gewesen. Die Behörde habe nämlich ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen den Bau statt mit dem Mindestabstand von 6,96 m ohne Abstand genehmigt. Insbesondere wäre das Grundstück des Bauwerbers groß genug gewesen, um einen dementsprechend langen und breiten Baukörper auch bei Einhaltung des Mindestabstandes zu ermöglichen. Da das Cafehaus des Klägers ein "immissionsträchtiger" Betrieb sei, sei der Kläger nach der Rspr des VfGH berechtigt, sich im Baubewilligungsverfahren gegen "die heranrückende Wohnbevölkerung" zu wehren. Eine solche Einwendung hätte daher zur Versagung der Baugenehmigung geführt.

Der Beklagte wendet ein, telefonisch dem Sachwalter mitgeteilt zu haben, daß er ihn verständigen solle, falls Berufung erhoben werden solle. Da sich der Sachwalter nicht geäußert habe, sei für den Beklagten klar gewesen, daß der Sachwalter die Berufung nicht wolle, zumal er einem Einschreiten des Klägers in der Bausache von Anfang an ablehnend gegenübergestanden sei. Das Unterbleiben der Berufung sei aber auch nicht kausal für einen Schaden des Klägers, weil die Berufung nicht erfolgreich gewesen wäre. Die beiden Häuser seien ja schon vorher ohne Abstand aneinander angebaut gewesen, sodaß schon aus Gründen der Gleichbehandlung die Abstandsnachsicht hätte gewährt werden müssen; überdies finde in einem solchen Falle auch nur noch eine Prüfung der Frage der Beeinträchtigung von Interessen des Brandschutzes und der Gesundheit im Zusammenhang mit der neuen Verwendung, nicht aber eine Prüfung der Zweckmäßigkeit der Verbauung statt. § 6 Abs 10 vBauG stelle im übrigen auf Emissionen des zu bauenden Objekts ab, hier gingen solche höchstens vom Grundstück des Klägers aus.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil dem Beklagten kein schuldhaft rechtswidriges Verhalten zur Last gelegt werden könne. Für den Beklagten und den Sachwalter sei jedenfalls klar gewesen, daß eine Berufung nur dann erhoben werde, wenn der Sachwalter dies ausdrücklich wünsche. Da ein weiteres Einschreiten des Beklagten nur mit Zustimmung des Sachwalters in Frage gekommen wäre, der Sachwalter jedoch aufgrund seiner eigenen Einschätzung der Aussichten eines solchen Einschreitens diesem skeptisch gegenüber gestanden und nur nach entsprechender Überredung durch den Beklagten zu einer Auftragserteilung bereit gewesen sei, habe der Beklagte davon ausgehen können, eine Berufung werde nicht gewünscht. Von einem Rechtsanwalt könne nicht verlangt werden, daß er eine Partei nach Aufklärung über die Rechtslage zu einem mit nicht unerheblichen Kosten verbundenen Rechtsmittel überrede. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß mit einer Beauftragung, in einem Bauverfahren einzuschreiten, von vorneherein auch der Auftrag enthalten sei, auf jeden Fall eine Berufung einzubringen, wenn das Bauvorhaben nicht das gewünschte Ergebnis bringen sollte. Es müsse daher nicht mehr auf die Frage eingegangen werden, ob mit einer Berufung der Bau am Nachbargrund tatsächlich zu verhindern gewesen wäre.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren unter Billigung der erstrichterlichen Feststellungen statt. Auch unter Bedachtnahme auf den Umstand, daß der Sachwalter der Vertretung des Klägers durch den Beklagten im Bauverfahren skeptisch bis ablehnend gegenübergestanden sei, sei für den Beklagten aus dem bloßen Schweigen des Sachwalters zur Frage, ob Berufung eingebracht werden solle oder nicht, nicht klar gewesen, daß der Sachwalter gegen die Einbringung einer Berufung sei. Der Beklagte habe ja (telefonisch wie schriftlich) nicht etwa geäußert, er werde eine Berufung nur einbringen, wenn ein ausdrücklicher diesbezüglicher Auftrag ergehe, sondern habe um Äußerung gebeten, ob er die Berufung einbringen solle oder nicht. Äußere sich in einem solchen Fall der Befragte nicht, bedeute dies im Regelfall, daß die Alternativfrage eben unbeantwortet sei. Angesichts der skeptischen bis ablehnenden Haltung des Sachwalters zum Einschreiten des Beklagten im Bauverfahren habe zwar für den Beklagten eher Grund zur Annahme bestanden, das Schweigen des Sachwalters zu seiner Frage bedeute, daß er keine Berufung wolle; als sicher habe dies der Beklagte aber trotzdem nicht unterstellen können. Wenn Weisungen des Auftraggebers an einen Rechtsanwalt widersprüchlich oder nicht genügend bestimmt seien, habe dieser die Pflicht zur Rückfrage beim Auftraggeber. In der deutschen Rspr werde hingegen die Auffassung vertreten, ein Anwalt habe ohne Weisung des (entsprechend beratenen) Mandanten nicht vorzugehen, insbesondere auch kein Rechtsmittel einzulegen. Im österreichischen Schrifttum werde hingegen die Auffassung des Obersten Gerichtshofes offenkundig zustimmend zitiert (Graf, Anwaltshaftung, 76). Dort werde in diesem Zusammenhang auch darauf verwiesen, daß dem Anwalt eines Pflegebefohlenen diesem gegenüber besondere Pflichten auferlegt seien: Graf (aaO 77 f) führe aus, daß ein Anwalt, der vom gesetzlichen oder behördlich bestellten Vertreter mit der Vertretung des Pflegebefohlenen betraut worden sei, den Weisungen des Vertreters nicht uneingeschränkt folgen könne. Den Anwalt träfen eigenständige Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Pflegebefohlenen. Die übernommene Vertretung verpflichte den Anwalt zur möglichst umfassenden Interessenwahrung seines Mandanten, sodaß er Weisungen des gesetzlichen Vertreters dann nicht folgen dürfe, wenn sie erkennbar zum Nachteil des Mandanten führen könnten. Da dem Beklagten der grundsätzliche Wille des pflegebefohlenen Klägers, eine Baugenehmigung zu bekämpfen, bekannt gewesen sei, der Beklagte die Bekämpfung des Baubescheides für durchaus möglich erachtet habe und der Sachwalter der anwaltlichen Vertretung im Bauverfahren zwar skeptisch gegenübergestanden sei, aber schließlich doch die Bevollmächtigung erteilt habe und der Sachwalter im Telefonat sich zur Frage, ob eine Berufung eingebracht werden solle oder nicht, nicht geäußert habe, sei für den Beklagten objektiv aus dem bloßen Schweigen des Sachwalters zu der ihm gestellten Frage nicht klar erkennbar gewesen, ob nun Berufung eingebracht werden solle oder nicht. Der Beklagte hätte beim Sachwalter rückfragen müssen, bevor er von der Einbringung einer Berufung Abstand genommen habe. Aus dieser Unterlassung gegen seine aus dem Auftragsverhältnis entspringenden Pflichten (§ 9 RAO, § 1009 ABGB) resultiere seine Haftung für Schäden, die dem Kläger durch die Nichterstattung der Berufung entstehen können, weil der Beklagte den Verschuldensfreibeweis iSd § 1298 ABGB nicht erbracht habe.

Im Falle der Erhebung einer Berufung wäre aus im einzelnen genannten Gründen eine Bauführung ohne Mindestabstand nach § 6 Abs 9 vBauG zu verhindern gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der zweiten Instanz zugelassene Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Nach der besonderen anwaltlichen Treupflicht des § 9 RAO ist der Rechtsanwalt ua verpflichtet, die Rechte seiner Partei mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Diese Bestimmung ergänzt die des § 1009 ABGB, nach der der Gewalthaber das ihm durch den Bevollmächtigungsvertrag übertragene Geschäft emsig und redlich zu besorgen hat. Im Sinne des § 1299 ABGB hat der Rechtsanwalt den Mangel des notwendigen Fleißes und der erforderlichen Kenntnisse seines Berufes zu vertreten. Zu den wichtigsten Aufgaben des Rechtsanwaltes, der eine Vertretung übernimmt, gehört die erforderliche Belehrung seines Mandanten (SZ 56/181 mwN). So kann etwa der Rechtsanwalt durch eine fehlende Belehrung darüber, daß die Einbringung verfahrensrechtlich zulässiger Rechtsmittel empfehlenswert oder bei Bedachtnahme auf das Kostenrisiko oder sonstige Umstände ratsam sei, schadenersatzpflichtig werden (1 Ob 529/80 = MietSlg 32.228; 7 Ob 501/85 = SZ 58/165 mwN; 8 Ob 659/85). Daß der Beklagte seinen Mandanten nicht umfassend genug über die rechtliche Situation aufgeklärt habe, wird vom Kläger nicht einmal behauptet.

Grundsätzlich ist der Rechtsanwalt an Weisungen seines Auftraggebers gebunden, trägt doch der Mandant allein das mit der Durchführung des Auftrages verbundene Erfolgs- und Kostenrisiko und muß deshalb auch den wesentlichen Gang der Mandatserledigung steuern können. Umgekehrt besteht indes keine Verpflichtung des Mandanten, von seinem Weisungsrecht im einzelnen Gebrauch zu machen. Durch die konkrete Auftragserteilung wird die Tätigkeit des Rechtsanwalts ohnehin jeweils in eine bestimmte Richtung gelenkt und es entspricht durchaus den auf einem besonderen Vertrauensverhältnis basierenden Vertragsbeziehungen, wenn der Mandant nach eingehender Beratung und Belehrung die Entscheidung über die jeweils zu treffenden Einzelmaßnahmen dem Anwalt überläßt. Der Rechtsanwalt muß also keineswegs vor jedem konkreten Tätigwerden die Weisung des Mandanten einholen. Vielmehr darf er in der Regel, wenn ihm keine besonderen Weisungen bei der Verfolgung eines bestimmten Auftrages erteilt sind, den Auftrag aus eigener Entschließung erledigen. Er muß nur darauf achten, daß dabei voraussehbare und vermeidbare Nachteile für den Auftraggeber vermieden werden (vgl BGH VersR 1980, 925). Hier stellt sich nicht die Frage, in welchen Fällen der Rechtsanwalt die ihm durch den Mandanten gewährte "Freiheit" nicht nutzen darf, sondern eine konkrete Anweisung, zumindest aber ein ausdrückliches Einverständnis mit der jeweils vorgeschlagenen Maßnahme einholen muß, sondern, ob der Rechtsanwalt ein Rechtsmittel ergreifen muß, wenn trotz seines Ersuchens an den Sachwalter des Mandanten um Weisung zur Ergreifung eines solchen keine solche Weisung erteilt wird. Der Rechtsanwalt hat nach deutscher Auffassung somit ohne Weisung des beratenden und belehrten Mandanten nicht vorzugehen (vgl Borgmann/Haug, Anwaltshaftung3 Rz 124). Insoweit hat die zweite Instanz auch zutreffend auf die Rechtsansicht des OLG Karlsruhe (aaO FN 415) verwiesen, wenn der benachrichtigte Mandant keine Weisung für eine Berufung gegen das - dort die Vaterschafts-Anfechtungsklage abweisende - Ersturteil erteilt, habe der Rechtsanwalt keine Rechtspflicht, von sich aus vorsorglich das Rechtsmittel einzulegen. In dieser Allgemeinheit wird dies für den österr. Rechtsbereich, wie die zweite Instanz zutreffend erkannte, nicht ausgesprochen. Jedenfalls liegt im vorliegenden Fall im Ersuchen des Rechtsanwaltes um Weisung kein rechtswidriges Verhalten.

Im Zweifel, also mangels ausreichender Information, muß der Rechtsanwalt rückfragen (RdW 1983, 106 = MietSlg 35.119 = HS 14.773 zur Frage der Rückfrage vor Abschluß eines Vertrages; WBl 1987, 212), das heißt im Rahmen seiner Beratungs- und Belehrungspflicht auf eine Klarstellung oder Änderung einer unklaren, nicht genügend bestimmten oder problematischen Weisung hinwirken (vgl Borgmann/Haug aaO Rz 125). Diese Verpflichtung trifft den Beauftragten zufolge analoger Anwendung des § 385 Abs 2 HGB (Stanzl in Klang2, IV/1 822) nicht bloß, wenn er von den Weisungen seines Geschäftsherrn abgehen will, sondern auch in dem gleichzuhaltenden Fall, daß der der Vollmachtserteilung zugrunde liegende Auftrag nicht ausreichend bestimmt ist (RdW 1983, 106; 8 Ob 661/87 mwN; RIS-Justiz RS0038753;

Graf, Anwaltshaftung 76; Strasser in Rummel2, § 1009 ABGB Rz 14;

Apathy in Schwimann2, § 1009 ABGB Rz 8; Koziol/Welser, Grundriß10 I 364; Schey, Obligationenverhältnisse 550). Ein Schadenersatzansprüche auslösendes schuldhaftes Fehlverhalten des beklagten Rechtsanwaltes kann im vorliegenden Fall nicht darin liegen, daß er den Sachwalter zur Ergreifung des Rechtsmittels nicht geradezu überredete; für den Entschluß des Mandanten, letztlich kein Rechtsmittel zu ergreifen, ist der Rechtsanwalt nicht verantwortlich (8 Ob 659/85; 7 Ob 555/88;

3 Ob 1607/92), es sei denn, sie beruhten auf einer fehlerhaften oder falschen - hier gar nicht behaupteten - Belehrung durch den Rechtsanwalt (8 Ob 659/85 unter Hinweis auf Fenzl in ÖJZ 1951, 403). Im vorliegenden Fall ergab sich die Pflicht zur Rückfrage für den beklagten Rechtsanwalt jedenfalls aus folgendem Umstand: Der Kläger stand zum Zeitpunkt der von ihm behaupteten schadensverursachenden Unterlassung des beklagten Rechtsanwaltes unter Sachwalterschaft. Eine Person, die unter Sachwalterschaft steht, ist im Wirkungskreis ihres Sachwalters - wozu hier auch die Vertretung vor Behörden gehörte - gemäß § 238 Abs 2 AußStrG unter der Voraussetzung der hier unterstellten erforderlichen Einsichtsfähigkeit beschränkt geschäftsfähig wie ein Minderjähriger über sieben Jahren (Schlemmer in Schwimann2, § 273a ABGB Rz 1). Vom einsichtsfähigen Behinderten getätigte Geschäfte, die in diesen Bereich fallen, sind zufolge § 865 zweiter Satz ABGB schwebend unwirksam und erlangen erst mit Genehmigung des Sachwalters Rechtswirksamkeit (SZ 67/86 ua; Schlemmer aaO); sie sind daher bei Genehmigungsverweigerung unwirksam (Schlemmer aaO). Für die Vertretung im gesamten Bauverfahren hatte der Kläger letztlich mit Genehmigung seines Sachwalters dem Beklagten Vollmacht erteilt. Wenn nun der Beklagte glaubte, für einzelne Verfahrensschritte - wie hier die Berufung gegen den Baubescheid - eine Weisung des Sachwalters einholen zu müssen, hätte er von sich aus Rückfrage beim Sachwalter halten müssen, wenn sich dieser zu seinem Ersuchen um Weisung nicht geäußert hatte, ehe er von der Erhebung der Berufung Abstand nahm.

Der Anspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten ist nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Der Kläger ist daher für die Behauptung beweispflichtig, daß der Schaden bei einem bestimmten und möglichen pflichtmäßigen Handeln des Rechtsanwaltes nicht eingetreten wäre (5 Ob 533/88 ua; RIS-Justiz RS0022700).

Ohne Rücksicht auf die Haftungsgrundlage besteht im Schadenersatzrecht ganz allgemein das Erfordernis der Verursachung oder Kausalität. Es wird gefragt, ob der Schaden entfiele, wenn man das Ereignis, dessen Ursächlichkeit geprüft wird, wegdenkt. Ist das der Fall, so war das Ereignis ursächlich. Steht die Kausalität eines positiven Tuns in Frage, so wird geprüft, ob der Schaden entfällt, wenn man sich eben dieses Tun wegdenkt. Kommt dagegen eine Schädigung durch Unterlassung - wie hier - in Betracht, so ist zu fragen, ob der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Wäre bei pflichtgemäßem Verhalten der Schaden nicht eingetreten, so ist die Unterlassung ursächlich (6 Ob 2100/96 = ecolex 1998, 20; Koziol/Welser, Grundriß10 I 447 f). Hätte somit hier der Sachwalter ohne die dem Beklagten vorzuwerfende Unterlassung keine Weisung für die Erstattung einer Berufung gegeben, sodaß derselbe Schaden eingetreten wäre, fehlt die erforderliche Kausalität.

Nach der stRspr des Obersten Gerichtshofes trifft die Behauptungs- und Beweislast für Tatumstände, aus denen ein haftungsbegründendes Verschulden an der Zufügung eines Schadens abgeleitet wird, denjenigen, der seinen Anspruch auf dieses Verschulden stützt, und es gehen daher in diesem Punkt verbleibende Unklarheiten zu seinen Lasten. Dasselbe gilt auch für den Beweis des Kausalzusammenhanges, der grundsätzlich vom Geschädigten zu beweisen ist. Es oblag somit dem Kläger, der Schadenersatz gegenüber dem Beklagten geltend macht, die anspruchsbegründenden Elemente einschließlich des rechtswidrigen Verhalten des Beklagten und dessen Kausalität für seinen Schaden in entsprechend konkreter Weise zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Die Beweispflicht für das Vorliegen des Kausalzusammenhanges gilt auch in Fällen des § 1298 ABGB; die Beweislastumkehr dieser Bestimmung betrifft nur den Verschuldensbereich (jüngst 6 Ob 2100/96 mvwN).

Während die Frage der Zulässigkeit des Anscheins- oder prima-facie-Beweises - also danach, ob ein Tatbestand mit typisch formelhaftem Geschehensablauf vorliegt, der eine Verschiebung des Beweisthemas ermöglicht - nach allgemeiner Auffassung zur rechtlichen Beurteilung gehört, fällt die Wertung, ob ein solcher Anscheinsbeweis im konkreten Einzelfall erbracht oder durch einen Gegenbeweis erschüttert wurde, in den Bereich der nicht revisiblen Beweiswürdigung (SZ 56/145 ua; Fasching III 326 und Lehrbuch2 Rz 897 mwN; Harrer in Schwimann2 § 1296 ABGB Rz 5 mwN). Der Anscheinsbeweis beruht darauf, daß bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, daß auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist. Die Möglichkeit der Dartuung von Geschehensabläufen auf Grund von Erfahrungssätzen ist eine Beweiserleichterung für denjenigen, der anspruchsbegründende Tatsachen zu beweisen hat, ermöglicht somit eine Verschiebung von Beweisthema und Beweislast. Der Anscheinsbeweis wird in Fällen als sachgerecht empfunden, in denen konkrete Beweise vom Beweispflichtigen billigerweise nicht erwartet werden können, weil es sich um Umstände handelt, die allein in der Sphäre des anderen liegen und daher nur ihm bekannt und auch nur von ihm beweisbar sind (6 Ob 2100/96 mwN ua). Bei der Verletzung einer Aufklärungs- und Erkundigungspflicht des Rechtsanwaltes ist dem Geschädigten der Nachweis der Kausalität des Verhaltens des Schädigers für den eingetretenen Schaden durchaus zuzumuten (6 Ob 2174/96s = JBl 1997, 522 = RdW 1997, 451 ua). Der vorliegende Fall scheint dem zuletzt genannten durchaus vergleichbar. Die Frage, ob der Sachwalter die Weisung zur Erstattung einer Berufung bei Rückfrage durch den Rechtsanwalt gegeben hätte, fiel in die alleinige Ingerenz des Sachwalters. Abgesehen davon wird der Anscheinsbeweis dann als unzulässig angesehen, wenn gerade wie hier der Kausalablauf durch einen individuellen, freien Willensentschluß eines Menschen bestimmt wird (6 Ob 2100/96 mwN ua; Fasching, Lehrbuch2 Rz 894). Es ist daher auch in der Frage des Kausalitätszusammenhanges zwischen der unterlassenen Rückfrage des Rechtsanwaltes nach einem Ersuchen um Weisung und der entsprechenden Weisung des Sachwalters des Mandanten zur Erstattung eines Rechtsmittels ein Anscheinsbeweis nicht zulässig.

Daher bleibt es bei der Beweispflicht des Klägers. Nun hat aber der Kläger im Verfahren erster Instanz weder behauptet, daß die unterlassene Rückfrage des Beklagten beim Sachwalter schadensursächlich sei noch vor allem, daß der Sachwalter bei einer solchen Rückfrage des Beklagten die Weisung zur Erhebung der Berufung gegeben hätte. Die entsprechende Zeugenaussage des Sachwalters kann nach stRspr ein entsprechendes Prozeßvorbringen des Klägers nicht ersetzen.

Der Revision ist demnach Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen. Eines Eingehens auf Fragen der hypothetischen Behördenentscheidung (SZ 56/181; Graf aaO 141) nach § 30 Abs 1 iVm § 6 Abs 9 und Abs 10 vBauG und in diesem Zusammenhang auftauchende Beweisfragen bedarf es nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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