OGH 8Ob659/85

OGH8Ob659/853.4.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei

C*** Baugesellschaft m.b.H., Hietzinger Hauptstraße 31, 1130 Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Broesigke, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Friedrich Grohs, Rechtsanwalt, Freyung 6, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Friedrich Fenzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 741.873,89 samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 26. September 1985, GZ 12 R 139/85-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 22. Februar 1985, GZ 39 g Cg 226/83-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.873,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 2.400,- und Umsatzsteuer von S 1.497,60) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 741.873,89 s.A. im wesentlichen mit der Begründung, er habe sie in dem zu 31 Cg 85/79 des Handelsgerichtes Wien anhängigen Rechtsstreit als Rechtsanwalt vertreten. Dieser Prozeß sei von Nikolaus und Nelly M*** gegen die nunmehrige Klägerin geführt worden; er habe in erster Instanz mit der Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von S 467.120,- samt 4 % Zinsen aus S 20.000,- seit 18. Februar 1974 und aus S 447.120,- seit 24. Mai 1978 und der mit S 114.883,24 bestimmten Verfahrenskosten geendet. Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht habe dieses Urteil bestätigt und der Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens von S 21.105,24 auferlegt. In diesem Vorprozeß habe zunächst der Rechtsanwalt Dr. D*** die Klägerin (bis einschließlich der Verfassung der Berufungsschrift) vertreten. Ab der Verrichtung der Berufungsverhandlung habe die Klägerin den Beklagten mit ihrer Vertretung in diesem Rechtsstreit beauftragt. Der Beklagte sei von ihr auch beauftragt worden, die Revision gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes einzubringen. Der Beklagte habe auch eine Revision eingebracht, die aber wegen Verspätung zurückgewiesen worden sei. Infolge der schuldhaften Versäumung der Revisionsfrist durch den Beklagten sei die Klägerin um die Möglichkeit gebracht worden, in diesem Rechtsstreit den Obersten Gerichtshof anzurufen; die Revision wäre jedenfalls erfolgreich gewesen. Der Beklagte habe daher der Klägerin schuldhaft einen Schaden in der Höhe des Klagsbetrages zugefügt (den Gegnern im Vorprozeß zu bezahlendes Kapital samt Zinsen und Kosten sowie die eigenen Vertretungskosten der Klägerin), den er ihr aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes zu ersetzen habe.

Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, daß sein Konzipient Dr. H*** im Vorprozeß in der Berufungsverhandlung vom 17. Jänner 1980 die Protokollierung des Vollmachtswechsels beantragt habe. Dennoch sei die Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien am 9. April 1980 an Dr. D*** zugestellt worden, der sie dem Beklagten übersendet habe, in dessen Kanzlei sie am 10. April 1980 eingelangt sei. Im Hinblick auf dieses Datum des Einlangens der Berufungsentscheidung in der Kanzlei des Beklagten habe Dr. H*** die Vormerkung des Beginnes der Revisionsfrist mit 11. April 1980 im Fristenbuch veranlaßt. Noch am 10. April 1980 habe Dr. H*** der Klägerin schriftlich mitgeteilt, daß eine Revision nur bei ausdrücklicher und rechtzeitiger Auftragserteilung eingebracht werde. In der Folge habe Rechtsanwalt Dr. A*** Dr. H*** telefonisch informiert, daß er mit der Revisionsverfassung beauftragt sei, doch sei ein Auftrag, die Akte an Dr. A*** zu übermitteln, nicht erfolgt. Am späten Abend des 23. April 1980 hätten Dr. A*** und die Geschäftsführerin der Klägerin den Beklagten in dessen Privathaus angerufen und von ihm die Einbringung der Revision verlangt, was für den kommenden Tag zugesagt worden sei. Am 24. April 1980 habe Dr. H*** dann die Revision eingebracht, obwohl an diesem Tag ein Angestellter der Klägerin namens B*** angerufen und im Auftrag der Geschäftsführerin der Klägerin erklärt habe, daß die Revision nicht einzubringen sei. Die Revision sei daher tatsächlich gegen den erklärten Willen der Klägerin eingebracht worden. Aber auch der telefonische Auftrag zur Revisionseinbringung an den Beklagten am späten Abend des 23. April 1980 sei verspätet gewesen und habe den Beklagten nicht verpflichtet, in den verbleibenden Stunden die Revision einzubringen. Im übrigen wäre die Reviion auch bei fristgerechter Einbringung erfolglos geblieben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte übernahm die Vertretung der nunmehrigen Klägerin im Verfahren 31 Cg 85/79 des Handelsgerichtes Wien erst im Berufungsverfahren. Mit der Führung der Angelegenheit in der Anwaltskanzlei des Beklagten war dessen damaliger Konzipient Dr. Wolfgang H*** betraut, der auch die Berufungsverhandlung verrichtete, die in zwei Terminen stattfand (17. Jänner und 28. Februar 1980). Die Vollmacht wurde beim ersten der beiden genannten Termine vorgelegt. Daß Dr. Herbert D***, der die nunmehrige Klägerin in erster Instanz vertreten hatte, nicht mehr bevollmächtigt sei, wurde nicht aktenkundig. Die Berufungsentscheidung wurde Dr. D*** am 9. April 1980, dem Beklagten am 10. April 1980 zugestellt. Der Beklagte gab die Revision am 24. April 1980 zur Post. Sie wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 10. Juni 1980 als verspätet zurückgewiesen, da die Fristberechnung ausgehend von der Zustellung an Dr. D*** vorgenommen wurde. Ein Wiedereinsetzungsverfahren wegen Versäumung der Revisionsfrist blieb erfolglos. Zur verspäteten Postaufgabe der Revision war es gekommen, weil in der Kanzlei des Beklagten der Irrtum vorherrschte, erst die Zustellung an den Beklagten habe die Revisionsfrist in Gang gesetzt; dies deshalb, da man glaubte, es sei dem Gericht die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zu Dr. D*** vor Zustellung der Berufungsentscheidung bekanntgemacht worden. Mit Schreiben vom 10. April 1980 ersuchte der Beklagte - vertreten durch Dr. H*** - die Klägerin um Bekanntgabe, ob sie die Einbringung einer Revision wünsche. Erst am 23. April 1980 zwischen 22 und 23 Uhr rief die Geschäftsführerin der Klägerin den Beklagten zu Hause an und erteilte den definitiven Auftrag, die Revision einzubringen, nachdem dies zuvor nicht klar war. Zu dieser Zeit lag schon ein Konzept des Revisionsschriftsatzes in der Anwaltskanzlei. Damals ging der Beklagte noch davon aus, daß die Frist erst am 24. April 1980 ende, sodaß er der Geschäftsführerin der Klägerin sagte, er werde morgen für die Einbringung der Revision sorgen. Noch am 24. April 1980 nach 18 Uhr wurde Dr. H*** von Herrn B*** angerufen, der ihm mitteilte, die Geschäftsführerin der Klägerin habe ihn beauftragt, auszurichten, daß die Revision durch den Beklagten nicht einzubringen sei. Da die Geschäftsführerin nicht erreichbar war und Dr. H*** dieses Telefonat als zu unsichere Grundlage für die Nichteinbringung der Revision betrachtete, gab er die Revisionsschrift trotzdem zur Post. Nicht klären ließ sich, ob Herr B*** tatsächlich den Auftrag zu diesem Telefonat von der Geschäftsführerin der Klägerin hatte.

Das Erstgericht traf ferner Feststellungen über den Inhalt der Entscheidung des Berufungsgerichtes im Vorprozeß und den Inhalt der dort eingebrachten verspäteten Revisionsschrift, deren Wiedergabe im einzelnen unterbleiben kann.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß dem Beklagten, selbst wenn er am 23. April 1980 gewußt hätte, daß die Revisionsfrist an diesem Tag endete, die Nichteinbringung der Revision nicht als Verschulden anzulasten wäre. Ein Rechtsanwalt sei ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht verpflichtet, sich auch noch zu später Abendstunde für eine Partei zu Hause bereit zu halten und fristgebundene Prozeßhandlungen noch bis 24 Uhr desselben Tages zu verrichten. Der Beklagte hätte daher auch ablehnen dürfen. Bei einem solchen rechtmäßigen Alternativverhalten wäre der behauptete Schaden ebenso eingetreten. Im übrigen wäre die eingebrachte Revision nicht aussichtsreich gewesen.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, es sei davon auszugehen, daß der 23. April 1980 der letzte Tag der Revisionsfrist gewesen sei. Die Versäumung der Revisionsfrist durch den Beklagten sei nicht kausal für den von der Klägerin behaupteten Schaden. Ohne ausdrückliche Vereinbarung sei ein Rechtsanwalt nicht verpflichtet, sich zu später Abendstunde für seinen Klienten zu Hause bereit zu halten und eine fristgebundene Prozeßhandlung bis 24 Uhr desselben Tages zu verrichten. Der von der Geschäftsführerin der Klägerin erteilte Auftrag zur Einbringung der Revision sei daher jedenfalls als verspätet anzusehen, da dem Beklagten nicht nur nicht zugemutet werden konnte, um 22 Uhr abends von seiner Privatwohnung in seine Kanzlei zu fahren und bis 24 Uhr desselben Abends die zwar von Dr. H*** schon konzipierte, aber noch nicht überarbeitete Revision durchzusehen und womöglich selbst zu schreiben und einzubringen, sondern eine solche Arbeit für den Beklagten auch in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit von höchstens zwei Stunden kaum möglich gewesen wäre. Daraus folge, daß ein etwaiges Verschulden des Beklagten an dem Umstand, daß er den 24. April 1980 für den letzten Tag der Revisionsfrist hielt, für den behaupteten Schaden keineswegs kausal sein könne, da dieser Schaden infolge der verspäteten Auftragserteilung durch die Klägerin auch sonst eingetreten wäre. Diese verspätete Auftragserteilung habe der Beklagte nicht verursacht, da er bzw. Dr. H*** der Klägerin deutlich klargelegt hätten, daß nur bei definitivem Auftrag die Revision eingebracht werde. Aber auch die Argumentation der Klägerin, sie hätte sich um die Revision rechtzeitig gekümmert, wäre ihr vom Beklagten das richtige Datum des Fristablaufes bekanntgegeben worden, sei nicht stichhältig, zumal ihr vom Beklagten ein Ende der Revisionsfrist nach den diesbezüglich unbekämpft gebliebenen Feststellungen vor dem 23. April 1980 überhaupt nicht genannt worden sei. Bei einem Verfahren mit dem Streitwert und von dem Umfang und Schwierigkeitsgrad, wie ihn das Verfahren 31 Cg 85/79 des Handelsgerichtes Wien aufgewiesen habe, erfordere die Verfassung einer Revisionsschrift einen derartigen Zeit- und Arbeitsaufwand, daß selbst unter der Annahme, daß die Geschäftsführerin der Klägerin das tatsächliche Ende der Revisionsfrist gekannt hätte, ihre Auftragserteilung am 23. April 1980 spät nach 22 Uhr jedenfalls als verspätet zu werten sei. Dr. H*** habe bereits am 10. April 1980 die Klägerin schriftlich informiert, daß eine Revision nur bei entsprechender Auftragserteilung eingebracht werde. Die Klägerin habe also bereits unmittelbar nach Beginn des Laufes der Revisionsfrist entsprechende Informationen vom Beklagten bekommen und es wäre ihr ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, zeitgerecht einen Auftrag zur Einbringung der Revision zu erteilen.

Da somit bereits die Kausalität des Verhaltens des Beklagten für den Eintritt des behaupteten Schadens zu verneinen sei, erübrige es sich, zu prüfen, ob eine Revision im Vorprozeß überhaupt den von der Klägerin behaupteten Erfolg gehabt hätte.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin. Sie bekämpft sie aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs. 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs. 3 ZPO). Aber auch der Rechtsrüge der Klägerin kommt keine Berechtigung zu.

Soweit die Klägerin mit ihren Revisionsausführungen dartun will, daß ihre Geschäftsführerin den Beklagten bereits vor dem Telefongespräch in den späten Abendstunden des 23. April 1980 mit der Einbringung der Revision im Vorprozeß beauftragt hätte, bekämpft sie nur in im Revisionsverfahren unzulässiger Weise die Richtigkeit der von den Vorinstanzen getroffenen Tatsachenfeststellungen. Geht man von dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt aus, dann kann den Ausführungen in der Rechtsrüge der Klägerin nicht gefolgt werden.

Gemäß § 9 RAO ist der Rechtsanwalt unter anderem verpflichtet, die Rechte seiner Partei mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Diese Bestimmung ergänzt die des § 1009 ABGB, nach der der Gewalthaber verpflichtet ist, das ihm durch den Bevollmächtigungsvertrag übertragene Geschäft emsig und redlich zu besorgen. Im Sinne des § 1299 ABGB hat der Rechtsanwalt den Mangel des notwendigen Fleißes und der erforderlichen nicht gewöhnlichen Kenntnisse seines Berufes zu vertreten. Dabei dürfen allerdings die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht auch eines Rechtsanwaltes nicht überspannt werden; es können von ihm nur der Fleiß und die Kenntnisse verlangt werden, die seine Fachgenossen gewöhnlich haben. Übertriebene Anforderungen, die über den Durchschnittsstandard vergleichbarer Fachgenossen hinausgehen, dürfen auch bei einem Rechtsanwalt nicht gestellt werden (siehe dazu Strasser in Rummel, ABGB, Rdz.8 zu § 1012 und Reischauer, ebendort, Rdz.2 zu § 1299 und die dort angeführte Judikatur).

Zu den wichtigsten Aufgaben des Rechtsanwaltes, der eine Vertretung übernimmt, gehört die erforderliche Belehrung seines Mandanten (siede dazu SZ 56/181 mit weiteren Hinweisen). So kann etwa der Rechtsanwalt durch eine unzulängliche Belehrung darüber, daß die Einbringung verfahrensrechtlich zulässiger Rechtsmittel empfehlenswert oder bei Bedachtnahme auf das Konstenrisiko oder sonstige Umstände ratsam sei, schadenersatzpflichtig werden (1 Ob 529/80; 7 Ob 501/85). Der Rechtsanwalt ist aber nicht verpflichtet, seinen Klienten zu einer bestimmten Handlungsweise zu bestimmen; für Entschlüsse seines Klienten ist er nicht verantwortlich, es sei denn, sie beruhten auf einer fehlenden oder falschen Belehrung durch den Rechtsanwalt (Fenzl in ÖJZ 1951, 403). Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, dann zeigt sich, daß die Vorinstanzen mit Recht eine Schadenersatzpflicht des Beklagten verneint haben.

Dr. H***, der Konzipient des Beklagten, für dessen Verschulden der Beklagte gegenüber der Klägerin im Sinne des § 1313a ABGB zu haften hätte, hat mit seinem Schreiben vom 10. April 1980 (Beilage 2) der Geschäftsführerin der Klägerin sinngemäß unter Erörterung der seiner Meinung nach bestehenden Chancen für den Erfolg eines derartigen Rechtsmittels mitgeteilt, daß eine Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes im Vorprozeß nur über ihren Auftrag eingebracht würde. Dieses Schreiben enthält keine Mitteilung über das Ende der Revisionsfrist bzw. über den Zeitpunkt, bis zu dem eine Weisung der Geschäftsführerin der Klägerin zur Einbringung der Revision noch befolgt werden konnte. Daraus ist aber zu Lasten des Beklagten nichts abzuleiten, weil sich zunächst aus der Aussage der Geschäftsführerin der Klägerin als Partei (ON 5 S 36) ergibt, daß diese in ihrem Terminkalender ohnehin (zutreffenderweise) den 23. April 1980 als letzten Tag der Revisionsfrist vorgemerkt hatte. Der Mangel einer Aufklärung über das Ende der Revisionsfrist im Schreiben Beilage 2 ist daher für einen allenfalls eingetretenen Schaden der Klägerin nicht kausal. Aber auch für den Umstand, daß der Geschäftsführerin der Klägerin in diesem Schreiben nicht mitgeteilt wurde, bis wann sie den Beklagten mit der Einbringung der Revision zu beauftragen hatte, damit dieser einem derartigen Auftrag noch nachkommen konnte, gilt das gleiche. Denn der Geschäftsführerin der Klägerin, von der nach den Umständen zumindest eine gewisse Erfahrung in rechtlichen Angelegenheiten vorausgesetzt werden kann, mußte auch ohne nähere Aufklärung durch den Beklagten klar sein, daß die Ausarbeitung und Einbringung einer erfolgversprechenden Revision bei der eher komplizierten Rechtslage im Vorprozeß in einem Zeitraum von 1 bis 2 Nachtstunden in seriöser Weise nicht möglich war. Wenn sie daher den Beklagten erst ein bis zwei Stunden vor Ablauf der Revisionsfrist in seiner Wohnung (nicht in der Kanzlei !) anrief und ihn mit der Einbringung der Revision im Vorprozeß beauftragte, konnte weder sie - ohne daß dabei von ihr besondere Rechtskenntnisse vorausgesetzt werden - mit dem Erfolg einer solchen Maßnahme rechnen noch wäre es dem Beklagten auch unter Anlegung des oben dargestellten Sorgfaltsmaßstabes im Sinne des § 1299 ABGB als Verschulden anzulasten, wenn er in dem ihm verbleibenden Zeitraum von 1 bis 2 Stunden nicht in der Lage gewesen wäre, die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes im Vorprozeß auszuarbeiten und einzubringen. Die Vorinstanzen sind durchaus zutreffend davon ausgegangen, daß auch ein Rechtsanwalt - ohne ausdrückliche andere Vereinbarung - nicht verpflichtet ist, sich in den späten Abendstunden zu Hause für seinen Klienten bereitzuhalten, um von diesem Aufträge zur Einbringung von Rechtsmitteln noch am gleichen Tag entgegenzunehmen.

So gesehen zeigt sich, daß der Irrtum des Beklagten über den Ablauf der Revisionsfrist für die verspätete Einbringung der Revision im Vorprozeß gar nicht kausal war; es kann dem Beklagten nämlich im Hinblick auf die verspätete Auftragserteilung durch die Geschäftsführerin der Klägerin nicht als Verschulden angerechnet werden, daß er dieses Rechtsmittel nicht früher einbrachte. Denkbar wäre allerdings, daß der Beklagte die Klägerin dadurch geschädigt hätte, daß er ihrer Geschäftsführerin bei dem Telefongespräch am späten Abend des 23. April 1980 sagte, er werde am nächsten Tag für die Einbringung der Revision sorgen. Damit konnte er sicher bei der Geschäftsführerin der Klägerin den Eindruck erwecken, die Revisionsfrist laufe erst am 24. April 1980 ab und sie dadurch davon abhalten, einen anderen Rechtsanwalt mit der Einbringung der Revision innerhalb der tatsächlich noch offenen Rechtsmittelfrist zu beauftragen. Darauf hat die Klägerin ihr gegen den Beklagten gerichtetes Schadenersatzbegehren aber nicht gestützt; insbesondere hat sie im Verfahren erster Instanz keine Behauptung darüber aufgestellt, daß ihre Geschäftsführerin am 23. April 1980 in dem ihr noch verbliebenen Zeitraum von 1 bis 2 Stunden bis zum Ablauf der Revisionsfrist überhaupt noch die Möglichkeit gehabt hätte, eine erfolgversprechende Revision gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Vorprozeß durch einen anderen Rechtsanwalt einbringen zu lassen. Soweit die Klägerin versucht, eine derartige Behauptung in ihrer Revision nachzuholen, verstößt sie gegen das im Revisionsverfahren geltende Neuerungsverbot.

Unter diesen Umständen haben die Vorinstanzen mit Recht das Klagebegehren abgewiesen. Auf die Bedeutung des festgestellten telefonischen Anrufes des Angestellten der Klägerin namens B*** bei Dr. H*** am 24. April 1980 und auf die Frage der Erfolgsaussichten einer rechtzeitigen Revision im Vorprozeß braucht nicht mehr eingegangen zu werden.

Der Revision der Klägerin mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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