OGH 7Ob2070/96d

OGH7Ob2070/96d18.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Eva E*****, Architekt und beeidete Ziviltechnikerin, ***** vertreten durch Mag.Dr.Herwig Emmer-Reissig, Rechtsanwalt in Klosterneuburg, wider die beklagte Partei Toufal P*****, Dienstnehmer, ***** vertreten durch Dr.Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revisionsrekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14.Dezember 1995, GZ 39 R 811/95-12, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 26.September 1995, GZ 44 C 750/94k-9, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Der Revisionsrekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

2. Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.436,48 bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin S 406,08 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Klagevertreter ist Eigentümer des Hauses O***** in Wien und räumte der Klägerin, seiner Ehegattin, das obligatorische Fruchtgenußrecht an einem Teil der Wohnungen dieses Hauses ein, darunter auch an der Wohnung top Nr.6. Die Klägerin schloß mit dem Beklagten am 1.Juni 1994 einen als "Untermietvereinbarung" bezeichneten Bestandvertrag über diese Wohnung für die Zeit vom 1. Juni bis zum 30.November 1994.

Mit der Behauptung, der Beklagte sei trotz Zeitablaufes aus der Wohnung nicht ausgezogen, begehrte die Klägerin, den Beklagten zur Räumung der näher bezeichneten Untermietwohnung zu verpflichten.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete mangelnde aktive Klagslegitimation ein, weil in Wahrheit der Klagevertreter der Vermieter sei. Es liege ein Scheinuntermietverhältnis gemäß § 2 Abs 3 MRG vor. Er habe daher - wie auch andere Scheinuntermieter - den Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter gestellt und es sei dazu bereits ein Verfahren, ***** Msch *****, beim Erstgericht anhängig. Der Beklagte beantragte die Unterbrechung des Räumungsstreites bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Msch-Verfahrens.

Die Klägerin sprach sich gegen den Unterbrechungsantrag aus.

Das Erstgericht unterbrach das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des genannten Msch-Verfahrens gemäß § 41 MRG, da die Frage, ob die beklagte Partei Haupt- oder Untermieter sei, sowohl für die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin als auch für jene der Zulässigkeit der Befristung des Vertrages auf ein halbes Jahr präjudiziell sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge, wies den Unterbrechungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die gegenständliche "Untermietvereinbarung" sei nach dem Inkrafttreten des 3.WÄG geschlossen worden, sodaß gemäß Abschnitt III iVm Abschnitt II Z 1

3. WÄG § 2 Abs 1 MRG in der neuen Fassung anzuwenden sei. Danach liege aber im Gegensatz zur früheren Rechtslage nach dem grammatikalisch klaren Gesetzeswortlaut (entgegen den im Schrifttum geäußerten Bedenken) Hauptmiete auch dann vor, wenn der Vermieter dinglich oder obligatorisch berechtigter Fruchtnießer auch nur von Teilen der Liegenschaft sei. Mietverträge, die der Fruchtnießer von Teilen der Liegenschaft oder einzelnen Wohnungen vergebe, seien daher Hauptmietverträge im Sinne des § 2 Abs 1 MRG. Der vom Beklagten gestellte Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter gemäß § 2 Abs 3 MRG sei daher nicht präjudiziell, vielmehr sei er aussichtslos, weil der Beklagte schon jetzt gemäß § 2 Abs 1 MRG Hauptmieter sei. Das Verfahren sei daher nicht zu unterbrechen.

Rechtliche Beurteilung

1. Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs der Klägerin ist unzulässig:

Die Klägerin begehrte in erster Instanz die Abweisung des vom Beklagten gestellten Unterbrechungsantrages; das Gericht zweiter Instanz entsprach in Stattgebung des von der Klägerin erhobenen Rekurses diesem Begehren. Die Klägerin ist daher durch den Spruch des angefochtenen Beschlusses nicht beschwert. Eine Beschwer durch die Begründung wird von der Rechtsprechung nur bei Rechtsmitteln gegen Aufhebungsbeschlüsse und Zwischenurteile anerkannt, sonst aber grundsätzlich abgelehnt (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 10 vor §§ 461 ff mwN). Wenn auch die Begründung des angefochtenen Beschlusses den Interessen der Klägerin zuwiderläuft, ist die Rechtslage doch anders als bei Aufhebungsbeschlüssen oder Zwischenurteilen. Die in einem Aufhebungsbeschluß des Gerichtes zweiter Instanz geäußerte Rechtsansicht ist für das Erstgericht bindend (§ 499 Abs 2 ZPO); ein Zwischenurteil äußert infolge seiner materiellen Rechtskraft über den Grund des Anspruches insoweit die Bindungswirkung, als Gericht und Parteien die Frage des Anspruchsgrundes nicht mehr neuerlich aufrollen dürfen (Fasching III 595). Für die Höhe des Anspruches kann aber maßgebend sein, welcher der allenfalls geltend gemachten mehreren Rechtsgründe bejaht wurde (vgl. Fasching, LB2 Rz 1718). Im vorliegenden Fall ist hingegen das Erstgericht an die Rechtsansicht des Rekursgerichtes - welche die sofortige Abweisung des Klagebegehrens rechtfertigte - nicht gebunden. Da nach ständiger Rechtsprechung und überwiegender Lehre die Beschwer eine Zulässigkeitsvoraussetzung für jedes Rechtsmittel ist (SZ 53/96; SZ 61/6 uva; Kodek aaO Rz 9), war der Revisionsrekurs der Klägerin zurückzuweisen ( vgl. 4 Ob 2069/96k, 4 Ob 2070/96g, 1 Ob 2058/96w und 6 Ob 2058/96g, welchen idente Sachverhalte - Räumungsklage der Klägerin als Fruchtgenußberechtigte jeweils gegen den Mieter einer anderen im selben Haus gelegenen Wohnung, idente Parteienvertreter, idente erst- und zweitinstanzliche Entscheidungen zu Grunde lagen.)

2. Der Revisionsrekurs des Beklagten ist berechtigt:

Nach § 2 Abs 1 MRG idF vor dem 3.WÄG (BGBl 1993/800), lag Hauptmiete vor, "wenn der Mietvertrag mit dem Eigentümer oder Fruchtnießer der Liegenschaft oder, sofern der Mietgegenstand im Wohnungseigentum steht, mit dem Wohnungseigentümer geschlossen" wurde. Infolge dieses Gesetzeswortlauts sprach der Oberste Gerichtshof in der grundlegenden Entscheidung 5 Ob 79/91 (= EvBl 1992/41 = ImmZ 1992, 149) unter ausführlicher Diskussion der Lehrmeinungen und Vorentscheidungen aus, daß der mit dem Fruchtnießer einer Wohnung abgeschlossene Mietvertrag keine Hauptmiete begründe; die gegenteilige Auffassung lasse sich mit dem Wortlaut des § 2 Abs 1 MRG nicht vereinbaren, der eben nur den Fruchtnießer der Liegenschaft - also gemeinhin des Hauses - als Vermittler von Hauptmietrechten nenne.

§ 2 Abs 1 erster Satz MRG idF des 3.WÄG lautet nun dahin, daß Hauptmiete vorliegt, "wenn der Mietvertrag mit dem Eigentümer der Liegenschaft oder mit dem dinglich oder obligatorisch berechtigten Fruchtnießer, mit dem Mieter oder Pächter eines ganzen Hauses oder, sofern der Mietgegenstand im Wohnungseigentum steht, mit dem Wohnungseigentümer geschlossen wird."

Der 4. Senat hat in seiner, gleichfalls die Klägerin, wenngleich einen anderen "Untermieter" betreffenden Entscheidung 4 Ob 2069/96 unter Eingehen auf die Lehrmeinungen von Hanel (in Würth/Call/Hanel, "Die geplanten wesentlichen Änderungen des MRG" in WoBl 1993, 149 ff, 149), Tades/Stabentheiner ("Das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz" in ÖJZ 1994, H.1 A, 23) und Würth/Zingher (Wohnrecht '94 § 2 MRG Anm.2) die Auffassung vertreten, entgegen der Meinung des Rekursgerichts sei der Wortlaut des § 2 Abs 1 erster Satz MRG idF 3.WÄG in Ansehung des Fruchtnießers nicht völlig eindeutig. Der Wortlaut des Gesetzes spreche von "dem" Eigentümer der Liegenschaft und meine damit den einzigen Eigentümer oder im Fall der Miteigentümergemeinschaft die Gesamtheit der Eigentümer. Daß der Gesetzgeber in der Folge von "dem" dinglich oder obligatorisch berechtigten Fruchtnießer spreche, deute darauf hin, daß er auch hier nur "den" einzigen Fruchtnießer an der ganzen Liegenschaft oder doch die Gesamtheit der Fruchtnießer vor Augen habe. Überdies könne die nähere Bestimmung "der Liegenschaft" nicht nur auf den vorangestellten Eigentümer, sondern auch auf den nachgestellten Fruchtnießer bezogen werden. Dafür spreche auch die Einreihung zwischen dem "Eigentümer der Liegenschaft" und dem "Mieter oder Pächter" eines ganzen Hauses. Führe somit die wörtliche Auslegung nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, so sei die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen. Dabei falle auf, daß der Gesetzgeber die Änderung des § 2 Abs 1 erster Satz MRG, soweit sie den Fruchtnießer anlange, ausschließlich damit begründet habe, daß er den obligatorischen mit dem dinglichen Fruchtnießer gleichstellen wollte. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte müsse daher angenommen werden, daß es der Gesetzgeber im übrigen bei der bisherigen Rechtslage belassen wollte, daß also nur der Fruchtnießer der ganzen Liegenschaft, nicht aber der bloß an einer Wohnung Fruchtgenußberechtigte einen Hauptmietvertrag schließen könne.

Der erkennende Senat schließt sich dieser überzeugend begründeten Rechtsauffassung gleich den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 2058/96w und 6 Ob 2058/96g bei identen Sachverhalten betreffend andere Mieter desselben Hauses als beklagte Parteien) an.

Daraus folgt aber, daß nicht schon aufgrund des eigenen Vorbringens der Klägerin das Bestehen eines Untermietverhältnisses verneint werden kann und demnach der Einwand des Beklagten, in Wahrheit Hauptmieter zu sein, weil ein "Scheinuntermietverhältnis" im Sinne des § 2 Abs 3 MRG vorliege, rechtlich von Bedeutung ist. Nach § 2 Abs 3 MRG kann der Mieter, mit dem der Untermietvertrag geschlossen wurde, dann, wenn bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln besteht, daß ein Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach diesem Bundesgesetz zustehenden Rechte geschlossen wurde, begehren, als Hauptmieter des Mietgegenstands anerkannt zu werden. Materiellrechtliche Voraussetzung dieses Anspruchs auf "Anerkennung" ist das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts, daß nämlich der Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der dem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte geschlossen wurde (Würth im Rummel ABGB2 § 2 MRG Rz 9).

Daß die Klägerin nach ihrer Behauptung nicht Hauptmieterin, sondern Fruchtgenußberechtigte an der Wohnung ist, steht dem Begehren des Beklagten nach § 2 Abs 3 MRG nicht entgegen. Der Gesetzgeber wollte den verstärkten Schutz des (nominellen) Untermieters vor Umgehungsgeschäften des Eigentümers nicht darauf einschränken, daß als Umgehungsgeschäft ein Hauptmietvertrag vorgeschoben wird. Vielmehr sollte jedes Rechtsgeschäft, das dem Strohmann die Stellung eines Untervermieters verschafft, erfaßt werden, käme man doch sonst zu dem unbefriedigenden Ergebnis, daß der "Untermieter", dem sich ein vom Hauseigentümer dazwischengeschalteter Strohmann als Hauptmieter ausgegeben hat, mit seinem Begehren nach § 2 Abs 3 MRG scheitern müßte, wenn sich die ihm verborgene Rechtsbeziehung des Untervermieters zum Hauseigentümer im Verfahren nach § 37 MRG als etwas anderes als Hauptmiete herausstellen sollte (SZ 56/109 = MietSlg 35.290/18; Würth aaO Rz 9).

Da damit die Entscheidung über das Räumungsbegehren von der im schon anhängigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 1 MRG auf Anerkennung des Beklagten als Hauptmieter gemäß § 2 Abs 3 MRG zu lösenden Vorfrage abhängt, hat das Erstgericht zu Recht gemäß § 41 MRG das Verfahren unterbrochen.

In Stattgebung des vom Beklagten erhobenen Revisionsrekurses war daher der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Rekurskosten des Beklagten fußt auf den §§ 41, 50 Abs 1 und § 52 ZPO.

Stichworte