OGH 4Ob2070/96g

OGH4Ob2070/96g30.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Graf und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing.Eva E*****, vertreten durch Dr.Herwig Emmer-Reissig, Rechtsanwalt in Klosterneuburg, wider die beklagte Partei Mila G*****, vertreten durch Dr.Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14.Dezember 1995, GZ 39 R 116/96i, mit dem der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 26.September 1995, GZ 44 C 97/95g-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, den Bestandgegenstand (Geschäftslokal) top. Nr. 2 im Hause W*****, O*****-Gasse ***** zu räumen und der Klägerin geräumt zu übergeben.

Die Klägerin sei Fruchtnießerin des Geschäftslokales. Sie habe das Lokal der Beklagten am 19.8.1994 für die Zeit bis 18.2.1995 untervermietet. Am 11.10.1993 sei ein Abbruchbescheid ergangen; deshalb habe nur ein befristeter Mietvertrag geschlossen werden können. Die Beklagte habe im Bestandobjekt elektrische Leitungen installiert, die das Leben der Hausbewohner und das Haus selbst gefährdeten. Sie habe das Bestandobjekt damit erheblich nachteilig gebraucht.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.

Die Klägerin sei nicht aktiv legitimiert; der Untermietvertrag sei nur zum Schein abgeschlossen worden. Es liege ein Hauptmietvertrag vor, Vermieter sei der Klagevertreter. Ein Verfahren nach § 2 Abs 3 MRG sei bereits anhängig; es werde beantragt, das Räumungsverfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung jenes Verfahrens zu unterbrechen.

Die Klägerin sprach sich gegen die Unterbrechung aus. Das Verfahren nach § 2 Abs 3 MRG sei nicht präjudiziell.

Das Erstgericht unterbrach das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens 44 Msch 36/95.

Der Klagevertreter sei Eigentümer des Hauses W*****, O*****-Gasse *****. Er habe der Klägerin, seiner Ehegattin, ein Fruchtgenußrecht an der Wohnung top. Nr. 2 eingeräumt. Die Klägerin habe mit der Beklagten einen als Wohnungsuntermietvertrag bezeichneten Bestandvertrag abgeschlossen. Die Beklagte habe einen Antrag auf Anerkennung als Hauptmieterin gestellt und ihren Antrag damit begründet, daß ein Umgehungsgeschäft vorliege. Ob die Beklagte Hauptmieterin oder Untermieterin sei, sei sowohl für die Frage der aktiven Klagslegitimation als auch für die Frage präjudiziell, ob eine Befristung auf ein halbes Jahr zulässig sei.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Unterbrechungsantrag abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Der "Untermietvertrag" sei am 19.8.1994 abgeschlossen worden. Nach der damit anwendbaren Neufassung des § 2 Abs 1 MRG liege Hauptmiete dann vor, wenn der Mietvertrag (ua) mit dem dinglich oder obligatorisch berechtigten Fruchtnießer abgeschlossen werde. Es sei nicht erforderlich, daß der Fruchtgenuß an der gesamten Liegenschaft bestehe. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes seien daher Mietverträge, die der Fruchtnießer von Teilen der Liegenschaft oder einzelnen Wohnungen abschließe, Hauptmietverträge im Sinne des § 2 Abs 1 MRG. Demnach sei der Antrag auf Anerkennung als Hauptmieterin nicht präjudiziell, sondern vielmehr aussichtslos, weil die Beklagte bereits gemäß § 2 Abs 1 MRG Hauptmieterin sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist unzulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung und überwiegender Lehre setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse, voraus (SZ 49/22 mwN; SZ 53/86; SZ 61/6 = EvBl 1988/100 uva; Kodek in Rechberger, ZPO vor § 461 Rz 9 mwN). Der Rechtsmittelwerber muß grundsätzlich formell beschwert sein; die formelle Beschwer reicht jedoch nicht immer aus. Formell beschwert ist der Rechtsmittelwerber, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrundeliegenden Sachantrag des Rechtsmittelwerbers zu dessen Nachteil abweicht; materielle Beschwer liegt vor, wenn die (materielle oder prozessuale) Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt wird (Kodek aaO vor § 461 Rz 10 mwN). Eine Beschwer durch die Begründung (und nicht den Spruch) wird von der Rechtsprechung nur bei Rekursen gegen Aufhebungsbeschlüsse und bei Zwischenurteilen anerkannt (Kodek aaO mwN).

Die Klägerin ist durch die angefochtene Entscheidung nicht (einmal) formell beschwert. Die Abweisung des Unterbrechungsantrages entspricht ihrem (Gegen-)Antrag in erster Instanz; das zeigt auch ihr Rechtsmittelantrag. Sie begehrt (ua), "dieses Verfahren in die erste Instanz unter Kostenzuspruch zur Verfahrensfortsetzung zurückzuverweisen". Daß sich die Klägerin durch die Begründung des angefochtenen Beschlusses beschwert erachtet, gibt ihr, wie oben dargelegt, kein Anfechtungsinteresse.

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