Spruch:
1. Der Revisionsrekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
2. Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.436,48 S bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin 406,08 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Klagevertreter ist Eigentümer eines Hauses in Wien und räumte der Klägerin, seiner Ehegattin, das Fruchtgenußrecht unter anderem an der in diesem Hause gelegenen Wohnung top Nr 9a ein. Die Klägerin schloß mit dem Beklagten am 1.Juni 1994 einen als „Untermiet-Vereinbarung“ bezeichneten Bestandvertrag über diese Wohnung für die Zeit vom 1.Juni bis 30.November 1994.
Mit der Behauptung, der Beklagte sei trotz Zeitablaufs aus der Wohnung nicht ausgezogen, begehrte die Klägerin vom Beklagten die Räumung der näher bezeichneten Untermietwohnung.
Der Beklagte wendete mangelnde aktive Klagslegitimation ein, weil in Wahrheit der Klagevertreter der Vermieter sei. Es liege ein Scheinuntermietverhältnis gemäß § 2 Abs 3 MRG vor. Er habe daher - wie auch andere Scheinuntermieter - bei der zuständigen Schlichtungsstelle den Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter gestellt.
Die Klägerin sprach sich gegen den vom Beklagten gestellten Unterbrechungsantrag wegen Unzulässigkeit aus. Sie sei nicht Hauptmieterin, sondern Fruchtnießerin der Wohnung top Nr 9a. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (5 Ob 79/91) könne der von ihr mit dem Beklagten abgeschlossene Vertrag keine Hauptmiete begründen.
Das Erstgericht unterbrach das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des - mittlerweile beim Erstgericht anhängig gewordenen - Verfahrens AZ 44 Msch 35/95 gemäß § 41 MRG, weil die Frage, ob der Beklagte Haupt- oder Untermieter ist, sowohl für die Frage der Aktivlegitimation als auch für jene der Zulässigkeit der Befristung des Mietverhältnisses präjudiziell sei.
Das Rekursgericht wies den Unterbrechungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der „Untermietvertrag“ sei nach Inkrafttreten des 3.WÄG geschlossen worden, sodaß § 2 Abs 1 MRG in der neuen Fassung anzuwenden sei. Danach liege aber im Gegensatz zur früheren Rechtslage Hauptmiete auch dann vor, wenn der Vermieter dinglich oder obligatorisch berechtigter Fruchtnießer auch nur von Teilen der Liegenschaft sei. Diese Frage sei zwar im Schrifttum umstritten. Auf Grund des grammatikalisch klaren Wortlauts gelange aber der Rekurssenat zum Ergebnis, daß Mietverträge, die der Fruchtnießer von Teilen der Liegenschaft oder einzelnen Wohnungen vergibt, Hauptmietverträge iS des § 2 Abs 1 MRG seien. Der vom Beklagten gestellte Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter gemäß § 2 Abs 3 MRG sei daher nicht präjudiziell und überdies aussichtslos, weil der Beklagte schon jetzt gemäß § 2 Abs 1 MRG Hauptmieter sei.
a) Der Revisionsrekurs der Klägerin ist nicht zulässig:
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin begehrte in erster Instanz die Abweisung des vom Beklagten gestellten Unterbrechungsantrags; das Gericht zweiter Instanz entsprach in Stattgebung des von der Klägerin erhobenen Rekurses diesem Begehren. Die Klägerin ist daher durch den Spruch des angefochtenen Beschlusses nicht beschwert. Eine Beschwer durch die Begründung wird von der Rechtsprechung nur bei Rechtsmitteln gegen Aufhebungsbeschlüsse und Zwischenurteile anerkannt, sonst aber grundsätzlich abgelehnt (Kodek in Rechberger, vor § 461 ZPO Rz 10 mwN). Wenn auch die Begründung des angefochtenen Beschlusses den Interessen der Klägerin zuwiderläuft, ist die Rechtslage doch anders als bei Aufhebungsbeschlüssen oder Zwischenurteilen. Die in einem Aufhebungsbeschluß des Gerichts zweiter Instanz geäußerte Rechtsansicht ist für das Erstgericht bindend (§ 499 Abs 2 ZPO); ein Zwischenurteil äußert infolge seiner materiellen Rechtskraft über den Grund des Anspruchs insoweit die Bindungswirkung, als Gericht und Parteien die Frage des Anspruchsgrunds nicht mehr neuerlich aufrollen dürfen (Fasching III 595). Für die Höhe des Anspruchs kann aber maßgebend sein, welcher der allenfalls geltend gemachten mehreren Rechtsgründe bejaht wurde (vgl Fasching, Lehrbuch2 Rz 1718). Im vorliegenden Fall ist hingegen das Erstgericht an die Rechtsansicht des Rekursgerichts - die die sofortige Abweisung des Klagebegehrens rechtfertigte - nicht gebunden.
Da nach ständiger Rechtsprechung und überwiegender Lehre die Beschwer eine Zulässigkeitsvoraussetzung für jedes Rechtsmittel ist (SZ 61/6, SZ 53/86 uva; Kodek aaO Rz 9), ist der Revisionsrekurs der Klägerin unzulässig.
b) Der Revisionsrekurs des Beklagten ist hingegen berechtigt:
Nach § 2 Abs 1 MRG idF vor dem 3.Wohnrechtsänderungsgesetz, BGBl 1993/800 (3.WÄG), lag Hauptmiete vor, „wenn der Mietvertrag mit dem Eigentümer oder Fruchtnießer der Liegenschaft oder, sofern der Mietgegenstand im Wohnungseigentum steht, mit dem Wohnungseigentümer geschlossen“ wurde. Infolge dieses Gesetzeswortlauts sprach der Oberste Gerichtshof in der grundlegenden Entscheidung 5 Ob 79/91 = EvBl 1992/41 = ImmZ 1992, 149 unter Ablehnung der gegenteiligen Lehrmeinung von Fenyves („Haupt- und Untermieter 'Abtretung des Mietrechts', Wohnungstausch und Mietrecht im Todesfall [§§ 2, 11-14 MRG]“ in Handbuch zum MRG 269 ff [284, 287]) und zweier Vorentscheidungen (vor allem 7 Ob 568/85 = RdW 1985, 308 = MietSlg 37.240), im Einklang mit Würth/Zingher (Miet- und Wohnrecht19, § 2 MRG Rz 2) und Iro (in RdW 1985, 308) sowie anderer Vorentscheidungen (insbesondere WoBl 1991, 73) aus, daß der mit dem Fruchtnießer einer Wohnung abgeschlossene Mietvertrag keine Hauptmiete begründe; die gegenteilige Auffassung lasse sich mit dem Wortlaut des § 2 Abs 1 MRG nicht vereinbaren, der eben nur den Fruchtnießer der Liegenschaft - also gemeinhin des Hauses - als Vermittler von Hauptmietrechten nenne.
§ 2 Abs 1 erster Satz idF des 3.WÄG lautet nun dahin, daß Hauptmiete vorliegt, „wenn der Mietvertrag mit dem Eigentümer der Liegenschaft oder mit dem dinglich oder obligatorisch berechtigten Fruchtnießer, mit dem Mieter oder Pächter eines ganzen Hauses oder, sofern der Mietgegenstand im Wohnungseigentum steht, mit dem Wohnungseigentümer geschlossen wird.“
Der 4.Senat hat in seinen, gleichfalls die Klägerin, wenngleich andere „Untermieter“ betreffenden Entscheidungen 4 Ob 2069/96 und 4 Ob 2070/96 unter Eingehen auf die Lehrmeinungen von Hanel (in Würth/Call/Hanel - Die geplanten wesentlichen Änderungen des MRG in WoBl 1993, 149 ff, 149), Tades/Stabenthainer („Das 3.Wohnrechtsänderungsgesetz“ in ÖJZ 1994, H. 1 A, 23) und Würth/Zingher (Wohnrecht '94 § 2 MRG Anm 2) die Auffassung vertreten, entgegen der Meinung des Rekursgerichts sei der Wortlaut des § 2 Abs 1 erster Satz MRG idF 3.WÄG in Ansehung des Fruchtnießers nicht völlig eindeutig. Die Erforschung des Wortsinns führe zu keinem eindeutigen Ergebnis. Der Gesetzgeber spreche von „dem“ Eigentümer der Liegenschaft und meine damit den einzigen Eigentümer oder im Fall der Miteigentümergemeinschaft die Gesamtheit der Eigentümer. Wenn auch in letzterem Fall der Mietvertrag nur mit der Mehrheit der Miteigentümer als Trägerin der ordentlichen Verwaltung oder dem Minderheitseigentümer auf Grund einer Benützungsregelung geschlossen worden sei, so komme doch auch in diesen Fällen das Mietverhältnis immer mit allen Miteigentümern zustande. Daß der Gesetzgeber in der Folge von „dem“ dinglich oder obligatorisch berechtigten Fruchtnießer spreche, deute darauf hin, daß er auch hier nur „den“ einzigen Fruchtnießer an der ganzen Liegenschaft oder doch die Gesamtheit der Fruchtnießer vor Augen habe. Überdies könne die nähere Bestimmung „der Liegenschaft“ nicht nur auf den vorangestellten Eigentümer, sondern auch auf den nachgestellten Fruchtnießer bezogen werden. Dafür spreche auch die Einreihung zwischen dem „Eigentümer der Liegenschaft“ und dem „Mieter oder Pächter“ eines ganzen Hauses. Führe somit die wörtliche Auslegung nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, so sei die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen. Dabei falle auf, daß der Gesetzgeber die Änderung des § 2 Abs 1 erster Satz MRG, soweit sie den Fruchtnießer anlange, ausschließlich damit begründet habe, daß er den obligatorischen mit dem dinglichen Fruchtnießer gleichstellen wollte. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte müsse daher angenommen werden, daß es der Gesetzgeber im übrigen bei der bisherigen Rechtslage, daß also nur der Fruchtnießer der ganzen Liegenschaft, nicht aber der bloß an einer Wohnung Fruchtgenußberechtigte einen Hauptmietvertrag schließen könne, belassen wollte.
Der erkennende Senat schließt sich dieser überzeugend begründeten Rechtsauffassung an.
Daraus folgt aber, daß nicht schon auf Grund des eigenen Vorbringens der Klägerin das Bestehen eines Untermietverhältnisses verneint werden und demnach der Einwand des Beklagten, in Wahrheit Hauptmieter zu sein, weil ein „Scheinuntermietverhältnis“ iSd § 2 Abs 3 MRG vorliege, rechtlich von Bedeutung sein kann. Nach § 2 Abs 3 MRG kann der Mieter, mit dem der Untermietvertrag geschlossen wurde, dann, wenn bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln besteht, daß ein Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach diesem Bundesgesetz zustehenden Rechte geschlossen wurde, begehren, als Hauptmieter des Mietgegenstands anerkannt zu werden. Materiellrechtliche Voraussetzung dieses Anspruchs auf „Anerkennung“ ist das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts, daß nämlich der Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der dem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte geschlossen wurde (Würth in Rummel 2, § 2 MRG Rz 9).
Daß die Klägerin nach ihrer Behauptung nicht Hauptmieterin, sondern Fruchtgenußberechtigte an der Wohnung ist, steht dem Begehren des Beklagten nach § 2 Abs 3 MRG nicht entgegen. Der Gesetzgeber wollte den verstärkten Schutz des (nominellen) Untermieters vor Umgehungsgeschäften des Eigentümers nicht darauf einschränken, daß als Umgehungsgeschäft ein Hauptmietvertrag vorgeschoben wird; vielmehr sollte jedes Rechtsgeschäft, das dem Strohmann die Stellung eines Untervermieters verschafft, erfaßt werden, käme man doch sonst zu dem unbefriedigenden Ergebnis, daß der „Untermieter“, dem sich ein vom Hauseigentümer dazwischengeschalteter Strohmann als Hauptmieter ausgegeben hat, mit seinem Begehren nach § 2 Abs 3 MRG scheitern müßte, wenn sich die ihm verborgene Rechtsbeziehung des Untervermieters zum Hauseigentümer im Verfahren nach § 37 MRG als etwas anderes als Hauptmiete herausstellen sollte (SZ 56/109 = MietSlg 35.290/18; Würth aaO Rz 9).
Da damit die Entscheidung über das Räumungsbegehren von der im schon anhängigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 1 MRG auf Anerkennung des Beklagten als Hauptmieter gemäß § 2 Abs 3 MRG zu lösenden Vorfrage abhängt, hat das Erstgericht zu Recht das Verfahren unterbrochen (§ 41 MRG). Demnach ist der Beschluß des Erstgerichts wiederherzustellen.
Der Ausspruch über die Rekurskosten des Beklagten fußt auf den §§ 41, 50 Abs 1 und § 52 ZPO.
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