OGH 6Ob2058/96g

OGH6Ob2058/96g20.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Eva E*****, Architektin, ***** vertreten durch Mag. Dr. Herwig Emmer-Reissig, Rechtsanwalt in Klosterneuburg, wider die beklagte Partei Anna R*****, Arbeiterin, ***** vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge der Revisionsrekurse der Klägerin und der Beklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 14. Dezember 1995, GZ 39 R 815/95-9, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 26. September 1995, GZ 44 C 87/95-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Der Revisionsrekurs der Klägerin wird zurückgewiesen.

2. Dem Revisionsrekurs der Beklagten wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.436,48 S (darin 406,08 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Klagevertreter ist Eigentümer des Hauses *****. Er räumte der Klägerin, seiner Ehefrau, das obligatorische Fruchtgenußrecht an einem Teil der Wohnungen dieses Hauses ein, darunter auch an der Wohnung top Nr 8. Die Klägerin schloß mit der Beklagten am 25.4.1994 einen als "Untermiet-Vereinbarung" bezeichneten Bestandvertrag über diese Wohnung für die Zeit vom 27.4.1994 bis 26.10.1994.

Mit der Behauptung, das Bestandverhältnis sei zum 30.8.1994 gemäß § 1118 ABGB vorzeitig aufgelöst worden, weil die Beklagte vom Bestandobjekt einen erheblich nachteiligen Gebrauch gemacht habe und ein qualifizierter Zinsrückstand bestehe, begehrt die Klägerin, die Beklagte zur Räumung zu verpflichten.

Die Beklagte bestritt einen erheblich nachteiligen Gebrauch, soweit die Klage auf Nichtzahlung des Mietzinses gestützt werde, sei die Klägerin nicht aktiv legitimiert, weil in Wahrheit der Klagevertreter der Vermieter sei. Es liege ein Scheinuntermietverhältnis gemäß § 2 Abs 3 MRG vor. Die Beklagte beantragte die Unterbrechung des Räumungsstreites bis zur rechtskräftigen Beendigung des zur Anerkennung als Hauptmieterin zu 44 MSch 35/95 des Erstgerichtes eingeleiteten Verfahrens.

Das Erstgericht unterbrach das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des genannten MSch-Verfahrens. Da die Frage, ob die Beklagte Haupt- oder Untermieterin sei, sowohl für die Frage der Aktivlegitimation als auch für jene der Zulässigkeit der Befristung des Vertrages auf ein halbes Jahr präjudiziell sei, sei der Prozeß gemäß § 41 MRG zu unterbrechen.

Das Rekursgericht wies den Unterbrechungs- antrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zu § 2 Abs 1 MRG in der letzten Fassung eine oberstgerichtliche Rechtsprechung noch nicht vorliege und in der Literatur divergierende Auslegungsergebnisse ersichtlich seien. Der "Untermietvertrag" sei nach dem Inkrafttreten des 3.Wohnrechtsänderungsgesetzes geschlossen worden, sodaß § 2 Abs 1 MRG in der neuen Fassung anzuwenden sei. Im Gegensatz zur vorangegangenen Rechtslage liege danach nach dem grammatikalisch klaren Wortlaut Hauptmiete auch dann vor, wenn der Vermieter dinglich oder obligatorisch berechtigter Fruchtnießer auch nur von Teilen der Liegenschaft sei. Mietverträge, die der Fruchtnießer von Teilen der Liegenschaft oder einzelnen Wohnungen vergebe, seien daher Hauptmietverträge im Sinne des § 2 Abs 1 MRG. Der von der Beklagten gestellte Antrag sei daher nicht präjudiziell, vielmehr als aussichtslos zu beurteilen. Das Verfahren sei daher nicht zu unterbrechen.

Rechtliche Beurteilung

1. Der gegen den rekursgerichtlichen Beschluß erhobene Revisionsrekurs der Klägerin ist unzulässig.

Die Klägerin hat in erster Instanz die Abweisung des vom Beklagten gestellten Unterbrechungsantrages begehrt, das Rekursgericht hat in Stattgebung des von der Klägerin erhobenen Rekurses diesem Begehren entsprochen. Die Klägerin ist daher durch den Spruch des angefochtenen Beschlusses nicht beschwert. Die Rechtsprechung anerkennt eine Beschwer durch die Begründung nur bei Rechtsmitteln gegen Aufhebungsbeschlüsse und Zwischenurteile, lehnt sie jedoch sonst grundsätzlich ab (Kodek in Rechberger ZPO Rz 10 vor §§ 461 f mwN). Nach ständiger Rechtsprechung ist die Beschwer eine Zulässigkeitsvoraussetzung für jedes Rechtsmittel (Kodek aaO Rz 9 mwN). Der Revisionsrekurs der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

2. Der Revisionsrekurs des Beklagten ist berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung vom 30.4.1996, 4 Ob 2069/96k, welcher ein identer Sachverhalt (Räumungsklage der Klägerin als Fruchtgenußberechtigter gegen den Mieter einer anderen im selben Haus gelegenen Wohnung, idente Parteienvertreter) zugrunde lag, unter ausführlicher Darlegung der Lehrmeinungen zur Neufassung des § 2 Abs 1 Satz 1 MRG durch das 3.WÄG erkannt, daß der Gesetzgeber die vorgenommene Änderung ausschließlich mit der Gleichstellung des obligatorischen mit dem dinglichen Fruchtnießer begründet habe. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte müsse daher angenommen werden, daß es der Gesetzgeber im übrigen bei der bisherigen Rechtslage habe belassen wollen, daß also nur der Fruchtnießer der ganzen Liegenschaft, nicht aber der bloß an einer Wohnung Fruchtgenußberechtigte einen Hauptmietvertrag schließen könne. Der erkennende Senat schließt sich aus den in der genannten Entscheidung ausführlich dargelegten Argumenten dieser Rechtsansicht an.

Auf Grund des eigenen Vorbringens der Klägerin allein, sie sei Fruchtnießerin der Wohnung, kann daher das Bestehen eines Untermietverhältnisses noch nicht verneint werden. Der Einwand der Beklagten, sie sei in Wahrheit Hauptmieterin, weil ein "Scheinuntermietverhältnis" im Sinne des § 2 Abs 3 MRG vorliege, ist damit rechtlich von Bedeutung. Der verstärkte Schutz des (nominellen) Untermieters vor Umgehungsgeschäften umfaßt nicht nur einen vorgeschobenen Hauptmietvertrag, sondern jedes Rechtsgeschäft, das dem Strohmann die Stellung eines Untermieters verschafft (SZ 56/109 ua).

Die Entscheidung über das Räumungsbegehren hängt damit von der Vorfrage auf Anerkennung der Beklagten als Hauptmieterin ab, über die im anhängigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 1 MRG zu entscheiden ist. Die Verfahrensunterbrechung nach § 41 MRG durch das Erstgericht erfolgte daher zu Recht, sodaß dessen Beschluß wiederherzustellen ist.

Der Ausspruch über die Revisionskosten der Beklagten beruht auf §§ 41, 50 und 52 ZPO.

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