Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 4.871,04 (darin enthalten S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu bezahlen.
Text
Begründung
Der Kläger war als Beamter in der Rechtsabteilung ***** des Amts der Steiermärkischen Landesregierung tätig; seit Ende Juni 1993 ist er vom Dienst suspendiert. Der Beklagte ist der Leiter dieser Abteilung. Mit Bescheid des Landeshauptmanns für Steiermark vom 14.7.1989 wurde der Kläger auf die Dauer von fünf Jahren gemäß § 126 Abs.1 KFG zum Sachverständigen für die Lenkerprüfung bestellt. Mit Dienstverfügung vom 25.1.1991 gab der Beklagte als Abteilungsvorstand dem Kläger bekannt, daß bis zur Aufarbeitung der ihm zugeteilten, unerledigt gebliebenen Strafakten auf "einen üblichen Durchschnitt" eine Einteilung als Lenkerprüfer nicht erfolgen könne. Der Beklagte ist für die Einteilung der Sachverständigen zu den Lenkerprüfungen zuständig.
Der Kläger, der die Verurteilung des Beklagten zum Ersatz seines mit S 75.000,-- bezifferten Schadens begehrte, brachte vor, vom Beklagten willkürlich nicht mehr als Lenkerprüfer eingesetzt zu werden. Er habe deshalb in der Zeit von Jänner 1992 bis Juli 1994 keine Sachverständigentätigkeit ausüben können. Die zur Durchführung der Lenkerprüfung eingeteilten Sachverständigen hätten jährlich S 30.000,-- verdient. Er habe daher einen Verdienstentgang von insgesamt S 75.000,-- erlitten. Durch die Verbreitung unrichtiger Behauptungen habe der Beklagte den Erwerb und das Fortkommen des Klägers gefährdet; er habe bei der Nichtberücksichtigung des Klägers im Zuge der Einteilung zu Lenkerprüfungen rechtsmißbräuchlich und schikanös gehandelt.
Der Beklagte wendete Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, weil er als Organ eines Rechtsträgers gehandelt habe. Im übrigen sei die Nichtberücksichtigung des Klägers sachlich gerechtfertigt und habe dieser keinen Anspruch darauf, zu Lenkerprüfungen eingeteilt zu werden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte habe als Organ des Landes Steiermark gehandelt und sei als solches passiv nicht legitimiert. Darüber hinaus könne dem Kläger kein Schaden entstanden sein, weil er keinen Rechtsanspruch auf eine Bestellung zum Sachverständigen habe. Schließlich sei ihm der Beweis einer schikanösen Handlungsweise des Beklagten nicht geglückt und seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt.
Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der Berufung des Klägers das bisherige Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Der Beklagte sei gemäß § 126 Abs.1 KFG vom Landeshauptmann für Steiermark zum rechtskundigen Sachverständigen zwecks Begutachtung der fachlichen Befähigung von Personen, Kraftfahrzeuge zu lenken, bestellt worden. Demnach gelte er als öffentliches Organ, dessen sich die Behörde zur Durchführung ihrer Aufgaben bediene. Die Bestellung könne jederzeit widerrufen werden, denn ein Anspruch auf eine solche bestehe nicht. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger als Sachverständiger im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig geworden sei, weil es nur darauf ankomme, ob der Beklagte als Organ eines im § 1 AHG genannten Rechtsträgers in Vollziehung der Gesetze gehandelt habe. Letzteres sei zu bejahen. Der Beklagte sei für die Durchführung der einschlägigen Bestimmungen des KFG zuständig und übe die Dienstaufsicht über den Kläger aus. Zwischen der Erfüllung dieser Aufgaben (hoheitlicher Zielsetzung) und der behaupteten schädigenden Handlung selbst bestehe ein derart enger Zusammenhang, daß die Handlung als Hoheitsmaßnahme zu werten sei. Damit sei aber der Rechtsweg gemäß § 9 Abs.4 (gemeint: Abs.5) AHG ausgeschlossen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs der Kläger ist gemäß § 519 Abs.1 Z 1 ZPO ungeachtet der in den §§ 502 und 528 ZPO verfügten Beschränkungen zulässig (1 Ob 512/92 mwN), aber nicht berechtigt.
Der Landeshauptmann für Steiermark hat den Kläger gemäß § 126 Abs.1 KFG mit Bescheid vom 14.7.1989, also mittels Hoheitsakts, zum (rechtskundigen) Sachverständigen für die Lenkerprüfung bestellt. Gemäß § 67 Abs.3 KFG hat die für die Erteilung der Lenkerberechtigung zuständige Behörde vor Erteilung der Lenkerberechtigung ein Gutachten eines gemäß § 126 KFG bestellten Sachverständigen darüber einzuholen, ob der Antragsteller zum Lenken von Kraftfahrzeugen der in Betracht kommenden Gruppe fachlich befähigt ist; dieses Gutachten ist aufgrund der Lenkerprüfung zu erstatten. Die Lenkerberechtigung ist gemäß § 67 Abs.1 KFG zu erteilen, wenn das Verfahren ergibt, daß die Voraussetzungen für die Erteilung vorliegen. Danach kann es schon keinem Zweifel unterliegen, daß der Kläger im Zuge der Erstattung solcher Sachverständigengutachten hoheitlich handelte, wurde doch dadurch die Ausübung hoheitlicher Gewalt (Erteilung der Lenkerberechtigung bzw deren Verweigerung) wesentlich vorbereitet (1 Ob 8/96; 1 Ob 2/94; SZ 64/85; JBl 1992, 532; 1 Ob 2/92). Wird schon in der Anbringung der Begutachtungsplakette durch einen hiezu ermächtigten Verein bzw. Gewerbetreibenden im Sinne des § 57a KFG ein Hoheitsakt erblickt (JBl 1991, 180; 1 Ob 3/82; SZ 54/19; vgl. ZVR 1969/179; SZ 24/122), so liegt eine hoheitliche Tätigkeit umsomehr dann vor, wenn ein der Behörde beigegebener oder zur Verfügung stehender amtlicher Sachverständiger (Amtssachverständiger) im Sinne des § 52 Abs.1 AVG tätig wird, um ein vom Gesetz zwingend vorgesehenes Gutachten als Grundlage der Erteilung der Lenkerberechtigung zu erstatten (SZ 60/2; SZ 54/19; EvBl 1972/315; ZVR 1964/182; Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 23 zu § 1299).
Entscheidend ist aber, ob der Beklagte als Organ eines Rechtsträgers handelte, als er verfügte, daß der Kläger nicht mehr als rechtskundiger Sachverständige für die Lenkerprüfung eingeteilt werde. Diese Frage ist danach zu beantworten, ob sein Handeln einen hinreichend engen Zusammenhang mit seiner hoheitlichen Aufgabe aufweist, selbst wenn damit die Ausübung hoheitlicher Gewalt bloß vorbereitet wird (1 Ob 8/96 uva). Das gilt selbst dann, wenn ein an sich ordnungsgemäß bestelltes Organ Handlungen setzt, zu deren Vollziehung es nicht berufen ist, also seine Kompetenzen überschreitet oder allenfalls sogar sein Amt mißbraucht (1 Ob 8/96; 1 Ob 27/92; Schragel, AHG2 Rz 25 und 118). Für die Erteilung der Lenkerberechtigung ist es Voraussetzung, daß gemäß § 126 KFG bestellte Gutachter die fachliche Befähigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen attestieren. Fällt es nun in den Aufgabenbereich des Beklagten, die Sachverständigen für die jeweilige Lenkerprüfung zu benennen, dann kann es nicht zweifelhaft sein, daß damit die Ausübung hoheitlicher Gewalt vorbereitet wird. Die Erteilung der Lenkerberechtigung ist nämlich ein individueller, hoheitlicher, im Außenverhältnis ergehender, rechtsgestaltender Verwaltungsakt, also ein Bescheid (EvBl 1982/51). Durch die Vorschriften des KFG will der Staat den Gefahren steuern, die der Allgemeinheit im öffentlichen Straßenverkehr durch die Eigenart und Beschaffenheit der Kraftfahrzeuge, aber auch durch die allenfalls mangelnden Kenntnisse und Fähigkeiten der Lenker drohen. Der angestrebte Verwaltungszweck des KFG ist der Schutz der öffentlichen Verkehrssicherheit (1 Ob 40/93; EvBl 1982/51; SZ 54/19). Wenn nun der Beklagte verfügte, den Kläger nicht mehr zu Lenkerprüfungen heranzuziehen, dann handelt es sich dabei um eine Tätigkeit "in Vollziehung der Gesetze" im Sinne des § 1 Abs.1 AHG, die in einem engen inneren und äußeren Zusammenhang mit seinem hoheitlichen Aufgabenkreis stand. Auch eine - für den Kläger - negative Entscheidung eines Organs fällt nämlich in den Bereich hoheitlichen Handelns (vgl. JBl 1991, 180).
Nun sind auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts gestützte Ansprüche eines Geschädigten gegen eine im Sinne des § 1 AHG als Organ handelnde Person ausgeschlossen (1 Ob 8/96; SZ 63/25; 9 ObA 228/93; SZ 47/120; Schragel aaO Rz 262). Schäden gemäß § 1 Abs.1 AHG können zulässigerweise nur im Rahmen der Amtshaftung gegen den Rechtsträger geltend gemacht werden: Auch die - subsidiäre - Verfolgung eines Anspruchs nach den allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts kommt wegen der durch das Amtshaftungsgesetz gegebenen Beschränkungen (§ 1 Abs.1 bzw. § 9 Abs.5 AHG) gegen ein Organ nicht in Betracht (1 Ob 8/96; 1 Ob 2/94; 9 ObA 228/93; SZ 47/120). Handelte der Beklagte - wie hier - hoheitlich, ist nicht nur dessen Schadenersatzhaftung gemäß § 1 Abs.1 AHG zu verneinen, sondern ist gemäß § 9 Abs.5 AHG gegen ihn als Organ auch der Rechtsweg unzulässig (1 Ob 8/96; 1 Ob 49, 54/95 mwN). Die Konsequenz dieser Rechtswegunzulässigkeit läßt sich auch nicht dadurch vermeiden, daß der Kläger einen auf dem allgemeinen bürgerlichen Recht beruhenden Anspruchsgrund vorzuschieben versucht; die rechtliche Beurteilung des Streitgegenstandes obliegt nämlich allein dem Gericht. Das Berufungsgericht hat die Unzulässigkeit des Rechtswegs als Mangel einer absoluten Prozeßvoraussetzung gemäß § 240 Abs.3 ZPO richtigerweise wahrgenommen, das Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen.
Damit erweist sich der Rekurs aber als nicht berechtigt.
Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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