OGH 1Ob27/92

OGH1Ob27/9215.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Graf, Dr.Schiemer und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bernhard L*****, vertreten durch Dr.Teja H.Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1010 Wien, wegen Unterlassung, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 26.Mai 1992, GZ 6 R 103,117/92-5, womit Punkt 1 des Beschlusses des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 13.April 1992, GZ 19 Cg 104/92-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger, ohne sein Klagebegehren auf einen bestimmten Rechtsgrund, insbesondere jenen der Amtshaftung zu stützen, die beklagte Republik Österreich schuldig zu erkennen, das Lesen seiner Briefe durch Justizwachebeamte des lg. Gefangenenhauses Graz, in welchem er sich in Untersuchungshaft befinde, zu unterlassen. Seit seiner Verhaftung habe er ein Tagebuch über alle Vorkommnisse während der Untersuchungshaft geschrieben, welches er täglich seiner Frau gesandt habe. Da die Briefe wegen der Zensur durch den Untersuchungsrichter offen an die Justizwachebeamten übergeben werden hätten müssen, seien sie von einigen Beamten, wie sich aus deren Äußerungen ihm gegenüber ergeben habe, unbefugt gelesen worden; der Kläger habe seine Absicht, sein Tagebuch durch Veröffentlichung zu verwerten, daher wieder aufgeben müssen, weil ihn die Kenntnis des Inhalts seiner Briefe Repressalien durch Justizwachebeamte ausgesetzt habe. Durch das Lesen seiner Briefe erleide er einen Schaden, den er noch nicht genau beziffern könne, der aber sicherlich höher als S 300.000,-- liege, weshalb er "ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Unterlassungsanspruchs gegenüber der Gegenseite" habe.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Die Zensur des Briefverkehrs eines Untersuchungshäftlings sei durch öffentlich-rechtliche Normen (StPO, StVG) geregelt; nach diesen Normen seien auch die Vorkehrungen der Gefangenenhausverwaltung über die Weiterleitung der Häftlingspost zu den zur Zensur befugten Personen zu beurteilen. Diesbezügliche Unzulänglichkeiten bzw. Unterlassungen seien im Verwaltungsweg abzustellen bzw. durchzusetzen. Der gegen die Republik Österreich geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei aus privatrechtlichen Normen nicht ableitbar, daher im Zivilrechtsweg auch nicht durchsetzbar.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte den Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes, bewertete den Gegenstand seiner Entscheidung über S 50.000,-- und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Bei dem vorliegenden Klagsanspruch, die beklagte Partei solle wegen behaupteten unbefugten Lesens der Post des in Untersuchungshaft befindlichen Klägers durch Justizwachebeamte "das Lesen von Briefen der klagenden Partei unterlassen", handle es sich um keine bürgerlich-rechtliche Rechtssache im Sinne des § 1 JN. Im Zusammenhang mit dem vom Kläger erwähnten Schaden sei darauf zu verweisen, daß der Kläger weder ein Schadenersatzleistungsbegehren, noch ein entsprechendes Feststellungsbegehren gestellt habe, sodaß darauf und die diesfalls zu beachtenden verfahrensrechtlichen Besonderheiten eines solchen Begehrens (Amtshaftungsanspruch) nicht einzugehen sei. Das Amtshaftungsgesetz gewähre keinen Unterlassungsanspruch.

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des Klägers ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, daß mit der vorliegenden Klage ein Amtshaftungsanspruch weder ausdrücklich noch in der Sache geltend gemacht wird, weil ein solcher gemäß § 1 Abs.1 AHG nur auf Geldersatz bzw. Feststellung eines noch nicht bezifferbaren Schadens zu richten wäre (SZ 59/112; SZ 51/45 uva; Schragel, AHG2 Rz 10). Alle im Zusammenhang mit dem Freiheitsentzug durch gerichtliche (Untersuchungs-)Haft stehenden Handlungen und Unterlassungen des Justizwachepersonals erfolgen in Ausübung der Hoheitsverwaltung (siehe Schragel aaO Rz 98), sodaß aus rechtswidrigen Handlungen und Unterlassungen der Justizwachebeamten gegenüber einem Untersuchungshäftling nur Amtshaftungsansprüche in Frage kommen. Daran ändert es auch nichts, wenn diese Verhaltensweisen der Justizwachebeamten allenfalls unter Mißbrauch ihres Amtes gesetzt werden und insoweit im Sinne der Ausführungen im Revisionsrekurs nicht mehr in den Bereich der ordentlichen (gemeint wohl: gesetzmäßigen) öffentlichen Verwaltung fallen, sondern eine in die Rechte des Klägers eingreifende "gesetzlose Eigenmacht" darstellen sollten, weil gerade schuldhaft rechtswidriges Organverhalten Grundlage jedes Amtshaftungsanspruchs ist. Soll aber - was der Kläger vorliegend ausdrücklich mit seinem Unterlassungsbegehren anstrebt - rechtswidriges Organverhalten abgestellt werden, der Behörde sohin ein bestimmtes hoheitliches Handeln aufgetragen oder untersagt werden, so steht einem solchen Begehren der Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung entgegen, der es den Gerichten verwehrt, Organe der Vollziehung zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen zu verurteilen. Da der Kläger mit seiner Klage den Rechtsträger Republik Österreich in Anspruch nimmt, jedoch einen Amtshaftungsanspruch nicht geltend gemacht hat, ist die Zurückweisung der Klage mangels Rechtswegzulässigkeit gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

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