OGH 1Ob2/92

OGH1Ob2/9214.7.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag.Helmut D*****, vertreten durch Dr.Dieter Graf und Dr.Michael Engele, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien,

2.) Land Salzburg, vertreten durch Dr.Kurt Asamer und Dr.Christian Schubert, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Widerruf, Veröffentlichung und Unterlassung (Streitwert: S 501.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 8.Oktober 1991, GZ 12 R 54/91-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 25.März 1991, GZ 8 a Cg 103/90-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit S 15.913,50 und der zweitbeklagten Partei die mit S 19.096,20 (darin S 3.182,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt im Amtshaftungsweg die Verurteilung der Republik und des Landes Salzburg zum Widerruf näher dargestellter, vom Leiter der Bundespolizeidirektion Salzburg in amtlicher Eigenschaft bei einem ORF-Interview gemachter, vom ORF-Landesstudio Salzburg am 28.9.1990 gesendeter Äußerungen, die seinen Kredit, Erwerb und sein Fortkommen zu schädigen geeignet gewesen seien, weiters den Ausspruch seiner Ermächtigung, den Widerruf auf Kosten der beklagten Rechtsträger durch den ORF senden zu lassen sowie die Verurteilung der beklagten Rechtsträger, weitere gleichartige unrichtige Angaben in Beziehung auf seine Person zu unterlassen.

Die beklagten Parteien beantragten die Zurückweisung der Klage bzw. Abweisung des Klagebegehrens unter anderem, weil das Amtshaftungsgesetz nur Schadenersatzansprüche in Geld vorsehe, nicht hingegen die vom Kläger begehrten Ansprüche auf Verpflichtung der Rechtsträger zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Gemäß § 1 Abs.1 AHG hafte ein Rechtsträger nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben, wobei der Schaden nur in Geld zu ersetzen sei. Nach ständiger Rechtsprechung sei auch ein (Schadenersatz-)Feststellungsbegehren zulässig. Der Kläger leite jedoch aus dem auf § 1330 Abs.2 ABGB gestützten Schadenersatzanspruch kein Zahlungsbegehren, sondern ein Widerrufs-, Widerrufsveröffentlichungs- und Unterlassungsbegehren ab, das im Gesetz (§ 1 Abs.1 AHG) nicht gedeckt sei. Die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Gesetze stehe dem Erstgericht gemäß Art. 89 Abs.1 B-VG nicht zu.

Das Gericht zweiter Instanz gab der allein auf verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des § 1 Abs.1 AHG gegründeten Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige und die Revision zulässig sei. Die rechtliche Beurteilung erschöpfe sich nicht darin, die anzuwendenden Rechtsnormen aufzufinden, auszulegen und auf den konkreten Sachverhalt anzuwenden, sondern umfasse auch die Prüfung ihrer Gültigkeit mit allen sich aus der Verfassung selbst ergebenden Beschränkungen. Der Kläger könne daher seine Rechtsrüge auch ausschließlich auf die Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die vom Erstgericht (auch nach seiner Auffassung sonst richig) angewandte Norm beschränken. Während der Anspruch auf Widerruf der kreditschädigenden Äußerungen ein auf Naturalrestitution gerichtetes Schadenersatzbegehren darstelle, sei der Unterlassungsanspruch ein vom Haftpflichtanspruch unabhängiger selbständig zu beurteilender zivilrechtlicher Anspruch; für ihn sei der Eintritt eines Schadens gar nicht Voraussetzung, er werde gerade zur Abwehr von rechtswidrigen Schadenszufügungen oder solchen vorbeugend gewährt. Die Haftung der Rechtsträger für schuldhaft rechtswidriges hoheitliches Organverhalten wurzle aber nicht im Kompetenztatbestand "Zivilrechtssachen" (Art.10 Abs.1 Z 6 B-VG), sondern auf besonderem verfassungsrechtlichem Befehl des Art.23 Abs.1 B-VG, der die Haftung der Rechtsträger auf den Schaden beschränke, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben. § 1 Abs.1 AHG schränke zwar den Ersatz auf den Schaden am Vermögen oder an der Person ein, die Rechtsprechung anerkenne aber auch die Ersatzfähigkeit von Schäden an der persönlichen Freiheit oder an der Ehre. Immer aber hafte der Rechtsträger nur für Schadenersatz in Geld. Der Unterlassungsanspruch sei daher jedenfalls nicht im AHG gedeckt. Die im § 1 Abs.1 aE AHG angeordnete Beschränkung auf Geldersatz nehme aber auch dem als Naturalschadenersatz außerhalb des AHG möglichen Widerrufs(-veröffentlichungs)anspruch seine Berechtigung. Gegen diese Bestimmung bestünden auch keine Bedenken in verfassungsrechtlicher Hinsicht. Gemäß Art.23 Abs.4 B-VG werde der Bundesgesetzgeber zur Erlassung der näheren Bestimmungen zu Art.23 Abs.1 B-VG ermächtigt. Diese Ermächtigung habe sich allerdings an die durch die Bundesverfassung selbst gesetzten Schranken zu halten. Aus der von der Verfassung verfügten Trennung von Justiz und Verwaltung in allen Instanzen (Art.94 B-VG) folge, daß die Gerichte die Verwaltungsbehörden (Organe) nicht "anhalten" könnten, in einer bestimmten Weise tätig zu werden. Daher entspreche die Ausnahme des Naturalersatzes aus der Haftpflicht nach dem AHG den Grundsätzen der österreichischen Bundesverfassung.

Die gegen das Urteil der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß die bloße Aufzeigung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen eine im Prozeß anzuwendende Norm schon deshalb zentraler Inhalt einer rechtlichen Beurteilung oder einer Rechtsrüge ist, weil es dabei um die Gültigkeitskontrolle der anzuwendenden Rechtsnorm geht (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1461, 1773, 1918) und die Partei des Zivilprozesses nur auf diese Weise die Voraussetzungen für eine Normenprüfung über Antrag eines Gerichtes (Art.89 Abs.2 B-VG) schaffen kann.

Die Revisionsausführungen über die nach Ansicht des Klägers vorliegenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 1 Abs.1 AHG vermögen aber nicht zu überzeugen. Die Pflicht des Obersten Gerichtshofs zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof setzt relevante Gründe voraus, die für eine Verfassungswidrigkeit der angefochtenen gesetzlichen Bestimmung sprechen, sie besteht nicht schon dann, wenn nur eine Partei derartige Bedenken äußert (EvBl.1992/35; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verfassungsrechtes7 Rz 1111). Zunächst kann auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Berufungsurteils verwiesen werden (§ 510 Abs.3 2.Satz ZPO). Auch der Kläger geht davon aus, daß der Leiter der Bundespolizeidirektion Salzburg bei dem in Rede stehenden Interview in dieser amtlichen Eigenschaft tätig war, sodaß jedenfalls Hoheitsverwaltung anzunehmen ist, weil das Interview hoheitlichen Zielsetzungen diente und einen engen Zusammenhang mit hoheitlichen Aufgaben aufwies (JBl.1992, 122 mwH) und nur - die vom Kläger auch geforderte - Amtshaftung in Frage kommt. Da die Amtshaftung nicht im Kompetenztatbestand "Zivilrechtswesen" wurzelt, sondern auf besonderem verfassungsrechtlichen Befehl des Art.23 B-VG beruht (VfSlg.8202/1977; JBl.1992, 122 ua), kann die im § 1 Abs.1 AHG auf der Grundlage der Ausführungsermächtigung des Art.23 Abs.4 B-VG erfolgte Einschränkung des allgemeinen Schadenersatzrechtes der §§ 1293 ff ABGB auf den Ersatz des Schadens in Geld nur im Lichte der dem Bundesgesetzgeber vorgegebenen verfassungsrechtlichen Schranken (so auch des Art.94 B-VG) betrachtet werden. Daraus folgt aber im Sinne der herrschenden Ansicht (VfSlg.7882/1976 ua; SZ 61/88; 1 Ob 28/91; Schragel AHG2 Rz 10, 161), daß es ausgeschlossen ist, daß Gerichte dem Rechtsträger ein bestimmtes Tun oder eine bestimmte Unterlassung auftragen. Die Amtshaftungsschadenersatzregelung des § 1 Abs.1 AHG ist demnach als verfassungskonform anzusehen, sodaß der Kläger weder mit seinem Widerrufs-(veröffentlichtungs-)begehren, noch mit seinem schadensvorbeugenden Unterlassungsbegehren im Amtshaftungswege gegen die beklagten Rechtsträger durchdringt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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