Normen
AHG §1
Gesetz über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen DRGBl. I. 97 §4
AHG §1
Gesetz über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen DRGBl. I. 97 §4
Spruch:
Rechtszug in Binnenschiffahrtssachen. - Wenn - aus welchen Gründen immer - ein Anspruch gegen ein Organ wegen der durch das Amtshaftungsgesetz gegebenen Beschränkungen nicht erhoben werden kann, kommt auch eine - subsidiäre - Geltendmachung dieses Anspruches nach den allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes nicht in Betracht
OGH 7 November 1974, 2 Ob 260/74 (OLG Linz 3 R 78, 79/74, BG Gmunden 3 C 378/73)
Text
Der Kläger, ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland, fuhr am 27. Juli 1972 in einem gemieteten, von seiner Ehegattin gelenkten Elektroboot auf dem Traunsee im Bereich von G. Der Zweitbeklagte lenkte ein Motorboot der Erstbeklagten (Republik Österreich); er befand sich als Gendarmeriebeamter auf einer dienstlichen Überwachungsfahrt und war hiebei im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig. Das vom Zweitbeklagten gelenkte Boot rammte das Boot, in dem der Kläger mitfuhr; dieser wurde hiebei erheblich verletzt. Der Zweitbeklagte wurde wegen dieses Vorfalles nach § 335 StG rechtkräftig verurteilt.
Der Kläger belangt die beiden Beklagten beim Bezirksgericht G als Binnenschiffahrtsgericht. Er führt dazu aus, das Amtshaftungsgesetz sei wegen der Staatsangehörigkeit des Klägers im Hinblick auf die fehlende Gegenseitigkeit nicht anwendbar, doch hafte die Erstbeklagte als Schiffseignerin nach dem Binnenschiffahrtsgesetz, während die Haftung des Zweitbeklagten, den das Alleinverschulden am Unfall treffe, als Schiffsführer ebenfalls auf dem Binnenschiffahrtsgesetz, daneben aber auch auf dem ABGB beruhe.
Die Beklagten wendeten sachliche und örtliche Unzustandigkeit des angerufenen Gerichtes ein; der Zweitbeklagte erhob überdies die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges.
Das Erstgericht schränkte die Verhandlung auf die Fragen der Zulässigkeit des Rechtsweges und der Zuständigkeit ein. Es wies die Klage gegen den Zweitbeklagten zurück (Punkt I), verpflichtete den Kläger zum Ersatz der Kosten des Zweitbeklagten (Punkt 2) und sprach aus, daß die von der Erstbeklagten erhobenen Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges sowie der Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes Gmunden abgewiesen werden (Punkt 3). Das Erstgericht bezeichnete sich in seinem Beschluß als Schiffahrtsgericht.
Gegen diesen Beschluß erhoben der Kläger und die erstbeklagte Partei Rekurs. Die klagende Partei wendete sich gegen Punkt 1, die erstbeklagte Partei gegen Punkt 3 der erstgerichtlichen Entscheidung. Der Kläger benannte als Rekursgericht das Oberlandesgericht Wien, die erstbeklagte Partei bezeichnete das Rekursgericht nicht.
Nach Vorlage der Rekurse an das Oberlandesgericht Linz - zuvor hatten sich das Oberlandesgericht Wien als Schiffahrtsgericht und das Kreisgericht Wels als zur Behandlung der Rekurse unzuständig erklärt - bejahte dieses als Schiffahrtsobergericht seine Zuständigkeit. Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß gab es dem Rekurs der erstbeklagten Partei nicht Folge und bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß in seinem Punkt 3 mit der Maßgabe, daß die Entscheidung über eine Einrede der erstbeklagten Partei wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zu entfallen habe; dem Rekurs des Klägers hingegen gab es Folge; es änderte den erstgerichtlichen Beschluß in seinen Punkten 1 und 2 dahin ab, daß die von der zweitbeklagten Partei erhobenen Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges und der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit zurückgewiesen werden, und verpflichtete den Zweitbeklagten zum Ersatz der Rekurskosten an den Kläger.
Gegen den Beschluß des Schiffahrtsobergerichtes insoweit, als damit dem Rekurs des Klägers gegen den Beschluß des Schiffahrtsgerichtes Folge gegeben wurde, erhebt der Zweitbeklagte fristgerecht Rekurs (richtig: Revisionsrekurs) mit dem Antrage, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Beschluß des Schiffahrtsgerichtes auch in seinen Punkten 1 und 2 bestätigt werde.
Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels führt der Zweitbeklagte aus, daß § 528 ZPO durch das Gesetz über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen nicht berührt werde; dessen Sonderregelung betreffe lediglich die zweite Instanz; die Überprüfung der Entscheidungen der Schiffahrtsobergerichte durch den Obersten Gerichtshof im Falle difformer Entscheidungen sei nicht ausgeschlossen worden.
Das Schiffahrtsobergericht legte den Revisionsrekurs mit dem Bemerken vor, daß es die Ansicht des Rechtsmittelwerbers über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses teile.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Zweitbeklagten Folge und änderte den angefochtenen Beschluß in seinem Punkt 1 dahin, daß der Beschluß des Erstgerichtes in seinen Punkten 1 und 2 wieder hergestellt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Bei der Prüfung der Zulässigkeit des vorliegenden Rechtsmittels ist davon auszugehen, daß der Kläger seinen Anspruch gegen beide beklagten Parteien ausdrücklich auf das Binnenschiffahrtsgesetz (DRGBl. 1898 I, 369, 868, eingeführt in Österreich mit Verordnung vom 11. Dezember 1939, GBLÖ 1931 Nr. 1454 und 1940 Nr. 44), hinsichtlich des Zweitbeklagten außerdem auf das ABGB stützt, er das Erstgericht ausdrücklich als "Binnenschiffahrtsgericht" angerufen und das Erstgericht seine Entscheidung als "Schiffahrtsgericht" gefällt hat. Für die Beurteilung der funktionellen Zuständigkeit - und damit für die Frage, welche Verfahrensbestimmungen in diesem Verfahren anzuwenden sind - kommt es lediglich darauf an, ob eine Entscheidung des Schiffahrtsgerichtes vorliegt (6 Ob 177/71). Das ist hier der Fall. Es ist daher weiter zu prüfen, wie der Rechtszug im Verfahren in Binnenschiffahrtssachen gestaltet ist, und insbesondere, ob Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof als dritte Instanz zulässig sind.
Das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen ist durch das Gesetz über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen vom 30. Jänner 1937, DRGBl. 1, 97, i. d. F. der Fünften Durchführungsverordnung vom 18. März 1943, DRGBl. 1, 147, geregelt. Dieses Gesetz sowie die dazu ergangene Vierte Durchführungsverordnung vom 26. Juni 1941, DRGBl. 1, 351, sind geltendes österreichisches Recht (vgl. Index zum Reichsgesetzblatt und Bundesgesetzblatt Wien 1971, 396). Die Fortdauer der Geltung des Gesetzes über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen beruht auf dem Rechtsüberleitungsgesetz (Verfassungsgesetz vom 1. Mai 1945, StGBl. 6). Da sich die Rechtslage nach diesem Zeitpunkt im ehemaligen Deutschen Reich, insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland, in bezug auf Binnenschiffahrtssachen und das Verfahren in solchen verschiedentlich geändert hat, läßt sich für die Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit eines dritten Rechtszuges in Binnenschiffahrtssachen aus der jüngeren (bundes-) deutschen Judikatur und Literatur nichts Stichhaltiges gewinnen, so daß auf die vor dem 1. Mai 1945 entstandenen reichsrechtlichen.
Quellen und Belegstellen zurückzugreifen und auf die seither ergangene österreichische Rechtsprechung und die Meinung inländischer Autoren Bedacht zu nehmen ist.
Durch § 4 des Gesetzes über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen wurde dem Reichsminister der Justiz u. a. die Ermächtigung eingeräumt, "für das Verfahren in diesen Sachen, namentlich über die zulässigen Rechtsmittel und über die zur Entscheidung über die Rechtsmittel zuständigen Gerichte, besondere Vorschriften zu erlassen". Von dieser Ermächtigung wurde in den folgenden Durchführungsverordnungen nach verschiedenen Richtungen Gebrauch gemacht; so wurde durch die Erste Durchführungsverordnung (DRGBl. 1937 I, 101) ausdrücklich die "Berufung" ohne Rucksicht auf den Wert des Streitgegenstandes für zulässig erklärt, und die Verhandlung und Entscheidung über Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen der Schiffahrtsgerichte den Oberlandesgerichten Köln und Karlsruhe übertragen. Die Zweite Durchführungsverordnung (DRGBl. 1938, 1, 374) betraf die Einrichtung der Schiffahrtsgerichte für das Stromgebiet der Elbe; durch die Dritte Durchführungsverordnung (DRGBl. 1939, I, 700) wurde generell angeordnet, daß über Berufungen und Beschwerden gegen die Entscheidungen der Schiffahrtsgerichte (am Rhein und an der Elbe) die Oberlandesgerichte zu befinden haben. Durch die Vierte Durchführungsverordnung (DRGBl. 1941, I, 351) wurden im gesamten Gebiet des damaligen Deutschen Reiches Schiffahrtsgerichte eingesetzt; hinsichtlich des Rechtszuges bestimmt Art. 2, daß die Verhandlung und Entscheidung über Berufungen und Beschwerden (Rekurse) gegen die Entscheidungen der Schiffahrtsgerichte den Oberlandesgerichten übertragen wird, die hierbei die Bezeichnung "Schiffahrtsobergerichte" zu führen haben.
Eine Vorschrift darüber, ob Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der Schiffahrtsobergerichte zulässig oder nicht zulässig sind - wie sie sich etwa im Sinne der Nichtzulässigkeit in § 30 Abs 2 der Reichspachtschutzordnung (Verordnung vom 30. Juli 1940, DRGBl. I, 1065) findet - enthält die Verordnung nicht. In der "Begründung" des Gesetzes (d. s. die "Erläuternden Bemerkungen" in der reichsrechtlichen Nomenklatur) heißt es diesbezüglich nur, daß der Reichsminister der Justiz "insbesondere auch über die Berufungsgerichte besondere Bestimmungen erlassen kann, wie es der geschichtlichen Entwicklung folgend für den Rhein in der Durchführungsverordnung geschehen ist" (Deutsche Justiz 1937, 175). Pfundtner - Neubert "Das neue deutsche Reichsrecht, Ausgabe Österreich" bemerken hiezu, daß die dem Reichsminister der Justiz in § 4 des Gesetzes erteilte Ermächtigung sehr weit gehe und auch die Befugnis zur Änderung der Vorschriften über Rechtsmittel und Zuständigkeit der Rechtsmittelgerichte umfasse (Pfundtner - Neubert II b 31, 8 a (4) (neu) Anm. 1 zu § 4). Soweit Pfundtner - Neubert in diesem Zusammenhang von der Zulassung der "Revision" in Binnenschiffahrtssachen am Rhein sprechen (Anm. 2), liegt allerdings offenbar ein Redaktionsversehen vor, weil durch die bezogene Erste Durchfuhrungsverordnung ausdrücklich die "Berufung", nicht aber die "Revision" für zulässig erklärt wurde. Bis zur Erlassung der Vierten Durchführungsverordnung sei es jedoch auf allen anderen Stromgebieten - nämlich außer am Rhein und Elbe - vorläufig bei dem gewöhnlichen Verfahrensrecht geblieben, so daß im ersten Rechtszug das Amtsgericht über alle Schiffahrtssachen, im zweiten und letzten Rechtszug aber das Landgericht entschieden habe (Pfundtner - Neubert, 9).
Ließe sich somit nach Pfundtner - Neubert annehmen, daß die Schiffahrtsobergerichte als zweite und letzte Instanz in Binnenschiffahrtssachen zu entscheiden haben, so spräche für diese Ansicht auch Vortisch - Zschuke "Binnenschiffahrts- und Flößereirecht" 1938, 783, wonach ein Revisionsverfahren vor dem Reichsgericht (welches § 130 Binnenschiffahrtsgesetz an sich vorsieht) nur für solche Binnenschiffahrtsstreitigkeiten in Betracht komme, die in erster Instanz nicht beim Amtsgericht (Schiffahrtsgericht), sondern zufolge zulässiger abweichender Vereinbarung der sachlichen Zuständigkeit beim Landgericht eingeleitet wurden. Dagegen bejahen Jonas - Pohle, ZPO[16] (45 bei Anm. 47 a) die Zulässigkeit der Revision mit der Begründung, daß die Urteile der Schiffahrtsobergerichte nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften der Revision unterliegen; die Entscheidung des Reichsgerichtes vom 24. Mai 1937, veröffentlicht in JW 1937, 2309, wonach gegen das von einem Rheinschiffahrtsobergericht erlassene Urteil die Revision nicht statthaft sei, betreffe einen Fall aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes und besage also nicht das Gegenteil. Keinen Zweifel an der Zulässigkeit der Revision nach Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen läßt die Entscheidung des Reichsgerichtes vom 12. September 1941 (167, 305).
In der österreichischen Literatur finden sich zur anstehenden Frage nur spärliche Belege. Petschek - Stagel (122) sprechen lediglich davon, daß das Oberlandesgericht betreffend Entscheidungen der Schiffahrtsgerichte zweite Instanz ist. Feil - Hergovitsch - Langer (Anm. 1 zu § 3 JN) beschränken sich auf die Bemerkung, daß der Rechtszug gegen Entscheidungen der Bezirksgerichte als Schiffahrtsgerichte an das Oberlandesgericht als Schiffahrtsobergericht gehe. Als einziger österreichischer Autor nimmt Fasching (Komm. I, 166) ausdrücklich zur Frage der Anrufung des Obersten Gerichtshofes Stellung; er bezeichnet diese ohne nähere Begründung als nach Art. 2 der 4. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen ausgeschlossen.
Der Oberste Gerichtshof hat bisher nur zweimal Entscheidungen in Binnenschiffahrtsangelegenheiten gefällt. Die Entscheidung 2 Ob 38/63 = EvBl. 1963/270 = ZVR 1963/252 = RZ 1963, 138) betraf einen nach dem Binnenschiffahrtsgesetz zu beurteilenden Anspruch, hinsichtlich dessen das Erstgericht (Bezirksgericht Melk) nicht als Schiffahrtsgericht angerufen und tätig geworden war, weshalb offenbar in Ermangelung einer diesbezüglichen Einrede der beklagten Partei von der stillschweigenden Vereinbarung der sachlichen Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gemäß § 104 JN ausgegangen und das Rechtsmittelverfahren in zweiter und dritter Instanz nach den Bestimmungen der ZPO durchgeführt wurde. Im Falle der Entscheidung 6 Ob 177/71 = EvBl. 1972/132 = RZ 1972, 34 hatte das Erstgericht (Bezirksgericht für Handelssachen Wien), obwohl der Anspruch nicht nach dem Binnenschiffahrtsgesetz zu beurteilen war, als Schiffahrtsgericht entschieden, das Oberlandesgericht Wien als Schiffahrtsobergericht hatte sich für unzuständig erklärt und die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt an das für sie zuständige Handelsgericht Wien überwiesen. Bei der Entscheidung über den dagegen erhobenen Rekurs, mit der er dem Schiffahrtsobergericht die sachliche Erledigung auftrug, nahm der Oberste Gerichtshof zur Frage der Zulässigkeit dieses Rekurses nicht gesondert Stellung, sondern bejahte sie lediglich implicite. Gestützt auf die Entscheidung 6 Ob 177/71 sowie die des Reichsgerichtes (167, 305 ff.), ferner auf die Ansicht Jonas - Pohles und die erwähnte "Begründung" des Gesetzes über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen, wonach der Reichsminister der Justiz insbesondere zur Erlassung besonderet Bestimmungen über Berufungsgerichte ermächtigt werden sollte - woraus zu schließen ist, daß eine Beschränkung des Rechtszuges auf zwei Instanzen positiv geregelt, d. h. expressis verbis angeordnet worden wäre -, gelangt der erkennende Senat zur Auffassung, daß die Sonderbestimmungen für das Rechtsmittelverfahren in Binnenschiffahrtssachen lediglich die zweite Instanz betreffen, daß aber der Rechtszug an die dritte Instanz nach den allgemeinen Bestimmungen der ZPO nicht ausgeschlossen wurde und somit Revisionen und Rekurse gegen die Entscheidungen der Schiffahrtsobergerichte zulässig sind.
Der Revisionsrekurs des Zweitbeklagten gegen den Beschluß des Schiffahrtsobergerichtes erweist sich sonach als zulässig. Er ist auch begrundet.
Das Erstgericht hat die Zurückweisung der Klage, soweit sie gegen den Zweitbeklagten gerichtet ist, damit begrundet, daß dieser beim klagsgegenständlichen Unfall im Rahmen der Hoheitsverwaltung in Vollziehung der Gesetze tätig geworden sei und demzufolge gemäß § 1 Abs. 1 letzter Halbsatz AHG vom Geschädigten nicht direkt belangt werden könne, wobei im vorliegenden Falle mangels der in § 7 AHG geforderten Gegenseitigkeit der ausländische Kläger auch den Rechtsträger (die erstbeklagte Partei) nicht mit Erfolg in Anspruch nehmen könne, dieser jedoch nach dem Binnenschiffahrtsgesetz hafte.
Das Schiffahrtsobergericht erachtete den Rechtsweg hinsichtlich des Zweitbeklagten für zulässig und führte zur Begründung seiner Ansicht im wesentlichen aus: Im Hinblick auf die nach § 1 Abs. 1 AHG eröffnete Möglichkeit, den Rechtsträger unmittelbar in Anspruch zu nehmen, bestehe für den Geschädigten keine Notwendigkeit, den Rechtsweg dem schuldigen Organ gegenüber zu beschreiten. Unter Amtshaftung sei daher nur die durch das Amtshaftungsgesetz geregelte Haftung zu verstehen; nur in diesen Fällen schließe § 1 Abs. 1 AHG die Haftung des Organs dem Geschädigten gegenüber aus. Die Ersatzpflicht des Rechtsträgers trete allerdings dann nicht ein, wenn der Geschädigte Ausländer und die Gegenseitigkeit nicht verbürgt sei. Nach § 7 AHG seien somit Schadenersatzansprüche eines Ausländers aus einem rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten eines Organs der in § 1 AHG angeführten Rechtsträger nur dann nach dem AHG zu beurteilen, wenn materielle Gegenseitigkeit gegeben sei. Im vorliegenden Falle sei davon auszugehen, daß der Zweitbeklagte im Zeitpunkt der Schadenszufügung wohl im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig gewesen, die Gegenseitigkeit in Amtshaftungssachen im Sinne des § 7 AHG im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland - den Anwendungsbereich des bilateralen Abkommens BGBl. 245/1957 ausgenommen - aber nicht verbürgt sei.
Das Hofdekret vom 14. März 1806, JGS 758, habe verfügt, daß Staatsbeamte ihrer Amtshandlungen wegen niemals vor einem Zivilgericht belangt werden können. Für den Bereich der Gerichtsbarkeit habe in Abkehr von diesem Grundsatz das Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867, RGBl. 144 über die richterliche Gewalt den Grundsatz aufgestellt, daß der Staat oder dessen richterliche Beamte wegen der von letzteren in Ausübung ihrer amtlichen Wirksamkeit verursachten Rechtsverletzungen mittels Klage belangt werden können. Dieses Grundgesetz sei durch das richterliche Syndikatsgesetz vom 12. Juli 1872, RGBl. 10/1872, näher ausgeführt worden, welches Gesetz gemäß § 19 VÜG 1920 und § 12 VÜG 1929 bis zum Wirksamkeitsbeginn des AHG in Geltung geblieben sei. Für den Bereich der hoheitlichen Verwaltung habe Art. 12 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, RGBl. 145, über die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt eine gleichartige Regelung in Aussicht gestellt, doch sei es in Ermangelung eines Ausführungsgesetzes für diesen Bereich auch weiterhin bei der durch das Hofdekret vom 14. März 1806 verfügten Ausschaltung einer Amtshaftung für Vermögensschäden geblieben. Daran habe auch das Inkrafttreten des B-VG 1920 nichts geändert, da Art. 23, der die Schadenshaftung allgemein, auch für den Bereich der Hoheitsverwaltung, festlegte, mangels Erlassung des vorbehaltenen Ausführungsgesetzes nicht wirksam geworden sei. Erst durch die Novelle zum B-VG BGBl. 19/1949 und das in ihrer Ausführung erlassene AHG BGBl. 20/1949 sei die Amtshaftung mit Wirksamkeit vom 1. Feber 1949 auf den Bereich der Verwaltung ausgedehnt worden. Daraus ergebe sich, daß seit dem erwähnten Hofdekret vom 14. März i806 die Erhebung von Klagen gegen öffentliche Bedienstete im Zusammenhang mit ihrer Amtsführung unzulässig war. Doch sei dies für den Standpunkt des Klägers letztlich unerheblich, weil das Hofdekret vom 14. März 1806 durch das AHG (§ 15) ausdrücklich aufgehoben wurde, so daß nunmehr bei Bedachtnahme auf die Rechtslage nach dem AHG zu prüfen sei, ob eine direkte Inanspruchnahme des Zweitbeklagten möglich sei.
Das AHG regle nur die Haftung der in § 1 AHG aufgezählten Rechtsträger. Wenn nun im Hinblick auf § 7 AHG ein Ersatzanspruch nach diesem Gesetz überhaupt nicht erhoben werden könne, so komme das AHG in seiner Gesamtheit nicht zur Anwendung; dies bedeute aber, daß auch die Haftungsbefreiung des Organs ("dem Geschädigten haftet das Organ nicht") im Sinne des § 1 Abs. 1 AHG und die Bestimmung des § 9 Abs. 5 AHG in diesem Fall nicht zur Anwendung kommen können. Eine gegenteilige Auslegung würde mit der Grundregel des § 33 ABGB, wonach Ausländern grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie Inländern zukommen, in Widerspruch stehen und zu unbilligen Ergebnissen führen, die gerade im Zeitalter internationaler Verflechtungen nicht vertretbar erschienen; sie würde aber auch eine Lücke in der Rechtsstaatlichkeit Österreichs bedingen, die zu schließen Sinn des Art. 23 B-VG und des darauf fußenden Amtshaftungsgesetzes sei. Die Zulässigkeit des Rechtsweges für die Inanspruchnahme des Zweitbeklagten im konkreten Falle scheine daher gegeben zu sein.
Das Rechtsmittelvorbringen des Zweitbeklagten läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: Rechtsirrig vermeine das Schiffahrtsobergericht, daß das Amtshaftungsgesetz in seiner Gesamtheit nicht zur Anwendung komme. Dieses besage nur, daß im Falle des Fehlens der Gegenseitigkeit der Anspruch nicht gegeben sei, nicht aber, daß das Amtshaftungsgesetz als Ganzes nicht in Anwendung zu kommen habe. Auch bei Fehlen der Gegenseitigkeit sei der Ausländer jedenfalls den anderen Bestimmungen des Gesetzes unterworfen. Daß die Gleichberechtigung der Ausländer von der Gegenseitigkeit abhängig sei, regle schon § 33 ABGB, weshalb § 7 AHG dieser Gesetzesstelle nicht widerspreche. Die Haftbarmachung von Organen für Schäden von Ausländern nach dem ABGB sei vom Gesetzgeber des Amtshaftungsgesetzes keinesfalls gewollt worden. Die für den Kläger unbefriedigende Rechtslage sei nicht durch die österreichische Rechtsordnung oder Rechtsprechung verursacht, sondern durch den Mangel an Gegenseitigkeit, dem im Interesse ihrer Staatsangehörigkeit Rechnung zu tragen diesfalls Sache der Bundesrepublik Deutschland sei.
Bei der Beurteilung der Haftung des Zweitbeklagten ist von der unbestrittenen Tatsache auszugehen, daß dieser den fraglichen Schaden dem Kläger als Organ der Erstbeklagten in Vollziehung von Aufgaben der Hoheitsverwaltung zugefügt hat. Wie das Schiffahrtsobergericht unter Darstellung der historischen Rechtsentwicklung richtig ausführt, ist die Frage, ob eine direkte Inanspruchnahme des Zweitbeklagten wegen dessen in Vollziehung von Aufgaben der Hoheitsverwaltung gesetzten Verhaltens möglich ist, zufolge der ausdrücklichen Aufhebung des Hofdekretes vom 14. März 1806 durch § 15 AHG nur unter Bedachtnahme auf die Rechtslage nach dem Amtshaftungsgesetz zu prüfen. Daß aber mangels der Möglichkeit der direkten Inanspruchnahme des Organs nach dem Amtshaftungsgesetz dieses nach allgemeinem bürgerlichen Recht hafte, ist rechtsirrig. Hiebei ist nämlich als grundlegend zu berücksichtigen, daß das Amtshaftungsgesetz eine Spezialvorschrift gegenüber den allgemeinen Normen des Schadenersatzrechtes (§§ 1293 ff. ABGB) darstellt, was sich daraus ergibt, daß der - gegenstandslos gewordene - § 1341 ABGB den rechtssystematischen Ansatzpunkt für die Amtshaftung bildet (Gschnitzer, Schuldrecht, Besonderer Teil und Schadenersatz, 169). Durch die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes wurde daher § 1295 ABGB, wonach der Geschädigte berechtigt ist, von dem Beschädiger den Ersatz des Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern, dahin eingeschränkt, daß hinsichtlich der Schäden, die staatliche Organe in Vollziehung der Gesetze, das ist in Ausübung der Hoheitsverwaltung, dritten Personen zugefügt haben, nur der Rechtsträger, nicht aber das handelnde Organ, haftet (siehe die tabellarische Übersicht bei Gschnitzer, 193, wonach als Ausnahme von der Haftung der Hilfspersonen für eigenes Verschulden gegenüber jedem angeführt ist, daß Hilfspersonen öffentlicher juristischer Personen bei Hoheitsakten nicht dem Publikum, sondern nur der juristischen Person, und auch dieser nur für dolus und culpa lata, hatten; vgl. auch ZVR 1966/125, wonach die Schadenersatzpflicht des Organs, wenn der Rechtsträger als Halter nach dem EKHG in Anspruch genommen wird, in jedem Falle gemäß § 1 AHG ausgeschlossen ist). Dies führt aber zu dem Ergebnis, daß dann, wenn - aus welchen Gründen immer - ein Anspruch gegen ein Organ wegen der durch das Amtshaftungsgesetz gegebenen Beschränkungen nicht erhoben werden kann, auch die - subsidiäre - Geltendmachung dieses Anspruches nach den allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes nicht in Betracht kommt. Unbeschadet der Frage, ob der Anspruch des Klägers im Hinblick auf die mangelnde Gegenseitigkeit nach § 7 AHG gegen den Rechtsträger durchsetzbar erschiene, kann das Organ persönlich daher nicht belangt werden.
Da somit eine Inanspruchnahme des Zweitbeklagten zum Schadenersatz im konkreten Falle schon deshalb ausgeschlossen ist, weil dieser als Organ im Sinne des § 1 AHG in Vollziehung der Gesetze tätig war, ist die Zulässigkeit des Rechtsweges gemäß § 9 Abs. 5 AHG ausgeschlossen, das Erstgericht hat daher zu Recht die gegen den Zweitbeklagten gerichtete Klage zurückgewiesen.
Demzufolge war dem Revisionsrekurs des Zweitbeklagten, ohne daß auf die von diesem noch aufgeworfene Frage der sachlichen Unzuständigkeit einzugehen gewesen wäre, stattzugeben und der erstgerichtliche Beschluß in seinen Punkten 1 und 2 wieder herzustellen.
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