OGH 9ObA228/93

OGH9ObA228/9324.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Gamerith als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva-Maria Sand und Anton Hartmann als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Karin ***** B*****, AHS-Lehrerin, ***** vertreten durch Dr.Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Dr.Herbert A*****, Gymnasialdirektor, ***** vertreten durch Dr.Christoph Rogler, Rechtsanwalt in Steyr, wegen Widerruf und Veröffentlichung (Streitwert S 80.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.Juni 1993, GZ 13 Ra 25/93-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. Jänner 1993, GZ 26 Cga 151/92-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 5.433,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 905,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin war im Schuljahr 1990/91 auf Grund eines befristeten Dienstvertrages am Bundesgymnasium in G*****, dessen Direktor der Beklagte ist, als VHS-Lehrerin beschäftigt. Mit Erlaß des Landesschulrates für Oberösterreich vom 30.März 1991 wurde der Beklagte angewiesen, bis 3.Juni 1991 einen "kurzen, aussagekräftigen Bericht zur Dienstleistung" aller am Bundesgymnasium befristet bestellten Vertragslehrer zu übermitteln. Der Beklagte kam diesem Auftrag mit Bericht vom 3.Juni 1991 über die Klägerin nach. Dieser Bericht erging auch an die Klägerin. Diese wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 30.Juni 1991 an den amtsführenden Präsidenten des Landesschulrats, der ihr schriftlich antwortete, daß er dazu eine Stellungnahme der zuständigen Landesschulinspektorin und des Beklagten einholen wolle. Eine Kopie des Schreibens wurde dem Beklagten mit dem Auftrag übermittelt, dazu bis Ende Juli 1991 schriftlich Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme erstattete der Beklagte am 26.Juli 1991.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin, den Beklagten zum Widerruf einzelner in den Berichten vom 3.Juni 1991 und 26.Juli 1991 enthaltener (negativer) Äußerungen zu verpflichten und diesen Widerruf im Verordnungsblatt des Landesschulrates für Oberösterreich zu veröffentlichen. Der Beklagte habe bewußt unrichtige Tatsachen behauptet, wodurch ihr Fortkommen und Erwerb entscheidend gefährdet worden sei. Der Landesschulrat für Oberösterreich habe ihr Ansuchen um Weiterverwendung abgelehnt.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Er habe bei der Berichterstattung als Organ des Bundes auf ausdrücklichen Auftrag des Landesschulrats gehandelt. Für die Richtigkeit seiner Ausführungen habe er hinreichende Anhaltspunkte gehabt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Schulwesen falle in den Bereich der Hoheitsverwaltung. Der Beklagte sei als Schulleiter im Sinne des § 56 SchUG verpflichtet gewesen, den Weisungen des Landesschulrats nachzukommen. Er habe daher als Organ in Vollziehung der Gesetze gemäß § 1 Abs 2 AHG gehandelt, so daß er persönlich nicht zur Haftung herangezogen werden könne. Im übrigen bestehe der Anspruch der Klägerin auch nach § 1330 Abs 2 letzter Satz ABGB nicht, weil die vorgesetzte Dienstbehörde an den Berichten des Beklagten ein berechtigtes Interesse gehabt habe und diesem keine wissentlich falsche Beurteilung der Klägerin vorgeworfen werden könne.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß sich die Amtshaftung zwar auf wirkliche Vermögensschäden erstrecke, nicht aber auf die Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche auf Unterlassung oder Widerruf. Diese Ansprüche könnten auch gegen das Organ nicht durchgesetzt werden. Bei der Erfüllung der ihm nach dem SchUG obliegenden Aufgaben werde der Lehrer ohne Rücksicht auf seine dienstrechtliche Stellung funktionell stets für den Bund tätig. Diese Tätigkeit übe er im Rahmen der Hoheitsverwaltung aus. Darauf, ob die Voraussetzungen des § 1330 Abs 2 ABGB gegeben seien, komme es nicht an.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Rechtsrüge der Klägerin, daß der Beklagte mit seinen Berichten keine hoheitlichen Aufgaben erfüllt habe, und gegen ihn, selbst wenn dies der Fall wäre, ein Anspruch nach § 1330 ABGB außerhalb des AHG als Organ bestehe, ist entgegenzuhalten:

Gemäß § 2 des Bundes-Schulaufsichtsgesetzes, BGBl 1962/240, wird die Schulverwaltung und Schulaufsicht des Bundes unter anderem von den Landesschulräten als den zuständigen Behörden besorgt. Unter diesen kommen auch verschiedenen schulischen Organen, insbesondere dem Schulleiter behördliche Kompetenzen zu (Walter-Mayer, Grundriß des besonderen Verwaltungsrechts2 158 und 170; Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht**n, 31). Nach § 56 SchUG ist der Schulleiter zur Besorgung aller Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz zuständig, sofern dieses nicht die Zuständigkeit anderer schulischer Organe oder der Schulbehörden festlegt. Er ist der unmittelbare Vorgesetzte aller an der Schule tätigen Lehrer und sonstigen Bediensteten. Ihm obliegt die Leitung der Schule; er hat für die Einhaltung aller Rechtsvorschriften und schulbehördlichen Weisungen sowie die Ordnung in der Schule zu sorgen. Dieses Vorgesetztenverhältnis des Schulleiters gegenüber den Lehrern ist funktioneller Art und bezieht sich auf die dem Bund gemäß Art 14 Abs 1 B-VG zukommende Vollziehungszuständigkeit des Schulwesens (Jonak-Kövesi, Das österreichische Schulrecht**n, SchUG § 56 Anm 2). Es sind daher alle Verhaltensweisen eines Organs, die in Vollziehung des SchUG erfolgen oder im Zusammenhang mit der Erteilung des Unterrichts stehen, Hoheitsakte, die dem Bund als Rechtsträger zuzurechnen sind (vgl. Schragel, Komm z AHG**2, 279 mwH; Vrba-Zechner, Komm z Amtshaftungsrecht 127; SZ 44/64; SZ 51/2 = EvBl 1978/101; 1 Ob 34, 35/90 ua).

Da der Beklagte von der zuständigen Schulbehörde mittels Erlasses den Auftrag erhielt, die Unterrichtstätigkeit der Klägerin zu beurteilen, sind auch seine dieser Weisung entsprechenden Berichte nicht seinem privaten Bereich, sondern dem SchUG zuzuordnen (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts Rz 1286; SZ 60/156 ua). Darauf, daß die Klägerin in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis stand, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Entscheidend ist lediglich, daß der Beklagte als Organ der Schulverwaltung in Vollziehung der Gesetze im Sinne des § 1 Abs 1 AHG tätig geworden ist, so daß er der Klägerin gegenüber nach dieser Gesetzesstelle nicht haftet. Kann aber ein Anspruch gegen das Organ wegen der im AHG gegebenen Beschränkungen - aus welchen Gründen immer - nicht erhoben werden, so kann dieser Anspruch auch nicht subsidiär nach dem ABGB geltend gemacht werden (vgl Reischauer in Rummel, ABGB**2 § 1330 Rz 34; SZ 47/120; JBl 1986, 730; SZ 63/25 ua).

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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