OGH 8Ob589/91

OGH8Ob589/9128.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Griehsler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.E. Huber, Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.I. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Dr.Hans Georg B*****, 2) Dr.Ernst S*****, beide vertreten durch Dr.Berndt Sedlazeck, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr.Franz M*****, vertreten durch Dr.Ulrich Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung, Veröffentlichung und Schadenersatz, infolge Rekurses des Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 7.Mai 1991, GZ 5 R 2/91-70, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Parteien, ihnen die Kosten ihrer Rekursbeantwortung zuzusprechen, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Liegenschaft EZ ***** stand je zu einem Drittel im Miteigentum der Geschwister Josef D*****, und Dkfm.Kurt D***** und Anna S*****. Dkfm.Kurt D***** führte im Laufe des Jahres 1985 Gespräche über den Verkauf dieser Liegenschaft an den Beklagten. Am 28.2.1986 sprach er mit seinen Geschwistern beim Erstkläger vor und man beauftragte diesen mit der Vertretung, erteilte ihm Informationen und übergab ihm auch schriftliche Unterlagen, so insbesondere die vom Beklagten am 18.11.1985 unterfertigte Urkunde betreffend den Verkauf der Gesamtliegenschaft EZ *****, die "in einen verbindlichen Vertrag bei Zustimmung aller Miteigentümer übergehen hätte sollen" und die von Dkfm.Kurt D***** hinsichtlich seines Drittelanteiles bereits unterfertigt worden war. Der Erstkläger errichtete hierauf am selben Tag einen Vertrag, mit dem Dkfm.Kurt D***** seinen 1/3-Liegenschaftsanteil um S 10,000.000,-- an den Beklagten verkauft. Mit Schreiben vom 5.3.1986 das vom Zweitkläger in Abwesenheit des Erstklägers unterfertigt worden war, übersandte er diesen Vertrag mit einer beglaubigten Unterschrift des Verkäufers samt einer Kopie eines Mietvertrages zwischen Josef D*****, Dkfm.Kurt D*****, und Anna S*****, als Vermieter und der protokollierten Firma D***** Gesellschaft mbH als Mieter von Teilen der vorbezeichneten Liegenschaft sowie einer Abgabenerklärung und einer Vollmacht an den Beklagten. Diesewr wurde in diesem Schreiben unter anderem ersucht, den Kaufvertrag in beglaubigter Form gegenzuzeichnen oder zu erklären, daß er vom Ankauf des 1/3-Anteiles zurücktrete; der Mietvertrag werde lediglich zur Kenntnisnahme übersandt.

Darauf antwortete der Beklagte mit seinem Brief vom 9.3.1986 an den Erstkläger wie folgt:

Herr Notar Dr.B*****

Zu ihrem Schreiben samt Beilagen vom 5.3.1986 teile ich Ihnen mit, daß dieses Konvolut nach Meinung meiner Rechtsanwälte Dr.Heimo H*****, und Dr.Ferdinand E*****, eine Betrugshandlung einiger Beteiligter zu meinem Nachteil darstellt und außerdem der Vertrag samt geschlossenem Mietvertrag in keiner Weise den Vereinbarungen über meinen Kauf des Objektes ***** entspricht.

Die genannten Anwälte wurden daher von mir beauftragt, eine Strafanzeige mit Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft über die Beteiligten, insbesondere Ihren Substituten, wegen Verabredungs- und Verdunkelungsgefahr sowie eine Disziplinaranzeige an die Notariatskammer zu verfassen.

Am 7.3.1986 wurde beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Salzburg Klage auf Zuhaltung des Vertrages gegen Dkfm.Kurt D***** eingebracht.

Die übersandten Verträge sind, wie bereits ausgeführt, vereinbarungswidrig und werden daher von mir nicht anerkannt. Weiters halte ich fest, daß die Verträge in einigen Punkten widersprüchlich sind und auf mangelhafte juristische Kenntnisse der Verfasser hinweisen. Es ist selbstverständlich möglich, daß die große Eile, die offensichtlich Ihrerseits notwendig war, zu diesen Fehlern geführt hat. Ich weise insbesonders auf die verletzten Bestimmungen des MRG 1983 hinsichtlich Wertsicherungsvereinbarung hin.

Daß in der Abgabenerklärung mein Geburtsdatum und meine Adresse falsch angeführt wurden, ist im Zusammenhang mit den weiteren gemachten Fehlern zwar als geringfügig aber doch symptomatisch anzusehen.

Die Übersendung einer Vollmacht an Sie bzw Ihren Substituten betrachte ich in diesem Zusammenhang als eine Zumutung.

Meinen mir auf Grund von Vereinbarungen zustehenden Anspruch auf den Eindrittel - Liegenschaftsanteil des Herrn Dkfm.Kurt D***** an der Liegenschaft ***** werde ich mit Gerichtshilfe zu den vereinbarten Bedingungen durchsetzen und ich bin nicht gewilligt, mir vereinbarungswidrige Verträge, die dieses Objekt völlig entwerten, aufzwingen zu lassen.

Dr.Franz M***** e.h.

Verteiler:

"Josef D*****

Dkfm.Kurt D*****

Anna S*****

Kommerzialrat Helmut M*****

Firma W***** z.H. Herrn S*****

Dr.Heimo H*****

Dr.Ferdinand E*****

Notariatskammer für das Bundesland Salzburg

Frau R*****

S***** Nachrichten, z. H. Dr.T*****"

In der vorliegenden Klage stellen die beiden Kläger das Begehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, folgende im zitierten Schreiben vom 9.3.1986 angeblich aufgestellte Behauptungen zu unterlassen:

"Daß das mit Schreiben der Notariatskanzlei des Erstklägers vom 5.3.1986 übersandte Konvolut, unter anderem den Entwurf eines zwischen Herrn Dkfm.Kurt D*****, über dessen ideellen Drittelanteil an der Liegenschaft G*****, mit dem Beklagten abzuschließenden Kaufvertrages enthaltend, vom Erstkläger im Auftrag und nach Informationen des Herrn Dkfm.Kurt D***** erstellt, nach Meinung des Herrn Rechtsanwaltes Dr.Ferdinand E*****, eine Betrugshandlung einiger Beteiligter, nämlich insbesonders der beiden Kläger, zu seinem Nachteil darstelle.

Daß daher sein Anwalt RA Dr.Ferdinand E***** von ihm beauftragt worden sei, eine Strafanzeige mit Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft über die Beteiligten, insbesondere den Zweitkläger, wegen Verabredungs- und Verdunkelungsgefahr, sowie eine Disziplinaranzeige an die Notariatskammer zu verfassen.

Daß die mit Schreiben der Notariatskanzlei des Erstklägers vom 5.3.1986 übersandten Verträge vereinbarungswidrig und in einigen Punkten widersprüchlich seien, sowie auf mangelhafte juristische Kenntnisse der Verfasser hinwiesen, letzteres insbesondere auch im Hinblick auf eine Verletzung der Bestimmungen des MRG über Wertversicherungsvereinbarungen.

Daß der Umstand, daß in der, den genannten Kaufvertrag betreffenden Abgabenerklärung das Geburtsdatum des Beklagten und die Adresse falsch angeführt seien, zwar an sich geringfügig, im Zusammenhang mit den weiters gemachten Fehlern aber doch als symptomatisch anzusehen sei, sowie schließlich,

daß die Übersendung eines Vollmachtsformulars durch die Kläger an den Beklagten zur Unterfertigung durch ihn in diesem Zusammenhang als eine Zumutung anzusehen sei".

Ferner beantragten die beiden Kläger in ihrer Klage, den Beklagten schuldig zu erkennen, die vorstehenden Äußerungen durch die ausdrückliche Erklärung zu widerrufen, daß sämtliche oben wiedergegebenen Behauptungen die Kläger betreffend unrichtig seien, und er keinerlei wie immer gearteten Anlaß hatte sowie habe, gegen die Kläger wegen oder im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Notariatskanzlei des Erstklägers in der Vertragssache zwischen Herrn Dkfm.Kurt D***** und ihm wie immer geartete Vorwürfe zu erheben, oder wie immer geartete Kritik an der Arbeit der Kläger zu äußern;

Weiters sei der Beklagte schuldig zu erkennen, die Widerrufserklärung in Schriftform den im "Verteiler" genannten Personen und Institutionen zur Kenntnis zu bringen und dem Erstkläger den Schadenersatzbetrag von S 100.000,-- samt 4 % Zinsen seit 3.6.1986 zu bezahlen.

Zur Begründung brachten die Kläger vor: Der Erstkläger habe lediglich nach Information und im Auftrag des Dkfm.Kurt D***** den Kaufvertragsentwurf vom 28.2.1986 verfaßt und dem Beklagten zusenden lassen. Der Zweitkläger habe dieses Schreiben nur in Abwesenheit des Erstklägers unterfertigt. Sämtliche Vorwürfe im Schreiben des Beklagten vom 9.3.1986 seien von vornherein haltlos, sie stellten Ehrenbeleidigungen und daneben die Verbreitung von Tatsachen dar, die den Kredit, den Erwerb und das Fortkommen der Kläger gefährdeten. Der Beklagte habe deren Unwahrheit gekannt oder kennen müssen, sodaß die Äußerungen auch dem § 1330 Abs 2 ABGB zu unterstellen seien.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und führte hiezu aus: auf Grund des Kauf - und Verkaufsanbotes vom 18.11.1985 habe er den 1/3-Anteil des Dkfm.Kurt D***** an der gegenständlichen Liegenschaft gekauft, nachdem ihm zugesagt worden sei, daß an dieser mit Ausnahme der Mietverhältnisse F***** und H***** keine Bestandrechte bestünden. In der Folge habe er auf Zuhaltung des Kaufvertrages geklagt. Auf Grund des Schreibens des Erstklägers vom 5.3.1986 sei er der wohlbegründeten Meinung gewesen, der Mietvertrag sei nur geschlossen worden, um ihn zum Abstehen von der mit ihm getroffenen Vereinbarung zu bewegen, weil ein "mehr zahlender Käufer" gefunden worden sei. Der Verfasser des Mietvertrages habe den verbindlichen Vorvertrag kennen müssen und die Verfügung über den 1/3-Anteil und dessen offensichtliche Entwertung durch diesen Mietvertrag stellten eine Verletzung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten und ein sittenwidriges Verhalten sowie eine Verletzung der Standespflichten des Erstklägers dar; es sei auch Strafanzeige erstattet worden. Die im Mietvertrag vom 28.2.1986 - ein Insichgeschäft zu lächerlich geringem Zins - vorgesehene Vermietung durch die Hauseigentümer an die D*****gesellschaft mbH erscheine rechtlich nicht möglich. Die Adresse des Beklagten im Kaufvertrag und sein Geburtsdatum in der Abgabenerklärung seien unrichtig angegeben worden, die im Mietvertrag vorgesehene rückwirkende Indexverrechnung sei unzulässig, gesetzwidrig und widerspreche auch der Notariatsordnung. Nach dem gesamten Umfeld des Mietvertrages und der "Mietzinssituation in der G*****gasse in S*****" sei die Schädigungsabsicht des Erstklägers klar. Dem Beklagten sei von den Rechtsanwälten Dr.E***** und Dr.H***** bestätigt worden, daß der Sachverhalt einen Betrug darstelle. Mangelnde juristische Kenntnisse seien im Schreiben des Beklagten nur hinsichtlich der Vertragsverfassung und einer Unrichtigkeit im Zusammenhang mit Bestimmungen des Mietrechtgesetzes angeführt worden. Der im Zusammenhang mit der Vollmachtsübersendung verwendete Ausdruck "Zumutung" sei eine nicht dem § 1330 ABGB zu unterstellende Wertung. Das von den Klägern gestellte Widerrufsbegehren finde in der Klageerzählung und in der vorgenannten Gesetzesbestimmung keine Deckung. Zufolge der bereits abgeschlossenen Information mangle es auch an einer Wiederholungsgefahr. Schließlich sei der Eintritt eines konkreten Schadens des Erstklägers zu bezweifeln und von diesem nachzuweisen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es stellte als weiteren Sachverhalt folgendes fest:

Dkfm.D***** hat mit dem Beklagten und dessen Prokuristen das Haus G*****gasse im Zuge der Verkaufsverhandlungen besichtigt und dabei nur in seiner Eigenschaft als 1/3-Eigentümer verhandelt. Zum Zeitpunkt der Begehung des Hauses war Dkfm.D***** nicht in der Lage, über die Ausnutzung von Mietrechten der Firma D***** zu verhandeln. Diese Mietrechte bestanden damals schon seit mindestens 10 Jahren. Dkfm.D***** ließ einen schriftlichen Mietvertrag errichten, damit ein allenfalls potentieller Käufer über vorhandene Mietverhältnisse Bescheid wisse. Da sich die Verhandlungen des Dkfms.D***** mit seinen Geschwistern bis Februar 1986 hinzogen und der Beklagte inzwischen in Erfahrung gebracht hatte, daß Dkfm.D***** mit anderen Kaufinteressenten in Vertragsverhandlungen stehe, drängte der Beklagte auf die Unterfertigung des Kauf- und Verkaufsanbotes. Eine Annahme des Anbotes erfolgte jedoch nicht. Der Beklagte brachte am 7.3.1986 beim Landesgericht Salzburg eine Klage gegen Dkfm.Kurt D***** auf Zuhaltung des Vertrages ein. Auf Grund der Informationen des Dkfms.Kurt D***** verfaßte der Erstkläger den Kaufvertragsentwurf vom 28.2.1986. An den Verkaufsverhandlungen hatte der Erstkläger nicht teilgenommen und bis zur Übersendung der beiden Verträge mit dem Beklagten nichts zu tun gehabt. Der Zweitkläger war, abgesehen von der Fertigung des Begleitschreibens, mit der Sache überhaupt nicht befaßt. Das Schreiben des Beklagten vom 9.3.1986 war an den Erstkläger adressiert, es ist aber auch dem im Verteiler genannten Personenkreis zugegangen, insbesondere der Notariatskammer für das Bundesland Salzburg und den S***** Nachrichten z.H. Dris.T*****. Die über Auftrag des Beklagten in der Folge erstattete Strafanzeige gegen alle Beteiligten wurde von der Staatsanwaltschaft Salzburg zurückgelegt. Josef D***** und Anna S***** haben ihre 2/3-Anteile an Frau Elfriede R***** verkauft. Gleichzeitig mit dem Kaufvertrag wurde ein Räumungsvergleich abgeschlossen.

In seiner rechtlichen Beurteilung erklärte das Erstgericht, auf Grund der vom Beklagten im Schreiben vom 9.3.1986 aufgestellten, unwahren, ehrenrührigen und auch aufrechterhaltenen Behauptungen stünden den Klägern bei gegebener Wiederholungsgefahr sämtliche geltendgemachten Ansprüche zu. Den klagenden Parteien sei durch die Äußerung des Beklagten und die Verbreitung von Tatsachen, deren Unwahrheit er zumindest erkennen hätte müssen, auf Grund ihrer gesellschaftlichen Stellung ein Schaden entstanden.

Das Berufungsgericht verwarf die vom Beklagten geltend gemachte Nichtigkeit, gab seiner Berufung im übrigen jedoch Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes hinsichtlich der einzelnen Klagebegehren jeweils den Betrag von S 50.000,-- übersteigt und daß der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß zulässig sei. In der Begründung zum Aufhebungsbeschluß führte es aus:

Zur Frage der Wahrheit oder Unwahrheit der Tatsachenbehauptungen des Beklagten, sowie deren objektiver bzw subjektiver Vorwerfbarkeit und auch zu dem dem Erstkläger angeblich erwachsenen Schaden fehle es an der erforderlichen Feststellungsgrundlage. Die Kläger stützten ihr Begehren auf § 1330 Abs 1 und 2 ABGB, da sie in ihrer Ehre beleidigt und vom Beklagten bewußt unwahrer Tatsachen, die ihren Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen gefährdeten, beschuldigt worden seien. Da unbekämpft feststehe, daß nach dem im Schreiben vom 9.3.1986 angeführten Verteiler dieses Schreiben unter anderem auch den S***** Nachrichten zugegangen sei, könne keinesfalls zugrundegelegt werden, daß es sich nach den Umständen des Falles um eine, wenn auch mehreren Personen zugegangene vertrauliche, nichtöffentliche Mitteilung gehandelt habe. Nach ständiger Rechtsprechung seien Tatsachen im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB Ereignisse und Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren, von ihm anhand bestimmter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit überprüfbaren Inhalt. Der Begriff der Tatsachenbehauptung sei weit auszulegen; als Tatsachenmitteilungen gälten demgemäß auch Verdächtigungen und abfällige Urteile, die auf entsprechende Tatsachen schließen ließen. Könne einem Urteil entnommen werden, daß es von bestimmten Tatsachen ausgehe, so liege insofern eine konkludente Tatsachenbehauptung vor. Es genüge daher, daß eine Äußerung, wenn auch nur mittelbar, eine abfällige Tatsachenbehauptung enthalte, die objektiver Nachprüfung zugänglich sei. Im vorliegenden Falle könne die Äußerung des Beklagten, das ihm vom Erstkläger übermittelte Konvolut stelle nach Meinung seines Rechtsanwaltes Dr.E***** eine Betrugshandlung einiger Beteiligter zu seinem Nachteil dar, schon nach den allgemeinen Sprachregeln nur im Sinne des Vorwurfes einer bewußt rechtswidrigen Verkürzung verstanden werden, die unter Berücksichtigung der geschilderten Begleitumstände und nach dem untrennbaren Zusammenhang mit den unmittelbar nachfolgenden Textstellen des Schreibens gegen beide Kläger gerichtet sei. Die Bezugnahme auf eine Meinung des Rechtsanwaltes Dr.E***** sei unerheblich, da unter "Verbreiten" im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB jedes Mitteilen einer Tatsache verstanden werde, möge sie als eigene Überzeugung hingestellt werden oder als bloße Weitergabe einer fremden Behauptung. Daß aber eine so schwerwiegende Anschuldigung auch konkret geeignet sein könne, den Kredit, den Erwerb und das berufliche Fortkommen des klagenden Notars und seines Substituten zu schädigen, bedürfe keiner weiteren Begründung und stelle eine Gefährdung im Sinne der nicht eng auszulegenden Bestimmung des § 1330 Abs 2 Satz 1 ABGB dar. Auch der zweite Äußerungskomplex einer vereinbarungswidrigen, mietrechtliche Bestimmungen verletzenden, nach Geburtsdatum und Adresse in Zusammenhang mit weiteren Fehlern symptomatisch falschen Vertrags- und Abgabenerklärungsverfassung, die auf mangelhafte theoretische Kenntnisse der Verfasser hinweise und die Übersendung einer Vollmacht an die Kläger als Zumutung erscheinen lasse, sei eine objektiv überprüfbare Tatsachenbehauptung und kein subjektives Wert- und Qualitätsurteil. Die dargestellten Äußerungen seien grundsätzlich geeignet, den Erwerb und das Fortkommen der Kläger zu gefährden und ihre Ehre zu beleidigen, sodaß ihnen Unterlassungs- , Widerrufs-, Veröffentlichungs- und Schadenersatzansprüche zustünden, zumal auch die nicht engherzig zu prüfende Wiederholungsgefahr nicht zu bezweifeln sei. Der Beklagte habe jedoch die Richtigkeit seiner Äußerungen und auch das Fehlen der objektiven und subjektiven Vorwerfbarkeit aus den im einzelnen angeführten Gründen behauptet. Um den Wahrheitsgehalt der Äußerungen des Beklagten beurteilen zu können, seien somit eingehende Feststellungen über die Umstände, die zum Kauf- und Verkaufsanbot vom 18.11.1985 geführt hatten, den mit ihm verfolgten Parteiwillen über den Inhalt dieses Vertragswerkes und dessen schriftlich oder nur mündlich aufbereitetes Umfeld, die hiebei zwischen Dkfm.D***** und dem Beklagten getroffenen Abmachungen und die letzterem gegebenen Informationen ebenso erforderlich wie die dem Erst- und allenfalls Zweitkläger gemachten Mitteilungen und Informationen als Grundlage für ihr Einschreiten und juristisches Tätigwerden. Der Auftragsumfang an die Kläger werde aufzuklären sein. Es seien auch die schriftlichen Unterlagen darzustellen, zu ihnen von den Parteien Erklärungen abzufordern und sodann detaillierte Feststellungen über ihren Inhalt zu treffen. Erst dann werde sich über die Wahrheit oder die Unwahrheit der inkriminierten Äußerungen des Beklagten und deren objektive bzw subjektive Vorwerfbarkeit absprechen lassen. Der vom Erstkläger behauptete Schaden, der ihm grundsätzlich bei Vorliegen aller übrigen Tatbestandsmerkmale des § 1330 ABGB zukommen könnte, ließe sich zwar dem Wortlaut des von ihm zitierten § 273 ZPO unterstellen; diese Bestimmung erleichtere aber nur die Beweislast, ohne dem Kläger die Behauptungslast abzunehmen. Die Schadenersatzforderung müsse daher vom Erstkläger tatsächlich konkretisiert werden, weshalb er zur Vervollständigung dieses nicht ganz unbestimmten und daher nicht von vornherein zurückzuweisenden Begehrens aufzufordern sein werde.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt der Beklagte Rekurs mit dem Antrag, sie durch Abweisung der Klagebegehren abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich das Rechtsmittel gegen den berufungsgerichtlichen Beschluß über die Verwerfung der Nichtigkeitsberufung des Beklagten wendet, ist es zurückzuweisen, weil im Sinne der ständigen Rechtsprechung zu § 519 ZPO - die auch nach der Neufassung dieser Gesetzesstelle durch die WGN 1989 unverändert blieb (4 Ob 18/91; 3 Ob 1546/91) - ein solcher Beschluß weder durch Revision noch durch Rekurs angefochten werden kann (SZ 24/115; SZ 44/81; SZ 59/169; 4 Ob 169/90; 9 Ob A 98/91; 5 Ob 530/91 ua).

In dem gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß gerichteten Teil seines Rechtsmittels bezweifelt der Beklagte die Öffentlichkeit seiner Mitteilung, weil sie an einen genau bestimmten Personenkreis ergangen sei. Dies gelte auch für die Übersendung an die S***** Nachrichten z.H. Herrn Dr.T***** - richtig, Dr.D***** - denn dieser sei im Sinne der Ausführungen in der Klagebeantwortung der Schwiegersohn der Frau S*****, dem nur wegen deren Urlaubsabwesenheit und mangels Bekanntheit seiner Privatadresse an den Arbeitsort in der Erwartung zugestellt worden sei, er werde bloß mit seiner Schwiegermutter hierüber Rücksprache halten. Betreffend die Übersendung der Mitteilung an die Standesbehörde sei das Unterlassungs- und Widerrufsbegehren von vornherein nicht gerechtfertigt. Er, der Beklagte, sei auch nicht verpflichtet gewesen, sich von der allfälligen Unrichtigkeit seiner Äußerung zu überzeugen, er habe nur nicht grob fahrlässig handeln dürfen. In der Frage, ob es sich um Tatsachenmitteilungen oder Werturteile handle, sei den berufungsgerichtlichen Ausführungen weitgehend zuzustimmen. Überwiegend lägen hier Tatsachenmitteilungen vor, Wertung sei jedoch das Empfinden der Übersendung eines anderen Vertrages als "Zumutung". Teile des Klagebegehrens wie jene, daß Dr.E***** "eine Betrugshandlung einiger Beteiligter ....." annehme und mit der Verfassung einer Strafanzeige usw beauftragt worden sei, könnten "von vornherein nicht zu einem Zuspruch führen". Der Hinweis auf mangelnde juristische Kenntnisse sei ebenso wie die Äußerung, daß die Zusendung des Vollmachtsformulars eine "Zumutung" sei, eine Meinung und keine dem § 1330 Abs 2 ABGB unterliegende Tatsachenbehauptung. Bei Annahme von Tatsachenbehauptungen ergebe sich im übrigen aber ohnehin die Wahrheit der diesbezüglichen Hinweise. Betreffend das Unterlassungsbegehren mangle es auch an der Wiederholungsgefahr. Die Schadenersatzforderung sei als nicht hinreichend konkretisiert abzuweisen.

Mit diesen Ausführungen wird vom Rechtsmittelwerber weder ausdrücklich noch erkennbar eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, der die im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vorausgesetzte, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukäme. Der nicht näher begründete berufungsgerichtliche Ausspruch, die Beurteilung der klagegegenständlichen Äußerungen als öffentlich vorgebrachte Tatsachen oder Werturteile beträfe derartige qualifizierte Rechtsfragen, ist für den Obersten Gerichtshof gemäß § 526 Abs 2 ZPO nicht bindend und aus den nachstehenden Gründen unzutreffend, weshalb das Rechtsmittel auch hinsichtlich seines die Anfechtung des Aufhebungsbeschlusses betreffenden Teiles als unzulässig zurückzuweisen ist:

Das Berufungsgericht hat sich bei der Beurteilung der von den Klägern gegenüber dem Beklagten im Sinne des § 1330 Abs 1 und 2 ABGB erhobenen Ansprüche in allen grundsätzlichen Rechtsfragen auf bereits vorliegende oberstgerichtliche Rechtsprechung bezogen. Seine Wertungen gehen also von den diesbezüglichen Rechtsprechungsgrundsätzen aus und betreffen deren Anwendung im konkreten Einzelfall.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist der Begriff der Tatsachenmitteilung weit auszulegen; selbst Urteile, die nur auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, gelten als Tatsachenmitteilung ("Konkludente Tatsachenbehauptung": 4 Ob 11/90; ÖBl 1989, 80 mwN; 6 Ob 634/85; Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 12 zu § 1330; Koziol Haftpflichtrecht2 II 175). Der Rechtsmittelwerber gesteht auch selbst die "weitgehende Richtigkeit" der diesbezüglichen berufungsgerichtlichen Wertungen zu. Ob eine der zahlreichen inkriminierten Äußerungen bei isolierter Betrachtung als Werturteil aufzufassen oder aber im Hinblick auf die ausdrücklich bezogenen Gesamtumstände ("... in diesem Zusammenhang als eine Zumutung") als Tatsachenbehauptung insgesamt beurteilt werden kann, betrifft ebenso wie die Frage, ob bestimmte, im Gesamtzusammenhang stehende Satzteile für sich allein noch keine Ehrverletzung darstellten und ein Unterlassungs- oder Widerrufsbegehren nicht rechtfertigen könnten, eine Entscheidung im Einzelfall. Bei der Wertung angeblich ehrverletzender Äußerungen kann zwar auch eine Fallvergleichung erforderlich sein, doch ist hier ein Abweichen von Vorentscheidungen, die vergleichbare Fälle betreffen, nicht erkennbar; derartiges wird auch im Rechtsmittel nicht behauptet. Es liegt auch keine in irgendeiner Richtung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO wahrzunehmende auffallende Fehlbeurteilung vor. Dies trifft insbesondere hinsichtlich der Beurteilung der Äußerung "mangelnde juristische Kenntnisse" als Tatsachenbehauptung zu. Die berufungsgerichtliche Verneinung der Vertraulichkeit der Mitteilung des Beklagten liegt schon im Hinblick auf die Vielzahl der in seinem "Verteiler" angeführten Personen und Institutionen, die, wie zB Herr S*****, mit der Sache selbst in keinerlei Zusammenhang stehen (siehe Klagebeantwortung S 14), und die solcherart nach der Lebenserfahrung zu unterstellende Weitergabe an außenstehende Personen bzw die mangelnde Gewähr für eine vertrauliche Behandlung, im Rahmen der Rechtsprechung, die das Tatbestandsmerkmal "nicht öffentlich" eng auffaßt (SZ 61/205; Reischauer aaO, RZ 26; Koziol aa0 175).

Während der Unterlassungsanspruch des § 1330 ABGB nach der nun herrschenden Rechtsprechung verschuldensunabhängig ist (4 Ob 143/90; SZ 56/124; 4 Ob 541/89; Reischauer aaO Rz 23) - eine Ehrenbeleidigung kann auch in einer Tatsachenbehauptung liegen, und in diesem Fall steht dem Verletzten das Wahlrecht zu, sich auf § 1330 Abs 1 oder Abs 2 ABGB zu stützen (4 Ob 143/90; 7 Ob 607/90; Reischauer aaO, Rz 6), und den Beklagten trifft dann die Beweislast für die Richtigkeit der von ihm verbreiteten Tatsachen (7 Ob 607/90; Reischauer aaO, Rz 17) - muß der allein nach der Bestimmung des § 1330 Abs 2 ABGB klagende Verletzte neben der Unwahrheit der behaupteten Tatsachen auch deren fahrlässige Verbreitung durch den Beklagten beweisen, wogegen dieser darlegen kann, daß er dennoch Anhaltspunkte für deren Wahrheit hatte (SZ 37/176; SZ 50/86; 5 Ob 202/75; 1 Ob 36/89; 7 Ob 575/90; Reischauer aaO Rz 18).

Entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers genügt im Sinne der jüngeren Rechtsprechung somit für die Haftung des Verbreiters unwahrer Tatsachen jede, also auch leichte Fahrlässigkeit (SZ 61/205; SZ 60/93; 1 Ob 36/89 mwN; Koziol aaO 176f). Ob der Verbreiter nach den jeweiligen Umständen ausreichend Anhaltspunkte für die Richtigkeit der weiterverbreiteten Tatsachen hatte und sie daher mit Grund als wahr ansehen konnte, ist ebenfalls eine Frage des Einzelfalles (1 Ob 36/89; SZ 50/86).

Auch der Widerruf gemäß § 1330 Abs 2 erster und zweiter Satz ABGB kann bei jedem Grad des Verschuldens begehrt werden (4 Ob 541/89; SZ 60/138 mwN; Reischauer aaO Rz 16).

Die Bejahung des Vorliegens der Wiederholungsgefahr durch das Berufungsgericht steht mit den einschlägigen Rechsprechungsgrundsätzen (weitherzige Prüfung; Beharren des Beklagten auf seinem Standpunkt) ebenfalls in Einklang, und auch die Frage, ob nach den besonderen Umständen des jeweiligen Falles Wiederholungsgefahr anzunehmen ist, hat grundsätzlich keine "erhebliche Bedeutung" im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (4 Ob 92/92; 4 Ob 159/90; 4 Ob 176/89; 4 Ob 1305/83 ua).

Schließlich widerspricht der berufungsgerichtliche Auftrag an das Erstgericht, den Erstkläger zur Konkretisierung seines unter Bezugnahme auf § 273 ZPO erhobenen, die Beeinträchtigung rechtlich gesicherter Erwerbsmöglichkeiten unterstellenden (SZ 36/146) Schadenersatzbegehrens anzuleiten, nicht der einschlägigen Rechtsprechung (1 Ob 36/89).

Demgemäß war der Rekurs gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß aber mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Da die Kläger die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht geltend gemacht haben, diente ihre Rekursbeantwortung nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, sodaß im Sinne der ständigen Rechtsprechung hiefür kein Kostenersatz gebührt.

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