Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten Harald K*** und Anton D*** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Harald K***, Christian S*** (der am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt ist) und Anton D*** wurden des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143, erster und zweiter Fall, StGB., Harald K*** auch des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z. 1 WaffG. und Anton D*** überdies des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB., schuldig erkannt.
Fußend auf dem Wahrspruch der Geschwornen haben:
1. die Angeklagten von Mitte Oktober 1986 bis 12.Februar 1987 in Wien in Gesellschaft als Raubgenossen in wiederholten Angriffen unter Verwendung einer Waffe durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, teils auch mit Gewalt gegen Personen, anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen oder abgenötigt, durch deren Zueignung sich unrechtmäßig zu bereichern, indem Harald K*** namentlich unbekannte Fürsorgeunterstützungsempfänger mit gezogenem bzw. sichtbar getragenem Revolver bedrohte, wobei er einen Hund mit sich führte, die betreffenden Fürsorgeunterstützungsempfänger schlug und äußerte, er werde sie mißhandeln, schlagen oder erschießen, wenn er von ihnen kein Geld bekäme, und sich hierauf von ihnen Geld aushändigen ließ oder dieses selbst an sich nahm, während Christian S*** und Anton D*** im Sinn vorher getroffener Absprachen Harald K*** zum Tatort begleiteten, bei der Tatausführung in dessen unmittelbarer Nähe standen und die Opfer dadurch einschüchterten, wobei Anton D*** den Opfern gegenüber eine drohende Haltung einnahm und sich zum Eingreifen bereithielt sowie Christian S*** teils die Forderungen des Harald K*** an die Überfallenen weitergab;
2. Anton D*** am 30. oder 31.Dezember 1983 in Wien seine Mutter durch Faustschläge am Körper verletzt, wobei die Tat eine an sich schwere Körperverletzung, nämlich einen Schädelbasisbruch, einen Bruch der zweiten Rippe rechts mit Verschiebung, eine Gehirnerschütterung, ein subdurales Hämatom und ein Brillenhämatom, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung, zur Folge hatte;
3. Harald K*** vom 3.Jänner bis 13.Februar 1987 einen Revolver, sohin eine Faustfeuerwaffe, unbefugt besessen. Harald K*** macht Nichtigkeit des Urteils aus § 345 Abs 1 Z. 2, 5 und 6 StPO., Anton D*** aus § 345 Abs 1 Z. 8 StPO. geltend.
Rechtliche Beurteilung
Beide Beschwerdeführer rügen, daß die Verhandlung vom Vorsitzenden nach den Plädoyers am 29.September 1987 geschlossen wurde (§ 319 StPO.), die Geschwornen sich aber erst am 9. Oktober 1987 in das Beratungszimmer begeben haben (§ 320 StPO.). Dadurch seien die Schlußvorträge der Verteidiger "zwecklos" geworden und deren Entlastungsargumente hätten bei den Geschwornen nicht zum Tragen kommen können.
Die gerügte Vorgangsweise steht unter keiner Nichtigkeitssanktion gemäß § 345 Abs 1 Z. 2, 4 oder 5 StPO. Der Hauptverhandlung waren die Verteidiger der Angeklagten beigezogen (Z. 2), eine Verletzung des § 320 StPO. ist nicht mit Nichtigkeit bedroht (Z. 4) und ein bekämpfbares Zwischenerkenntnis, durch das Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt worden wären, ist nicht ergangen (Z. 5). Haben doch die Verteidiger anläßlich der Vertagung der Sitzung (siehe §§ 340 Abs 1, 341 Abs 1 StPO.) um zehn Tage und in Kenntnis, daß nur mehr die in §§ 320 ff. StPO. vorgesehenen Verfahrensschritte vorzunehmen sind, keinen zielführenden, der Straffung dieser Vorgänge betreffenden Antrag gestellt. Eine Nichtigkeit nach Z. 6 erblickt K*** darin, daß den Geschwornen keine Eventualfrage nach Raub ohne Waffe und ohne Gesellschaft von Beteiligten gestellt worden ist. Der Beschwerdeführer übersieht, daß eine solche (uneigentliche) Zusatzfrage nach § 316 StPO. nicht gestellt werden mußte (LSK. 1982/164), sondern ihr Ziel auch durch Beschränkungen der Hauptfrage erreicht werden konnte. Darauf wurden die Geschwornen ausdrücklich hingewiesen (s. Rechtsbelehrung, allgemeiner und besonderer Teil, Beilage B zum Hauptverhandlungsprotokoll S. 161/III). Gebrauch gemacht haben sie davon allerdings nur bei S*** (S. 456 f./III).
D*** rügt (Z. 8) die Rechtsbelehrung, weil darin nicht erläutert wurde, daß seine Verurteilung sich nur dann vertreten ließe, wenn er von einem Zeugen bei einer der inkriminierten strafbaren Handlungen beobachtet worden wäre. Abgesehen davon, daß damit die Beschwerde eine unzulässige Beweisregel aufstellt, nennt sie kein gesetzliches Merkmal einer strafbaren Handlung, worauf sich allein die Rechtsbelehrung zu erstrecken hat (§ 321 Abs 2 StPO.). Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Das Geschwornengericht verurteilte nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. unter Bedachtnahme auf § 28 StGB. Harald K*** zu einer zwölfjährigen und Anton D*** zu einer neunjährigen Freiheitsstrafe.
Die Erstrichter werteten bei beiden Angeklagten als erschwerend ihre zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, die Vielzahl der Begehungshandlungen (gemeint: der Raubüberfälle), die zweifache Qualifikation des schweren Raubs, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit jeweils einem Vergehen sowie die Wehrlosigkeit der Überfallenen; bei K*** weiters die Verleitung anderer, bei D*** die zweifache Qualifikation der schweren Körperverletzung und den Umstand, daß diese Straftat an der eigenen Mutter begangen worden ist. Als mildernd wurden im Urteil das jeweils das Vergehen betreffende Geständnis der Angeklagten, bei D*** ferner seine Verantwortung vor der Polizei, die zur Wahrheitsfindung und Überführung des K*** wesentlich beigetragen hat, und seine Verleitung durch K*** zu den Raubüberfällen angeführt. K*** und D*** berufen gegen das Strafmaß.
Der Wahrspruch, vom Oktober 1986 bis 12.Februar 1987, also durch wenigstens vier Monate das Verbrechen des schweren Raubes wiederholt verübt zu haben, deckt zwanglos den angenommenen Erschwerungsgrund der Vielzahl von solchen strafbaren Handlungen, die übrigens nicht nur mit Drohungen, sondern teilweise auch mit rücksichtsloser Gewalt verwirklicht wurden. Der Ausdruck "Wehrlosigkeit der Opfer" umschreibt die Tatsache, daß die Beraubten Sozialhilfeempfänger waren, die vorweg derart brutal eingeschüchtert worden sind, daß sie in der Folge jeweils ohne weiteren Widerstand selbst ihre kargen, vom Staat gewährten Unterstützungen fast vollständig den Räubern ausfolgten. Diese Vorgangsweise zeigt insbesondere bei dem Rädelsführer K*** eine außergewöhnlich verwerfliche und verbrecherische Gesinnung. Die über ihn verhängte Strafe ist umso weniger überhöht, als er dreizehnmal einschlägig (§ 71 StGB.) vorbestraft ist und erst am 15.Jänner 1986 aus einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe wegen schweren Raubes entlassen worden war.
Eine ungleiche Gewichtung der Milderungs- und Erschwerungsgründe, wie sie der Berufungswerber D*** zu erblicken vermeint, ist dem Geschwornengericht nicht unterlaufen. Vielmehr haben Berufs- und Laienrichter in gemeinsamem Bemühen unter gewissenhafter Berücksichtigung der Zahl und der Bedeutung der besonderen Erschwerungsgründe in Abwägung zu den Milderungsgründen auch für den Angeklagten D*** eine durchaus tätergerechte Strafe gefunden, zumal dieser Rechtsbrecher schon neunmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB.) beruhender Taten abgestraft worden ist. Er hatte seine letzte Vorstrafe (wegen Hehlerei) erst am 19.Mai 1986 verbüßt.
Hinsichtlich beider Berufungswerber ist schließlich zu bedenken, daß, wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, das Strafgesetzbuch 1974 erklärtermaßen lebensnahe Strafdrohungen geschaffen hat, die je nach der Lage des Falls mehr oder weniger auszuschöpfen sind (13 Os 127/81, 13 Os 150/81, 13 Os 184/81, 13 Os 102/82, 13 Os 89/83, 13 Os 106/83, 13 Os 215/83, 13 Os 114/85, 13 Os 65/87).
Zu der vom Angeklagten K*** angeregten Anfechtung der Vorschriften über das geschwornengerichtliche Verfahren als verfassungswidrig sah der Oberste Gerichtshof keinen Anlaß, zumal die Verfassung selbst gerade bei den mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen die Entscheidung der Schuldfrage durch Laien vorschreibt (Art. 91 Abs 2 B.-VG.) und ein Irrtum der Geschwornen nach § 334 StPO. behoben werden kann. Damit ist letzten Endes die Beweiswürdigung der Geschwornenbank der Überprüfung durch den Schwurgerichtshof ausgesetzt und ein der schöffengerichtlichen Urteilsfindung kommensurables Gleichgewicht ermöglicht.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)