OGH 13Os127/81

OGH13Os127/8122.10.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Oktober 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Larcher als Schriftführerin in der Strafsache gegen Siegfried A und Walter A wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 f. StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die von den beiden Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengerichts vom 19.Mai 1981, GZ. 1 a Vr 410/81-28, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Mühl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten Siegfried A und Walter A die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 14.Juli 1952 geborene beschäftigungslose Siegfried A, der am 24. Oktober 1961 geborene beschäftigungslose Walter A und der am 12. Oktober 1963

geborene (zur Tatzeit noch jugendliche) Bauhilfsarbeiter Rudolf C wurden des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z. 1 StGB. (A), Siegfried A überdies des Vergehens nach § 36 Abs 1 lit b WaffenG. (B) schuldig erkannt.

Zum Urteilsfaktum A wird den Angeklagten angelastet, sie haben am 5. März 1981 in Wien getrachtet, den Norbert D durch Drohung mit dem Tod oder mit einer erheblichen Verstümmelung am Körper dazu zu nötigen, aus der Wohnung des Franz E herauszukommen, indem sie E am Schließen der Wohnungstür hinderten, Siegfried und Walter A Messer in den Händen hielten und damit spielten und sich die drei Angeklagten gegenüber E und D äußerten: 'Komm heraus, sonst mach ich dich auf' (Siegfried A), 'wenn ich dich erwische, dann erstech' ich dich' (Walter A) und 'wenn ich dich erwische, dann erstech' ich dich' sowie 'wenn ich deinen Bruder erwische, schieß' ich ihm ein Loch in den Bauch' (Rudolf C).

Siegfried A und Walter A bekämpfen die gegen sie ergangenen Schuldsprüche wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung aus den Gründen der Z. 5, 9 lit a und 10, Walter A überdies aus jenen der Z. 7, 8, 9 lit b und 11 des § 281 Abs 1 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Zur Beschwerde des Siegfried A:

Begründungsmängel vermeint dieser Beschwerdeführer in der Übergehung einander widersprechender Verfahrensergebnisse - von den Zeugen Franz E, Norbert D und Roland G sowie vom Mitangeklagten Rudolf C im Vorverfahren abgelegter Aussagen - zu erkennen.

Die Mängelrüge versagt. Das Erstgericht stützte sich bei seinen Sachverhaltsfeststellungen vor allem auf die Zeugenaussagen des Franz E, der Monika E und des Norbert D in der Hauptverhandlung und auf die Angaben des Franz E, des Norbert D, des Roland G und des Rudolf C bei ihren niederschriftlichen Vernehmungen durch die Polizei. Diese vom Gericht sowohl einzeln als auch in ihrem inneren Zusammenhalt gewürdigten und mit denkfolgerichtiger Begründung für glaubwürdig erachteten Verfahrensergebnisse stimmen in ihrem Kern - insbesondere bezüglich der Morddrohungen und deren Unterstützung mit dem Vorzeigen von Messern - überein. Darüber hinaus war das Gericht nach der Vorschrift des § 270 Abs 2 Z. 5 StPO. weder zu einer Erörterung sämtlicher Aussagen im Detail und zu einer Untersuchung derselben auf innere Widersprüche noch zu einem ausdrücklichen Eingehen auf die ihrer niederschriftlichen Vernehmung unmittelbar vorangegangenen, notwendigerweise fragmentarischen und daher ergänzungsbedürftigen Angaben des Franz E und des Norbert D gegenüber dem Meldungsleger verpflichtet.

Mit dem Hinweis auf eine mögliche 'Färbung' der mit C und G aufgenommenen Polizeiprotokolle begibt sich der Angeklagte Siegfried A auf das ihm verschlossene Gebiet der Beweiswürdigung. Mit der Frage, in welcher Phase des Tatgeschehens die Polizei verständigt wurde, hat sich das Gericht - den Beschwerdeausführungen zuwider - ohnedies befaßt und, in der Aktenlage gedeckt (S. 38, 39, 134, 138), als erwiesen angenommen, daß Monika E sich ins Wohnzimmer begeben und die Polizei angerufen hat, als (und weil) sie Messer bei den Angeklagten Walter und Siegfried A gesehen hat (S. 149 unten). Gleichfalls keine Berechtigung kommt der Rechtsrüge zu (§ 281 Abs 1 Z. 9 lit a und 10 StPO.). Sie richtet sich gegen die rechtliche Annahme der objektiven Eignung der Äußerungen, den Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse oder auf die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzufläßen, und gegen die Qualifikation des § 106 Abs 1 Z. 1 StGB. Wie das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht richtig erkannt hat, konnten die Bedrohten bei unbefangener Betrachtung der gesamten Situation - namentlich im Hinblick auf das schon zu einem früheren Zeitpunkt geäußerte Vorhaben des Angeklagten Walter A, mit Norbert D 'abrechnen' zu wollen - den Eindruck gewinnen, dieser sei willens und in der Lage, das angedrohte Übel, nämlich den Tod des D, herbeizuführen. Da das Schöffengericht in faktischer Hinsicht als erwiesen angenommen hat, daß die im Urteilsspruch zitierten Drohworte ihrem Sinn nach eindeutig Drohungen mit dem Tode (oder zumindest mit einer erheblichen Verstümmelung) darstellten, folglich in Lösung der Tatfrage davon ausgegangen ist, daß die inkriminierten Äußerungen als Drohungen mit dem Tod oder mit einer erheblichen Verstümmelung gemeint, die Qualifikationsgründe des § 106 Abs 1 Z. 1 StGB. also vom Vorsatz der Angeklagten umfaßt waren, trifft der Vorwurf eines auf unrichtiger Gesetzesanwendung beruhenden Feststellungsmangels nicht zu.

Den auf eine rechtliche Beurteilung des festgestellten Tatverhaltens als gefährliche Drohung nach § 107 Abs 1 StGB. abzielenden Beschwerdeausführungen des Angeklagten Siegfried A ist schließlich folgendes entgegenzuhalten: Nach den Konstatierungen des Schöffengerichts wollten die Täter den Norbert D unverzüglich aus der Wohnung herausbekommen, um die von Walter A angestrebte 'Auseinandersetzung' ohne Zeugen zu ermöglichen (S. 154). Die Angeklagten beabsichtigten also nicht bloß, die Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, sondern ihr Vorsatz war darauf gerichtet, den D zu einem bestimmten Verhalten zu nötigen. Dazu waren - auch diese Rechtsfrage wurde richtig gelöst - die gebrauchten Drohungen durchaus geeignet; sie stellten demnach keineswegs ein absolut untaugliches Mittel dar, welches den angestrebten Deliktserfolg von vornherein ausschloß.

Zur Beschwerde des Walter A:

Zu Unrecht hält dieser Angeklagte das Urteil für mangelhaft begründet; denn entgegen seinen Beschwerdeausführungen wurden, wie schon dem Erstangeklagten erwidert wurde, in den Entscheidungsgründen die Beweismittel angegeben, auf Grund deren das Gericht die Verantwortung beider Rechtsmittelwerber, insbesonders auch in der Richtung, sie hätten nur eine 'freundschaftliche' Unterredung mit D herbeiführen wollen und es sei das Messer nur zufällig aus der Tasche gefallen, bei lebensnaher Betrachtung des gesamten Tatgeschehens als widerlegt ansah. Die Erwägungen für die Annahme, die durch Vorzeigen eines Messers unterstützten Drohungen auch des Zweitangeklagten seien als Todesdrohungen gemeint gewesen und von den Bedrohten auch als solche empfunden worden, wurden hinreichend dargelegt. Formelle Begründungsmängel liegen demnach nicht vor.

Wenn das Erstgericht auf Grund seiner Feststellung, den Angeklagten sei es nicht darum gegangen, in die Wohnung des Franz E einzudringen, sondern den Norbert D zu nötigen, aus dieser herauszukommen, deren Tatverhalten nicht anklagekonform dem Tatbestand des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 1 und Abs 3 Z. 1 StGB., sondern jenem der versuchten schweren Nötigung unterstellte, so lag darin keine Anklageüberschreitung, weil das Gericht an die in der Anklageschrift vorgenommene Qualifizierung der Tat durch den öffentlichen Ankläger nicht gebunden war (§§ 262, 267 StPO.). Verfehlt ist aber auch die Ansicht des Beschwerdeführers, die bloße Nichtbeachtung der Vorschrift des § 262 StPO., die Parteien über einen geänderten rechtlichen Gesichtspunkt zu hören, stelle eine Nichtigkeit gemäß der Z. 8 des § 281 Abs 1

StPO. dar (Langer-Rußegger-Wetzer, StPO. 1975, Nr. 28 zu § 262 StPO.). Erachtete das Gericht aber, daß die Tat eine andere als die vom Ankläger bezeichnete strafbare Handlung begründete, so hatte es sich darauf zu beschränken, wegen jenes Delikts zu verurteilen, dessen Merkmale es in der Tat verkörpert sah, und keinen gesonderten, bloßen Qualifikationsfreispruch zu fällen. Es liegt daher auch eine Urteilsnichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z. 7 StPO. nicht vor, zurderen Geltendmachung der Beschwerdeführer zudem niemals berechtigt wäre, weil ihm die Nichterledigung eines Anklagepunkts nur zum Vorteil gereichen kann (Langer-Rußegger-Wetzer, StPO. 1975, Nr. 145 zu § 281 Abs 1 Z. 7 StPO.).

Zu der vom Zweitangeklagten in Ausführung der Nichtigkeitsgründe der Z. 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1

StPO. gleichfalls aufgeworfenen Rechtsfrage der objektiven Eignung der Drohungen, den Bedrohten begründete Besorgnisse einzufläßen (§ 74 Z. 5 StGB.) und in ihnen wirklich Furcht vor einem Anschlag auf ihr Leben hervorzurufen, kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf das zur Beschwerde des Erstangeklagten Gesagte verwiesen werden. Dem Beschwerdeeinwand, die Drohungen seien absolut untauglich gewesen, den angestrebten Zweck herbeizuführen, ist entgegenzuhalten, daß nach der ständigen Rechtsprechung die Tauglichkeitsprüfung gemäß § 15 Abs 3 StGB. nicht an der mißlungenen Versuchshandlung, sondern unter Anlegung eines abstrahierenden und generalisierenden Maßstabs vorzunehmen ist. Daß der bedrohte D es in der konkreten Situation aus für jedermann naheliegenden Gründen vorgezogen hat, die Wohnung des Franz E nicht zu verlassen, hat auf die Tauglichkeit des Nötigungsversuchs nicht den geringsten Einfluß.

Auf die irrümliche Annahme eines Rechtfertigungsgrunds (§ 105 Abs 2 StGB.) oder auf einen ihm nicht vorwerfbaren Rechtsirrtum, zufolge dessen er das Unrecht der Tat nicht erkannte, hat sich der Beschwerdeführer selbst bisher nicht berufen, sodaß hiezu keine Feststellungen zu treffen waren.

Mit der in einer mitteleuropäischen Rechtsgemeinschaft einigermaßen ungewÄhnlichen Behauptung (S. 225, 226 oben), Walter A sei, durch vernachlässigte Erziehung und Gefängnisaufenthalt 'vom gesellschaftlichen Fortschritt abgeschnitten', der 'rückständigen' Meinung gewesen, berechtigt zu sein, eine Frau als sein 'Besitztum' mittels Drohung zurückzufornern, um 'die guten Sitten wieder herzustellen' (!), kann der Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO. nicht erfolgreich geltendgemacht werden. Zum Verständnis sei hinzugefügt, daß die Frau, um die es ging, die Lebensgemeinschaft mit dem Rechtsmittelwerber vornehmlich deshalb aufgegeben hatte, weil er keiner geregelten Arbeit nachging (Urteilsfeststellung S. 147).

Nicht gesetzmäßig ausgeführt ist die Beschwerde des Zweitangeklagten endlich insoweit, als darin unter der Z. 11 des § 281 Abs 1 StPO. weitere mildernde Umstände reklamiert werden, weil solcherart keine Überschreitung der Strafbefugnis oder des gesetzlichen Strafsatzes, sondern nur Berufungsgründe behauptet werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Das Erstgericht verurteilte die Angeklagten nach § 106 StGB. zu Freiheitsstrafen, und zwar Siegfried A (unter Bedachtnahme auf § 28 StGB.) zu einem Jahr und Walter A zu neun Monaten. Bei deren Bemessung waren die einschlägigen Vorstrafen (wegen Aggressionsdelikten), bei Siegfried A überdies das Zusammentreffen von zwei strafbaren Handlungen, erschwerend, hingegen der Umstand, daß die schwere Nötigung beim Versuch geblieben ist, bei Siegfried A ferner das lange Zurückliegen der auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorverurteilungen und bei Walter A das Alter unter 21 Jahren, mildernd.

Mit ihren Berufungen streben die beiden Angeklagten eine Herabsetzung der Freiheitsstrafen an.

Die Berufungen scheitern an der Eigenart von Tat und Tätern. Die verhängten Strafen sind im Hinblick auf das kriminell getrübte Vorleben beider Angeklagten, ihre durch die offenbare Erfolglosigkeit vorangegangener Abstrafungen gekennzeichneten Täterpersönlichkeiten, den Umstand, daß sich Siegfried A schon 13 Tage nach seiner Entlassung aus einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe wieder zu einem schweren Rechtsbruch hinreißen ließ und die Tatsache, daß es nur auf Veranlassung des Walter A zu dem Verbrechen gekommen ist (S. 156), keinesfalls überhöht. Mittelpunkt dieses Strafverfahrens war ein den Umständen nach arger Gewaltakt. Bedenkt man einerseits die vorangeführten Momente und andererseits den bis zu fünf Jahren reichenden Strafsatz des § 106 StGB., so können die in der Tatsacheninstanz geschöpften Strafübel als durchaus angemessen limitierte Sanktionen angesehen werden, zumal das erst vor wenigen Jahren in Kraft getretene Strafgesetzbuch programmatisch mit lebensnahen Strafdrohungen ausgestattet wurde.

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