OGH 13Os114/85

OGH13Os114/855.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. September 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Müller, Dr.Schneider, Dr.Felzamnn und Dr.Brustbauer (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Mader als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 83 Abs 1, 86 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Privatbeteiligten Müserref ÖZ gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht Feldkirch vom 3. Juni 1985, GZ 16 Vr 2800/84-69, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. de Meijer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, der Privatbeteiligten und ihres Vertreters zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen des Angeklagten und der Privatbeteiligten wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens über seine Rechtsmittel und der Privatbeteiligten die Kosten des Verfahrens über ihre Berufung zur Last.

Text

Gründe:

Der am 9. August 1938 geborene beschäftigungslose Josef A wurde des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 83 Abs 1, 86 StGB schuldig erkannt. Er hat am 6. Dezember 1984 in Lochau (Vlbg.) den Özkan Nuri ÖZ gewürgt, was dessen Tod zur Folge hatte.

Die Geschwornen hatten mit Stimmenmehrheit die auf Mord lautende Hauptfrage verneint und die auf Körperverletzung mit tödlichem Ausgang gerichtete Eventualfrage bejaht, jeweils stimmeneinhellig wurden die Eventualfrage auf Totschlag sowie die Zusatzfragen in Richtung Notwehr beziehungsweise schuldloser Notwehrexzess verneint.

Rechtliche Beurteilung

Josef A bekämpft den Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 345 Abs 1 Z. 8 und 12 StPO Nicht im Recht ist der Angeklagte mit dem Vorwurf der Unrichtigkeit der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung (Z. 8) zu der auf Notwehr lautenden Zusatzfrage. Der Auffassung des Beschwerdeführers zuwider konnte die Fassung der Rechtsbelehrung die Laienrichter keineswegs dahin beirren, daß das Notwehrrecht gemäß § 3 StGB mit einer grundsätzlichen Verpflichtung, von vornherein einem rechtswidrigen Angriff eines anderen auszuweichen und sich solcherart dem Unrecht zu beugen, verbunden wäre. Die Ausführungen in der Rechtsbelehrung beinhalten eine vollständige und zutreffende Umschreibung der Voraussetzungen der Notwehr, insbesondere auch in bezug auf die vom Beschwerdeführer sinngemäß relevierten Fragen nach deren Grenzen. In Anbetracht der ausdrücklichen Hervorhebung der rechtswahrenden Funktion der Notwehr gegenüber dem angreifenden Unrecht, der Erörterung der Voraussetzungen selbst initiativer Notwehr und der rechtsrichtigen Erläuterungen zum Begriffsmerkmal notwendiger Verteidigung (S. 8 und 9 der Rechtsbelehrung) ist dem Beschwerdeeinwand, dem Wahrspruch der Geschwornen könnte die auf einer unrichtigen Rechtsbelehrung beruhende Meinung einer primären Verpflichtung zur Passivität zugrundeliegen, der Boden entzogen. Soweit der Beschwerdeführer in der Rechtsbelehrung eine Abgrenzung der Begriffsbedeutungen 'notwendig' im Sinn des § 3 Abs 1, erster Satz, StGB und '(un-)angemessen' im Sinn des zweiten Satzes vermißt, kann ihm gleichfalls nicht gefolgt werden. Die geforderten Klarstellungen finden sich nämlich ohnedies in der Rechtsbelehrung (dort Seiten 8 bis 10).

Die Rechtsrüge (§ 345 Abs 1 Z. 12 StPO) bringt der Nichtigkeitswerber nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil er die im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten Tatsachen nicht mit dem Gesetz vergleicht, vielmehr, davon abweichend, die Beurteilung seiner Tat als Vergehen der fahrlässigen Tötung anstrebt. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Josef A wurde nach § 86 StGB zu zehn Jahren

Freiheitsstrafe verurteilt. Als erschwerend wurden seine einschlägigen Vorstrafen wegen Körperverletzungen und Gewalttätigkeitsdelikten sowie die brutale Gewalt gegen den Getöteten gewertet, als mildernd fiel ins Gewicht, daß der Angeklagte bei der Tat selbst schwer verletzt worden war (Nasenbeinbruch).

Der Angeklagte beruft gegen das Strafmaß.

Das Geschwornengericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig angeführt und zutreffend gewichtet. Die angeblich korrekte und höfliche Art des Berufungswerbers gegenüber Dritten ist für die Strafzumessung ohne Belang, weil nicht weniger als zwanzig Vorstrafen der Annahme eines ordentlichen Lebenswandels, mit dem die jetzige Tat im auffallenden Widerspruch stünde, und damit dem Milderungsgrund des § 34 Z. 2 StGB entgegenstehen. Die vom Berufungswerber anläßlich seiner letzten Straftat angewendete Gewalt gegen Beamte (§ 269 Abs 1 StGB) sowie die vom Angeklagten begangene und 1978 abgeurteilte fahrlässige Körperverletzung (§ 88 StGB) waren gleich der vorliegenden Tat gegen dasselbe Rechtsgut, nämlich die körperliche Unversehrtheit von Menschen, gerichtet und beruhten daher auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB), sie sind daher zu Recht als erschwerend gewertet worden (§ 33 Z. 2 StGB). Mit diesen Vorstrafen und der gegenständlichen Tat ist auch das Bild eines höflichen Menschen nicht vereinbar. Das Vorliegen des einzig genannten Milderungsgrunds, schließt angesichts des hohen Unrechtsgehalts der Erschwerungsgründe die Verhängung der gesetzlichen Höchststrafe nicht aus.

Auf Grund des Wahrspruchs steht fest, daß es bei der Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und seinem Opfer um dessen Leben oder Tod ging. Daß gleiches auch für den Angeklagten galt, hat Inspektor B (S. 25 f., II) entgegen der Behauptung des Berufungswerbers nicht angegeben, war der Beamte doch gar nicht Tatzeuge. Ein Geständnis des Angeklagten lag bis zuletzt nicht vor. Die Tatsache, daß er seinen Widersacher getötet hat, war angesichts des raschen Eingreifens der Gendarmerie von ihm nicht zu bestreiten. Bei dieser Situation bestand auch nicht die Möglichkeit eines leichten Entfliehens.

Eine wirkliche oder vermeintliche Notwehrsituation des Angeklagten haben die Geschwornen stimmeneinhellig verneint; daran kann die Berufung nichts ändern. Anhaltspunkte, daß die Tat unter Umständen begangen wurde, die einem Rechtfertigungsgrund nahekommen, sind nicht zu finden. Angesichts des hohen Handlungs- und Erfolgsunwerts des Verbrechens erschien die verhängte Freiheitsstrafe nicht reduktionsfähig. Dies umso weniger, als der Gesetzgeber mit dem neuen Strafgesetzbuch erklärtermaßen lebensnahe Strafdrohungen geschaffen hat, die unter gegebenen Umständen - was wäre sonst ihr Zweck - auszuschöpfen sind (13 Os 127/81, 13 Os 150/81, 13 Os 184/81, 13 Os 102/82, 13 Os 89/83, 13 Os 106/83, 13 Os 215/83).

Die Berufung der Privatbeteiligten ist nicht erfolgreicher. Der Schwurgerichtshof verwies die Mutter des Getöteten mit dem von ihr geforderten als symbolisch bezeichneten Beitrag zu den Todfallkosten in der Höhe von 5.000 DM (S. 31/II) auf den Zivilrechtsweg, weil dieser Anspruch nicht aufgegliedert wurde und mangels irgendwelcher Belege darüber auch nicht verläßlich beurteilt werden kann.

Der Berufungseinwand, selbst der Verteidiger (s. LSK. 1981/164) sei nicht zum Schadenersatzanspruch befragt worden, kann auf sich beruhen, weil der Verteidiger jedenfalls die Verweisung der Adhärentin auf den Zivilrechtsweg beantragt hat (II. Bd. S. 31). Dagegen wäre es nach § 365 Abs 2 StPO die Aufgabe der Privatbeteiligten bzw. ihres Vertreters gewesen, den Anspruch 'auszuführen und genügend darzutun'; dies ist nicht geschehen. Die im § 366 Abs 2 StPO angeführten 'einfachen zusätzlichen Erhebungen' hinwiederum, setzen einen ordentlich geltend gemachten Schadensbetrag voraus, für dessen Zuspruch nur mehr die eine oder andere, leicht ergänzbare Einzelheit fehlt. Wenn aber von vornherein nur ein symbolischer Betrag begehrt, demnach eine Aufgliederung vom Privatbeteiligtenvertreter anscheinend als überflüssig angesehen wird, dann stehen nicht mehr bloß 'einfache zusätzliche Erhebungen' aus, sondern es soll offenbar die ganze Recherchierung des wirklichen Schadens und die Beischaffung sämtlicher Unterlagen auf das Gericht überwälzt werden. Sonach geht die Berufung der Adhärentin sowohl am Sinn wie auch am Wortlaut der § 365 Abs 2, 366 Abs 2 StPO vorbei.

Die Kostenteilung fußt auf dem zweiten Satz des § 390 a Abs 1 StPO

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