Normen
ABGB §364 Abs1
ABGB §364a Abs1
ABGB §879 Abs1
ABGB §1293 Abs1
ABGB §1311 Abs1
AHG §1 Abs1
B-VG Art17 Abs1
B-VG Art116 Abs1
B-VG Art116 Abs2
Salzburger Landesstraßengesetz §10
ABGB §364 Abs1
ABGB §364a Abs1
ABGB §879 Abs1
ABGB §1293 Abs1
ABGB §1311 Abs1
AHG §1 Abs1
B-VG Art17 Abs1
B-VG Art116 Abs1
B-VG Art116 Abs2
Salzburger Landesstraßengesetz §10
Spruch:
Die nachbarrechtliche Haftung der Gemeinde für Schäden, die von ihrem Eigentum ausgehend auf Nachbargrund eintraten, wird nicht dadurch eingeschränkt, daß diese Schäden durch eine Anlage entstanden, die der allgemeinen Daseinsvorsorge dient
OGH 15. Dezember 1978, 1 Ob 31/78 (OLG Linz 2 R 37/78; LG Salzburg 8 Cg 471/76)
Text
Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 46 KG Stadt Salzburg, Abteilung R, auf der sich das der Klägerin gehörige, von ihr im Jahre 1965 errichtete und von ihr betriebene Hotel N befindet. Kellergeschoß und Erdgeschoß des Hotels wurden seinerzeit den bewilligten Plänen gemäß ausgeführt. Das Hotel liegt mit seiner Vorderfront an der N-Straße und mit seiner Schmalseite an der R-Straße, die beide vom H-Platz abzweigen. Der H- Platz und die beiden Straßen, die unmittelbar an die Liegenschaft der Klägerin anschließen, bilden die Grundstücke 3561/1 und 3596 der EZ 232 öffentliches Gut der Stadtgemeinde Salzburg. Das Kanalnetz der beklagten Stadtgemeinde Salzburg verläuft unter anderem unter der N-Straße, der R-Straße und dem H-Platz und wurde nach dem sogenannten Mischsystem errichtet, bei dem Oberflächen- und Fäkalwässer gemeinsam abgeleitet werden. Das Gefälle verläuft von der R-Straße über den H-Platz über die N-Straße stadtauswärts. Das Hotel der Klägerin ist an das Kanalnetz in der R-Straße angeschlossen. Die N-Straße weist gerade im Bereich des Hotels der Klägerin einen Tiefstpunkt auf. Nach der Dimensionierung des Kanals muß damit gerechnet werden, daß es selbst bei Niederschlägen, die dem Regelregen-, das ist einem Regen, der jährlich einmal auftritt oder überschritten wird, entsprechen, vor allem im Bereich des Hotels der Klägerin zur Überflutung durch Rückstauung aus dem Kanalnetz kommt; tatsächlich ist es auch schon dazu gekommen. So kam es etwa 1967 vermutlich ebenfalls durch Rückstau im Kanalnetz zu einem Wasseraustrift, worauf Wasser von der R-Straße durch die Kellerfenster in den Keller des Hotels der Klägerin eindrang; die Klägerin ließ darauf die Toilette im Keller zumauern, in die Kellerfenster in der R-Straße Glassteine einmauern und war dann überzeugt, daß nichts mehr passieren könne. Der beklagten Partei war die geringe Dimensionierung des Kanals bekannt, weshalb sie auch im Baubewilligungsverfahren zur Errichtung eines Baues der Klägerin gegenüber ihrem Hotel am 6. Feber 1975 ausdrücklich darauf hinwies und die Bauführung ablehnte.
Nach einer längeren Hitzeperiode kam es am späten Nachmittag des 11. August 1975 in Salzburg zu wolkenbruchartigen Gewitterregen, durch die nicht nur im Bereich des H-Platzes Straßenzüge überflutet wurden. Im Bereich der N-Straße setzten die Niederschläge gegen
16.30 Uhr ein und dauerten rund eine Stunde. Durch die Niederschlagsmenge kam es im Bereich der N-Straße und im anschließenden Bereich wieder zu einem Rückstau im Kanalnetz. Dieser bewirkte nicht nur, daß die Oberflächenwässer im Bereich des Hotels N nicht mehr ablaufen konnten, sondern auch ein Austreten großer Mengen von Fäkalwässern aus einem Kanalschacht in der N-Straße, etwa 10 m vom Hotel entfernt, und aus einem Kanalgitter am Fahrbahnrand direkt vor dem Hotel sowie aus den Ablaufschächten in dem hinter dem Hotel gelegenen asphaltierten Hof. Die auf der N-Straße ausgetretenen Wässer rannen in den hinteren Hof des Hotels N. Dort befinden sich Lichtschächte für die Kellerfenster, die mit einer 20 cm hohen Mauer umgeben waren, deren Niveau mindestens 4 cm über dem des Gehsteiges bei der Hofausfahrt lag. Als die Oberflächen- und Fäkalwässer mangels Abflußmöglichkeit weit genug angestiegen waren, drangen sie über den Mauerkranz und rannen zu den hofseitigen Flügelfenstern der Kellerräume, deren Unterkante etwa 1 m unter dem Niveau des Hofes liegt. Durch die vermutlich schlecht schließenden Fenster rann das Wasser in die Kellerräume und stieg dort so hoch, daß es zwei Holztüren nach außen zum Gang hin zerbrach. Das Eindringen von Wasser wäre auch bei gut schließenden Kellerfenstern erfolgt. Nach dem Auspumpen des Kellergeschoßes blieben dort große Mengen von Fäkalschlamm zurück. Die Klägerin erlitt hiebei einen Schaden von mindestens 1 S.
Aus dem Titel des Nachbarrechtes und nur aus Gründen der Vorsicht auch aus dem Titel des Schadenersatzes begehrt die Klägerin mit der Behauptung, die Abwässeranlage bzw. das Kanalnetz der beklagten Partei sei, wie ihr auch bekannt gewesen sei, offensichtlich zu schwach dimensioniert gewesen, von der beklagten Partei für den entstandenen Schaden an Fahrnissen, für Aufräumungsarbeiten und Bauschädenbehebungskosten zusammen 553 610.55 S. Die beklagte Partei entgegnete, es habe sich um einen Fall der höheren Gewalt gehandelt. Das schädigende Wasser sei nicht von außen eingedrungen und jedenfalls nicht mehr als der natürliche Abfluß der Straße gewesen, den die Klägerin Salzburger Landesstraßengesetzes dulden müsse. Die Klägerin habe mit dem Eindringen von Wasser in den Keller gerechnet und trotzdem ohne Not Gegenstände im Keller aufbewahrt. Ansprüche könnte die Klägerin, wenn überhaupt, nur nach dem Amtshaftungsgesetz erheben, da Beschlüsse über die Errichtung von Kanälen und deren Dimensionierung hoheitlicher Natur seien.
Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein und sprach mit Zwischenurteil aus, daß der Anspruch der Klägerin dem Gründe nach zu Recht bestehe. Der Klägerin stehe ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zu, der auch durch die Bestimmungen des Salzburger Landesstraßengesetzes nicht gemindert werde. Ein Verschulden der Klägerin sei nicht ersichtlich.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Kein Zweifel bestehe, daß die Ursache der Überflutung des Kellers des Hotels der Klägerin, wie schon der zurückgebliebene Fäkalschlamm beweise, ein Rückstau im Kanalsystem gewesen sei. Dieser habe die selbstverständliche zusätzliche Folge gehabt, daß das gleichzeitig anfallende Oberflächenwasser nicht in den Kanal abfließen konnte, so daß sicherlich ein Teil des in den Keller des Hotels eingedrungenen Wassers Oberflächenwasser von den beiden benachbarten Straßen und auch vom Grundstück der Klägerin war. Ursache dafür sei aber die fehlende Abflußmöglichkeit durch den Kanal bzw. das Ausströmen von aus dem Kanal kommenden Wässern gewesen. Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, daß das Amtshaftungsgesetz nur Schadenersatzansprüche betreffe, die Anwendung des Nachbarrechtes aber nicht ausschließe. Die Kanalleitungen der beklagten Partei dienten zwar zur Erfüllung ihrer hoheitsrechtlichen Aufgaben auf dem Gebiet der öffentlichen Abwasserbeseitigung, schieden damit aber nicht aus dem Anwendungsbereich der Privatrechtsordnung aus. Die Vorsorge und Verantwortung dafür, daß nicht Immissionen in benachbarte Privatgrundstücke erfolgen, dienten nicht der Erfüllung von Aufgaben der Hoheitsverwaltung. Die Rechtsprechung habe schon wiederholt die Bestimmungen der §§ 364 Abs. 2, 364 a ABGB für anwendbar erklärt, z. B. wenn entweder durch Defekte an Wasser- oder Kanalleitungen oder anläßlich von Arbeiten an solchen Leitungen Immissionen in Nachbargrundstücke entstanden. Es sei nicht einzusehen, warum Immissionen von Abwässern aus Kanalanlagen, die durch einen Rückstau infolge ungenügender Dimensionierung entstanden, anders beurteilt werden sollten. Die Bestimmung des § 10 Abs. 1 des Salzburger Landesstraßengesetzes 1972 komme nicht zur Anwendung, da der Schaden der Klägerin nicht durch einen natürlichen Abfluß von Oberflächenwasser entstanden sei. Ein Verschulden der beklagten Partei werde bei nachbarrechtlichen Ausgleichsansprüchen nicht verlangt, aber auch eine Schadensteilung wegen Eigenverschuldens komme nicht in Betracht. In der widmungsgemäßen Benützung eines Bauwerkes könne auch kein Verschulden in eigenen Angelegenheiten liegen.
Über Revision der beklagten Partei hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Rechtlich behauptet die Revision wiederum, daß die Klägerin Ansprüche nur im Amtshaftungsverfahren geltend machen dürfte. Die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes müssen zur Anwendung gelangen, wenn der Kläger einen Schaden behauptet, den ihm als Organe des beklagten Rechtsträgers handelnde Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten schuldhaft zugefügt haben; dies ist auf Grund des Klagsvorbringens zu beurteilen (SZ 44/122 u. a.). "In Vollziehung der Gesetze" bedeutet, daß der Schaden durch eine Tätigkeit oder das Unterlassen einer gesetzlich geforderten Tätigkeit im Bereiche der Hoheitsverwaltung, nicht aber im Bereiche der Privatwirtschaftsverwaltung des Rechtsträgers entstanden ist. In den Bereich der Hoheitsverwaltung fällt jede Tätigkeit eines Rechtsträgers, die an sich mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattet ist (SZ 45/134; SZ 43/167 u. a.; Loebenstein - Kaniak, Kommentar zum Amtshaftungsgesetz, 45); die sonstige Tätigkeit fällt in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung. Der OGH hat dazu bereits klargestellt (Slg. 3262/1957), daß der Ausdruck "Privatwirtschaftsverwaltung" insofern irreführend ist, als er zu der unrichtigen Auffassung verleitet, Privatwirtschaftsverwaltung sei nur dann gegeben, wenn sich der Rechtsträger in jeder Beziehung wie ein Privatrechtssubjekt verhält, also nur dann, wenn er als Erwerbsunternehmer auftritt; die Feststellung, daß ein Verwaltungsorgan einen Akt wirtschaftlicher Daseinsvorsorge vollzieht, schließt vielmehr nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes die Qualifizierung seiner Tätigkeit als Privatwirtschaftsverwaltung nicht aus; für die Abgrenzung des Gebietes der Privatwirtschaftsverwaltung von dem der Hoheitsverwaltung kommt es auf die Motive und den Zweck der Verwaltungstätigkeit nicht an, entscheidend ist vielmehr, welche rechtstechnischen Mittel die Gesetzgebung zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgaben bereithält (so auch SZ 45/134).
Es ist daher zu klären, in welcher Eigenschaft und auf Grund welcher gesetzlicher Bestimmungen die beklagte Partei bei Errichtung und Betrieb der Abwässerkanäle tätig wird. Auszugehen ist dabei davon, daß es stets schon ein Anliegen der Gemeinden gewesen ist, die wichtigen allgemeinen Bedürfnisse der Bevölkerung durch eigene wirtschaftliche Tätigkeit insoweit zu befriedigen, als es die Sicherung der Grundlagen der allgemeinen existentiellen Bedürfnisse der Bevölkerung zu angemessenen Preisen nach dem Kostendeckungsprinzip verlangt. Zu den so übernommenen Aufgaben der Gemeinden gehören insbesondere die Errichtung und der Betrieb von Wasserleitungen, Abwasserkanälen und der Müllabfuhr (Neuhofer, Handbuch des Gemeinderechts, 295); diese wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden findet nach herrschender Auffassung ihre verfassungsrechtliche Grundlage in den Art. 17 und 116 Abs. 2 B-VG; die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde muß sich jedoch in Grenzen halten und darf insbesondere nicht gegen die im Staatsgrundgesetz 1867 verankerten Grundrechte, zu denen auch das Grundrecht der Unverletzlichkeit des Eigentums (Art. 5) gehört, verstoßen (Neuhofer a. a. O., 296). Ein rechtlicher Zwang für eine bestimmte wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde besteht im allgemeinen nicht; insbesondere besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung für den Betrieb einer gemeindeeigenen Kanalanlage (VwGH Slg. 6415/A; Neuhofer a. a. O., 297). Soweit der Gemeinde durch Gesetz nicht ein hoheitliches Handeln aufgetragen ist, wie dies der Oberste Gerichtshof etwa für die Wasserversorgung (SZ 38/106; ZVR 1961/179) und die Hauskehrichtabfuhr (SZ 26/119) durch die Gemeinde Wien angenommen hat, führt die Gemeinde ihre wirtschaftliche Tätigkeit im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung auf Grund der Bestimmungen des Privatrechtes durch; im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung ist die Gemeinde in den Rechten und Pflichten anderen juristischen Personen des Privatrechtes gleichgestellt. Eine Besonderheit ergibt sich allerdings daraus, daß die Gemeinde auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge in der Regel die Stellung eines Monopolisten hat; das hat zur Folge, daß einerseits ein kontrahierungszwang der Gemeinde bestehen (Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, 170; vgl. SZ 44/138), aber auch durch Gesetz ein in die Hoheitsverwaltung der Gemeinde fallender Anschluß- und Benützungszwang angeordnet werden kann (vgl. Neuhofer a. a. O., 306 f.).
Im Zeitpunkt des Eintrittes des Schadens der Klägerin galt für die Stadt Salzburg - das Salzburger Bautechnikgesetz, LGBl. 75/1976, trat erst 1977 in Kraft - die Bauordnung für die Landeshauptstadt Salzburg 1968 (LGBl. 83/1968; StBO 1968). In deren § 57 Abs. 1 war seit dem Gesetz vom 27. Juni 1968, LGBl. 71, vorgesehen, daß wenn es aus gesundheitlichen Gründen notwendig war, die Gemeinde von dem Zeitpunkt an, der durch Beschluß des Gemeinderates bestimmt wurde, Hauptkanäle tunlichst in den öffentlichen Verkehrsflächen auf ihre Kosten (§ 57a Abs. 1 StBO 1968) zu errichten hatte. Nach § 57 Abs. 4 StBO 1968 (bzw. § 57 Abs. 3 StBO 1958, die im Jahre 1965 galt, als das Hotel der Klägerin errichtet wurde) waren die Hausbesitzer in jenen Stadtteilen, wo die Hauptkanäle erbaut waren oder zur Erbauung gelangten, von der Baubehörde, wenn nicht unübersteigliche Hindernisse bestanden, mit Festsetzung einer billigen Frist zu verhalten, daß sie von ihren Aborten, Senkgruben und Ausflüssen unterirdische Ablaufkanäle zu den Hauptkanälen erbauen. Diese Hauskanäle waren bis zu den in der Straße gelegenen und von der Gemeinde hergestellten öffentlichen Hauptkanälen zu führen und in dieselben einzumunden (§ 57 Abs. 5 StBO 1968 bzw. § 57 Abs. 4 StBO 1958). In Anwendung dieser Bestimmungen kommen zweifellos hoheitsrechtliche Akte der beklagten Partei in Betracht (in diesem Sinne bereits 1 Ob 31/77). Die Klägerin stützt ihr Klagebegehren aber nicht auf solche, sondern primär auf das Nachbarrecht und leitet es daher nicht aus der behördlichen Tätigkeit der beklagten Partei, sondern aus der unbestrittenen Tatsache ab, daß die beklagte Partei Eigentümerin des öffentlichen Gutes, der Grundstücke 3561/l und 3596, die ihrer Liegenschaft benachbart sind, ist; die beklagte Partei soll ihr für den Schaden haften, die durch Abwässer, die vom Grund der beklagten Partei ausgingen und damit über dessen Grenze in das Eigentum der Klägerin eindrangen, entstanden sind. Bei Errichtung und Instandhaltung der Hauptkanäle auf ihrem eigenen Grund trat die beklagte Partei der Klägerin gegenüber überhaupt nicht und schon gar nicht als Trägerin von Hoheitsrechten auf.
Gemäß § 364 Abs. 1 ABGB darf die Ausübung des Eigentumsrechtes nicht so stattfinden, daß dadurch in die Rechte eines Dritten eingegriffen wird. Nach § 364 Abs. 2 ABGB hat der Eigentümer eines Grundstückes insbesondere dafür Sorge zu tragen, daß den Nachbarn die von seinem Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer u. ä. nicht wesentlich beeinträchtigen. Es kann keine Frage bestehen, daß ein Eigentümer es nicht in Kauf nehmen darf, daß von seinem Grund aus so erhebliche Wassermassen auf den Grund des Nachbarn gelangen, wie dies am 11. August 1975 auf der Liegenschaft der Klägerin geschah. Auch wenn die beklagte Partei mit der Errichtung des Hauptkanals auf dem öffentlichen Gut unter der von ihr angelegten öffentlichen Straße eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge erfüllte, wurde sie damit doch nicht von den Verpflichtungen befreit, die jedem Eigentümer obliegen. Daran würde auch nichts ändern, wenn man annehmen wollte, daß § 57 Abs. 1 StBO 1968 die Errichtung und Instandhaltung der Hauptkanäle dem Gebiet der Hoheitsverwaltung zugeordnet hätte. Die Auffassung von Herz (ÖJZ 1966, 484), daß die Haftung des Rechtsträgers in einem solchen Fall auf Amtshaftungsansprüche zu beschränken wäre, weil ein Privater tut, was er will, der Rechtsträger aber tut, was er muß, kann für einen Fall wie dem vorliegenden nicht geteilt werden. Ansprüche aus dem Nachbarrecht betreffen niemals die Hoheitsverwaltung (Loebenstein - Kaniak, Kommentar zum Amtshaftungsgesetz, 45) und beruhen auf einem anderen Haftungsgrund als Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz (vgl. Koziol, Österr. Haftpflichtrecht II, 302 f.).
Unabhängig von ihren allfälligen öffentlich-rechtlichen Pflichten hatte die beklagte Partei vielmehr auch ihre privatrechtliche Pflicht als Gründeigentümerin, die Nachbarn nicht zu schädigen, zu wahren. Es gibt keine gesetzliche Bestimmung, aus der entnommen werden könnte, daß die nachbarrechtliche Haftung der Gemeinde für Schäden, die von ihrem Eigentum ausgehend auf Nachbargrund eintreten, dann eingeschränkt sei, wenn der Schaden durch eine Anlage entstand, die der allgemeinen Daseinsvorsorge dient. Es wäre auch nicht einzusehen, warum der Rechtsträger, der auf eigenem Grund - wenn auch dem Nutzen der Allgemeinheit dienend - Anlagen errichtet, in geringerem Maße haften soll als ein anderer Eigentümer. Der Geschädigte kann nicht verpflichtet werden, nur wegen der öffentlichen Aufgaben des Schädigers Schäden eventuell selbst tragen zu müssen, wenn dies ohne diese Aufgabe nicht der Fall wäre; es bedürfte jedenfalls einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung (vgl. SZ 45/41), wollte man einem Geschädigten eine solche Last zu Gunsten der Gemeinde bzw. wenn man so will, der Allgemeinheit aufbürden.
Es stand der Klägerin frei, allein bzw. primär ihren nachbarrechtlichen Anspruch gegen die beklagte Partei geltend zu machen. Der OGH hat auch bereits mehrfach ausgesprochen, daß die §§ 364 ff. ABGB, die dem Schutz des Nachbarn vor übermäßigen Einwirkungen, die von anderen Grundstücken ausgehen, dienen, auch im Verhältnis zwischen einem Privatgrundstück und einer öffentlichen Straße anzuwenden sind (SZ 43/139; JBl. 1969, 442; SZ 38/106; SZ 36/67; SZ 24/312 u. a.). Das gilt insbesondere auch für Aufgaben des Kanalbaues auf dem öffentlichen Gut (SZ 47/140). Daß auch für Schäden, die durch vom Nachbargrund ausströmendes Wasser verursacht werden, gehaftet wird, hat der OGH ebenfalls schon ausgesprochen (EvBl. 1976/190). Nichts anderes kann gelten, wenn der Schaden durch Ausströmen von Abwässern aus einem unzureichend sanierten Kanalnetz entstanden ist. Daß der der Klägerin verursachte Schaden zumindest objektiv kalkulierbar war, ergibt sich schon aus der Feststellung, daß mit Überflutungen schon aus den jährlich zu erwartenden Regenfällen zu rechnen war. Es kann, da heftige Gewitterregen im Sommer immer wieder vorkommen, auch nicht von höherer Gewalt gesprochen werden. Der OGH hat auch schon dargetan, daß der Nachbar keineswegs Vermögensverluste als Folge einer wenn auch nur einmaligen Immission hinnehmen muß (SZ 44/140). Bei einer Anlage, die dem öffentlichen Kanalnetz angehört und daher "einer im allgemeinen Interesse liegenden öffentlichen Aufgabe" dient (Larenz, Schuldrecht[11] II, 651), könnte einem Geschädigten kein Unterlassungsanspruch zuerkannt werden. Die Hauptkanäle, die auf Grund von Gemeinderatsbeschlüssen angelegt werden, sind vielmehr als behördliche genehmigte Anlage im Sinne des § 364a ABGB, jedenfalls aber als solche anzusehen, die eine Analogie zu § 364a ABGB rechtfertigt (EvBl. 1978/155; JBl. 1976, 312 u. a.), so daß die beklagte Partei auch ohne Verschulden zu haften hat. Letzteres ist für Fälle des § 364a ABGB einhellige herrschende Auffassung und gilt auch für gleichartige Fälle (vgl. auch die in den soeben zitierten Entscheidungen genannte Literatur), so daß die Revision, die eine neuerliche Überprüfung dieser Rechtsauffassung wünscht, aber keine neuen Gesichtspunkte vortragen kann, darauf zu verweisen ist.
Die Revision behauptet, die Klägerin hätte den Abfluß des ausgetretenen Kanalwassers auf ihre Liegenschaft nach § 10 Abs. 1 des Salzburger Landesstraßengesetzes, LGBl. 119/1972, dulden müssen. Nach dieser Bestimmung sind zwar die Besitzer der an die Straße grenzenden Grundstücke verpflichtet, den Abfluß des Wassers von der Straße auf ihren Grund und die Herstellung von Ableitungsgräben, Sickergruben u. dgl. auf ihren Besitz ohne Anspruch auf Entschädigung zu dulden, aber, wie sich aus Abs. 2 dieser Bestimmung ergibt, nur soweit die Benützbarkeit ihrer Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigt wird; daß solche Anlagen unter möglichster Schonung der angrenzenden Grundstücke herzustellen sind, ergibt sich aus § 10 Abs. 3 des Gesetzes. Es handelt sich bei dieser Belastung um eine der sogenannten Anliegerverpflichtungen, die damit gerechtfertigt werden, daß die Herstellung einer öffentlichen Straße für die Eigentümer der an der Straße liegenden Liegenschaften mit mehrfachen Vorteilen verbunden ist (Krzizek, Das öffentliche Wegerecht, 164). Die genannten gesetzlichen Bestimmungen rechtfertigen selbstverständlich keineswegs die Verpflichtung zur Duldung unkontrollierten Abflusses von Wasser von der Straße und schon gar nicht zur Duldung des Einfließens von Fäkalien und anderen Abwässern aus einem Hauptkanal als Folge eines Rückstaues wegen unzureichender Kanaldimensionierung. Der Klägerin kann auch nicht eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten vorgeworfen werden, war sie doch nicht verpflichtet, ihr Eigentum im Rahmen der Baubewilligung nur wegen Mängeln im Bereich der beklagten Partei eingeschränkt zu nutzen.
Grundsätzlich nicht zu teilen ist auch die Auffassung der Revision, die Klägerin müßte zumindest einen Teil ihres Schadens deswegen selbst tragen, weil sich unter den in den Keller ihres Hotels eingeströmten Wassermassen jedenfalls auch Oberflächenwasser der Straße, aber auch Wasser aus ihrer Liegenschaft befunden habe. Eine solche Argumentation könnte nur dann gerechtfertigt sein, wenn feststunde, daß der Klägerin ein Teil ihres Schadens auch entstanden wäre, wenn keine rückgestauten Abwässer aus dem Kanal ausgetreten wären, was bei einem Unwetter besonderen Ausmaßes an sich nicht ausgeschlossen wäre. Mit Recht rügt die Revision in diesem Zusammenhang, daß sich das Berufungsgericht nicht genügend mit der Rüge befaßte, daß der Schaden der Klägerin auch eingetreten wäre, wenn kein Wasser aus dem Kanalnetz der beklagten Partei ausgetreten wäre. Eine entsprechende Behauptung wurde zwar in erster Instanz nicht ausdrücklich aufgestellt, ist aber in der Behauptung, der Schaden der Klägerin sei überhaupt nicht auf Ursachen im Bereich der beklagten Partei zurückzuführen, inkludiert. Dem Berufungsgericht ist allerdings beizupflichten, daß selbstverständlich ein Rückstau im Kanalsystem noch die zusätzliche Folge hat, daß das gleichzeitig anfallende Oberflächenwasser nicht in den Kanal abfließen kann, so daß sicherlich ein Teil des in den Keller des Hotels eingedrungenen Wassers Oberflächenwasser war, welches nicht nur von den benachbarten Straßen, sondern auch vom Grundstück der Klägerin kam. Das hätte die Klägerin, bedenkt man die unvermeidliche Eigenschaft von Wässern, sich miteinander zu vermengen, solange nicht mitzuverantworten, als die alleinige Ursache für das Eindringen von Wasser in den Keller der Klägerin die fehlende Abflußmöglichkeit durch den Kanal bzw. das Ausströmen von aus dem Kanal kommenden Wasser gewesen wäre, wenn also nicht auch schon allein das Wasser, das sich auf der Liegenschaft der Klägerin gesammelt und aufgestaut hatte, ohne Zufließen von Wasser von der Liegenschaft der beklagten Partei so hoch gestiegen gewesen wäre, um über den Mauerkranz in die Kellerräume der Klägerin eindringen zu können. Daß allein die zusätzlichen Wassermengen, die von der Liegenschaft der beklagten Partei auf die Liegenschaft der Klägerin eindrangen, deren Schaden herbeiführten, nahm das Berufungsgericht allerdings offenbar an, indem es dies als Ursache des der Klägerin in ihren Kellerräumen verursachten Schadens annahm. Es traf hiezu aber keine eigenen Feststellungen, sondern vertrat die Auffassung, daß der Erstrichter ohnehin die entsprechenden Feststellungen getroffen hätte. Daß alleinige Ursache des Eindringens von Wasser in den Keller der Klägerin das Zuströmen des Wassers von der Liegenschaft der beklagten Partei war, stellte das Erstgericht aber nicht deutlich fest. Wären aber ohne dieses Zuströmen, wenn auch gewiß in viel geringerem Maße, ebenso Schäden der Klägerin entstanden,müßte die Klägerin zwar nicht, wie die Revision offenbar meint, ihren gesamten Schaden selbst tragen, aber immerhin den Teil, der sie auch sonst getroffen hätte, weil es für diesen an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Ausströmen des Fäkalwassers aus dem Kanal der beklagten Partei und den eingetretenen Schadensfolgen fehlte.
Um die zuletzt dargestellte Frage, die zum Grund des Anspruchs gehört, abschließend beurteilen zu können, bedarf es noch einer Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)