OGH 2Ob326/53

OGH2Ob326/538.5.1953

SZ 26/119

Normen

AHG §1
AHG §1

 

Spruch:

Die Kehrichtabfuhr durch die Gemeinde ist ein Akt der Hoheits- und nicht der privaten Wirtschaftsverwaltung.

Entscheidung vom 8. Mai 1953, 2 Ob 326/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt - Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Kläger begehrten von der Gemeinde Wien unter Bezugnahme auf das Amtshaftungsgesetz den Ersatz einer Glastafel, die anläßlich der Entleerung von Coloniakübeln von einem bei ihr angestellten Arbeiter zerbrochen worden war. Die beklagte Partei wendete sachliche Unzuständigkeit ein.

Das Erstgericht verwarf die Einrede.

Das Rekursgericht gab ihr statt und wies die Klage zurück. Es nahm unterVerweisung auf die Stadtordnung der Bundeshauptstadt Wien und auf die Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 9. Juni 1934, LGBl. Nr. 29, an, daß die Hauskehrichtabfuhr sich als ein Hoheitsakt der Stadt Wien darstelle, weil bei der Kehrichtabfuhr das Organ der Stadt Wien im Rahmen der Lokalpolizei den Staatsbürgern entscheidend oder verfügend gegenübertritt und die Staatsbürger verpflichtet sind, sich den Anordnungen des Organs, das zur Erreichung eines bestimmten Zweckes Befehl und Zwang anordnen kann, zu fügen. Es handle sich also im gegebenen Fall um einen Hoheitsakt in Vollziehung der Gesetze, der durch Organe der Gemeinde vorgenommen wurde, sodaß die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes zur Anwendung kommen und das angerufene Bezirksgericht demnach nicht zuständig sei.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte den Beschluß des Rekursgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Frage, ob die Verordnung des Bürgermeisters von Wien vom 9. Juni 1934 der beklagten Partei die Möglichkeit einräumt, die Abfuhr des Hauskehrichts durch private Kontrahenten besorgen zu lassen, ist für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung, weil nach den Klagsbehauptungen im gegebenen Fall die beklagte Gemeinde selbst durch ihr Organ die Kehrichtabfuhr vorgenommen hat.

Daß die Gemeinde bei der Hauskehrichtabfuhr als Träger von Hoheitsrechten und nicht im Rahmen der privaten Wirtschaftsverwaltung dem einzelnen Bewohner der Stadt gegenübertritt, folgt aus der Tatsache, daß die Hauseigentümer die vom Magistrat angeordnete Aufstellung und Anbringung der zur Hauskehrichtabfuhr bestimmten Einrichtungen in und an den Baulichkeiten zu dulden haben, daß die Bewohner verpflichtet sind, nur die von der Stadt beigestellten Gefäße für die Sammlung des Hauskehrichts zu verwenden und daß die Kehrichtabfuhr keineswegs auf Grund einer in der Ebene der Gleichberechtigung abgeschlossenen Vereinbarung der Gemeinde Wien mit der klagenden Partei, sondern auf Grund der Verordnung des Bürgermeisters vom 9. Juni 1934 zur Neuregelung des Steuerwesens durchgeführt wird, wobei die Gebühr vom Magistrat vorgeschrieben wird.

Der in der Klage behauptete Sachverhalt gibt auch keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß das Organ, welches den Schaden angerichtet hat, zu der Amtshandlung, die in dem Entleeren der Kehrichtkübel besteht, nicht berufen gewesen wäre. Daß ein Fall der Amtshaftung nur dann vorliegt, wenn ein Organ durch rechtswidrige Entscheidungen Rechtsnachteile für das untergeordnete Rechtssubjekt schafft, ist dem Amtshaftungsgesetz nicht zu entnehmen.

Die im Revisionsrekurs angeführten Entscheidungen sprechen für und nicht gegen die Richtigkeit der Ansicht des Rekursgerichtes. Die Hauseigentümer und die Bewohner im Gebiet von Wien können sich nach der Verordnung vom 9. Juni 1934 der Kehrichtabfuhr durch die Gemeinde nicht entziehen. Die Kläger mußten es also zulassen, daß das Organ der Gemeinde die Coloniakübeln entleert, wobei die Spiegelglastafel zerbrochen wurde.

Der Hinweis des Revisionsrekurses auf die in der Manz'schen Ausgabe der ZPO. 10. Auflage, S. 33 unter Nr. 3 und 4 zitierten Entscheidungen ist verfehlt, weil nach der Klagsdarstellung ein privatrechtlicher Vertrag zwischen den Klägern und der Gemeinde Wien nicht geschlossen wurde und die Gemeinde Wien auch sonst nicht die Verbindlichkeit der Kehrichtabfuhr als Privatunternehmer den Klägern gegenüber übernommen hat.

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