VwGH Ro 2019/05/0020

VwGHRo 2019/05/00209.8.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrätinnen Mag. Liebhart‑Mutzl und Dr.in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache der H GmbH in W, vertreten durch die Draskovits Unger Rechtsanwälte GmbH in 1060 Wien, Amerlingstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 29. März 2019, LVwG‑AV‑578/001‑2016, betreffend eine Angelegenheit nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §28 Abs1
VwGG §28 Abs2
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs1a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2019050020.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (LVwG) wurde einer Beschwerde des Bundesministers für Land‑ und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (nunmehr: Bundesminister für Land‑ und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, in der Folge: Bundesminister) gegen näher bezeichnete Spruchpunkte eines Bescheides der belangten Behörde vom 19. April 2016, mit welchem der revisionswerbenden Partei u.a. eine abfallrechtliche Genehmigung für die Abänderung einer näher bezeichneten Bodenaushubdeponie auf einem näher genannten Grundstück der KG. B erteilt und Abweichungen von den Bestimmungen der Deponieverordnung 2008 (DVO 2008) für zulässig erklärt worden waren, zum einen mit einer näher ausgeführten Spruchmodifizierung hinsichtlich „Spruchpunkt B. Ziffer 3“ des Bescheides abgewiesen (1.), zum anderen wurde der Beschwerde mit einer näher ausgeführten Spruchänderung hinsichtlich „Spruchpunkt B. Ziffer 2“ des Bescheides stattgegeben (2.). Gleichzeitig erklärte das LVwG eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis für zulässig (3.).

2 Als Begründung für die Zulassung der Revision führte das LVwG aus, die Entscheidung im gegenständlichen Verfahren sei von den Rechtsfragen abhängig, „ob und unter welchen Voraussetzungen von welchen Vorgaben der Deponieverordnung 2008 Abweichungen genehmigt werden dürfen und was unter ,Maßnahmen‘ iSd § 43 Abs. 5 AWG 2002 zu verstehen“ sei. Diesen Fragen komme nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes nicht nur für den konkreten Einzelfall Bedeutung zu und sie seien durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, soweit abzusehen, nicht abschließend geklärt.

3 Gegen Spruchpunkt 2. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende Revision, die zu ihrer Zulässigkeit wörtlich auf die Zulassungsbegründung des LVwG verweist; ein weiteres Zulässigkeitsvorbringen enthält die Revision nicht.

4 Die Landeshauptfrau von Niederösterreich und der Bundesminister erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

8 Nach § 28 Abs. 1 und 2 VwGG entspricht der Inhalt einer außerordentlichen Revision grundsätzlich dem Inhalt der ordentlichen Revision. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine gesonderte Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. VwGH 21.6.2017, Ro 2016/03/0011, mwN). Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt dabei ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. für viele etwa VwGH 24.9.2019, Ra 2019/06/0104, oder auch 6.7.2021, Ro 2021/05/0025 bis 0028, jeweils mwN); der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 26.4.2021, Ro 2020/05/0020, oder auch nochmals 6.7.2021, Ro 2021/05/0025 bis 0028, jeweils mwN).

9 Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert (abgesehen von den Fällen einer abweichenden oder uneinheitlichen Rechtsprechung) die Darlegung, welche konkrete Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 27.6.2019, Ro 2018/07/0046, mwN). Ein pauschales bzw. nur ganz allgemein gehaltenes Vorbringen ohne Herstellung eines Fallbezuges und ohne jede fallbezogene Verknüpfung mit der angefochtenen Entscheidung reicht jedenfalls nicht aus (vgl. VwGH 27.1.2020, Ro 2020/04/0001 bis 0006; 20.5.2020, Ra 2020/09/0018; 12.10.2020, Ra 2020/10/0131, oder auch 2.6.2021, Ra 2021/02/0114, jeweils mwN).

10 Reicht die Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das Verwaltungsgericht für deren Zulässigkeit nicht aus oder erachtet der Revisionswerber andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für gegeben, hat der Revisionswerber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch in einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeitsgründe gesondert darzulegen (vgl. für viele nochmals VwGH 26.4.2021, Ro 2020/05/0020, oder auch 25.9.2019, Ro 2019/05/0013, jeweils mwN).

11 In einem solchen Fall ist von der revisionswerbenden Partei auf die vorliegende Rechtssache bezogen bezüglich jeder von ihr ‑ hinausgehend über die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts ‑ als von grundsätzlicher Bedeutung qualifizierten Rechtsfrage konkret (unter Berücksichtigung auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) aufzuzeigen, warum der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsfrage in einer Entscheidung über die Revision als solche von grundsätzlicher Bedeutung zu behandeln hätte, von der die Lösung der Revision abhängt (vgl. etwa erneut VwGH 6.7.2021, Ro 2021/05/0025 bis 0028, oder auch 16.11.2017, Ro 2017/07/0027).

12 Im Revisionsfall legt das LVwG mit seinen allgemeinen Ausführungen zur Zulassung der Revision im angefochtenen Erkenntnis nicht dar, welche konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage, die für das gegenständliche Verfahren von entscheidender Bedeutung wäre, der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung über die Revision (erstmals) zu lösen habe. Zweck der Begründungspflicht des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist die Fokussierung auf die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende Rechtsfrage (vgl. etwa VwGH 25.3.2020, Ro 2020/10/0005, mwN); dass und aus welchem Grund der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Entscheidung über die Revision eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte, von welcher das Schicksal der Revision abhängt, wird mit der dargestellten allgemeinen Zulassungsbegründung nicht ausreichend konkret dargelegt (vgl. etwa VwGH 19.6.2019, Ro 2019/01/0004, mwN). Der bloße Umstand, dass zu einer bestimmten Regelung keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht, begründet für sich allein noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG (vgl. etwa VwGH 22.4.2022, Ra 2019/06/0049 bis 0051, oder auch 26.3.2021, Ra 2021/05/0043, jeweils mwN); zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aufgrund von Revisionen nicht zuständig (vgl. nochmals etwa VwGH 27.1.2020, Ro 2020/04/0001 bis 0006; 20.5.2020, Ra 2020/09/0018, oder auch 2.6.2021, Ra 2021/02/0114, jeweils mwN).

13 Die Revision wiederholt in ihrer Zulässigkeitsbegründung lediglich die oben wiedergegebene Zulässigkeitsbegründung des LVwG.

14 Wird aber in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes mangels fallbezogener Konkretisierung das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. VwGH 18.12.2019, Ro 2018/10/0002, mwN).

15 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

Wien, am 9. August 2022

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