VwGH Ra 2020/10/0131

VwGHRa 2020/10/013112.10.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revision des S S in L, vertreten durch die Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner Anwaltssocietät in 4020 Linz, Harrachstraße 6, Atrium City Center, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 25. Oktober 2019, Zl. LVwG‑350712/9/KLi/JB, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
MSG OÖ 2011 §13 Abs3a
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020100131.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 25. Oktober 2019 wurde die mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. Oktober 2017 dem Revisionswerber zuerkannte Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs mit 1. Februar 2019 eingestellt. Weiters wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei.

2 Begründend ging das Verwaltungsgericht ‑ soweit für das vorliegende Verfahren von Interesse ‑ davon aus, dass der am 2. September 1999 geborene Revisionswerber Pflegegeld der Stufe 7 sowie die erhöhte Familienbeihilfe beziehe. Es stehe unbestritten fest, dass er unterhaltsberechtigt sei und mit zumindest einem Elternteil im gemeinsamen Haushalt lebe. Dem Beschwerdevorbringen des Revisionswerbers, wonach für ihn nicht der Mindeststandard in der Höhe von € 212,‑ ‑, sondern jener in der Höhe von € 649,10 zur Anwendung gelangen hätte müssen, weil ein Unterhaltsanspruch gegen den Vater des Revisionswebers zwar bestehe, dieser jedoch nicht einbringlich sei, stehe der eindeutige Wortlaut der Bestimmung des § 13 Abs. 3a Oö. Mindestsicherungsgesetz (Oö. BMSG) entgegen, wonach gesonderte Mindeststandards für volljährige Personen festzusetzen seien, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe und die als Kind unterhaltsberechtigt seien oder sein könnten, sofern es sich nicht um Schülerinnen und Schüler handle. Zudem ergebe sich auch aus den Materialien (Blg. Oö. Landtag 483/2017, 28. GP) zur Novelle LGBl. Nr. 52/2017, dass eine Differenzierung zwischen abstrakter Unterhaltsberechtigung und konkretem Unterhaltsbezug nicht vorzunehmen sei. Die belangte Behörde habe daher für den Revisionswerber zu Recht den in § 1 Abs. 1 Z 4 lit. b der Oö. Mindestsicherungsverordnung festgesetzten Mindeststandard in der Höhe von € 212,‑ ‑ zur Anwendung gebracht.

3 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 4435/2019‑6, deren Behandlung ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG zur Entscheidung abtrat. Der Verfassungsgerichtshof führte u.a. Folgendes aus:

„Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat:

Es ist dem Landesgesetzgeber nicht verwehrt, den Bezug der Familienbeihilfe bei der Bemessung von Transferleistungen, die bei der die Leistung empfangenden Person demselben Zweck wie die Familienbeihilfe dienen, zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 19.913/2014). Vor dem Hintergrund der Regelungen zum Einsatz der eigenen Mittel (insbesondere § 8 Oö. Mindestsicherungsgesetz [Oö. BMSG]) stellt § 13 Abs. 3a Oö. BMSG in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise lediglich darauf ab, ob ein Unterhaltsanspruch besteht, zumal tatsächlich geleisteter Unterhalt ohnehin auf den Mindeststandard anzurechnen ist.“

4 Die vorliegende, innerhalb der Frist des § 26 Abs. 4 VwGG erhobene außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2019/10/0180‑0182, 0187; 25.3.2020, Ra 2020/10/0015; 27.2.2020, Ra 2019/10/0121).

9 Die Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision lautet wie folgt:

„Entgegen dem Ausspruch des LVwG OÖ hängt die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Realistischerweise betrifft dies viele (mj. und vj.) Mindestsicherungsbezieher die einen Unterhaltsanspruch haben (zB aufgrund der Anspannungstheorie) der aber tatsächlich nicht einbringlich ist.

Bisher besteht dazu keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, die Hinweise auf eine Auslegung der Bestimmung des OÖ. Mindestsicherungsgesetzes in Bezug auf bestehende aber nicht einbringlich zu machende Unterhaltsansprüche geben würden.“

10 Mit diesen Ausführungen wird allerdings nicht konkret dargelegt, welche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG, von deren Lösung das Schicksal der vorliegenden Revision abhängt, vom Verwaltungsgerichtshof erstmals zu lösen wäre. Ein pauschales oder nur ganz allgemein gehaltenes Vorbringen ohne Herstellung eines Fallbezuges und ohne jede fallbezogene Verknüpfung mit der angefochtenen Entscheidung reicht nicht aus, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. VwGH 20.5.2020, Ra 2020/09/0018; 27.1.2020, Ro 2020/04/0001‑0006; 21.3.2017, Ra 2015/22/0147).

11 Sollte dieses Vorbringen ‑ wie im Beschwerdeverfahren ‑ aber darauf abzielen, eine Anwendung des in § 13 Abs. 3a Oö. BMSG vorgesehenen gesonderten Mindeststandards mit der Begründung in Frage stellen zu wollen, ein bestehender Unterhaltsanspruch sei nicht einbringlich, ist ‑ wie vom Verwaltungsgericht bereits ausgeführt ‑ auf den insoweit klaren Wortlaut des § 13 Abs. 3a Oö. BMSG zu verweisen, wonach gesonderte Mindeststandards für volljährige Personen festzusetzen sind, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, die als Kind „unterhaltsberechtigt sind oder sein könnten“ und nicht unter § 11 Abs. 3 Z 5 leg. cit. fallen. Auf den Umstand, ob der bestehende Unterhaltsanspruch des Kindes einbringlich ist, stellt das Gesetz in diesem Zusammenhang nicht ab (siehe dazu auch den oben wiedergegebenen Beschluss VfGH 8.6.2020, E 4435/2019‑6). Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen aber klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 20.12.2019, Ra 2019/10/0124; 2.8.2019, Ra 2019/10/0099; 4.7.2018, Ra 2017/10/0199, 0200).

12 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. Oktober 2020

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