Normen
B-VG Art133 Abs4
EURallg
VwGG §34 Abs1
VwRallg
WeinbauG NÖ 2002 §3 Abs2
WeinbauG NÖ 2002 §4 Abs1
WeinG 2009 §21 Abs2
WeinG 2009 §21 Abs3 Z1
32013R1308 GMO landwirtschaftliche Erzeugnisse Art63 Abs2 litb
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019100124.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 27. April 2016 wies die belangte Behörde den Antrag des Revisionswerbers auf Genehmigung einer "Weingarten-Neuanpflanzung" auf einem näher genannten Grundstück der KG U (Stadtgemeinde R, Bezirk W) ab. Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß § 4 Abs. 1 NÖ WeinbauG 2002 eine Weinbauflur innerhalb eines Weinbaugebietes gemäß WeinG 2009 zu liegen habe und gemäß Abs. 2 leg. cit. die Neubestimmung von Weinbaufluren nicht zulässig sei. Die im WeinG 2009 definierten Weinbauregionen würden den Bezirk W nicht inkludieren, weshalb die Auspflanzung eines Weingartens in diesem Bezirk "per se" unzulässig sei. 2 Der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis keine Folge. Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, dass die maßgeblichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften den einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 entsprächen, weshalb die Voraussetzungen für eine Genehmigung der beantragten Neuauspflanzungen nicht vorlägen.
3 Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) lehnte mit Beschluss vom 12. Juni 2019, E 3774/2018-11, die Behandlung der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
4 Begründend führte der VfGH aus:
"... So sind beim Verfassungsgerichtshof aus Anlass der
vorliegenden Beschwerde ... keine Bedenken bezüglich der
Verfassungskonformität des § 4 NÖ Weinbaugesetz 2002 idF LGBl. 36/2019 entstanden. Die Regelung dient dem Ziel des NÖ Weinbaugesetzes 2002, die Voraussetzungen für einen auf Qualität ausgerichteten Weinbau in Niederösterreich zu schaffen und zu festigen (vgl. § 1 Z 1). Zugleich dient sie dem Ziel der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse, ABl. 2013 L 347, 671, berichtigt idF ABl. 2016 L 130, 18, die Wettbewerbsfähigkeit des Weinsektors in der Europäischen Union zu steigern (vgl. Erwägungsgründe 54 f.). Die Regelung erscheint auch weder überschießend noch unsachlich, zumal die im Grundsatz festgelegte Beschränkung der in Betracht kommenden Anbauflächen von verschiedenen Ausnahmebestimmungen flankiert wird ..."
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die Revision bringt in den Zulässigkeitsausführungen vor, es gehe um die Frage, ob die im Unionsrecht vorgesehene Ermächtigung der Mitgliedstaaten die in den vom LVwG angewendeten Rechtsvorschriften normierte Beschränkung der Anbaufläche gestatte. Sei dies nicht der Fall, dann hätte das LVwG diese Regelungen unionsrechtskonform auszulegen und anzuwenden bzw. dementsprechend den Antrag auf Neuanpflanzung zu genehmigen gehabt. Das LVwG habe verkannt, dass die Regelungen des österreichischen Rechts, "insbesondere § 3 Abs. 2 oder § 4 Abs. 1 NÖ WeinbauG", den unionsrechtlichen Vorgaben nicht entsprächen. Es gebe diesbezüglich weder Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch des Europäischen Gerichtshofes. 9 Die maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Weinbaugesetzes 2002, LGBl. 6150-0 idF LGBl. Nr. 23/2018 (NÖ WeinbauG 2002), lauten:
"§ 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Gesetzes gelten als:
1. Weinbaufluren: Grundflächen, die von den Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung wegen ihrer Lage und Eignung zur Erzeugung von Qualitätswein als Weinbaufluren bestimmt wurden;
...
§ 3
Beschränkungen
(1) ...
(2) Weingärten dürfen nur innerhalb einer Weinbauflur ausgepflanzt werden.
...
§ 4
Weinbaufluren
(1) Eine Weinbauflur hat innerhalb eines Weinbaugebietes gemäß § 21 Abs. 3 Z. 1 lit. e bis l des Weingesetzes 2009, BGBl. I Nr. 111/2009 in der Fassung BGBl. I. Nr. 189/2013, zu liegen.
(2) Die Neubestimmung von Weinbaufluren ist nicht zulässig (ausgenommen Auspflanzen nach agrarischen Operationen gemäß § 5)."
In den Gesetzesmaterialien (Motivenbericht LF2-WA-20/008-2014, 4) zu der - mit LGBl. Nr. 10/2015 neu gefassten - Bestimmung des § 4 wird ausgeführt:
"... Die bisherige Regelung über die Neubestimmung und auch Änderung einer Weinbauflur war eher großzügig. Unter Beachtung der neuen EU-rechtlichen Vorgaben der Neuauspflanzungen und auch unter Beachtung der weinbaupolitischen Rahmenbedingungen (wie sinkender Weinkonsum) erscheint es angebracht, großzügige Weinbaufluren-Erweiterungen hintanzuhalten. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass die Festlegung von Weinbaufluren auch eine agrarischraumordnerische Funktion hat, um den Weinbau in möglich geschlossenen Gebieten zu halten, um Abdriftschäden von Spritzmitteln auf landwirtschaftliche genutzte Flächen oder Hausgärten usw. hintanzuhalten. ..."
Gemäß § 21 Abs. 2 Weingesetz 2009, BGBl. Nr. 111 in der (nach § 4 Abs. 1 NÖ WeinbauG 2002 maßgeblichen) Fassung BGBl. I Nr. 189/2013 (WeinG 2009), bilden die Bundesländer Burgenland, Niederösterreich und Wien die Weinbauregion "Weinland". In den in Abs. 3 Z 1 lit. e) bis l) leg. cit. taxativ aufgezählten Weinbaugebieten Niederösterreichs der Weinbauregion "Weinland" ist die Stadtgemeinde R bzw. der Bezirk W nicht ausgewiesen.
Artikel 63 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 (in der Folge: Verordnung), lautet (auszugsweise):
"Artikel 63
Schutzmechanismen für Neuanpflanzungen
(1) Die Mitgliedstaaten stellen jährlich Genehmigungen für Neuanpflanzungen für 1 % der tatsächlich mit Reben bepflanzten Gesamtfläche in ihrem Hoheitsgebiet, wie sie am 31. Juli des vergangenen Jahres gemessen worden ist, zur Verfügung.
(2) Die Mitgliedstaaten können
- a) ...
- b) die Ausstellung von Genehmigungen auf regionaler Ebene für
bestimmte, für die Erzeugung von Wein mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung in Betracht kommende Flächen, für die Erzeugung von Wein mit einer geschützten geografischen Angabe in Betracht kommende Flächen oder für Flächen ohne geografische Angabe einschränken.
(3) Einschränkungen nach Absatz 2 müssen zu einer geordneten Zunahme der Rebpflanzungen beitragen, müssen mehr als 0 % betragen und durch einen oder mehrere der folgenden spezifischen Gründe gerechtfertigt sein:
a) die Notwendigkeit, ein erwiesenermaßen drohendes Überangebot von Weinerzeugnissen im Verhältnis zu den Marktaussichten für diese Erzeugnisse zu verhindern, wobei die Einschränkung nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinausgehen darf;
b) die Notwendigkeit, eine erwiesenermaßen drohende erhebliche Wertminderung einer bestimmten geschützten Ursprungsbezeichnung oder einer geschützten geografischen Angabe zu verhindern.
..."
10 Die für die gegenständlich beantragte Auspflanzung vorgesehene Pflanzfläche liegt unstrittig außerhalb der in § 21 Abs. 3 Z 1 WeinG 2009 genannten Weinbaugebiete. Sie wurde auch nicht (im Verordnungsweg) zu einer Weinbauflur im Sinne des § 2 Z 1 NÖ WeinbauG 2002 bestimmt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die vom Revisionswerber beantragte Genehmigung der Auspflanzung eines Weingartens liegen daher nach dem klaren Wortlaut des § 4 Abs. 1 (iVm § 3 Abs. 2) NÖ WeinbauG 2002 nicht vor.
11 An der von der Revision in Zweifel gezogenen Unionsrechtskonformität des § 4 Abs. 1 (iVm § 3 Abs. 2 ) NÖ WeinbauG 2002 hegt der Verwaltungsgerichtshof - in Übereinstimmung mit dem Verfassungsgerichtshof - indes keine Bedenken:
12 Mit der genannten Regelung hat der NÖ Landesgesetzgeber von der in Art. 63 Abs. 2 lit. b der Verordnung vorgesehenen Ermächtigung zur flächenmäßigen Beschränkung der Genehmigung von Neuanpflanzungen Gebrauch gemacht.
13 Diese Bestimmung verfolgt nach den Erwägungsgründen (55)
"das Kernziel, die Wettbewerbsfähigkeit des Weinsektors in der Union zu steigern", wobei "eine allzu rasche Zunahme der
Neuanpflanzungen von Reben ... mittelfristig erneut zu sehr großen
Überkapazitäten auf der Angebotsseite mit möglichen sozialen und ökologischen Folgen in bestimmten Weinbaugebieten führen (kann). Im Hinblick auf eine geordnete Zunahme der Pflanzungen von Reben im Zeitraum zwischen 2016 und 2030 sollte auf Unionsebene eine neue Regelung der Verwaltung der Rebpflanzungen in Form eines Genehmigungssystems für Rebpflanzungen eingeführt werden."
14 Nach den weiteren Erwägungsgründen (57) sollen die Mitgliedstaaten
"auf der Grundlage objektiver und nicht diskriminierender Gründe beschließen können, auf nationaler oder regionaler Ebene - auch auf der Ebene von Gebieten, die für spezifische geschützte Ursprungsbezeichnungen und geschützte geografische Angaben in Betracht kommen - kleinere Flächen zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Begrenzungen über 0 % liegen und im Verhältnis zu den angestrebten Zielen nicht zu restriktiv sind."
15 Vor diesem Hintergrund bestehen gegen das in § 4 Abs. 1 NÖ WeinbauG 2002 grundgelegte Regelungssystem, wonach die Genehmigung der Auspflanzung von Weingärten auf die im WeinG 2009 definierten Weinbaugebiete beschränkt ist, keine Bedenken, zumal die Bestimmung zweifelsfrei der Erreichung des Ziels einer geordneten Zunahme von Rebpflanzungen unter objektiven und nicht diskriminierenden Bedingungen dient.
16 Die Revision vermag auch - insbesondere unter Bedachtnahme auf die nach den erwähnten Gesetzesmaterialien primär verfolgte Zielsetzung des § 4 NÖ WeinbauG 2002, auf geänderte weinbaupolitische Rahmenbedingungen infolge sinkenden Weinkonsums zu reagieren - nicht darzulegen, dass die Bestimmung den in Art. 63 Abs. 3 der Verordnung genannten Voraussetzungen, insbesondere dem dort in lit. a) normierten Rechtfertigungsgrund, entgegensteht (weil die Flächenbegrenzung zu restriktiv iS der Erwägungsgründe 57 wäre; vgl. in diesem Sinn auch den erwähnten Ablehnungsbeschluss des VfGH, wonach § 4 NÖ WeinbauG 2002 weder überschießend noch unsachlich erscheint).
17 Das Unionsrecht steht daher der Abweisung des gegenständlichen Auspflanzungsantrags auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 (iVm § 3 Abs. 2) NÖ WeinbauG 2002 nicht entgegen. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen aber klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. etwa VwGH 2.8.2019, Ra 2019/10/0099, mwN).
18 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. Dezember 2019
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