Normen
KFG 1967
StVO 1960
VStG §44a Z2
VStG §44a Z3
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §47 Abs5
VwGVG 2014 §38
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020023.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund und das Land Salzburg haben dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von je € 673,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 9. Juli 2019 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe 1. am 2. September 2018 um 03:49 Uhr außerhalb eines Ortsgebietes an einer näher bezeichneten Stelle auf der A1 Westautobahn in Fahrtrichtung Wien mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeug die in diesem Bereich durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 72 km/h überschritten, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits abgezogen worden sei, und 2. die mit Schreiben der Landespolizeidirektion Salzburg vom 3. April 2019 verlangte Lenkerauskunft, wer das näher umschriebene Kraftfahrzeug am 2. September 2018 um 03:49 Uhr am angegebenen Ort gelenkt habe, nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt und auch keine andere Person benannt, die die Auskunft hätte erteilen können. Der Revisionswerber habe dadurch 1. § 52 lit. a Z 10a StVO und 2. § 103 Abs. 2 KFG verletzt, weshalb über ihn zu Spruchpunkt 1. gemäß § 99 Abs. 2e StVO eine Geldstrafe in Höhe von € 700,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage und 20 Stunden) und zu Spruchpunkt 2. gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe in Höhe von € 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von € 90,-- festgesetzt wurden.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet ab, setzte einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von € 180,-- fest und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 21. September 2020, E 4679/2019‑12, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 10. November 2020, E 4679/2019‑14, gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
4 Mit der in der Folge erhobenen außerordentlichen Revision begehrt der Revisionswerber die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Abweisung der Revision als unbegründet sowie den Zuspruch von Aufwandersatz.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Die Revision erweist sich im Hinblick auf ihr Vorbringen, das angefochtene Erkenntnis weiche von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 2 VStG ab, wonach die Verwaltungsvorschriften, die verletzt worden seien, durch Angabe ihrer Fundstelle im Spruch zu individualisieren gewesen wären, wobei diese Rechtsprechung auch für die angeführten Strafnormen im Sinne des § 44a Z 3 VStG einschlägig sei, als zulässig und begründet.
7 Gemäß § 44a Z 2 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, zu enthalten. § 44a Z 2 VStG räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2018/09/0113, mwN).
8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird dem Gebot des § 44a Z 2 VStG dann nicht entsprochen, wenn die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift nicht unter Zitierung der entsprechenden Norm im Spruch angeführt wird. Hiezu zählt auch die Angabe ihrer ‑ richtigen ‑ „Fundstelle“. Dem Gebot der ausreichend deutlichen Angabe der Fundstelle der verletzten Verwaltungsvorschrift wird nur dann Rechnung getragen, wenn die Fundstelle jener Novelle angegeben wird, durch welche die als verletzt betrachtete Norm ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten hat. Ein diesbezüglich unrichtiger oder unvollständiger Ausspruch im Spruch kann durch Ausführungen in der Begründung des Straferkenntnisses nicht ersetzt werden (vgl. VwGH 6.8.2020, Ra 2020/09/0013, mwN).
9 Entsprechendes gilt auch für die Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmung nach § 44a Z 3 VStG, zumal darunter jene Strafsanktionsnorm (Strafnorm) zu verstehen ist, welche die Strafdrohung enthält, in der die tatsächlich verhängte Strafe Deckung findet und derart bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (vgl. VwGH 1.9.2020, Ra 2019/02/0153, mwN).
10 Dem Spruch des behördlichen Straferkenntnisses sind weder die Fundstellen der als verletzte Verwaltungsvorschriften zitierten Normen des § 52 lit. a Z 10a StVO und des § 103 Abs. 2 KFG noch die Fundstellen der herangezogenen Strafsanktionsnormen des § 99 Abs. 2e StVO und des § 134 Abs. 1 KFG zu entnehmen. Obwohl das LVwG verpflichtet gewesen wäre, den Spruch des behördlichen Straferkenntnisses in seinem Abspruch zu ergänzen, wenn dieser ‑ wie hier ‑ unvollständig ist (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2018/09/0069, mwN), hat es durch die Abweisung der Beschwerde den Spruch des bei ihm in Beschwerde gezogenen Straferkenntnisses unverändert übernommen (vgl. erneut VwGH 6.8.2020, Ra 2020/09/0013, mwN).
11 Dadurch hat das LVwG sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb das Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.
12 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014, wobei dieser Entscheidung zugrunde zu legen ist, dass die belangte Behörde in Vollziehung des KFG für den Bund und in Vollziehung der StVO für das Land Salzburg tätig geworden war, sodass der dem Revisionswerber zu leistende Aufwandersatz zu gleichen Teilen dem Bund und dem Land Salzburg aufzuerlegen war (vgl. hierzu VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0123).
Wien, am 29. März 2021
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