Normen
B-VG Art130 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §50 Abs4
GSpG 1989 §56a
GSpG 1989 §56a Abs1
VwGG §25a Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs1a
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2019170002.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Am 4. April 2017 führte die belangte Behörde unter Beiziehung von Organen des Sondereinsatzkommandos Cobra in einem von der revisionswerbenden Partei betriebenen Lokal namens „S“ in H eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz ‑ GSpG durch, in deren Folge die Schließung des Betriebes gemäß § 56a GSpG verfügt und das Lokal versiegelt wurde.
2 In ihrer Maßnahmenbeschwerde vom 21. April 2017 wandte sich die revisionswerbende Partei gegen das bei dieser Kontrolle stattgefundene gewaltsame Eindringen der Kontrollorgane in das Lokal „S“, gegen eine ihres Erachtens bei der Kontrolle durchgeführte Hausdurchsuchung sowie gegen die faktische Betriebsschließung des genannten Lokals.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) die Maßnahmenbeschwerde als unbegründet ab. Das LVwG schrieb der revisionswerbende Partei Kosten gemäß § 35 VwGVG in der Höhe von EUR 829,80 vor. Weiters sprach das LVwG aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei.
4 Das LVwG führte im Zusammenhang mit der Betriebsschließung (u.a.) begründend aus, die belangte Behörde habe mit Schreiben vom 11. Mai 2016 dem „Lokal selbst“, den Eigentümern und den (damaligen) Lokalbetreibern die Betriebsschließung nach § 56a Abs. 1 GSpG angedroht. Die revisionswerbende Partei habe die Geschäftsräumlichkeiten ab 1. Juli 2016 gemietet. Bei der Kontrolle am 4. April 2017 hätten sich die Kontrollorgane gewaltsam Zutritt verschaffen müssen, weil (von innen) Schließvorrichtungen betätigt und Gegenstände vor die Türe geschoben worden seien. Es seien dann sieben ‑ offensichtlich unmittelbar vor der Kontrolle ‑ zerstörte Glücksspielgeräte sowie ein Spieltisch vorgefunden worden. Am 21. April 2017 habe die belangte Behörde im Wege der öffentlichen Bekanntmachung eines „an die Verfügungsberechtigten des Lokals S“ gerichteten „Betriebsschließungsbescheides“ die Schließung des Lokals gemäß § 56a Abs. 3 GSpG verfügt. Mangels individuell bestimmter und somit tauglicher Adressaten handle es sich dabei aber um einen Nichtbescheid, weswegen die Maßnahmenbeschwerde gegen die faktische Betriebsschließung zulässig sei.
5 Die revisionswerbende Partei selbst sei zwar nicht zur Einstellung des Spielbetriebs aufgefordert worden, einer solchen Androhung im Sinne des § 56a Abs. 1 GSpG komme jedoch quasi‑dingliche Wirkung zu, weil sie sonst durch einen Betreiberwechsel wirkungslos würde. Die Praxis habe gezeigt, dass bei einer bloßen Beschlagnahme der Gücksspielgeräte die Gefahr bestehe, dass diese unverzüglich durch neue ersetzt würden. Dies gelte auch für zerstörte und nicht mehr betriebsbereite Geräte.
6 Zur Frage der Zulässigkeit einer Revision führte das LVwG aus, dass „eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehlt, unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff in das Eigentumsrecht bei der Durchführung der Überwachungsaufgaben durch die Behörde nach § 50 Abs 4 GSpG zulässig ist und ob auch der Aufforderung nach § 56a Abs 1 GSpG zur Einstellung der entgegen diesem Bundesgesetz veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele quasi-dingliche Wirkung zukommt“.
7 Die vorliegende ordentliche Revision richtet sich gegen dieses Erkenntnis, soweit damit die Maßnahmenbeschwerde der revisionswerbenden Partei gegen die Schließung des Betriebes abgewiesen wurde. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Kostenersatz.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
11 Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte ist nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG beschränkt (vgl. VwGH 6.3.2019, Ro 2018/03/0029, mwN).
12 Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine gesonderte Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. VwGH 5.10.2020, Ro 2020/10/0003, 0004, mwN).
13 Die revisionswerbende Partei hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern sie der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder sie andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. In einem solchen Fall ist von der revisionswerbenden Partei auf die vorliegende Rechtssache bezogen für jede von ihr ‑ über die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts hinausgehend ‑ als von grundsätzlicher Bedeutung qualifizierte Rechtsfrage konkret (unter Berücksichtigung auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) aufzuzeigen, warum der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsfrage in einer Entscheidung über die Revision als solche von grundsätzlicher Bedeutung zu behandeln hätte, von der die Behandlung der Revision abhängt (vgl. VwGH 6.7.2020, Ro 2018/17/0005, mwN).
14 Der bloße Hinweis des LVwG auf das Fehlen von Rechtsprechung, „unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff in das Eigentumsrecht bei der Durchführung der Überwachungsaufgaben durch die Behörde nach § 50 Abs 4 GSpG zulässig“ sei, reicht noch nicht aus, um darzulegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die vorliegende Revision Stellung nehmen müsste (vgl. etwa VwGH 17.4.2015, Ra 2015/02/0043, mwN). Damit wird den Begründungserfordernissen nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG nicht Genüge getan.
15 In ihrer Zulässigkeitsbegründung bringt die Revision u.a. Folgendes vor:
„Tatsächlich stellt sich die Zulässigkeitsbegründung im letzten Teilsatz des LVwG Vorarlberg insofern als unrichtig dar, als die Zulässigkeit der Revision in diesem Punkt in Wahrheit darin begründet liegt, dass das angefochtene Erkenntnis im Widerspruch des ausreichend klaren Wortlaut des § 56a GSpG und der hierzu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes steht, wonach jede Anordnung an den (Inhaber des) zu schließenden ‚Betrieb(s)‘ zu richten ist (VwGH vom 30.03.2016, Zl. Ro 2016/09/0002). Der zu schließende Betrieb ist im Gegenstandfall der Betrieb der Revisionswerberin, nicht aber der Betrieb, den die vormalige Mieterin des Geschäftslokals/der Betriebsanlage geführt hat. Im Gegenstandsfall ist unstrittig, dass die Revisionswerberin nicht zur Einstellung des Spielbetriebes in ihrem Betrieb aufgefordert bzw. ihr gegenüber die Betriebsschließung angedroht wurde“ (Hervorhebungen im Original).
16 Mit diesem Vorbringen bringt die Revision zunächst zum Ausdruck, dass sie die vom LVwG formulierte Rechtsfrage, ob der Aufforderung zur Einstellung von Glücksspielen im Sinne des § 56a Abs. 1 GSpG quasi‑dingliche Wirkung zukomme, im vorliegenden Revisionsfall für nicht relevant erachtet.
17 Auf eine Rechtsfrage, die das Verwaltungsgericht bei der Zulassung der ordentlichen Revision als grundsätzlich angesehen hat, ist aber vom Verwaltungsgerichtshof nicht einzugehen, wenn diese Rechtsfrage in der Revision nicht angesprochen wird (vgl. etwa VwGH 17.3.2017, Ro 2017/17/0005, jeweils mwN). Dies gilt um so mehr, wenn die Revision der vom Verwaltungsgericht zur Zulässigkeit formulierten Rechtsfrage ausdrücklich die Eignung als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abspricht. Es erübrigt sich daher, auf die Frage, ob der Aufforderung zur Einstellung der Glücksspiele dingliche Wirkung zukommt, näher einzugehen.
18 Die Revision erblickt ihre Zulässigkeit vielmehr in einem Widerspruch des angefochtenen Erkenntnisses zum klaren Wortlaut des § 56a GSpG bzw. zu näher angeführter hg. Judikatur, wonach bei Betriebsschließungen nach § 56a GSpG jede Anordnung an den Inhaber des zu schließenden Betriebes zu richten sei.
19 Mit der Aufforderung zur Einstellung des Spielbetriebs bei sonstiger Betriebsschließung wird das Verwaltungsverfahren „Betriebsschließung“ im Sinne des § 56a Abs. 1 GSpG eingeleitet (vgl. etwa VwGH 30.3.2016, Ra 2016/09/0023, mwN). Diese Aufforderung hat der eigentlichen Betriebsschließung voranzugehen und bildet eine Tatbestandsvoraussetzung für deren Verfügung. Sie ist an den „Verfügungsberechtigten“ (vgl. etwa VwGH 24.2.2014, 2013/17/0516, mwN) zu richten. Darunter ist jedenfalls der Betriebsinhaber zum Zeitpunkt der Aufforderung zu verstehen. Dies entspricht auch dem von der Revision zitierten hg. Erkenntnis vom 30. März 2016, Ro 2016/09/0002, wonach jede Anordnung an den (Inhaber des) zu schließenden „Betrieb(s)“ zu richten ist.
20 Im Revisionsfall ergibt sich aus den Feststellungen des LVwG, dass die Aufforderung vom 11. Mai 2016, im Lokal „S“ das Veranstalten oder Durchführen von Glücksspielen entgegen den Bestimmungen des GSpG einzustellen, u.a. an die damaligen Lokalbetreiber erging. Damit wurde den Anforderungen der von der revisionswerbenden Partei ins Treffen geführten hg. Rechtsprechung (VwGH 30.3.2016, Ro 2016/09/0002) entsprochen. Welche Rechtsfrage sich aus dem Umstand, dass an die revisionswerbende Partei (als Lokalbetreiberin im Zeitpunkt der Betriebsschließung) keine (weitere) Aufforderung ergangen ist, ergäbe, wird in der Revision jedoch nicht ausgeführt. Woraus sich in dieser Hinsicht ein Abweichen von dem im Zulässigkeitsvorbringen genannten hg. Erkenntnis ergeben würde, ist auch nicht ersichtlich, ist doch dieses Erkenntnis zu der Frage ergangen, ob in dem damaligen Revisionsfall ein Betriebsschließungsbescheid zu Recht an die Geschäftsführerin einer (das zu schließende Lokal betreibenden) GmbH gerichtet worden war, ohne dass bei der Adressierung ausdrücklich auf deren Geschäftsführerfunktion hingewiesen worden war. Das Vorliegen einer solchen Sachverhaltskonstellation wird im Revisionsfall, in dem es nicht um die wirksame Zustellung eines Betriebsschließungsbescheides, sondern um eine faktische Betriebsschließung geht, nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.
21 Sollte die revisionswerbende Partei mit ihrem oben wiedergegebenen Zulässigkeitsvorbringen zum Ausdruck bringen wollen, dass im Revisionsfall zwischen der Aufforderung zum Einstellen der Glücksspiele und der faktischen Betriebsschließung nicht bloß ein Betreiberwechsel unter Beibehaltung der Betriebsidentität stattgefunden habe, sondern dass sie an dem in Rede stehenden Standort ‑ trotz Identität von Namen und Gegenstand des Betriebes ‑ einen anderen Betrieb geführt habe, so ist sie darauf hinzuweisen, dass sie im gesamten Maßnahmebeschwerdeverfahren ein solches Vorbringen unterlassen hat. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung kann aber nicht mit einem Vorbringen begründet werden, das unter das Neuerungsverbot fällt (vgl. etwa VwGH 14.12.2020, Ra 2020/03/0103, mwN). Dass die revisionswerbende Partei gehindert gewesen wäre, im Maßnahmenbeschwerdeverfahren ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten, wird im Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht behauptet.
22 Die revisionswerbende Partei bringt überdies im Zusammenhang mit einer behaupteten Unverhältnismäßigkeit der Betriebsschließung vor, gegen sie seien bis zum Zeitpunkt der faktischen Betriebsschließung keine diesbezüglichen „behördlichen Maßnahmen ‑ welcher Art auch immer ‑ gesetzt worden, sodass aber offenkundig ist, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht davon ausgegangen werden [könne], dass kein gelinderes Mittel als die Betriebsschließung ‑ wie etwa eine Beschlagnahme ‑ zur Zielerreichung ausreichen würde“.
23 Bei der Frage der Verhältnismäßigkeit einer faktischen Maßnahme handelt es sich um eine Beurteilung im Einzelfall. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge im Zusammenhang mit einer solchen einzelfallbezogenen Beurteilung nur dann vor, wenn diese grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl. VwGH 8.9.2020, Ra 2020/17/0055, mwN). Dass dies vorliegend der Fall wäre, wird von der revisionswerbenden Partei nicht aufgezeigt. Insbesondere dass im Revisionsfall mit einer Beschlagnahme der Glücksspielgeräte das Auslangen gefunden worden wäre, ist für den Verwaltungsgerichtshof auf dem Boden der vom LVwG getroffenen Feststellungen, wonach die im Lokal der revisionswerbenden Partei vorgefundenen Glücksspielgeräte ohnehin bereits (unmittelbar vor dem Eintreffen der Kontrollorgane) zerstört worden waren, nicht ersichtlich, zumal das LVwG ‑ was von der Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht als unwichtig bestritten wird ‑ als notorisch festgestellt hat, dass beschlagnahmte Geräte üblicherweise rasch ersetzt werden würden.
24 In der Revision werden insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.
25 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
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