VwGH Ro 2018/13/0011

VwGHRo 2018/13/001130.6.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der Plc in D (Irland), vertreten durch Dr. Michael Sedlaczek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 7. Mai 2018, Zl. RV/7102065/2017, betreffend Rückerstattung der Kapitalertragsteuer für die Jahre 2008 bis 2012, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §24 Abs1 litd
EStG 1988 §27
EURallg
InvFG 1993 §42
KStG 1988 §1 Abs3 Z1
KStG 1988 §21 Abs1 Z1a
12010E063 AEUV Art63

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2018130011.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit fünf Anträgen vom 17. Dezember 2013 begehrte die Revisionswerberin die Rückerstattung der Quellensteuer für die Jahre 2008 bis 2012 iHv insgesamt 383.137,37 €. In einem den Anträgen beigelegten (mit 16. Dezember 2013 datierten) Schreiben führte die Revisionswerberin aus, sie sei eine irische Körperschaft, die in österreichische Unternehmen investiert habe, für deren Dividendenausschüttungen Kapitalertragsteuer iHv 25% einbehalten worden sei. Aus Art. 8 Abs. 5 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und Irland ergebe sich eine Rückerstattung der Kapitalertragsteuer iHv 15%. Da gemäß § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, die in einem EU‑ oder EWR‑Mitgliedstaat, mit dem eine umfassende Amts‑ und Vollstreckungshilfe bestehe, ansässig seien, die Kapitalertragsteuer für die von ihnen bezogenen Gewinnanteile zurückzuerstatten sei, soweit diese im Ansässigkeitsstaat nicht angerechnet werden könne, werde der Antrag auf Rückerstattung der verbleibenden Quellensteuer iHv 10% gestellt.

2 Mit fünf Bescheiden vom 21. April 2016 wies das Finanzamt die Anträge der Revisionswerberin auf Erstattung der Quellensteuer für die Jahre 2008 bis 2012 unter Verweis auf den Bericht einer Außenprüfung vom 8. April 2016 ab. In diesem wurde ausgeführt, nach österreichischem Recht sei ein Investmentfonds kraft Gesetz steuerlich transparent. Die aus den Kapitalanlagen des Fonds lukrierten Erträge seien nicht dem Fonds als Einkünfteempfänger, sondern unmittelbar den Inhabern der Fondsanteile als deren Einkünfte zuzurechnen. Dies gelte nicht nur für österreichische Fonds, sondern gemäß § 188 InvFG 2011 auch für ausländische Kapitalanlagefonds ungeachtet deren Rechtsform. Da die Kapitalerträge nicht der Revisionswerberin zuzurechnen seien, stehe ihr auch kein Rückerstattungsanspruch zu.

3 In der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde vom 24. Mai 2016 brachte die Revisionswerberin vor, sie sei eine in Irland ansässige „Public Limited Company“ (im Folgenden: PLC), eine irische Kapitalgesellschaft. Nach irischem Recht sei sie ein eigenes Steuersubjekt und unterliege in Irland der Körperschaftsteuer. Die in Österreich einbehaltene Quellensteuer könne in Irland weder angerechnet werden noch stünden diesbezüglich andere Steuerbegünstigungen zu. Nach irischem Steuerrecht sei eine irische PLC steuerlich nicht transparent. Einer solchen Investmentgesellschaft stehe nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH zur Kapitalverkehrsfreiheit eine vollständige Entlastung von der Quellensteuer auf Dividenden zu (Hinweis auf EuGH 10.5.2012, C‑338/11 bis C 347/11 , Santander Asset Management SGIIC SA; 18.6.2009, C‑303/07, Aberdeen Property Fininvest Alpha Oy; 20.5.2008, C‑194/06, Orange European Smallcap Fund NV; 14.12.2006, C‑170/05, Denkavit Internationaal BV, Denkavit France SARL). Die Besteuerung ausländischer Kapitalgesellschaften als ausländische Investmentfonds stelle in Hinblick auf die Besteuerung vergleichbarer Kapitalgesellschaften in Österreich eine unzulässige Beschränkung des Kapitalverkehrs dar. Die automatische Anwendung des Transparenzprinzips bei ausländischen Kapitalgesellschaften sei unzulässig, komme doch auch bei inländischen Kapitalgesellschaften, die ihr Vermögen nach den Grundsätzen der Risikostreuung anlegten, das Transparenzprinzip nicht zur Anwendung.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht ‑ nach Ergehen abweisender Beschwerdevorentscheidungen durch das Finanzamt und der Stellung eines Vorlageantrags durch die Revisionswerberin‑ die Beschwerde ab und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei.

5 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht aus, die Revisionswerberin sei eine „Public Limited Company“, eine in Irland ansässige Kapitalgesellschaft, die im Jahr 2000 gemäß dem irischen Companies Act errichtet worden sei. Ihr ausschließlicher Zweck bestehe darin, das Investmentgeschäft für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren gemäß den Vorschriften der Europäischen Union über OGAW zu betreiben. Die Revisionswerberin sei von der irischen Zentralbank als Investmentgesellschaft zugelassen. Bei der Revisionswerberin handle es sich um eine sogenannte „Umbrella‑Investmentgesellschaft“ mit variablem Kapital. Unter ihrem Dach seien in den Jahren 2008 bis 2012 33 offene Teilfonds (sogenannte „Exchange Traded Funds ‑ ETFs“) gemanagt worden, die jeweils ein selbständiges Sondervermögen mit getrennter Haftung bildeten.

6 Die Revisionswerberin unterliege in Irland keiner Steuer auf ihre Erträge und Kapitalgewinne (Abschnitt 739 (B) (1) des irischen Tax Consolidation Act). Es bestehe eine generelle persönliche Einkommensteuerbefreiung für irische Investmentgesellschaften. Das irische Steuersystem besteuere bei Investmentgesellschaften ungeachtet ihrer körperschaftlichen Rechtsform direkt die Anleger (Anteilsinhaber) der Fonds und erhebe von diesen, soweit keine Steuerbefreiung für gebietsfremde Anleger bestehe, die Kapitalertragsteuer. Der Kapitalertragsteuer unterlägen bestimmte steuerlich relevante Ereignisse bei den in Irland ansässigen Anteilsinhabern. Dies seien Ausschüttungen, der Verkauf, die Einlösung, Rücknahme oder Übertragung von Anteilen sowie der Ablauf eines achtjährigen Anlagezeitraums. In letzterem Fall werde eine Kapitalertragsteuer‑Vorauszahlung auf ausschüttungsgleiche Erträge erhoben.

7 Strittig sei ‑ so das Bundesfinanzgericht ‑ die Rechtsfrage, wem die inländischen Dividendeneinkünfte aus dem veranlagten Fondsvermögen zuzurechnen seien: der Revisionswerberin als körperschaftlich organisierter Investmentgesellschaft in der Rechtsform einer PLC oder den Anteilsinhabern der Fonds. Davon hänge die Beurteilung ab, ob die Revisionswerberin ‑ soweit sie die materiellen Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 erfülle ‑ berechtigt sei, die Rückzahlung der Quellensteuer zu beantragen.

8 Da das DBA‑Recht keine Regeln über die Einkünftezurechnung enthalte, habe die Zurechnung von Einkünften im Quellenstaat nach dem nationalen Recht des Quellenstaats zu erfolgen. Hierbei seien die Sonderregelungen des Investmentfondsgesetzes 2011 (InvFG 2011) maßgeblich. Die §§ 2, 46, 186 Abs. 1 und § 188 InvFG 2011 normierten, dass die Erträge eines Kapitalanlagefonds aus Einkünften im Sinne des § 27 EStG 1988 beim Anteilsinhaber steuerpflichtige Einnahmen seien. Die der Revisionswerberin zugeflossenen Inlandsdividenden seien nach diesen Bestimmungen direkt den Anteilsinhabern zuzurechnen. Diese seien die Schuldner der österreichischen Quellensteuer.

9 Die spezielle Einkünftezurechnung habe ihren Grund darin, dass ein Investmentfonds nur ein Vehikel sei, um eine risikogestreute, professionell gemanagte Kapitalveranlagung einer zu einer Veranlagungsgemeinschaft gebündelten Anzahl von Anlegern zu erreichen. Das Fondsvermögen behalte jedoch weiterhin seinen wirtschaftlichen Zweck, zu Gunsten der Anleger und nicht zu Gunsten des Fonds veranlagt zu werden. In der dem Steuerrecht immanenten wirtschaftlichen Betrachtungsweise werde daher im InvFG 2011 bestimmt, dass für die steuerrechtliche Zurechnung der Kapitalerträge durch das Vehikel des Investmentfonds durchzugreifen sei, und zwar gleichgültig, ob es sich um einen Inlands- oder Auslandsfonds handle und welche Rechtsform der Fonds habe („same business same rules“).

10 Eine körperschaftlich organisierte Investmentgesellschaft als Rechtsträgerin der von ihr aufgelegten und gemanagten Teilfonds könne daher auf Grund der innerstaatlichen Rechtslage niemals das Steuerrechtssubjekt der aus ihrem Fondsvermögen stammenden Kapitalerträge sein.

11 Die Dividendenzurechnung an die Anteilsinhaber habe zur Folge, dass nur diese und nicht die Investmentfondsgesellschaft unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 Anspruch auf Rückerstattung der Kapitalertragsteuer hätten.

12 Diese Ausführungen zur nationalen Rechtslage würden von der Revisionswerberin grundsätzlich geteilt. Sie moniere jedoch eine Unionsrechtswidrigkeit durch das im InvFG 2011 normierte Durchgriffsprinzip bei ausländischen Investmentgesellschaften („corporate fund“). Eine unionsrechtskonforme Abgabenvollziehung erfordere, dass der steuerrechtliche Durchgriff durch die Revisionswerberin unterbleibe und die Abschirmwirkung ihrer körperschaftlichen Organisation genauso anerkannt werde, wie dies bei einer inländischen Kapitalgesellschaft (insbesondere einer vergleichbaren AG oder GmbH) der Fall sei.

13 Die unionsrechtliche Kritik richte sich gegen den unterschiedlichen Wortlaut der steuerrechtlichen Zurechnungsregel für inländische Kapitalanlagefonds (§ 186 InvFG 2011) und ausländische Kapitalanlagefonds (§ 188 InvFG 2011). Während mit § 186 InvFG 2011 eine formalrechtliche Anknüpfung an OGAW erfolge, werde mit § 188 leg. cit. materiell an alle risikogestreuten ausländischen Vermögensveranlagungen angeknüpft und damit über OGAW (iSd InvFG 2011) hinausgegangen. Die unterschiedliche Anknüpfung wirke sich bei vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaften (z.B. Holdings oder Private‑Equity‑Gesellschaften und Venture‑Capital‑Investitionen) aus, die im Inlandsfall nicht von der formalen Definition des InvFG 2011 erfasst seien, sodass es hier nicht zum Durchgriff auf die Gesellschafter komme, während auf Grund der materiellen Anknüpfung im vergleichbaren Auslandsfall die Einkünfte den Gesellschaftern direkt zugerechnet würden.

14 Sowohl die Revisionswerberin als auch die von ihr verwalteten Teilfonds seien Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) iSd Richtlinie 2009/65/EG . Nach dieser Richtlinie könnten OGAW‑Fonds auch die Rechtsform einer körperschaftlichen Investmentgesellschaft haben. Abgesehen von der Rechtsform seien solche in anderen Mitgliedstaaten ansässige OGAW‑Investmentgesellschaften und die von ihnen als Rechtsträger verwalteten ausländischen Kapitalanlagefonds mit inländischen Investmentfonds nach dem InvFG 2011 vollkommen vergleichbar. Bei jedem OGAW‑Fonds seien die Anteilsinhaber die wirtschaftlichen Eigentümer des Fondsvermögens.

15 Die Revisionswerberin als Investmentgesellschaft sowie die von ihr nach den Regeln der Richtlinie 2009/65/EG aufgelegten und verwalteten Teilfonds seien von der nationalen irischen Aufsichtsbehörde zugelassen. Diese Zulassung gelte für den gesamten EU-Binnenmarkt. Die besondere Tätigkeit einer OGAW‑Investmentfondsgesellschaft unterliege aus Gründen der Kapitalmarktstabilität und des Anlegerschutzes einer umfassenden Regulierung und strengen Kontrolle durch die nationale Aufsichtsbehörde, in gleicher Weise wie dies bei einem inländischen OGAW der Fall sei.

16 Nach der Richtlinie 2009/65/EG sei daher nicht die Rechtsform eines Fonds, sondern seine Tätigkeit für die Qualifikation als OGAW und für seine Regulierung maßgeblich. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise seien ausländische OGAW, auch wenn sie eine körperschaftliche Organisationsform aufweisen, mit inländischen OGAW, die kraft des InvFG nur als Miteigentumsgemeinschaft errichtet werden dürfen, objektiv vergleichbar.

17 Als Vergleichspaar für die Beurteilung einer steuerrechtlichen Diskriminierung sei daher nicht die steuerrechtliche Behandlung einer inländischen Kapitalgesellschaft heranzuziehen, sondern die eines inländischen Investmentfonds. Diese auf die übereinstimmende Situation abstellende Vergleichspaarbildung werde auch durch das EuGH‑Urteil vom 10. April 2014, Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company, C‑190/12, bestätigt. Danach seien ein dem amerikanischen Aufsichtsrecht unterliegender Investmentfonds, ein OGAW im Sinne der Richtlinie 2009/65/EG und ein polnischer Investmentfonds miteinander objektiv vergleichbar. Diese Gebilde befänden sich auf Grund der Ähnlichkeiten bei der Art und Weise der Ausübung der Tätigkeit und beim Tätigkeitsfeld in einer vergleichbaren Situation, sodass eine nachteilige steuerliche Behandlung des in den USA ansässigen Investmentfonds (Versagung einer Steuerfreiheit) nicht gerechtfertigt sei.

18 Die Frage, ob eine ausländische vermögensverwaltende Kapitalgesellschaft gegenüber einer inländischen Kapitalgesellschaft steuerlich benachteiligt werde, stelle sich auf Grund der vorrangigen situativen Vergleichbarkeit der Revisionswerberin mit einem inländischen Investmentfonds (OGAW) nicht. Im konkreten Fall liege auch keine steuerliche Benachteiligung vor, weil in Irland für Investmentgesellschaften eine umfassende persönliche Steuerbefreiung auf alle ihre Erträge und Gewinne vorgesehen sei.

19 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Antragsberechtigung von Investmentfonds in der Rechtsform einer Körperschaft zur Kapitalertragsteuer-Rückerstattung gemäß § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 fehle.

20 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision, zu der das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

21 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

22 Nach § 1 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 in der Stammfassung BGBl. Nr. 401/1988 sind Körperschaften, die im Inland weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz (§ 27 BAO) haben, mit ihren Einkünften im Sinne des § 21 Abs. 1 KStG 1988 beschränkt steuerpflichtig. Als Körperschaften gelten: a) Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einer inländischen juristischen Person vergleichbar sind; b) Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen (§ 3).

23 Mit dem Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl. I Nr. 52/2009, wurde in § 21 Abs. 1 KStG 1988 die Z 1a eingefügt, die mit 18. Juni 2009 in Kraft trat und wie folgt lautete:

„1a. Beschränkt Steuerpflichtigen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amts‑ und Vollstreckungshilfe besteht, ansässig sind, ist von dem für die Erhebung der Körperschaftsteuer des Schuldners der Kapitalerträge zuständigen Finanzamt die Kapitalertragsteuer für die von ihnen bezogenen Kapitalerträge gemäß § 93 Abs. 2 Z 1 lit. a des Einkommensteuergesetzes 1988 auf Antrag zurückzuzahlen, soweit die Kapitalertragsteuer nicht auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens im Ansässigkeitsstaat angerechnet werden kann. Der Steuerpflichtige hat den Nachweis zu erbringen, dass die Kapitalertragsteuer ganz oder teilweise nicht angerechnet werden kann.“

24 Ab 1. Jänner 2011 lautete § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 idF BGBl. I Nr. 111/2010 wie folgt:

„1a. Beschränkt Steuerpflichtigen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe besteht, ansässig sind, ist die Kapitalertragsteuer für die von ihnen bezogenen Einkünfte gemäß § 27 Abs. 2 Z 1 lit. a, b und c des Einkommensteuergesetzes 1988 auf Antrag zurückzuzahlen, soweit die Kapitalertragsteuer nicht auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens im Ansässigkeitsstaat angerechnet werden kann. Der Steuerpflichtige hat den Nachweis zu erbringen, dass die Kapitalertragsteuer ganz oder teilweise nicht angerechnet werden kann.“

25 § 40 Abs. 1 erster Satz des Bundesgesetzes über Kapitalanlagefonds (Investmentfondsgesetz ‑ InvFG 1993), BGBl. Nr. 532/1993 idF BGBl. Nr. 818/1993 lautete:

„(1) Die Ausschüttungen eines Kapitalanlagefonds an die Anteilsinhaber sind bei diesen steuerpflichtige Einnahmen. [...]“

26 Ab 8. Mai 2008 lautete § 40 Abs. 1 erster Satz InvFG 1993 idF BGBl. I Nr. 69/2008 wie folgt:

„(1) Werden Erträge abzüglich der damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen eines Kapitalanlagefonds sowie Substanzgewinne ausgeschüttet, sind diese bei den Anteilsinhabern steuerpflichtige Einnahmen. [...]“

27 Nach § 42 Abs. 1 erster Satz InvFG 1993 idF BGBl. I Nr. 106/1999 sind die Bestimmungen des § 40 leg. cit. auch für ausländische Kapitalanlagefonds anzuwenden. Als solcher gilt gemäß § 42 Abs. 1 zweiter Satz InvFG 1993 idF BGBl. I Nr. 41/1998, ungeachtet der Rechtsform, jedes einem ausländischen Recht unterstehende Vermögen, das nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt ist.

28 Im Revisionsfall ist strittig, ob der Revisionswerberin für die Jahre 2008 bis 2012 ein Anspruch auf Rückerstattung der Quellensteuer zusteht.

29 Dies setzt voraus, dass die Revisionswerberin Schuldnerin der (zunächst) einbehaltenen Kapitalertragsteuer war. Denn nur dem Schuldner der einbehaltenen Kapitalertragsteuer steht ‑ bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen ‑ deren Rückerstattung zu.

30 Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 13. Jänner 2021, Ro 2018/13/0003, mit näherer Begründung, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, ist aus der Sicht des österreichischen Steuerrechts daher vorrangig zu prüfen, ob die Revisionswerberin ein Rechtsgebilde ist, das Subjekt der Steuer auf das Einkommen sein kann, oder ob dies von vornherein ausgeschlossen ist. Diese Prüfung hat nach dem so genannten Typenvergleich zu erfolgen, der ‑ auch vor dem Hintergrund der Regelung des § 1 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 ‑ für die Einordnung ausländischer Gesellschaftsformen in das Gefüge des KStG und EStG anzustellen ist.

31 Ist die Revisionswerberin nach österreichischem Steuerrecht als Körperschaft zu werten, ist in einem nächsten Schritt die Frage nach der Einkünftezurechnung zu beantworten. Soweit es um Passiveinkünfte in Form von Kapitaleinkünften geht, wird die Einkünftezurechnung mit der Frage des wirtschaftlichen Eigentums am Kapitalvermögen zusammenhängen (siehe dazu etwa VwGH 25.2.2015, 2011/13/0003; 25.3.2015, 2012/13/0033).

32 Führt der Typenvergleich zum Ergebnis, dass die Revisionswerberin nach österreichischem Steuerrecht mit einer Körperschaft vergleichbar ist und sind die Einkünfte nach den allgemeinen Grundsätzen der Einkünftezurechnung solche der Revisionswerberin, stellt sich die Frage nach der Anwendung des § 42 InvFG 1993. Dabei geht es dann darum, ob (erst) die Vorschriften des InvFG 1993 eine Zurechnung der hier in Rede stehenden Einkünfte an die hinter der Revisionswerberin stehenden natürlichen Personen bewirken.

33 Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 13. Jänner 2021, Ro 2018/13/0003, unter Verweis auf das Erkenntnis vom 12. September 2018, Ra 2017/13/0027, zu § 42 InvFG 1993 ausgeführt hat, steht diese Regelung im Konflikt mit der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit, soweit eine inländische Körperschaft gegenüber einer gleichartigen ausländischen Einrichtung bevorzugt wird, weil sie ein Körperschaftsteuersubjekt ist, während die gleichartige ausländische Einrichtung als transparent behandelt wird (vgl. auch VwGH 11.9.2020, Ra 2020/13/0006).

34 Für den gegenständlichen Revisionsfall bedeutet dies: Wenn einer österreichischen Körperschaft Kapitalerträge zuzurechnen sind, bei einer (gegebenenfalls) mit der Körperschaft vergleichbaren ausländischen Investmentgesellschaft hingegen die Zurechnung an sie im Ergebnis durch § 42 InvFG 1993 untersagt und die Transparenz dieses Gebildes angeordnet wird, so beschränkt diese Schlechterstellung des ausländischen Gebildes die Kapitalverkehrsfreiheit. Wenn kein Rechtfertigungsgrund für diese Beschränkung vorliegt, was vom Bundesfinanzgericht im fortgesetzten Verfahren ‑ nach Erörterung mit den Parteien ‑ gegebenenfalls noch zu prüfen sein wird, ist die Bestimmung des § 42 InvFG 1993 als verdrängt anzusehen.

35 Das angefochtene, von dieser nunmehr vorliegenden Rechtsprechung abweichende Erkenntnis erweist sich sohin als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

36 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

37 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 30. Juni 2021

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