VwGH Ra 2019/21/0114

VwGHRa 2019/21/011422.8.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des P B in W, vertreten durch Mag.a Michaela Krömer, Rechtsanwältin in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. September 2018, W184 1267775-2/7E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §55
BFA-VG 2014 §21 Abs7
BFA-VG 2014 §9
BFA-VG 2014 §9 Abs1
BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8
BFA-VG 2014 §9 Abs3
FrPolG 2005 §52
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2
FrPolG 2005 §52 Abs9
FrPolG 2005 §55
MRK Art8
MRK Art8 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210114.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein im März 1977 geborener Staatsangehöriger der Republik Guinea-Bissau, stellte unmittelbar nach seiner Einreise am 19. März 2005 einen Asylantrag, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 9. Jänner 2006 in Verbindung mit einer Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet abwies. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 19. April 2006 als unbegründet ab. Die Behandlung der dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, wurde mit Beschluss vom 23. April 2009, 2006/01/0522, abgelehnt.

2 Aus der (den Angaben des Revisionswerbers zufolge: von 2007 bis "circa" 2012 geführten) Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin entstammt ein am 20. März 2010 geborener Sohn, der ebenfalls österreichischer Staatsbürger ist. Im Hinblick darauf wurde ein gegen den Revisionswerber bestehendes, im Jahr 2005 wegen einer mittlerweile getilgten Straftat erlassenes Aufenthaltsverbot mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates vom 21. Mai 2013 wieder aufgehoben.

3 In der Folge stellte der Revisionswerber am 11. August 2014 den Antrag, ihm einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens zu erteilen.

4 Über diesen Antrag entschied das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erst mit Bescheid vom 23. Mai 2018 dahin, dass es den Antrag abwies. Unter einem erließ es gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Guinea-Bissau zulässig sei. Schließlich wurde gemäß § 55 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. September 2018 als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - nach Ablehnung der Behandlung und Abtretung der an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde (Beschlüsse vom 12. März 2019 und vom 28. März 2019 zu E 508/2019) fristgerecht eingebrachte - außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortungen erstattet wurden, erwogen hat:

7 Das BVwG traf nach Wiedergabe des Verfahrensganges zu den persönlichen Verhältnissen des Revisionswerbers folgende Feststellungen:

"Die beschwerdeführende Partei führt in Österreich ein Familienleben und ein vielfältiges Privatleben.

Das Familienleben beschränkt sich auf monatliche Besuche bei seinem achtjährigen unehelichen Sohn mit österreichischer Staatsbürgerschaft, der bei seiner Mutter lebt und für den er kein Sorgerecht hat und keinen Unterhalt zahlt.

Die beschwerdeführende Partei ist nicht selbsterhaltungsfähig. Während des 13-jährigen Aufenthaltes in Österreich ging er noch nie einer regulären Beschäftigung nach. Die beschwerdeführende Partei bestreitet den Lebensunterhalt durch die Grundversorgung in Höhe von monatlich 452,73 Euro inklusive Krankenversicherung sowie durch Spenden für Auftritte und Unterrichtsstunden als Trommler.

Was die soziale Integration betrifft, verfügt die beschwerdeführende Partei in Österreich über einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Die sprachliche Integration ist bis zum Erwerb des Sprachzertifikates Deutsch B1 am 28.07.2014 fortgeschritten. Die beschwerdeführende Partei besuchte zahlreiche Kurse, nahm an einem Pflichtschulabschlusslehrgang teil, allerdings ohne Ablegung der kommissionellen Prüfung, arbeitet ehrenamtlich in einem Verein mit und ist nach Tilgung einer Vorstrafe unbescholten."

8 Demzufolge ging das BVwG im Rahmen der rechtlichen Beurteilung davon aus, im vorliegenden Fall liege bei Verweigerung eines Aufenthaltstitels ein Eingriff in den Schutzbereich des Familienlebens und des Privatlebens des Revisionswerbers im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK vor. Bei der nach § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägung kam das BVwG allerdings dann zum Ergebnis, dass die für die aufenthaltsbeendende Maßnahme sprechenden öffentlichen Interessen, insbesondere der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Asylwesens sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes, schwerer wögen als "die persönlichen Interessen der Beteiligten". Das begründete das BVwG unter weitgehender Wiederholung der in Rn. 7 wiedergegebenen Feststellungen mit nachstehenden Ausführungen:

"Es versteht sich von selbst, dass einem Familien- und Privatleben, das nach einer negativen Asylentscheidung und damit während eines illegalen Aufenthaltes begründet wurde, kein großes Gewicht im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zukommen kann, mag auch der inländische Aufenthalt nunmehr bereits 13 Jahre dauern. Da die bereits im April 2009 durchsetzbare Ausweisung den Befehl an die beschwerdeführende Partei darstellte, das Bundesgebiet unverzüglich, nötigenfalls unter Gewährung von Rückkehrhilfe, zu verlassen, und nicht die Aufforderung, die bis dahin noch unterbliebenen Integrationsschritte nun nachzuholen, was nach dem Wegfall des vorläufigen Aufenthaltsrechtes im Regelfall auch viel schwieriger zu bewerkstelligen sein wird, muss der beschwerdeführenden Partei jedenfalls die jahrelange Missachtung des österreichischen Fremdenpolizei- und Einwandungsrechtes durch Nichtbefolgen der Ausreiseaufforderung zum Vorwurf gemacht werden."

9 Die in der Beschwerde beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung hielt das BVwG für entbehrlich, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde im Sinne des § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG geklärt sei. 10 Mit der dargestellten Begründung weicht das BVwG - wie die Revision im Ergebnis zutreffend geltend macht - in mehrfacher Hinsicht von der (ständigen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, sodass sich die Revision entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des BVwG unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig erweist; sie ist auch berechtigt.

11 Der Revisionswerber beantragte die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005. Diese Bestimmung lautet in der (vom BVwG schon anzuwendenden) seit 1. September 2018 geltenden Fassung des FrÄG 2018 samt Überschrift:

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen."

12 Bei Beurteilung der Frage, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zuletzt etwa VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0034, Rn 9, mwN). Dasselbe gilt für die Beurteilung, ob der durch eine Rückkehrentscheidung bewirkte Eingriff in das Privat- und Familienleben verhältnismäßig ist (siehe zum diesbezüglichen inhaltlichen Gleichklang Punkt 3.3. und 3.4. in VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

13 Bei dieser Interessenabwägung hat das BVwG der besonders langen Dauer des Aufenthalts des Revisionswerbers in Österreich, die bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses bereits dreizehneinhalb Jahre betragen hatte, nicht die ihr nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zukommende Bedeutung beigemessen, indem es der Sache nach den Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG ("Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren") in unverhältnismäßiger Weise in den Vordergrund stellte. 14 Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich bereits wiederholt klargestellt, dieser Aspekt habe schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen sei und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung (bzw. Rückkehrentscheidung) führen könne. Daran knüpft die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes an, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen sei. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (siehe zum Ganzen etwa VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0325, Rn. 8 und 9, mwN). 15 Ausgehend von den in Rn. 7 wiedergegebenen Feststellungen des BVwG kann keineswegs gesagt werden, der Revisionswerber habe die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt, um sich sozial und beruflich zu integrieren. Dem hat das BVwG, das die in Rn. 14 dargestellte Judikaturlinie - obwohl darauf in der Beschwerde hingewiesen worden war - unberücksichtigt ließ, nicht Rechnung getragen. Im Übrigen hat das BVwG, das bei der Beweiswürdigung ausdrücklich festhielt, bei den Feststellungen den Angaben des Revisionswerbers zu folgen, dessen Bemühungen zur Fortbildung insofern nur verkürzt wiedergegeben, als dieser angegeben hatte, er mache "diverse Kurse, z. B. Basisbildung Rechtschreibung sowie Brückenkurse Mathematik, Englisch, IKT, Deutsch als Zweitsprache und zuletzt bin ich am Fertigstellen

meines Hauptschulabschlusses am Polycolleg ... Ich möchte mich bei

der Caritas als Pflegehelfer ausbilden lassen."

16 Es ist zwar auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren (vgl. auch dazu VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0325, Rn. 13, mwN). Derartige Gegebenheiten, die trotz des mehr als 13-jährigen Aufenthalts des Revisionswerbers eine Aufenthaltsbeendigung noch gerechtfertigt erscheinen ließen (siehe dazu die beispielshafte Aufzählung unter Rn. 13 in VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005, insbesondere maßgebliche strafgerichtliche Verurteilungen), hat das BVwG aber nicht ins Treffen geführt, zumal hierfür fallbezogen der unrechtmäßige Aufenthalt des Revisionswerbers seit etwa Mitte 2009 für sich genommen nicht ausreicht.

17 Denn das BVwG hätte im vorliegenden Fall auch noch der Beziehung des Revisionswerbers zu seinem österreichischen Sohn maßgebliche Bedeutung beimessen müssen. Immerhin ist der unabhängige Verwaltungssenat bei der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes schon im Jahr 2013 im Ergebnis davon ausgegangen, dass eine Ausreise des Revisionswerbers und die damit verbundene Trennung von seinem Sohn, um den er sich schon damals regelmäßig gekümmert hatte, nicht verhältnismäßig wäre. Das hätte das BVwG aber - auch unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls (siehe zu diesem Aspekt die Judikaturnachweise in VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0235, Rn. 11, und daran anschließend VwGH 31.8.2017, Ro 2017/21/0012, Rn. 8) - in seine Überlegungen einbeziehen und insoweit eingehend begründen müssen, wenn es fünf Jahre später trotz in diesem Zeitraum weiter intensivierter Bindungen zwischen Vater und Sohn zu einem gegenteiligen Ergebnis kommt. Der Umstand, dass der Revisionswerber nicht obsorgeberechtigt ist und keinen Unterhalt leistet, reicht dafür schon angesichts seiner auch vom BVwG zugestandenen aktuell aufrechten regelmäßigen Kontakte mit dem Sohn nicht (vgl. VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0115, Rn. 13, mwN).

18 Im Übrigen hätte das BVwG auch auf den Tatbestand der Z 9 des § 9 Abs. 2 BFA-VG ("Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist") Bedacht nehmen müssen. Das war nämlich schon in Bezug auf das Asylverfahren der Fall, mag auch die dreijährige Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof auf seine damalige Überlastung zurückzuführen sein. Das trifft aber noch viel mehr auf das Verfahren betreffend den gegenständlichen Antrag zu, in dem es - ohne Verschulden des Revisionswerbers - fast vier Jahre dauerte, bis überhaupt eine erstinstanzliche Entscheidung erging. Auch diesen zugunsten des Revisionswerbers sprechenden Gesichtspunkt hat das BVwG zu Unrecht nicht in seine Abwägung einbezogen. 19 Vor diesem Hintergrund war aber jedenfalls auch nicht vom Vorliegen eines eindeutigen Falles auszugehen, der es dem BVwG ausnahmsweise erlaubt hätte, ohne Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung abzusehen (siehe mit mehreren Nachweisen aus der ständigen Rechtsprechung zur Verhandlungspflicht bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zuletzt VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0101, Rn. 9). Außerdem hätte im Rahmen einer solchen Verhandlung auch die Möglichkeit zur Aktualisierung der persönlichen Verhältnisse des - zuletzt am 20. Februar 2017 niederschriftlich einvernommenen - Revisionswerbers, insbesondere auch die gebotene nähere Beleuchtung des Verhältnisses zu seinem Sohn (siehe Rn. 17), bestanden.

20 Aus all diesen Gründen ist das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die vom BFA vorgenommene Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und die erlassene Rückkehrentscheidung bestätigt wurden, mit (vorrangiger) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Es war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, wobei die Aufhebung auch die auf die Erlassung der Rückkehrentscheidung aufbauenden Absprüche nach § 52 Abs. 9 FPG und nach § 55 FPG zu erfassen hat.

21 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 22. August 2019

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