European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018070355.L00
Spruch:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten (LVwG) vom 1. März 2018 wurde einer Beschwerde des Revisionswerbers gegen den - in einer Angelegenheit des Kärntner Güter- und Seilwegelandesgesetzes ergangenen - Bescheid des Amtes der Kärntner Landesregierung als Agrarbehörde Kärnten unter Abänderung eines Spruchteils dieses Bescheides im Wesentlichen als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde nicht zugelassen.
2 Dem Revisionswerber wurde dieses Erkenntnis am Donnerstag, den 8. März 2018, zugestellt.
3 Der Revisionswerber brachte, anwaltlich vertreten, am 19. April 2018 um 17:47 Uhr per Mail eine mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbundene außerordentliche Revision beim LVwG ein; der Einlaufstempel weist als Eingangsdatum den 20. April 2018 auf.
4 Auf Vorhalt durch den Verwaltungsgerichtshof, dass die Amtsstunden nach der im Internet veröffentlichten Bekanntmachung des LVwG an einem Donnerstag um 15:00 Uhr endeten und dass außerhalb der Amtsstunden übermittelte schriftliche Anbringen erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht gälten, weshalb die Revision als verspätet erscheine, erstattete der Revisionswerber eine Stellungnahme zur Verspätung der Revision und beantragte unter einem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Einbringung einer außerordentlichen Revision.
5 Zum Wiedereinsetzungsantrag brachte der Revisionswerber vor, das Fristende sei in der Kanzlei des Rechtsvertreters im Fristenbuch, im Handakt und auch im elektronischen Fristenbuch ordnungsgemäß vermerkt worden. Der Parteienvertreter habe den Schriftsatz mit der außerordentlichen Revision samt Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung um ca. 13:00 Uhr am 19. April 2018 (letzter Tag der Frist) unterfertigt und der zuständigen Kanzleiangestellten mit dem Auftrag übergeben, die außerordentliche Revision einerseits per E-Mail innerhalb der Amtsstunden bis 15:00 Uhr sowie andererseits zusätzlich auch per Post an das LVwG zu übermitteln. Diese Auftragserteilung des Parteienvertreters an seine Mitarbeiterin entspreche dem üblichen Kanzleibetrieb zur Übermittlung von Schriftsätzen, insbesondere in Verwaltungsangelegenheiten, bei denen nicht wie sonst beispielsweise bei ordentlichen Gerichten üblich, eine Zustellung per ERV möglich sei. Der Parteienvertreter sei in Verwaltungsangelegenheiten bzw. oftmalig auch in Bauverfahren als Vertreter tätig und es seien ihm daher die Bestimmungen des Fristenlaufes im Zusammenhang mit den verschiedenen Übermittlungsformen, sei es durch Übergabe zur Post, per Fax oder per E-Mail bekannt. Aus diesem Grund werde üblicherweise im Kanzleibetrieb ein fristgebundener Schriftsatz entweder per Fax oder per E-Mail innerhalb der Amtsstunden, aber auch jedenfalls zusätzlich immer per Post übermittelt (Unterstreichung im Original). Zur Fristwahrung reiche die Übergabe an die Post am letzten Tag der Frist aus. Lediglich bei Übermittlungen per Fax bzw. E-Mail seien die kundgemachten Amtsstunden der jeweiligen Behörde zu beachten.
6 Die langjährige und äußerst verlässliche und in diesen Gepflogenheiten zur Wahrung von Fristen sehr "visierte" Kanzleimitarbeiterin habe bislang überaus zuverlässig auf die Fristüberwachung bzw. auf die rechtzeitige Übermittlung der Schriftsätze innerhalb offener Frist geachtet. Ihr sei in ihrer bisherigen langjährigen Tätigkeit in der Kanzlei des Parteienvertreters überhaupt kein Fehler in dieser Hinsicht passiert. An diesem Tag, dem 19. April 2018, habe in der Kanzlei des Parteienvertreters eine über die normalen Maße hinausgehende Betriebsamkeit geherrscht und habe es passieren können, dass die ansonsten überaus zuverlässige und vor allem in der Fristüberwachung nahezu pedantische Kanzleimitarbeiterin einerseits den Schriftsatz der außerordentlichen Revision nur per E-Mail außerhalb der Amtsstunden, konkret um 17:47 Uhr, übermittelt habe und vor allem entgegen dem ausdrücklichen Auftrag des Parteienvertreters und der üblichen Gewohnheiten den Schriftsatz "nicht an diesem Tag (19.04.2018) an die Post zur Fristwahrung übergeben" habe (Unterstreichung im Original).
7 Die äußerst zuverlässige Kanzleimitarbeiterin sei am Nachmittag des 19. April 2018 die einzige anwesende Mitarbeiterin in der Kanzlei des Parteienvertreters und mit der Postaufgabe, insbesondere der Übergabe der außerordentlichen Revision an die Post, beauftragt gewesen. In der Kanzlei des Parteienvertreters seien üblicherweise drei Kanzleimitarbeiterinnen gemeinsam parallel beschäftigt. Allein aus diesem Grund sei es zu erklären, dass die ansonsten immer überaus zuverlässige und vor allem in der Fristüberwachung nahezu pedantische Kanzleimitarbeiterin die Übergabe an die Post zur Fristwahrung irrtümlich unterlassen habe. Aufgrund der besonderen Sorgfältigkeit und Aufmerksamkeit der Kanzleimitarbeiterin sei dieser Irrtum jedenfalls als ein Versehen minderen Grades der ansonsten sehr verlässlichen Kanzleikraft zu werten und werde nochmals ausdrücklich wiederholt, dass ihr ein derartiger Irrtum in der langjährigen Tätigkeit in der Kanzlei des Parteienvertreters bis dato noch nie unterlaufen sei.
8 Somit sei der Parteienvertreter bzw. der Revisionswerber durch dieses unvorhergesehene Ereignis an der rechtzeitigen Einbringung der außerordentlichen Revision samt Antrag auf aufschiebende Wirkung gehindert gewesen, ohne dass dem Revisionswerber oder seinem Rechtsvertreter daran ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden träfe.
9 Das Versehen der Kanzleimitarbeiterin sei dem Parteienvertreter erst durch die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Mai 2018 bekannt geworden; die Frist des § 71 Abs. 2 AVG für den Wiedereinsetzungsantrag sei daher gewahrt.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 1. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
12 Der Revisionswerber ist eingangs darauf hinzuweisen, dass sich sein Antrag auf die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Erhebung einer (hier: außerordentlichen) Revision an den Verwaltungsgerichtshof richtet. Auf solche Anträge findet aber nicht § 71 AVG, sondern § 46 VwGG Anwendung.
13 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Wiedereinsetzung nicht.
14 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, nicht jedoch ein Verschulden anderer Personen (VwGH 23.9.2005, 2005/15/0083 und 0084; 30.6.2016, Ra 2015/19/0155).
15 Das Verschulden eines Kanzleibediensteten stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder ein unabwendbares Ereignis dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleibediensteten nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (VwGH 14.10.2016, Ra 2016/09/0001; 20.1.2016, Ra 2015/04/0098; 29.5.2015, Ra 2015/08/0013 und 0014, uvm).
16 Wenn allerdings - wie im gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag - in keiner Weise dargelegt wird, ob jemals eine Kontrolle der manipulativen Vorgänge im Kanzleibetrieb oder der Kanzleiangestellten erfolgte bzw. wie das diesbezügliche Kontrollsystem eingerichtet ist, kann von einer Organisation des Kanzleibetriebes, die eine fristgerechte Setzung von Vertretungshandlungen mit größtmöglicher Zuverlässigkeit sicherstellt, und von einer wirksamen Überwachung keine Rede sein. Fehlt es an einem diesbezüglichen Vorbringen, liegt jedenfalls kein bloß minderer Grad des Versehens vor. Daher sind bereits mangels einer Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems die Voraussetzungen für die Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages nicht erfüllt (VwGH 23.6.2016, Ra 2016/02/0100 bis 0112; 23.7.2013, 2013/05/0115, uvm).
17 Fallbezogen treten hier noch folgende Aspekte hinzu:
18 Nach der eigenen Darstellung des Revisionswerbers war an diesem Nachmittag nur eine von üblicherweise drei Kanzleiangestellten anwesend und habe "eine über die normalen Maße hinausgehende Betriebsamkeit" geherrscht. Es lagen demnach besondere Umstände vor. Nun ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gerade in jenen Fällen, in denen besondere Umstände vorliegen (hier: eine Kanzleikraft arbeitet für drei), jedoch fristgebundene Schriftsätze dringend einzubringen sind, das Fehlen bzw. die Unzulänglichkeit eines Kontrollsystems, insbesondere ob zur Postaufgabe vorgesehene Sendungen tatsächlich (bereits) zur Post gegeben und versendet wurden, nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten (VwGH 18.9.2017, Ra 2017/11/0234; 17.12.2015, Ra 2015/02/0222, jeweils mwN).
19 Gegen eine solche Beurteilung spricht auch der Umstand, dass der Parteienvertreter - nach dem eigenen Vorbringen des Revisionswerbers - erst ca. zwei Stunden vor Ende der möglichen Übermittlungszeit per E-Mail den Auftrag zur zeitgerechten Übermittlung erteilte; er war daher in Kenntnis, dass die Revision knapp vor dem Ende der für Übermittlungen auf diesem technischem Weg zur Verfügung gestandenen Einbringungszeit noch nicht eingebracht worden war. Auch in solchen Fällen besonderer Dringlichkeit erhält das Fehlen bzw. die Unzulänglichkeit eines Kontrollsystems besondere Bedeutung (zu einer ähnlichen Fallkonstellation vgl. nochmals VwGH 14.10.2016, Ra 2016/09/0001, mwN).
20 Im Übrigen hat ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter seine Kanzlei so zu organisieren, dass nach menschlichem Ermessen die Versäumung von Fristen ausgeschlossen ist. Dazu gehört nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch, dass sich der Parteienvertreter bei der Übermittlung von Eingaben im elektronischen Weg vergewissert, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde. Unterbleibt diese Kontrolle aus welchen Gründen auch immer, stellt dies ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden dar. Diese in der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien, die allgemein dem Umstand Rechnung tragen, dass die Sendung von Eingaben im elektronischen Wege fehleranfällig ist, lassen sich auch auf die Übermittlung von Eingaben per E-Mail übertragen (vgl. zu Übertragungen per WebERV: VwGH 30.6.2015, Ra 2015/03/0037, mwN).
21 Dazu kommt fallbezogen, dass nach der eigenen Darstellung des Revisionswerbers der Kanzleikraft nicht nur eine einzige Fehlleistung unterlaufen ist, sondern deren zwei. So wurde nicht nur - entgegen der Anweisung des Parteienvertreters - das E-Mail mit der außerordentlichen Revision zu spät übermittelt, sondern auch die fristwahrende Postaufgabe auftragswidrig gar nicht vorgenommen. Eine doppelte Fehlleistung wie diese kann aber - ungeachtet der oben zum fehlenden Kontrollsystem genannten Überlegungen - keinesfalls mehr als minderer Grad des Versehens gewertet werden.
22 Dass dem Revisionswerber an der Versäumung der Revisionsfrist kein Verschulden oder ein lediglich minderer Grad des Versehens anzulasten ist, wurde somit mit dem Wiedereinsetzungsantrag nicht dargetan.
23 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG abzuweisen.
24 2. Zur Rechtzeitigkeit der Revision:
25 Das angefochtene Erkenntnis wurde dem Vertreter des Revisionswerbers - unbestritten - am 8. März 2018 zugestellt. Der letzte Tag der Frist zur Erhebung einer Revision war daher der 19. April 2018.
26 Die dagegen erhobene Revision wurde per Mail - ebenfalls unbestritten - an diesem Tag, um 17:47 Uhr, sohin nach Ende der Amtsstunden um 15.00 Uhr, beim LVwG eingebracht.
27 Nach der im Internet veröffentlichten Bekanntmachung des LVwG (nach § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 2 AVG) gelten außerhalb der Amtsstunden übermittelte schriftliche Anbringen erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht, auch wenn sie an sich bereits in den Verfügungsbereich des LVwG gelangt sind.
28 Die außerordentliche Revision gilt somit erst am 20. April 2018 als eingebracht und erweist sich infolgedessen als verspätet (vgl. zu ähnlichen Fallkonstellationen VwGH 31.3.2016, Ra 2016/07/0021; 26.2.2015, Ra 2014/22/0092, uam).
29 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 21. Juni 2018
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