Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
Begründung
1 Mit Beschlüssen jeweils vom 7. April 2016 wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG Vorarlberg) die insgesamt dreizehn, vom Wiedereinsetzungswerber mit Schreiben vom 3. Dezember 2015 gestellten Anträge auf Wiederaufnahme der mit Bescheiden des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg abgeschlossenen Verfahren, jeweils in Angelegenheiten einer Übertretung des FSG gemäß § 50 iVm § 31 und § 32 VwGVG als unzulässig zurück. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde jeweils für nicht zulässig erklärt.
Diese Beschlüsse wurden dem Wiedereinsetzungswerber unstrittig am 28. April 2016 zugestellt.
2 Mit Beschluss vom 3. Mai 2016 bestellte das Bezirksgericht Schärding den nun für den Wiedereinsetzungswerber einschreitenden Rechtsanwalt gemäß § 120 Außerstreitgesetz zu dessen einstweiligem Sachwalter zur Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern
3 Mit den am 8. Juni 2016 zur Post gegebenen, an das LVwG Vorarlberg gerichteten Eingaben begehrte der Vertreter des Wiedereinsetzungswerbers die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung außerordentlicher Revisionen gegen die genannten Beschlüsse des LVwG Vorarlberg. Die Eingaben wurden mit Erledigung des LVwG Vorarlberg vom 13. Juni 2016 an den Verwaltungsgerichtshof weitergeleitet, wo sie am 14. Juni 2016 einlangten.
4 In dem gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, eingebracht beim Verwaltungsgerichtshof am 14. Juni 2016, bringt der Vertreter des Wiedereinsetzungswerbers vor, die Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe seien irrtümlicherweise in Folge eines Versehens der Kanzleikraft Frau D. - obwohl sämtliche Anträge im Antragsformular selbst an den Verwaltungsgerichtshof adressiert seien und die Kanzleimitarbeiterin die Order gehabt habe, diese Anträge direkt beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen - nicht an den Verwaltungsgerichtshof, sondern an das LVwG Vorarlberg übersandt worden. Die zuständige Richterin des LVwG Vorarlberg habe den Vertreter des Wiedereinsetzungswerbers am 13. Juni 2016 sowohl telefonisch als auch schriftlich per Telefax darüber informiert und ihm mitgeteilt, dass sämtliche Anträge gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG von Amts wegen zuständigkeitshalber an den Verwaltungsgerichtshof weitergeleitet worden seien. Da der letzte Tag zur Fristenwahrung für die Einbringung der Verfahrenshilfeanträge aufgrund der am 28. April 2016 zugestellten Beschlüsse der 9. Juni 2016 gewesen sei, sei die Weiterleitung vom LVwG Vorarlberg an den Verwaltungsgerichtshof am 13. Juni 2016 nicht fristgerecht erfolgt, weshalb eine Verfristung der Verfahrenshilfeanträge vorliege.
5 In der Kanzleiorganisation des Rechtsanwaltes und einstweiligen Sachwalters sei ein bis dato seit annähernd 20- jähriger Berufserfahrung funktionierendes Kontrollsystem "implantiert", um Fristversäumnisse, insbesondere von Rechtsmitteln, hintanzuhalten. So würden beispielsweise Fristen im Kanzleikalender nicht nur am Tag des Fristablaufes, sondern bereits einen Tag vorher und des Weiteren auch noch eine Woche vor dem tatsächlichen Fristablauf kalendiert. Es seien zwei Kanzleikräfte mit der Überwachung der Einhaltung der Rechtsmittelfristen betraut, um die Einhaltung der jeweiligen Fristen und Termine zu gewährleisten. Trotz eines vorhandenen Kontrollsystems zur Fristenwahrung in der Rechtsanwaltskanzlei seien die Anträge fälschlicherweise von der ansonsten überaus kompetenten und bis dato fehlerlos arbeitenden Kanzleimitarbeiterin Frau D. bei der unzuständigen Stelle eingebracht worden, wobei ein solcher Fehler jeder auch noch so sorgsamen Kanzleikraft durchaus einmal passieren könne. Auch hinsichtlich des bestehenden Kontrollsystems werde darauf hingewiesen, dass kein Kontrollsystem 100%ig unfehlbar sei. Aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung zeige sich, dass trotz Kontrollsystemen dennoch menschliche Fehler passieren könnten. Bei lebensnaher Betrachtung sei die irrtümliche Einbringung der Verfahrenshilfeanträge beim LVwG daher zumindest als minderer Grad des Versehens zu werten, weshalb die Voraussetzungen des § 46 VwGG erfüllt seien.
6 Dem Antrag lag als Beweismittel eine eidesstattliche Erklärung der Kanzleikraft Frau. D. vom 14. Juni 2016 bei. Unter einem wurde die versäumte Prozesshandlung nachgeholt.
7 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
8 Wird ein fristgebundenes Anbringen - wie ein Verfahrenshilfeantrag - bei einer unzuständigen Stelle eingebracht, so erfolgt die Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters; die Frist ist nur dann gewahrt, wenn die unzuständige Stelle das Einbringen zur Weiterleitung an die zuständige Stelle spätestens am letzten Tag der Frist zur Post gibt oder das Anbringen bis zu diesem Zeitpunkt bei der zuständigen Stelle einlangt (vgl. den hg. Beschluss vom 15. Juli 2015, Zl. Ra 2015/03/0049, mwN). Unbestritten wurde der vorliegende Verfahrenshilfeantrag vom LVwG Vorarlberg nach Ablauf der Revisionsfrist an den Verwaltungsgerichtshof weitergeleitet. Er erweist sich damit als verspätet.
9 Nach ständiger hg. Judikatur ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten. Das Versehen einer Kanzleiangestellten eines Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) dann als Verschulden anzulasten, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber der Kanzleiangestellten verletzt hat. Ein berufsmäßiger Parteienvertreter hat die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von - mit Präklusion sanktionierten - Prozesshandlungen gesichert erscheint. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen u.a. dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Das, was der Wiedereinsetzungswerber in Erfüllung seiner nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht vorgenommen hat, hat er im Wiedereinsetzungsantrag substantiiert zu behaupten. Rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann ein Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer ansonsten verlässlichen Kanzleikraft überlassen. Solche Vorgänge sind etwa die Kuvertierung, die Beschriftung eines Kuverts oder die Postaufgabe, also manipulative Tätigkeiten. Eine regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene oder zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Parteienvertreter nicht zuzumuten, will man seine Sorgfaltspflicht nicht überspannen (vgl. zum ganzen etwa den hg. Beschluss vom 24. Jänner 2008, Zl. 2007/19/1063, mwN).
10 Wenn allerdings - wie im gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag - in keiner Weise dargelegt wird, ob jemals eine Kontrolle der manipulativen Vorgänge im Kanzleibetrieb oder der Kanzleiangestellten erfolgte bzw. wie das diesbezügliche Kontrollsystem eingerichtet ist, kann von einer Organisation des Kanzleibetriebes, die eine fristgerechte Setzung von Vertretungshandlungen mit größtmöglicher Zuverlässigkeit sicherstellt, und von einer wirksamen Überwachung keine Rede sein. Fehlt es an einem diesbezüglichen Vorbringen, liegt jedenfalls kein bloß minderer Grad des Versehens vor. Daher sind bereits mangels einer Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems die Voraussetzungen für die Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages nicht erfüllt (vgl. zum Ganzen die hg. Beschlüsse vom 8. Juni 2011, Zl. 2011/06/0086, vom 22. Februar 2012, Zl. 2012/06/0001, und vom 23. Juli 2013, Zl. 2013/05/0115).
11 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 23. Juni 2016
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