VwGH Ra 2017/22/0013

VwGHRa 2017/22/001321.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, in der Revisionssache der J O in Wien, vertreten durch Mag.a Irene Oberschlick, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Weyrgasse 8/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 11. März 2016, VGW-151/V/004/12195/2015-1, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13a;
VwGVG 2014 §17;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017220013.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin, einer nigerianischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns vom 4. August 2015, mit dem ihr am 17. März 2006 gestellter (in der Folge modifizierter) Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung" gemäß § 43 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) idF vor BGBl. I Nr. 87/2012 abgewiesen wurde, als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid mit der Maßgabe, dass der Antrag gemäß § 44a Abs. 2 NAG in der genannten Fassung als unzulässig zurückgewiesen werde.

Nach der wesentlichen Begründung habe die Revisionswerberin am 9. März 2006 einen Verlängerungsantrag hinsichtlich ihres (bis zum 10. März 2006 gültigen) Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - vom AuslBG ausgenommener unselbständiger Erwerb, § 19 Abs. 2 Z 3 FrG" gestellt, über den bislang nicht entschieden worden sei. Ferner habe sie am 17. März 2006 den - hier gegenständlichen - Zweckänderungsantrag gestellt. Dieser Antrag erweise sich jedoch nach der - gemäß § 81 Abs. 23 NAG weiter anzuwendenden - Gesetzeslage vor BGBl. I Nr. 87/2012, konkret nach den §§ 44a Abs. 2 iVm. 24 Abs. 4 NAG, als unzulässig und sei aus dem Grund zurückzuweisen.

2.2. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß § 25a Abs. 1 VwGG für nicht zulässig.

3. Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, in der - unter dem Gesichtspunkt eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs - das Vorliegen wesentlicher Verfahrensmängel behauptet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird dabei jedoch nicht aufgezeigt.

4.1. Die Revisionswerberin macht einerseits geltend, das Verwaltungsgericht habe die Manuduktionspflicht verletzt, indem es die unvertretene Revisionswerberin über die Unzulässigkeit des Zweckänderungsantrags nicht belehrt habe. Bei "einer entsprechenden Rechtsbelehrung" hätte sie die Möglichkeit gehabt, den Antrag "entsprechend zu modifizieren".

4.2. Die Manuduktionspflicht nach § 13a AVG verlangt keine Beratung der Verfahrensparteien in materiell-rechtlicher Hinsicht durch das Verwaltungsgericht (vgl. den hg. Beschluss vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/22/0096). Auch unvertretenen Personen sind nur die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben, sie sind aber nicht in materieller Hinsicht zu beraten und nicht anzuleiten, welche für ihren Standpunkt günstigen Behauptungen sie aufzustellen bzw. mit welchen Anträgen sie vorzugehen haben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. August 2013, 2011/03/0094, und vom 11. Juni 2014, 2012/08/0170).

Davon ausgehend war das Verwaltungsgericht nicht zur Beratung der - wenngleich unvertretenen - Revisionswerberin in materiellrechtlicher Hinsicht in Ansehung ihres Zweckänderungsantrags verhalten. Das Verwaltungsgericht hatte die Revisionswerberin insbesondere nicht über die Unzulässigkeit der Antragstellung zu belehren und auf ein anderes erfolgversprechendes Vorbringen hinzuwirken. Der behauptete Verfahrensmangel und eine darauf bezogene grundsätzliche Rechtsfrage sind daher nicht gegeben.

4.3. Bei einer behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens setzt die Zulässigkeit der Revision - neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage aufwerfenden Verfahrensmangel - zudem voraus, dass die Revision auch von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 9. Februar 2015, Ra 2015/02/0014, und vom 16. August 2016, Ra 2015/08/0074).

Vorliegend legt die Revisionswerberin nicht dar, inwiefern das Verwaltungsgericht im Fall eines mängelfreien Verfahrens - also bei Vornahme der vermissten Manuduktion - zu einem anderen für sie günstigeren Ergebnis hätte kommen können. Sie zeigt insbesondere nicht auf - der inhaltsleere Hinweis auf eine "mögliche entsprechende Modifizierung" des Zweckänderungsantrags ist ungenügend -, welches andere Vorbringen sie diesfalls erstattet hätte und inwieweit das Verwaltungsgericht dadurch zu einer für sie günstigeren Entscheidung gelangt wäre.

5.1. Die Revisionswerberin macht andererseits geltend, das Verwaltungsgericht habe die Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung verletzt.

5.2. Das Verwaltungsgericht kann nach § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Vorliegend steht das Unterlassen einer - obzwar von der Revisionswerberin beantragten - Verhandlung durch das Verwaltungsgericht angesichts des unstrittigen entscheidungsrelevanten Sachverhalts und der nicht komplexen Rechtsfragen im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Verhandlungspflicht (vgl. in dem Sinn etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2016, Ro 2015/04/0019).

Die Revisionswerberin legt auch nicht näher dar, dass bzw. inwiefern das Verwaltungsgericht den durch § 24 Abs. 4 VwGVG eingeräumten Ermessensspielraum überschritten habe (das Zulässigkeitsvorbringen beschränkt sich darauf, die diesbezügliche Begründung des Verwaltungsgerichts wiederzugeben und auf die entbehrliche Relevanzdarstellung des behaupteten Mangels hinzuweisen).

5.3. Dahingestellt bleiben kann, ob das Absehen von einer Verhandlung fallbezogen auch auf § 24 Abs. 2 Z 1 (erster Fall) VwGVG gestützt werden könnte (vgl. dazu etwa die hg. Beschlüsse vom 29. September 2015, Ra 2015/05/0050, und vom 3. August 2016, Ra 2016/07/0058).

6. Insgesamt werden daher - in der maßgeblichen Zulassungsbegründung (vgl. den hg. Beschluss vom 19. April 2016, Ra 2016/22/0003) - keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 21. März 2017

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