VwGH Ra 2016/07/0058

VwGHRa 2016/07/00583.8.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision der Gemeinde G, vertreten durch Mag. Ferdinand Kalchschmid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 2-4, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 24. Mai 2016, Zl. LVwG-2016/37/0734-5, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit des Wasserrechts (belangte Behörde: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §8;
B-VG Art133 Abs3;
MRK Art6 Abs1;
VwGVG 2014 §15;
VwGVG 2014 §24 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §24 Abs2;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §102 Abs1 litd;
WRG 1959 §105;
WRG 1959 §13 Abs3;
WRG 1959 §15 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016070058.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 2. Mit den Zulassungsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargelegt:

5 2.1. Entgegen der dort vertretenen Rechtsauffassung sind die im § 13 Abs. 3 WRG 1959 angesprochenen öffentlichen Zwecke, zu deren Wahrnehmung die Gemeinde nach § 102 Abs. 1 lit. d WRG 1959 berufen ist, nicht dasselbe wie die öffentlichen Interessen im Sinne des § 105 WRG 1959 (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 14. Dezember 2000, 98/07/0043, und vom 10. Juli 1997, 97/07/0004). Das Argument, auf die Gemeinde als Hüterin von öffentlichen Interessen dürfe die Bestimmung des § 42 AVG aus diesem Grund nicht angewandt werden, geht daher in Leere (vgl. zur Präklusion - nunmehr: zum Verlust der Parteistellung - von Gemeinden im wasserrechtlichen Verfahren bereits den hg. Beschluss vom 31. Mai 1974, 878/72, und weiters die hg. Erkenntnisse vom 19. Jänner 1988, 87/07/0140, vom 15. November 1994, 93/07/0066, und vom 25. April 1996, 93/07/0082).

6 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die das Verwaltungsgericht zutreffend zitiert, ist die Parteistellung der Gemeinde nach § 102 Abs. 1 lit d in Verbindung mit § 13 Abs. 3 WRG 1959 eine beschränkte. Die Gemeinde kann nur solche Einwendungen vorbringen, die darauf abzielen, darzutun, dass durch das zur wasserrechtlichen Bewilligung beantragte Vorhaben in das der Gemeinde nach § 13 Abs. 3 WRG 1959 zustehende Recht auf Aufrechterhaltung der Wasserversorgung für ihre Bewohner eingegriffen wird. Sonstige Einwendungen stehen ihr nicht zu (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Mai 2000, 99/07/0072, und vom 14. Dezember 2000, 98/07/0043).

Diese eingeschränkte Parteistellung erfordert es, dass die Gemeinde den Zusammenhang zwischen einer Einwendung und dem ihr eingeräumten Recht ausreichend klarlegt, sofern dieser Zusammenhang nicht von vornherein auf der Hand liegt (vgl. das obzitierte hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2000 und das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1988, 83/07/0204).

7 2.2. Entgegen den weiteren Zulassungsausführungen erweist sich auch die Beurteilung des LVwG, wonach die durch den Bürgermeister im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Behörde für die Gemeinde abgegebene Stellungnahme vom Wortlaut her eindeutig und keine Einwendung im Rechtssinn ist, als nicht zu beanstanden. Diese Stellungnahme ist entgegen dem Revisionsvorbringen auch nicht in die Richtung zu interpretieren, dass damit ein Antrag auf Einholung eines Gegengutachtens gestellt worden wäre.

Die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach die Gemeinde ihre Parteistellung mangels rechtzeitiger Erhebung von Einwendungen gemäß § 42 AVG verloren hat, steht daher in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

8 2.3. Soweit die revisionswerbende Gemeinde die Ansicht vertritt, es liege ein gravierender Verfahrensmangel darin, dass das Verwaltungsgericht trotz ihres Antrags keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe, verkennt sie die Rechtslage.

In den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG liegt es im Ermessen des Verwaltungsgerichts, trotz Parteiantrages keine Verhandlung durchzuführen. Nach dem ersten Fall des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung auch dann entfallen, wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist. Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerde zurückgewiesen.

Abgesehen davon ist eine zurückweisende Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht jedoch über die Sache selbst, auch aus Sicht des Art. 6 EMRK keine (inhaltliche) Entscheidung "über eine strafrechtliche Anklage" oder "über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen". Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse - wie etwa der Verlust der Parteistellung - entgegenstehen (vgl. in diesem Zusammenhang die hg. Erkenntnisse vom 27. Juli 2007, 2006/10/0040, und vom 27. September 2007, 2006/07/0066, mwN).

Die Nichtdurchführung der mündlichen Verhandlung steht daher ebenfalls nicht im Widerspruch zur Rechtslage oder zur Rechtsprechung.

9 3. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

10 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. August 2016

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