Normen
AVG §42;
AVG §66 Abs4;
AVG §66;
VwRallg;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §102 Abs1 litd;
WRG 1959 §103 Abs1 litc;
WRG 1959 §107 Abs2;
AVG §42;
AVG §66 Abs4;
AVG §66;
VwRallg;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §102 Abs1 litd;
WRG 1959 §103 Abs1 litc;
WRG 1959 §107 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Grundbuch der KG. A ist zu Lasten des im Eigentum der mitbeteiligten Gemeinde (MB) stehenden Grundstückes 709/1 (EZ. 550) die Dienstbarkeit der Quellfassung und Ableitung in eisernen Röhren für die im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Grundstücke 126 und 709/2 (EZ. 293) und für die Grundstücke 257 und 709/11 (EZ. 370) eingetragen.
Am 28. November 1985 stellte die Beschwerdeführerin bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (BH) den Antrag, ihr die wasserrechtliche Bewilligung zu erteilen, die auf dem Grundstück 709/1 aufgehende Quelle zu fassen und zur Versorgung von drei auf ihrem Grundstück 257 befindlichen Wohnungen abzuleiten; das Überwasser sollte zur Speisung eines auf dem ebenfalls der Beschwerdeführerin gehörigen Grundstück 709/11 gelegenen Fischteiches verwendet und anschließend in den vorbeifließenden Bach abgeleitet werden.
Im Rahmen eines von der BH über diesen Antrag am 9. Oktober 1986 abgehaltenen informativen Lokalaugenscheins schränkte die Beschwerdeführerin ihr Ansuchen dahin gehend ein, daß die geplante Anlage nur mehr zur Nutzwasserversorgung des Hauses auf Grundstück 257 und des Fischteiches auf Grundstück 709/11 sowie zur Trinkwasserversorgung ausschließlich der eigenen Wohnung der Beschwerdeführerin auf Grundstück 257 dienen solle. Der Vertreter der MB äußerte sich bei dieser Gelegenheit zum Ansuchen der Beschwerdeführerin wie folgt:
"Die Gde. bittet um baldige wasserrechtl. Verhandlung, ansonsten kein Einwand."
Die Kundmachung der über dieses Ansuchen der Beschwerdeführerin von der BH anberaumten wasserrechtlichen Verhandlung enthielt neben einer näheren Beschreibung des Projektes u.a. folgenden Hinweis:
"Es steht den Parteien und sonstigen Beteiligten frei, persönlich oder durch einen bevollmächtigten Vertreter an dieser Verhandlung teilzunehmen und allfällige Erklärungen abzugeben. Diese Erklärungen dürfen nicht unter Vorbehalt erfolgen. Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung vorgebracht werden, finden keine Berücksichtigung und werden die Parteien und sonstigen Beteiligten den Anträgen, Vorhaben oder den Maßnahmen, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, als zustimmend angesehen."
In der wasserrechtlichen Verhandlung am 1. April 1987 wurde das Gutachten eines kulturbautechnischen Amtssachverständigen eingeholt, der keine Bedenken gegen die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung äußerte, sofern bestimmte von ihm vorgeschlagene Auflagen eingehalten würden. Im Rahmen dieser Auflagen ging der Amtssachverständige in Punkt 7. davon aus, daß sich das Wasserrecht auf die gesamte Schüttung der genutzten Quelle zu beziehen habe.
Der Vertreter der MB gab in dieser Verhandlung nachstehende Erklärung ab:
"Die Gemeinde A behält sich vor, die bestehende, nicht mehr in Betrieb befindliche Leitung auf Gp. 709/1 KG. A (zwischen Brunnenstube und östlicher Grundgrenze zur Gp. 709/14 KG. A) zu entfernen, ansonsten kein Einwand."
Mit Bescheid vom 13. April 1987 erteilte die BH der Beschwerdeführerin unter den vom Amtssachverständigen vorgeschlagenen Auflagen die wasserrechtliche Bewilligung zur Nutzung der gesamten Quellschüttung zur Versorgung des Wohnhauses auf dem Grundstück 257 und zur Speisung des Fischteiches (Feuchtbiotop) auf dem Grundstück 709/11. Gemäß Punkt 6. der Auflagen ist auf Grund im Verfahren aufgezeigter hygienischer Bedenken eine Verwendung der Quelle nur für die Nutzwasserversorgung zulässig.
Gegen diesen Bescheid wurde (nur) von der MB Berufung erhoben. Ausgehend von der Zuerkennung der gesamten Quellschüttung an die Beschwerdeführerin im Bescheid der BH führte die MB zur Begründung ihres Rechtsmittels aus,
"daß laut Auskunft des Bezirksgerichtes Innsbruck - Grundbuch - die Besitzer der EZ. 293 - Hausgemeinschaft U u.a. ebenfalls ein Nutzungsrecht an dieser Quelle besitzen.
Auch die Gemeinde A hat im Jahre 1979 von Frau RG, Alleineigentümerin der Gp. 709/6 in EZ. 161 II KG. A, die Dienstbarkeit der Quellfassung und Wasserableitung auf der Gp. 709/1 abgelöst.
Aus diesen Gründen kann ... (die Beschwerdeführerin) ...
nicht die gesamte Schüttung dieser Quelle beanspruchen."
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 23. Juni 1987 hat die belangte Behörde der Berufung der MB gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 Folge gegeben, den Bescheid der BH aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Erstbehörde verwiesen. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, aus dem von der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Grundbuchsauszug des belasteteten Grundstückes 709/1 ergebe sich, daß die Dienstbarkeit der Quellfassung und Ableitung in Röhren nicht nur für die Grundstücke 257 und 709/11 (EZ. 370), sondern auch für die Grundstücke 126 und 709/2 (EZ. 293) eingetragen sei. Die Eigentümer dieser beiden zuletzt genannten Grundstücke habe die Antragstellerin nicht bekanntgegeben, obwohl ihnen an der Quelle; welche ein Privatgewässer darstelle ein Recht zur Fassung und Ableitung im gleichen Maße wie der Beschwerdeführerin zustehe. Deren Ansuchen sei daher nach § 103 Abs. 1 lit. e WRG 1959 mangelhaft gewesen. Nach §§ 40 bis 44 AVG 1950 sei eine mündliche Verhandlung unter Zuziehung aller bekannten Beteiligten vorzunehmen; diese seien persönlich zu verständigen. Die Unterlassung der Beiziehung einer Partei zur Augenscheinsverhandlung stelle "einen derart schwerwiegenden Mangel dar, daß er im gegenständlichen Falle nur durch die Wiederholung der mündlichen Verhandlung saniert werden" könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin sei dadurch in ihren Rechten verletzt worden, daß die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid aufgehoben, nicht aber die Berufung der MB wegen deren beschränkter Parteistellung und infolge ihr gegenüber eingetretener Präklusion zurück- bzw. abgewiesen habe.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Auch die MB beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Die Beschwerdeführerin hat zu den Gegenschriften in einer schriftlichen Äußerung im Sinne ihres bisherigen Vorbringens Stellung genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 66 Abs. 2 AVG 1950 kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen.
Ein auf diese Gesetzesstelle gegründeter letztinstanzlicher Bescheid kann mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden. Eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch einen solchen aufhebenden Bescheid kann einerseits darin gelegen sein, daß die Berufungsbehörde von dieser Regelung mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen zu Unrecht Gebrauch gemacht und keine Sachentscheidung erlassen hat, aber auch darin, daß die Berufungsbehörde von einer für den Beschwerdeführer nachteiligen, jedoch für das weitere Verfahren bindenden unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1986, Zl. 84/07/0256, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Die vorliegende Beschwerde ist daher zulässig; sie ist auch, wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen, berechtigt.
Wurde eine mündliche Verhandlung auf die in § 42 Abs. 1 AVG 1950 näher beschriebene Weise bekanntgemacht, so hat dies nach dieser Gesetzesstelle zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung finden und die Beteiligten dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, als zustimmend angesehen werden. Im Falle einer nur durch Verständigung der Beteiligten anberaumten Verhandlung erstreckt sich gemäß § 42 Abs. 2 AVG 1950 die im Abs. 1 bezeichnete Rechtsfolge bloß auf die Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die MB als Partei des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens rechtzeitig unter Mitteilung dieser Präklusionsfolgen von der Anberaumung der mündlichen Verhandlung über das Vorhaben der Beschwerdeführerin Kenntnis erlangt, an dieser Verhandlung auch teilgenommen, jedoch weder vor noch bei dieser Verhandlung Einwendungen gegen dieses Vorhaben erhoben hat. Erstmals in ihrer gegen den erstinstanzlichen Bewilligungsbescheid erhobenen Berufung hat die MB Gründe geltend gemacht, aus welchen der Beschwerdeführerin - entgegen ihrem Projekt, wie es auch in der Kundmachung der Verhandlungsausschreibung von der BH zutreffend beschrieben worden ist, und entgegen den diesbezüglich zustimmenden Ausführungen des Sachverständigen in dieser Verhandlung - nicht die gesamte Schüttung der Quelle zustehe.
Da einer Gemeinde als Partei eines wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens (§ 102 Abs. 1 lit. b und lit. d WRG 1959) keine verfahrensrechtliche Sonderstellung zukommt, macht die Beschwerdeführerin bei der gegebenen Sachlage mit Recht geltend, daß die MB mit ihren erstmals in der Berufung erhobenen Einwendungen als im Sinne des § 42 AVG 1950 präkludiert anzusehen ist.
Die Berufung einer präkludierten Partei ist zwar nicht zurückzuweisen, doch bringt die gebotene Beachtung der eingetretenen Präklusion eine wesentliche Einschränkung der Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde mit sich. Die Berufungsbehörde darf nur in jenem Bereich eine Überprüfungsfunktion ausüben, in dem keine Präklusion eintreten konnte, etwa bei der Frage der Zuständigkeit der Unterinstanz; die Berufungsbehörde ist auch berechtigt und verpflichtet, zu prüfen, ob überhaupt Präklusion eingetreten ist. Die Berufungsbehörde darf sich aber nicht über die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 hinwegsetzen und damit dieser Bestimmung jeden Sinngehalt nehmen. Steht einer Partei des Verwaltungsverfahrens nur ein eingeschränktes Mitspracherecht zu, dann kann aus Anlaß einer von ihr eingebrachten Berufung nicht über den Themenkreis hinausgegangen werden, in welchem diese Partei mitzuwirken berechtigt ist. Da nur jener Bereich überhaupt der Ingerenz dieser Partei unterliegt, kann auch die von ihr angerufene Berufungsbehörde im Rahmen des § 66 AVG 1950 nur über das zu entscheiden befugt sein, was diese Partei an sie heranzutragen befugt ist. "Sache" des Berufungsverfahrens ist in einem solchen Fall ausschließlich jener Bereich, in welchem dem Berufungswerber ein Mitspracherecht zusteht (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1980, Zl. 06/3112/79 = Slg. 10317/A). Dieses eingeschränkte Mitspracherecht erfährt auch hinsichtlich der Geltendmachung von in erster Instanz unterlaufenen Verfahrensfehlern keine Erweiterung.
Umstände, hinsichtlich deren eine Präklusion gar nicht eintreten konnte, hat weder die MB in ihrer Berufung aufgezeigt noch die belangte Behörde von sich aus im angefochtenen Bescheid aufgegriffen. Die belangte Behörde war daher durch die gemäß § 42 AVG 1950 eingetretene Präklusion auf die Prüfung des erstinstanzlichen Bescheides im Rahmen rechtzeitig erhobener Einwendungen der MB beschränkt, da durch diese der Prüfungsbereich endgültig abgesteckt worden ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 1985, Zl. 83/06/0181, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Die MB hat jedoch im erstinstanzlichen Verfahren Einwendungen dagegen, daß der Beschwerdeführerin antragsgemäß die gesamte Quellschüttung zur Nutzung zuerkannt würde, nicht erhoben. Diese Frage konnte daher mit Rücksicht auf die eingetretene Präklusion im Verfahren über die Berufung der MB nicht mehr überprüft und somit nicht zum Anlaß eines gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 aufhebenden Bescheides genommen werden.
Zu einem anderen Ergebnis konnte der Verwaltungsgerichtshof auch nicht auf Grund des Vorbringens in den Gegenschriften kommen, wonach die Beschwerdeführerin in ihrem Bewilligungsantrag nicht alle von ihrem Vorhaben berührten Personen namhaft gemacht habe (§ 103 Abs. 1 lit. e WRG 1959). Daß im erstinstanzlichen Verfahren allenfalls Parteien übergangen worden sind, vermag nämlich weder an der Präklusion der MB noch an der daraus abzuleitenden Einschränkung der Prüfungsbefugnis der belangten Behörde im Sinne der obigen Erwägungen etwas zu ändern.
Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage dadurch verkannt, daß sie die Berufung der MB zum Anlaß einer Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 nahm. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.
Wien, am 19. Jänner 1988
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)