VwGH Ra 2015/07/0121

VwGHRa 2015/07/012130.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der Gemeinde R, vertreten durch Mag. Friedrich Hohenauer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Templstraße 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 8. September 2014, Zl. LVwG-2014/34/0938-16, betreffend die Abweisung eines Antrages auf Erlöschenserklärung eines Teilwaldrechts (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde; mitbeteiligte Partei: J E in R), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs3;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §9 Abs1;
VwGVG 2014 §9;
VwRallg;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs3;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §9 Abs1;
VwGVG 2014 §9;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Auf dem im Eigentum der revisionswerbenden Gemeinde stehenden Grundstück Nr. 2331 der EZ 283, GB R, besteht zugunsten der im Eigentum der mitbeteiligten Partei stehenden Liegenschaft in EZ 90049, GB R, ein Teilwaldrecht (Dienstbarkeit des Holz- und Streubezuges).

2 Nach einem Hochwasserereignis im August 2001 musste der R Bach geräumt werden. Das im Zuge dieser Räumung angefallene Murmaterial im Ausmaß von ca. 17.000 m3 wurde von der Revisionswerberin, die das Material zur Errichtung eines Lawinenschutzdammes verwenden wollte, auf das genannte Grundstück Nr. 2331 verbracht, wo es bis zur weiteren Verwendung zwischengelagert werden sollte.

3 Nachdem der Revisionswerberin mit den Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Imst (BH) vom 21. Jänner 2003 und vom 30. März 2005 jeweils befristet die forstrechtliche Bewilligung zur vorübergehenden Rodung einer Teilfläche des Grundstückes Nr. 2331 im Ausmaß von 2.500 m2 zum Zwecke der Zwischenlagerung von Murmaterial im Ausmaß von 17.000 m3 erteilt worden war, stellte sich in weiterer Folge heraus, dass das Murmaterial im Ausmaß von 17.000 m3 doch nicht für die Errichtung des (zwischenzeitlich fertiggestellten) Lawinenschutzdammes benötigt wird.

4 Mit Bescheid der BH vom 10. Februar 2009 wurde der Revisionswerberin mit Behandlungsauftrag gemäß § 73 Abs. 1 Z 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) aufgetragen, das auf der nordöstlichen Teilfläche des Grundstückes Nr. 2331 auf einer Fläche von 2.500 m2 zwischengelagerte Murmaterial im Ausmaß von ca. 17.000 m3 unverzüglich, spätestens jedoch bis 30. September 2009, zu entfernen und einer ordnungsgemäßen Entsorgung zuzuführen sowie die von der Zwischenlagerung betroffene Fläche im Anschluss zu humusieren und zu begrünen bzw. in näher genannter Weise aufzuforsten. Für die Begrünung und Wiederaufforstung wurde eine Frist bis spätestens 30. November 2009 bestimmt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

5 Mit Bescheid vom 12. Juli 2010 ordnete die BH die mit Verfahrensanordnung vom 5. Oktober 2009 angedrohte Ersatzvornahme an und erteilte der Revisionswerberin einen Kostenvorauszahlungsauftrag.

6 Im Sommer 2010 ließ die Revisionswerberin einen Teil des abgelagerten Murmaterials entfernen.

7 Mit Spruchpunkt I. des Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol (LH) vom 28. Februar 2011 wurde die Berufung der Revisionswerberin gegen die mit Bescheid der BH vom 12. Juli 2010 erlassene Vollstreckungsverfügung als unzulässig zurückgewiesen. Der Spruch des Bescheides der BH wurde (lediglich) durch Reduzierung des im Kostenvorauszahlungsauftrag genannten Betrages abgeändert. Im Übrigen wurde die Berufung der Revisionswerberin als unbegründet abgewiesen. Mit Spruchpunkt II. des Bescheides des LH wurde die Berufung der mitbeteiligten Partei gegen den genannten Bescheid der BH als unzulässig zurückgewiesen.

8 Bereits mit Eingabe vom 24. Februar 2011 hatte die Revisionswerberin unter Einreichung des Projekts "Bodenaushubdeponie ‚R Bach' mit Zwischenlager" die Erteilung einer abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung gemäß § 37 AWG 2002 für die bereits vorhandene Ablagerung des Murmaterials im Ausmaß von nunmehr 10.540 m3 auf den Grundstücken Nr. 2329, 2331 und 2337, alle GB R, beantragt.

9 Bedingt durch die derzeitige Geländeausformung erfüllt die vorhandene Ablagerung eine Schutzfunktion für die Wasserversorgung bzw. das Wasserschloss der revisionswerbenden Gemeinde sowie ein darunter liegendes Wohnhaus.

10 Im abfallwirtschaftsrechtlichen Verfahren sprach sich die mitbeteiligte Partei gegen die Erteilung der Genehmigung des bereits abgelagerten Murmaterials als Deponie aus. In weiterer Folge brachte die Revisionswerberin den hier in Rede stehenden Antrag gemäß § 40 Abs. 5 Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1996 (TFLG 1996) ein. Die BH setzte das abfallwirtschaftsrechtliche Verfahren bis zur Entscheidung im Verfahren betreffend die beantragte Erlöschenserklärung des Teilwaldrechts der mitbeteiligten Partei (die sich gegen diese Erlöschenserklärung aussprach) aus.

11 Mit Bescheid vom 24. April 2012 erklärte das Amt der Tiroler Landesregierung (belangte Behörde) das zu Gunsten der eingangs erwähnten Liegenschaft der mitbeteiligten Partei auf Grundstück Nr. 2331 bestehende Holz- und Streunutzungsrecht im Ausmaß von 1.630 m2 über Antrag der Revisionswerberin als erloschen und verpflichtete die Revisionswerberin zur Entrichtung einer Ablösesumme an die mitbeteiligte Partei.

12 Dieser Bescheid wurde auf Grund der von der mitbeteiligten Partei erhobenen Berufung mit Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 8. Mai 2013 behoben.

13 Mit Bescheid vom 10. Februar 2014 erklärte die belangte Behörde (erneut) das zu Gunsten der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei auf Grundstück Nr. 2331 bestehende Teilwaldrecht im Ausmaß und in der Lage gemäß einem näher bezeichneten Lage- und Katasterplan als erloschen (Spruchpunkt I.) und verpflichtete die Revisionswerberin zur Entrichtung einer Ablösesumme für die Ablösung für die 1.630 m2 große Teilwaldfläche an die mitbeteiligte Partei.

14 Auf Grund einer Beschwerde der mitbeteiligten Partei wurde mit dem nun angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) vom 8. September 2014 Spruchpunkt I. des Bescheides der belangten Behörde vom 10. Februar 2014 dahingehend abgeändert, dass der Antrag der Revisionswerberin vom 18. Oktober 2011, konkretisiert durch Eingabe vom 16. Juli 2013, auf Erlöschenserklärung des in Rede stehenden Teilwaldrechts abgewiesen wird, und Spruchpunkt II. ersatzlos behoben. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen das genannte Erkenntnis erklärte das LVwG für unzulässig.

15 In seinen Erwägungen hielt das LVwG im Wesentlichen fest, die Revisionswerberin habe auf Grund des ihr gemäß § 73 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 erteilten, rechtskräftigen Behandlungsauftrages das gesamte und als Abfall zu qualifizierende Murmaterial zu entfernen und die betroffene Fläche zu humusieren, zu begrünen und aufzuforsten. Auch die Anordnung der Ersatzvornahme und der erteilte Kostenvorauszahlungsauftrag seien in Rechtskraft erwachsen. Es liege bis dato keine (nachträgliche) abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung zur Ablagerung des Murmaterials vor. Im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips vermöge ein konsenslos geschaffener, nachträglich nicht genehmigter, sondern auf Grund eines Behandlungsauftrages zu beseitigender Zustand einen Eingriff in das Teilwaldrecht der mitbeteiligten Partei nicht zu rechtfertigen. Schließlich bilde auch erst die nachträgliche abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung ein Hindernis für die Vollstreckung des Behandlungsauftrages. Es bestehe grundsätzlich (d.h. auch schon vor Erlassung eines Behandlungsauftrages) ein Hindernis für die Vollstreckung des Behandlungsauftrages. Das öffentliche Interesse an der Beseitigung eines konsenslosen und damit rechtswidrigen Zustandes bleibe bis zu dessen Entfernung bestehen. Die Tatsache, dass die Ablagerung einen Schutz vor Hochwasser, Muren und Lawinen biete, könne daran, dass ein gegen die Rechtsordnung verstoßender Zustand eine Erlöschenserklärung eines Teilwaldrechts ausschließe, nichts ändern.

16 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 30. Juni 2015, E 1492/2014-9, die Behandlung der von der Revisionswerberin gegen das Erkenntnis des LVwG erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

17 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird die Aufhebung des Erkenntnisses des LVwG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.

18 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

19 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

20 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

21 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit ausgeführt, die Frage, welche inhaltlichen und formalen Mindesterfordernisse und welchen notwendigen Inhalt eine Beschwerde an ein Landesverwaltungsgericht jedenfalls aufweisen müsse, um den Erfordernissen des § 9 Abs. 1 Z 4 VwGVG iVm § 27 VwGVG zu entsprechen, sei in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bisher nicht beantwortet worden. Es könne dem Zweck des § 9 Abs. 1 Z 4 VwGVG nicht unterstellt werden, dass es für die gesetzeskonforme Erhebung einer Beschwerde an ein Landesverwaltungsgericht ausreichen solle, lediglich fristgerecht schriftlich kundzutun, dass man "berufe", dies ohne jegliche Formulierung eines Begehrens, ohne Behauptung einer Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung und ohne Ausführung von Rechtsmittelgründen.

22 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 22. Dezember 2016, Ra 2014/07/0060, mwN). Dessen ungeachtet lag die nachfolgend zitierte Judikatur zum Teil auch bereits im Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Revision vor.

23 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung zum Schutz rechtsunkundiger Parteien im Verwaltungsverfahren schadet die falsche Bezeichnung eines Schriftsatzes nicht und ist für die Beurteilung des Charakters einer Eingabe ihr wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend (vgl. etwa den hg. Beschluss vom

24 28. November 2014, Fr 2014/01/0051, mwN). Gegen die Beurteilung eines mit "Berufung" bezeichneten, an das LVwG gerichteten Schriftsatzes, mit dem der Bescheid der erstinstanzliche Bescheid vom 10. Februar 2014 bekämpft wurde, als Beschwerde bestehen keine Bedenken (vgl. zur Qualifizierung eines als "Berufung" bezeichneten Schriftsatzes als Beschwerde auch den hg. Beschluss vom 12. März 2015, Fr 2015/02/0001).

25 Mangelt es der Beschwerde an den in § 9 Abs. 1 VwGVG genannten Inhaltserfordernissen, sind diese Mängel gemäß der - gemäß § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwendenden - Bestimmung des § 13 Abs. 3 AVG grundsätzlich einer Verbesserung zuzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2015, Ro 2014/01/0036, mwN).

26 Nach der zu § 63 Abs. 3 AVG ergangenen ständigen Rechtsprechung ist auch das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages einer Verbesserung zugänglich (vgl. den hg. Beschluss vom 24. Mai 2016, Ra 2016/03/0037, mwN). An die Begründung eines Rechtsmittels sind keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Die Berufung muss, um den gesetzlichen Erfordernissen zu entsprechen, nur erkennen lassen, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. die Erkenntnisse vom 15. Jänner 2009, 2006/01/0248, und vom 19. März 2013, 2012/03/0173, jeweils mwN).

27 Zur Rechtslage nach Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit 1. Jänner 2014 hat der Verwaltungsgerichtshof bereits judiziert, dass die Anforderungen an eine an ein Verwaltungsgericht erhobene Beschwerde nicht höher sind als die Anforderungen an eine Berufung gemäß § 63 Abs. 3 AVG (vgl. die Erkenntnisse vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, und vom 9. September 2015, Ro 2015/03/0032, mwN; vgl. zum Ganzen auch nochmals den ein Verwaltungsstrafverfahren betreffenden hg. Beschluss vom 24. Mai 2016, Ra 2016/03/0037, mwN).

28 Im vorliegenden Fall war bereits der als Beschwerde gewerteten "Berufung" der mitbeteiligten Partei vom 7. März 2014 u. a. zu entnehmen, dass diese in einer im Gemeindeamt durchgeführten mündlichen Verhandlung Gelegenheit gehabt habe, "meine Bedenken gegen die geplante Löschung einer Teilfläche der Gst.Nr. 2331 im Ausmaß von 1630 m2 vorzubringen", und dass die vom Landesagrarsenat (im aufhebenden Bescheid vom 8. Mai 2013) im Hinblick auf das noch nicht abgeschlossene abfallwirtschafts- und naturschutzrechtliche Verfahren geäußerten Bedenken ohne Begründung ignoriert worden seien.

29 In dem nach einem Verbesserungsauftrag des LVwG eingebrachten ergänzenden Schriftsatz vom 6. April 2014 führte die mitbeteiligte Partei Gründe an, "welche gegen die Ablösung eines Teilwaldrechtes der Gst.Nr. 2331 im Ausmaß von 1630 m2 sprechen", wobei diesen Ausführungen eine Darstellung in zeitlicher Abfolge nachfolgte. Den weiteren Darlegungen ist u.a. zu entnehmen, dass sich die mitbeteiligte Partei gegen eine "Enteignung" durch die Gemeinde wandte und "die Umsetzung der Vollstreckung" sowie die Wiederaufforstung der betroffenen Teilfläche begehrte.

30 Angesichts dessen ist das LVwG im vorliegenden Fall nicht von der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wenn es vom Vorliegen einer den gesetzlichen Erfordernissen genügenden Beschwerde, mit der die erstinstanzliche Erlöschenserklärung des Teilwaldrechtes bekämpft wurde, ausging.

31 Ferner bringt die Revisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung vor:

"Ebenso ist die Frage, ob die Aussetzung eines Vollstreckungsverfahrens durch eine Behörde, um den Ausgang eines Bewilligungsverfahrens abzuwarten, einer Aussetzung gemäß § 38 AVG entspricht und ob eine solche Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens zulässig ist und eine antragsgemäße Bewilligung ermöglicht oder ob eine solche Aussetzung unwirksam ist und daher das Vollstreckungsverfahren ein Rechtshindernis für die Bewilligung darstellt, bisher in der Rechtsprechung des VwGH nicht beantwortet.

Auch dieser Rechtsfrage kommt erhebliche Bedeutung zu.

Ginge man nämlich davon aus, dass ein bis zum Abschluss eines Bewilligungsverfahrens ausgesetztes - und bei antragsgemäßer Genehmigung in weiterer Folge ohnedies obsoletes - Vollstreckungsverfahren ein rechtliches Hindernis für eine antragsgemäße Bewilligung darstelle, so würden der Sinn und Normzweck der Möglichkeit der Aussetzung eines Verfahrens gemäß § 38 AVG im Allgemeinen und dessen analoger Anwendungen im Besonderen, völlig ins Gegenteil verkehrt."

32 § 40 Abs. 5 TFLG 1996, LGBl. Nr. 74/1996 in der Fassung

LGBl. Nr. 70/2014, lautet:

"§ 40

Veräußerung und Belastung von Grundstücken, Ausübung und

Erlöschen von Teilwaldrechten

(...)

(5) Die Agrarbehörde hat, sofern eine Gefährdung des

Wirtschaftsbetriebes der Stammsitzliegenschaft nicht eintritt, auf

Antrag des Grundeigentümers oder von Amts wegen ein Teilwaldrecht

zur Gänze oder insoweit als erloschen zu erklären, als das mit dem

Teilwaldrecht belastete Grundstück für Maßnahmen im allgemeinen

öffentlichen Interesse, wie die Schaffung von Bauland, den Bau von

Straßen und Wegen, die Errichtung von infrastrukturellen Anlagen,

die für den Tourismus von besonderer Bedeutung sind, und

dergleichen, benötigt wird. Kommt über die Art und die Höhe der

Gegenleistung kein Übereinkommen zustande, so gebührt dem

Teilwaldberechtigten als Gegenleistung

a) der Holzvorrat auf der Teilwaldfläche,

b) eine Entschädigung für eine allfällige vorzeitige

Nutzung der hiebsunreifen Holzbestände und für allfällige

wirtschaftliche Erschwernisse sowie

c) die Hälfte des Bodenverkehrswertes; der

Bodenverkehrswert ist dabei nicht nach der Widmung aufgrund der Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011, LGBl. Nr. 56, zu bemessen, sondern nach dem Verkehrswert eines in derselben Gemeinde gelegenen Waldgrundstückes gleicher Bonität."

33 Zunächst ist festzuhalten, dass mit der zitierten Zulässigkeitsbegründung die vom LVwG vertretene Rechtsmeinung, wonach der rechtskräftige Behandlungsauftrag nach § 73 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 grundsätzlich ein Hindernis für die von der Revisionswerberin beantragte Erlöschenserklärung des Teilwaldrechts gemäß § 40 Abs. 5 TFLG 1996 darstellen kann, nicht in Zweifel gezogen wird.

34 Die Zulässigkeitsbegründung verweist jedoch auf eine "Aussetzung" des Vollstreckungsverfahrens, um den Ausgang des "Bewilligungsverfahrens" abzuwarten. Mit dem zuletzt genannten Verfahren hat die Revisionswerberin offenkundig das anhängige abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigungsverfahren nach § 37 AWG 2002 für die bereits vorhandene Ablagerung des Murmaterials vor Augen, spricht sie doch in der Sachverhaltsdarstellung der Revision selbst von der Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung betreffend das eingereichte Projekt "Bodenaushubdeponie R Bach mit Zwischenlager". Weder das Genehmigungsverfahren nach § 37 AWG 2002 noch das Vollstreckungsverfahren betreffend den Behandlungsauftrag nach § 73 AWG 2002 ist jedoch Gegenstand des angefochtenen Erkenntnisses. Die in der Zulässigkeitsbegründung formulierte Rechtsfrage trifft somit nicht konkret die mit dem angefochtenen Erkenntnis entschiedene Sache.

35 Sollte es der Revisionswerberin - wenngleich dies in der Zulässigkeitsbegründung nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht wird - jedoch um die Rechtsfrage gehen, ob eine "Aussetzung" des Vollstreckungsverfahrens im Zusammenhang mit dem nach § 73 AWG 2002 erlassenen Behandlungsauftrag zur Folge hat, dass die gegenständliche Abweisung des Antrages auf Erlöschenserklärung des Teilwaldrechtes nicht mit den Rechtswirkungen des rechtskräftigen Behandlungsauftrages begründet werden kann, zeigte auch dieses Vorbringen aus nachstehenden Gründen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

36 Der (nachträgliche) Antrag auf Erteilung einer Bewilligung für das Projekt "Bodenaushubdeponie R Bach mit Zwischenlager" nach § 37 AWG 2002 hatte nicht die Hemmung der Vollstreckung des nach § 73 AWG 2002 erteilten Behandlungsauftrages zur Folge. Die zur Hemmung der Vollstreckung eines baubehördlichen Beseitigungsauftrages während der Anhängigkeit eines Verfahrens über einen Antrag auf Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung (bzw. eines Bauanzeigeverfahrens bei anzeigepflichtigen Bauvorhaben) ergangene hg. Judikatur ist im gegenständlichen Fall nicht einschlägig (vgl. zu einem Vollstreckungsverfahren in einer Angelegenheit des AWG 2002 das Erkenntnis vom 29. September 2016, Ra 2014/07/0092, 0093; vgl. in diesem Zusammenhang auch die in Naturschutzangelegenheiten ergangenen Erkenntnisse vom 27. März 2000, 99/10/0261, und vom 11. Dezember 2009, 2009/10/0214, jeweils mwN).

37 Eine nachträgliche abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung für die Ablagerung des Murmaterials lag im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses unbestritten nicht vor. Das Vorliegen einer solchen Genehmigung war auch nicht als Folge einer allfälligen "Aussetzung" des Vollstreckungsverfahrens - gleichsam "vorweg" - anzunehmen. Vielmehr wurde - was auch in der Revision bestätigt wird - das nach § 37 AWG 2002 geführte Genehmigungsverfahren sogar ausgesetzt, um die Entscheidung über den Antrag auf Erlöschenserklärung des gegenständlichen Teilwaldrechtes abzuwarten.

38 Bei der vorgebrachten "Aussetzung" des Vollstreckungsverfahrens handelt es sich nach den Ausführungen in der Revision (lediglich) um eine "Vereinbarung" mit den Behörden Tiroler Landesregierung und BH, die Vollstreckungsverfügung bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung betreffend das eingereichte Projekt ("Bodenaushubdeponie R Bach mit Zwischenlager") "nicht zu exekutieren", bzw. um ein diesbezügliches "Zuwarten" durch die Behörden. Unbestritten blieb jedoch, dass im Vollstreckungsverfahren betreffend den Behandlungsauftrag nach § 73 AWG 2002 die Anordnung der Ersatzvornahme und der Kostenvorauszahlungsauftrag bereits in Rechtskraft erwachsen sind.

39 Es liegt daher auch kein Anhaltspunkt dafür vor, dass gegebenenfalls nach der Erlassung des Titelbescheides (Behandlungsauftrag nach § 73 AWG 2002) eine wesentliche Änderung des Sachverhalts eingetreten wäre, die nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das noch zur Rechtslage vor dem 1. Jänner 2014 ergangene hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2005, 2005/07/0085, mwN) geeignet wäre, die Vollstreckung unzulässig zu machen und allenfalls Rechtsfolgen für das gegenständliche Erlöschensverfahren nach dem TFLG 1996 nach sich zu ziehen.

40 Nach dem Gesagten fehlt es weder an einschlägiger Judikatur noch ist das LVwG von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wenn es den rechtskräftigen Behandlungsauftrag nach § 73 AWG 2002 in die Beurteilung des Antrages auf Erlöschenserklärung des Teilwaldrechtes einbezog.

41 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. März 2017

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