VwGH Ro 2014/01/0036

VwGHRo 2014/01/003617.2.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag.a Ortner, über die Revision des A H in W, vertreten durch Mag. Anton Becker, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Sechskrügelgasse 12, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. Mai 2014, Zl. W208 2007345-1/3E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Asylsache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §9 Abs1 idF 2013/I/0033;
VwGVG 2014 §9 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RO2014010036.J00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 7. April 2014 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 7. April 2015.

Der Bescheid wurde dem Revisionswerber am 9. April 2014 (durch Hinterlegung) zugestellt.

Dagegen erhob der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 17. April 2014 Beschwerde mit folgendem Wortlaut:

"Ich bringe hiemit Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid ein. Mein Rechtsberater Dr. W(...) W(...) wird schnellstmöglich eine ausführliche Beschwerde einbringen."

Der Schriftsatz wurde auf einem Briefpapier der "Caritas der Diözese E." eingebracht, die der Revisionswerber laut Eingabe vom 3. Oktober 2013 bevollmächtigt hatte, ihn im Asylverfahren und in rechtlichen Belangen zu vertreten. Unterfertigt wurde der Beschwerdeschriftsatz durch den Revisionswerber selbst.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 22. Mai 2014 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 9 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unzulässig zurück (Spruchpunkt A).

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerde fehlten die Beschwerdegründe und ein Begehren, sodass für das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennbar sei, aus welchen konkreten Erwägungen der Revisionswerber die Entscheidung bekämpfe. Die Beschwerde erfülle die in § 9 VwGVG genannten Voraussetzungen nicht. Der Revisionswerber sei rechtlich vertreten, weshalb keinesfalls von Rechtsunkenntnis oder einem Versehen ausgegangen werden könne. Aus dem Wortlaut der Beschwerde gehe eindeutig hervor, dass sich der Revisionswerber bewusst gewesen sei, dass die Beschwerde die notwendigen Voraussetzungen nicht erfülle. Dass bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist kein begründeter Antrag nachgereicht worden sei, sei ein eindeutiger Hinweis darauf, dass mit dem am 17. April 2014 eingebrachten Schriftsatz der Versuch unternommen worden sei, eine Verlängerung der gesetzlichen Rechtsmittelfrist zu erlangen.

Mängel eines Schriftsatzes seien zwar nach Maßgabe des § 13 Abs. 3 iVm § 17 VwGVG der Verbesserung zugänglich, würde eine Beschwerde aber bewusst mangelhaft gestaltet (etwa "leere" Beschwerden eingebracht), um auf dem Umweg eines Verbesserungsverfahrens eine Verlängerung der Beschwerdefrist zu erreichen, sei die Beschwerde sofort zurückzuweisen (Hinweis auf Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 9 VwGVG, Anm. 6, sowie die hg. Erkenntnisse vom 25. Februar 2005, Zl. 2004/05/0115, und vom 10. Juni 2008, Zl. 2007/02/0340).

Mit Spruchpunkt B erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision für zulässig. Begründend wird zusammengefasst ausgeführt, die Entscheidung weiche zwar nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 13 Abs. 3 AVG ab, doch fehle es an einer Rechtsprechung zum notwendigen Inhalt einer Beschwerde gemäß § 9 iVm § 27 VwGVG bzw. zu den diesbezüglichen Grenzen des Mängelbehebungsverfahrens. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes sei es notwendig, einen zumindest rudimentär begründeten Antrag bereits innerhalb der Beschwerdefrist zu erstatten, um eine Beschwerde überhaupt in Behandlung zu nehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013 (VwGVG), lauten auszugsweise:

"Inhalt der Beschwerde

§ 9. (1) Die Beschwerde hat zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

  1. 2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
  2. 3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
  3. 4. das Begehren und
  4. 5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

    ...

    Anzuwendendes Recht

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, ... sinngemäß anzuwenden

...

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

..."

1.2. § 13 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51 (WV) idF BGBl. I Nr. 161/2013 (AVG), lautet:

"Anbringen

§ 13. ...

(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

..."

2. In der Revision wird im Wesentlichen vorgebracht, es lägen keine Hinweise darauf vor, dass der Revisionswerber bewusst einen Mangel herbeigeführt hätte, um etwa die Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erwirken. Im angefochtenen Beschluss sei nicht nachvollziehbar dargestellt, welche konkret rechtsmissbräuchliche Absicht des Revisionswerbers bestehen sollte.

Dieses Vorbringen führt die Revision zum Erfolg.

3.1. Mangelt es der Beschwerde an den in § 9 Abs. 1 VwGVG genannten Inhaltserfordernissen (hier: Beschwerdegründe und Beschwerdebegehren), sind diese Mängel gemäß der - gemäß § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwendenden - Bestimmung des § 13 Abs. 3 AVG grundsätzlich einer Verbesserung zuzuführen (vgl. insoweit zu § 13 Abs. 3 AVG etwa die hg. Erkenntnisse vom 3. November 2004, Zl. 2004/18/0200, mwN, und vom 6. Juli 2011, Zl. 2011/08/0062, jeweils zum Erfordernis eines begründeten Rechtsmittelantrags).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dient § 13 Abs. 3 AVG allerdings dem Schutz der Parteien vor Rechtsnachteilen, die ihnen aus Anbringen entstehen können, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder infolge eines Versehens mangelhaft sind. Hat hingegen die Partei den Mangel erkennbar bewusst herbeigeführt, um zum Beispiel auf dem Umweg eines Verbesserungsverfahrens eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erlangen, ist für die Erteilung eines Verbesserungsauftrages kein Raum und das bewusst und rechtsmissbräuchlich mangelhaft gestaltete Anbringen sofort zurückzuweisen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 25. Februar 2005, Zl. 2004/05/0115, vom 25. April 2008, Zl. 2008/02/0012, sowie vom 6. Juli 2011, Zl. 2011/08/0062; vgl. auch die hg. Beschlüsse vom 22. Februar 2012, Zl. 2012/11/0019, sowie vom 18. Dezember 2012, Zl. 2012/11/0228).

Dies gilt auch für die bewusste und rechtsmissbräuchliche Einbringung "leerer" Beschwerden nach dem VwGVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 9 VwGVG, Anm. 6).

Um im Sinne der Rechtsprechung ein derartiges Anbringen sofort zurückweisen zu können, ist die rechtsmissbräuchliche Absicht in der Zurückweisungsentscheidung nachvollziehbar darzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Juni 2008, Zl. 2007/02/0340).

3.2. Im vorliegenden Fall hat der Revisionswerber den Beschwerdeschriftsatz eigenhändig unterfertigt und selbst eingebracht. Ungeachtet der erwähnten, der Caritas erteilten Vertretungsvollmacht war er daher bei der Einbringung des Beschwerdeschriftsatzes unvertreten.

Davon ausgehend wird das Vorliegen eines Rechtsmissbrauches im Fall des Revisionswerbers vom Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss nicht nachvollziehbar dargestellt, weil allein der Hinweis des - bei Erhebung der Beschwerde - unvertretenen Revisionswerbers in seinem Beschwerdeschriftsatz, eine "ausführliche Beschwerde" nachzureichen, keinen Rechtsmissbrauch darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 2007, Zl. 2006/05/0160, wonach allein der Hinweis des unvertretenen Berufungswerbers in seinem Berufungsschriftsatz, eine Begründung nachzureichen, keinen Rechtsmissbrauch darstellt).

Aus dem Gang des Verwaltungsverfahrens ist kein (sonstiger) Anhaltspunkt für eine rechtsmissbräuchliche Absicht des Revisionswerbers zwecks "Verlängerung der Beschwerdefrist" zu erkennen (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 10. Juni 2008, Zl. 2007/02/0340).

4. Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 17. Februar 2015

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