Normen
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZPO §84;
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZPO §84;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus dem Verwaltungsakt ist folgender Verfahrensgang ersichtlich:
Das Landespolizeikommando für Tirol zeigte den Beschwerdeführer am 8. Juli 2007 wegen mehrerer Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967 an. Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein (in der Folge: BH) forderte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 11. Juli 2007, zur Post gegeben am 7. August 2007, zugestellt am 10. August 2007, zur Rechtfertigung auf. Der Beschwerdeführer nahm mit Schreiben vom 19. August 2007, eingelangt bei der BH am 24. August 2007, Stellung. Ohne darauf einzugehen, erließ die BH das Straferkenntnis vom 21. August 2007, welches am 27. August 2007 zur Post gegeben und dem Beschwerdeführer am 1. September 2007 zugestellt wurde.
Das Schreiben des Beschwerdeführers vom 19. August 2007 ist zu einem Zeitpunkt bei der BH eingelangt (24. August 2007), zu dem das Straferkenntnis noch nicht zur Post gegeben war. Die BH ersuchte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 3. September 2007 um Bekanntgabe, ob sein Schreiben vom 19. August 2007 als Berufung zu werten sei.
Mit Schriftsatz vom 10. September 2007, per Telefax an diesem Tag bei der BH eingelangt, zeigte der Beschwerdeführer die Vertretung durch zwei deutsche Rechtsanwälte an, erhob Berufung und legte die am 3. September 2007 erteilte Vollmacht bei.
Anstelle einer Begründung der Berufung wurde lediglich ausgeführt:
"Anträge und Begründung bleiben einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten." Ein weiterer Schriftsatz langte nicht ein.
Die belangte Behörde wies die Berufung als unzulässig zurück.
Die wesentliche Begründung lautet:
"Auf das Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages wurde in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich hingewiesen ('... Die Berufung hat den Bescheid, gegen den sie sich richtet, zu bezeichnen und - ausgenommen bei mündlicher Berufung - einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.').
Ein begründeter Berufungsantrag liegt dann vor, wenn die Eingabe erkennen lässt, welchen Erfolg der Einschreiter anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt, selbst wenn die Begründung nicht als stichhältig anzusehen ist (VwGH 11.07.1996, 94/18/0902). In der gegenständlichen Berufung fehlt ein begründeter Berufungsantrag, zumal sich der Berufungswerber eine Begründung mit einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten hat.
Von einem Mängelbehebungsauftrag im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG hat die Berufungsbehörde aus folgenden Erwägungen Abstand genommen:
Im gegenständlichen Fall wurde das Rechtsmittel gegen den hier in Rede stehenden Bescheid von einem Rechtsanwalt, somit von einer rechtskundigen Person, verfasst, sodass davon auszugehen ist, dass dieser die Bestimmung des § 63 Abs. 3 AVG bekannt sein müsste bzw. sie sich kundig gemacht hat. Abgesehen davon wird in der Rechtsmittelbelehrung des bekämpften Straferkenntnisses ausdrücklich darauf hingewiesen. Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats in Tirol wollte der Rechtsvertreter des Berufungswerbers mit der ohne Begründung versehenen Berufung einen Verbesserungsauftrag der Behörde provozieren, der ihm die Berufungsfrist entsprechend verlängert hätte. Der Umstand, dass der Rechtsvertreter davon wusste, dass eine Berufung begründet sein und diese Begründung innerhalb der Rechtsmittelfrist eingebracht werden muss, ergibt sich aus dem Wortlaut der Berufung, wonach die Begründung mit einem gesonderten Schriftsatz erfolgt. Von einer Unkenntnis betreffend die Mindesterfordernisse einer Berufung kann deshalb nicht ausgegangen werden. Es ist nämlich nicht Sinn und Zweck der Bestimmung des § 13 Abs. 3 AVG, Berufungsfristen zu verlängern. Vielmehr, und dies ergibt sich z. B. aus dem Ausschussbericht zur Verwaltungsverfahrensgesetznovelle 1998, BGBl. I 1998/158, soll 'dadurch insbesondere für die nicht durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertretenen rechtsunkundigen Parteien der Zugang zum Recht verbessert werden.' Auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 25.02.2005, 2004/05/0115) 'dient § 13 Abs. 3 AVG dem Schutz der Parteien vor Rechtsnachteilen, die ihnen aus Anbringen entstehen können, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder infolge eines Versehens mangelhaft sind. Hat hingegen die Partei den Mangel erkennbar bewusst herbei geführt, um z.B. auf dem Umweg eines Verbesserungsverfahrens eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erlangen, ist für die Erteilung eines Verbesserungsauftrages kein Raum und das bewusst und rechtsmissbräuchlich mangelhaft gestaltete Anbringen ist sofort zurückzuweisen.'
Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol liegt im gegenständlichen Fall ein bewusst mangelhaft gestaltetes Anbringen vor, welches einem Verbesserungsverfahren im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG nicht zugänglich ist. Innerhalb der zweiwöchigen Berufungsfrist (diese begann mit 01.09.2007 = Tag der Zustellung des Straferkenntnisses) wurde kein weiterer, ergänzender Schriftsatz eingebracht und war daher spruchgemäß zu entscheiden."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat sich auf das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2005, Zl. 2004/05/0115, gestützt. Wesentlich ist dessen Aussage, dass eine "bewusst und rechtsmissbräuchlich" mangelhaft gestaltete Berufung ohne Erteilung eines Auftrages gemäß § 13 Abs. 3 AVG sofort zurückzuweisen ist.
Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Ansicht vertreten, ein deutscher Rechtsanwalt habe sich über die österreichische Rechtslage kundig zu machen. Weiters wurde auf die im Straferkenntnis erteilte Rechtsmittelbelehrung über das Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages hingewiesen. Die Berufung enthält unbestritten einen solchen begründeten Berufungsantrag nicht.
Um aber im Sinne der Rechtsprechung ein derartiges Anbringen sofort zurückweisen zu können, ist auch die rechtsmissbräuchliche Absicht ("um ... auf dem Umweg eines Verbesserungsverfahrens eine Verlängerung der Rechtmittelfrist zu erlangen") im angefochtenen Bescheid nachvollziehbar darzustellen. Derartige nachvollziehbare Feststellungen sind dem angefochtenen Bescheid aber nicht zu entnehmen.
Aus dem Gang des Verwaltungsverfahrens ist kein Anhaltspunkt für eine rechtsmissbräuchliche Absicht des Beschwerdeführers zwecks "Verlängerung der Rechtsmittelfrist" zu sehen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 10. Juni 2008
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