VwGH Ra 2016/09/0097

VwGHRa 2016/09/00978.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 5, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 10. Februar 2016, Zl. VGW-171/056/10280/2014-70, betreffend Disziplinarstrafe nach der Wiener Dienstordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §46;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
AVG §46;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Bundeshauptstadt Wien; er war im inkriminierten Tatzeitraum Oberaufseher und Leiter der Hausaufsicht in einem Krankenhaus in Wien und ist derzeit karenziert.

2 Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Verwaltungsgericht Wien den Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - in teilweiser Stattgebung seiner gegen den Schuld- und Strafausspruch im Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission der Stadt Wien vom 27. November 2013 (in der Folge: DK) gerichteten, als Beschwerde gewerteten Berufung - schuldig erkannt, er habe es als Oberaufseher und Leiter der Hausaufsicht des Krankenhauses X in näher umschriebenen Zeiträumen zwischen Juni 2009 und August 2010 unterlassen, gegenüber den Mitarbeiter/innen ein höfliches und hilfsbereites Verhalten an den Tag zu legen, im Dienst und außer Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte, indem er mehrere konkret bezeichnete Handlungen oder verbale Äußerungen Mitarbeiter/innen gegenüber (diese damit meist sexuell belästigend und auf Grund ihres Geschlechtes diskriminierend) sowie konkret angeführte abfällige Äußerungen über Frauen jedenfalls in Gegenwart seines Mitarbeiters S getätigt habe; weiters habe er seinen Mitarbeiter S nach dessen Fehler bei einer Kostenstelle angeschrien und beschimpft sowie sich in Anwesenheit des Anstaltsgehilfen M - wie in beiden Fällen näher bezeichnet (Anm.: derb) - geäußert; darüber hinaus habe er mehrfach vor Mitarbeitern/innen der Hausaufsicht über nicht anwesende Mitarbeiter/innen des Krankenhauses geschimpft und näher angeführte abfällige Äußerungen getätigt.

3 Der Revisionswerber habe dadurch seine Dienstpflichten gemäß § 18 Abs. 2 Wiener Dienstordnung 1994 (DO 1994), hinsichtlich einzelner Tathandlungen auch des § 7 iVm § 8 des Wiener Gleichbehandlungsgesetzes (W-GBG) sowie des § 36 Abs. 3 der Geschäftsordnung für den Magistrat der Stadt Wien (GOM) schuldhaft verletzt.

4 Hinsichtlich drei weiterer Tatvorwürfe wurde das Disziplinarverfahren nach § 97 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall iVm § 79 Abs. 3 DO 1994 eingestellt bzw. der Revisionswerber gemäß § 97 Abs. 1 Z 2 DO 1994 vom inkriminierten Vorwurf freigesprochen.

5 Wegen der (verbleibenden) Dienstpflichtverletzungen verhängte das Verwaltungsgericht - in Herabsetzung des Strafausmaßes der DK - über den Revisionswerber gemäß § 76 Abs. 1 Z 3 DO 1994 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe des dreifachen Monatsbezuges entsprechend seiner besoldungsrechtlichen Stellung im Zeitpunkt der Verkündung der Entscheidung der DK unter Ausschluss der Kinderzulage, wobei in Anwendung von § 78 Abs. 1 DO 1994 ein Monatsbezug unter Bestimmung einer Bewährungsfrist von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

6 Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für nicht zulässig erklärt.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich - jedenfalls im Umfang der darin enthaltenen Schuldsprüche sowie des Ausspruches über die Strafe - die vorliegende Revision.

8 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, so hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich aus dieser gesonderten Darstellung ergeben (vgl. die hg. Beschlüsse vom 20. Juni 2016, Ra 2016/09/0071, und vom 25. Jänner 2016, Ra 2015/09/0144).

11 Der Revisionswerber stützt sich in seinem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zusammengefasst darauf, dass auch einer Frage des Verfahrensrechts grundsätzliche Bedeutung zukommen könne, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfalte. Eine verfahrensrechtliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG liege bei einem schwerwiegenden Verstoß gegen tragende Verfahrensgrundsätze vor.

12 Im Revisionsfall seien "tragende Verfahrensgrundsätze durch eine Vielzahl von schwerwiegenden Verstößen in einem erheblichen Ausmaß verletzt" worden. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes sei mit den wesentlichen Verfahrensmängeln der Aktenwidrigkeit, unrichtigen Beweiswürdigung und der Verweigerung der Akteneinsicht und des Parteiengehörs behaftet. Dadurch habe das Verwaltungsgericht einen unvollständigen und unrichtigen Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Hätte das Verwaltungsgericht den tatsächlichen Sachverhalt vollständig und richtig festgestellt, wäre es zum Ergebnis gekommen, dass keine Dienstpflichtverletzung im Sinne der DO 1994 vorliege.

13 Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz grundsätzlich nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung berufen. Diese ist nur dahingehend der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes unterworfen, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen bzw. ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt wurden. Die Richtigkeit der Beweiswürdigung ist vom Verwaltungsgerichtshof daher nicht zu überprüfen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. die hg. Beschlüsse vom 2. August 2016, Ra 2016/20/0054 und vom 4. Juli 2016, Ra 2016/04/0056).

14 Im Fall widersprechender prozessrelevanter Behauptungen gehört es zu den grundlegenden Pflichten des Verwaltungsgerichtes, dem auch im § 24 VwGVG verankerten Unmittelbarkeitsprinzip Rechnung zu tragen und sich als Gericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien zu verschaffen und insbesondere darauf seine Beweiswürdigung zu gründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 2016, Ra 2016/08/0075).

15 In Entsprechung dieses Erkenntnisses hat das Verwaltungsgericht im Revisionsfall eine (über mehrere Tage dauernde) mündliche Verhandlung durchgeführt und sämtliche Zeugen, auf die es sich in seiner Beweiswürdigung stützt, selbst einvernommen und sich so einen persönlichen Eindruck verschafft (insgesamt wurden über zehn Zeugen einvernommen). Diese umfangreichen Erhebungen mündeten in einer ausführlichen Beweiswürdigung zu den Ermittlungsergebnissen durch das Verwaltungsgericht. Soweit nun der Revisionswerber die Glaubwürdigkeit einzelner Zeugen anzweifelt und die Beweiswürdigung kritisiert, ist ihm entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht seine Beweiswürdigung nicht in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unschlüssigen Weise vorgenommen hat. Die Richtigkeit der Beweiswürdigung hat der Verwaltungsgerichtshof, wie bereits erwähnt, nicht zu überprüfen.

16 Dass das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Glaubwürdigkeit einzelner Zeugen eine andere Meinung vertrat als die Disziplinarkommission vermag daran nichts zu ändern, da es sich - wie bereits erwähnt - einen persönlichen Eindruck verschafft hat (vgl. aber für den Fall, dass eine Behörde hinsichtlich der von der Unterinstanz unmittelbar aufgenommenen Beweise ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine andere Beweiswürdigung vornimmt das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2005, 2002/09/0019). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung konnte der Revisionswerber sohin diesbezüglich nicht aufzeigen.

17 Auch eine Aktenwidrigkeit konnte der Revisionswerber in seinen Ausführungen zur Zulässigkeit nicht darlegen bzw. deren Relevanz nicht dartun. Eine Aktenwidrigkeit ist lediglich dann anzunehmen, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen werden, die auf Grund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. den hg. Beschluss vom 19. November 2015, Ra 2015/20/0174, sowie das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2009, 2009/09/0129). Es ist in Entsprechung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Revisionsverfahren für die Geltendmachung einer Aktenwidrigkeit als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darzulegen, warum das rechtliche Schicksal der Revision von dieser Frage abhängen sollte (vgl. den hg. Beschluss vom 24. Juni 2014, Ra 2014/05/0004).

18 Der Revisionswerber bringt weiters vor, dass seine Beweisanträge, insbesondere die Untersuchung des Computers, aber auch weitere Zeugeneinvernahmen, unzulässigerweise zurückgewiesen wurden.

19 Das Verwaltungsgericht hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2014, Ro 2014/09/0056).

20 Beweisanträgen ist sohin grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Aufnahme des darin begehrten Beweises im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen. Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt aber der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. den hg. Beschluss vom 8. Jänner 2015, Ra 2014/08/0064).

21 Dem Revisionswerber gelingt es mit seinem Vorbringen nicht, eine derart krasse Fehlbeurteilung aufzuzeigen: Das Verwaltungsgericht führte in seiner Entscheidung dazu aus, dass der Sachverhalt angesichts anderer Beweisergebnisse als erwiesen feststehe und begründete die Unterlassung einer sachverständigen Untersuchung des PC (zur Beantwortung der Frage ob darauf ein Pornofilm abgespielt wurde) damit, dass das Beweismittel angesichts des angelasteten Tatzeitraumes (einmal zwischen November 2009 und Jänner 2010) und der Frage, innerhalb welcher Zeiträume hier der PC offline gewesen ist, zur Ermittlung des relevanten Sachverhalts nicht geeignet gewesen sei. Inwieweit die weiteren beantragten Zeugeneinvernahmen geeignet gewesen wären, darzutun, dass der Revisionswerber keinen Pornofilm in der Dienstzeit angesehen habe, wird vom Revisionswerber dazu nicht ausgeführt.

22 Soweit der Revisionswerber unsubstanziiert vorbringt, ihm sei die Akteneinsicht verweigert und somit das Parteiengehör verletzt worden, ist ihm zu entgegnen, dass aus dem Akteninhalt hervorgeht, dass der Revisionswerber mehrfach Akteneinsicht genommen hat. Eine Relevanz wird mit einem solchen Vorbringen nicht aufgezeigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. August 2016, Ra 2016/07/0040). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Gründe für die Zulässigkeit der Revision gesondert anzuführen sind und ein Verweis auf sonstige Revisionsausführungen nicht genügt (vgl. den hg. Beschluss vom 4. Juli 2016, Ra 2016/04/0047).

23 Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision zurückzuweisen.

Wien, am 8. November 2016

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