Normen
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
KanalG Stmk 1988 §4 Abs1;
KanalG Stmk 1988 §4 Abs5;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §17;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
KanalG Stmk 1988 §4 Abs1;
KanalG Stmk 1988 §4 Abs5;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §17;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Zum Sachverhalt und zur Vorgeschichte dieser Revisionssache wird auf das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2015, Ra 2015/07/0125, verwiesen.
Mit diesem Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (im Folgenden: LVwG) vom 14. Juli 2015 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts auf. Mit dem genannten Erkenntnis hatte das LVwG die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den - einen Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung einer Pflanzenkläranlage "unter Berücksichtigung öffentlicher Interessen" abweisenden - Bescheid der belangten Behörde vom 29. April 2015 als unbegründet abgewiesen.
Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, das LVwG sei mit seinem Argument, mit welchem es die Versagung der wasserrechtlichen Bewilligung begründe - die wasserrechtliche Genehmigung einer Einzelkläranlage für eine Liegenschaft, die grundsätzlich im Anschlussverpflichtungsbereich einer wasserrechtlich bereits genehmigten und in Kürze hergestellten öffentlichen Kanalanlage liege, widerspreche zumindest den öffentlichen Interessen der örtlichen Gemeinde an einer gesetzlich geforderten Abwasserentsorgung - von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
Die Wasserrechtsbehörde könne die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung dann verweigern, wenn selbst bei gedachter Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung eine Ausnahme von der Anschlusspflicht (wegen Nichterfüllung einer oder mehrerer weiterer notwendiger Voraussetzungen für die Ausnahme) nicht in Frage käme. In einem solchen Fall bestehe kein Bedarf mehr an einer Bewilligung für eine Einzelkläranlage und die Entsorgung der Abwässer auf andere Weise als über den öffentlichen Kanal widerspreche öffentlichen Interessen.
Allgemein formuliert folge daraus, dass dann, wenn bereits im Verfahren zur Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung gesichert davon ausgegangen werden könne, dass für das verfahrensgegenständliche Projekt keine Ausnahme vom Anschlusszwang erteilt werden könne und der Grund für diese Verweigerung nicht im Fehlen einer wasserrechtlichen Bewilligung liege, die wasserrechtliche Bewilligung ohne Rechtsirrtum mit der obigen Begründung versagt werden könnte.
Weil die Frage der Ausnahme vom Anschlusszwang als Hauptfrage nicht von der Wasserrechtsbehörde (sondern von der Gemeinde) zu beurteilen sei, stelle diese Frage eine im wasserrechtlichen Verfahren zu prüfende Vorfrage dar. Wenn diese Frage nicht bereits durch eine bindende Entscheidung der Gemeindebehörde entschieden sei, habe die Wasserrechtsbehörde bzw. das Verwaltungsgericht auch diesbezüglich entsprechende Feststellungen zu treffen und rechtliche Überlegungen anzustellen.
Das angefochtene Erkenntnis erweise sich daher im Zusammenhang mit der Prüfung der Frage, ob im vorliegenden Fall die Möglichkeit einer Ausnahme von der Anschlusspflicht - aus anderen Gründen als dem Fehlen einer wasserrechtlichen Bewilligung - gesichert auszuschließen sei, als unzureichend begründet.
2 Die betroffene Marktgemeinde S (in weiterer Folge: Marktgemeinde) nahm auf Aufforderung des LVwG im zweiten Verfahrensgang mit Schreiben vom 12. Februar 2016 zum gegenständlichen Verfahren Stellung. Diesem Schreiben sind ua konkrete Zahlen und Berechnungen im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Kanalanschluss zu entnehmen. Der Stellungnahme der Gemeinde ist auch eine planliche Darstellung des Einzugsgebietes der Ortskanalisation beigelegt.
Bereits im ersten Verfahrensgang hatte die Marktgemeinde mit Schreiben vom 3. Juli 2015 eine Stellungnahme abgegeben.
3 Auch das wasserwirtschaftliche Planungsorgan gab mit Schreiben vom 26. Februar 2016 eine weitere Stellungnahme ab.
4 Der Revisionswerber äußerte sich mit Schreiben vom 2. März 2016 zu der vom LVwG übermittelten Stellungnahme der Marktgemeinde vom 3. Juli 2015 sowie zur Stellungnahme des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans vom 26. Februar 2016.
5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 3. März 2016 wies das LVwG unter Spruchpunkt I. die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der BH vom 29. April 2015 gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab und erklärte unter Spruchpunkt II. die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig.
Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, es habe in Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens neuerliche Stellungnahmen der Marktgemeinde und des wasserwirtschaftlichen Planungsorganes eingeholt.
Die Marktgemeinde verweise in ihrer Stellungnahme zunächst auf ihre Verpflichtungen zur Herstellung einer öffentlichen Kanalisationsanlage, die wegen der Siedlungsstruktur und der herrschenden Topographie aufwändig herzustellen sei. Zudem sei die Marktgemeinde aus dem Titel des Stmk KanalG verpflichtet, die volkswirtschaftlich günstigste Lösung zu realisieren. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung sei aus mehreren Gründen nicht möglich; so bedeute jeder Entfall eines Anschlusses einen Einnahmeausfall von rund EUR 20.000,-- für den Gemeindehaushalt und es sähen sich wegen der negativen Vorbildwirkung Nachahmer ermutigt, ebenso aus der Anschlusspflicht auszuscheren. Unter solchen Bedingungen wäre die Errichtung einer öffentlichen Kanalanlage völlig unwirtschaftlich und daher im Sinne der öffentlichen Interessen nicht vertretbar.
Diese Argumentation werde mit weiteren planlichen Darstellungen des Einzugsgebietes der Ortskanalisation und einer rechnerischen Untermauerung der Stellungnahme, aus der die finanziellen Folgen des Einnahmeentfalls abgeleitet werden könnten, belegt.
Die Stellungnahme des wasserwirtschaftlichen Planungsorganes unterstreiche die Argumentation der Gemeinde und halte fest, dass das vorgelegte Projekt die im Wasserrechtsgesetz festgelegten öffentlichen Interessen verletze, da es weder ökologisch noch ökonomisch das bestgeeignete Vorhaben zur schadlosen Beseitigung der auf der Liegenschaft des Revisionswerbers anfallenden häuslichen Abwässer darstelle, weshalb eine Ausnahme vom Anschlusszwang aus wasserwirtschaftlicher Sicht abgelehnt werde.
Die beiden Stellungnahmen seien dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers zum Parteiengehör übermittelt worden. In seiner Beantwortung verweise dieser auf fehlende Nachweise in der Berechnung der Marktgemeinde und der Stellungnahme des wasserwirtschaftlichen Planungsorganes, weshalb nicht ersichtlich sei, weshalb eine Ausnahme von der Anschlusspflicht nicht erteilt werden könne.
Das LVwG komme zum Ergebnis, dass es dem Revisionswerber in seinen Ausführungen nicht gelinge darzulegen, weshalb eine Ausnahmegenehmigung von der Anschlusspflicht zu erteilen wäre, da keine der in § 4 Stmk KanalG angegebenen Gründe zuträfen. Weder handle es sich bei der Liegenschaft des Revisionswerbers um einen Rutschhang, noch seien wegen der Höhenlage besondere technische Schwierigkeiten für den Kanalanschluss zu erwarten. Der Abstand der anzuschließenden Bauwerke zum öffentlichen Kanal entlang der Gemeindestraße betrage lediglich 50 Meter. Es handle sich auch nicht um lediglich vorübergehend benutzte Gebäude oder Nebengebäude, sondern um ein ständig bewohntes Anwesen mit mehr als nur geringfügigem Abwasseraufkommen, das geordnet zu entsorgen sei. Der Marktgemeinde gelinge es auch, in einer nachvollziehbaren Berechnung der Folgekosten einer Ausnahmegenehmigung für den Revisionswerber nachzuweisen, in welchem Umfang der Gemeindehaushalt durch einen Einnahmeentfall geschädigt wäre. Es sei auch zutreffend anzunehmen, dass bei einer Ausnahme für den Revisionswerber auch andere, ähnlich gelagerte Liegenschaften aus dem Anschlussgebiet ausscheiden würden, wodurch eine volkswirtschaftlich vertretbare öffentliche Kanalanlage gänzlich unrealisierbar wäre.
Aus den genannten Gründen stelle das LVwG fest, dass die Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung für eine Kleinkläranlage für die Entsorgung der im Anschlussbereich der Marktgemeinde liegenden Gebäude wegen des Widerspruchs zu öffentlichen Interessen nicht in Betracht komme.
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision führte das LVwG aus, es sei keine Rechtsfrage zu lösen gewesen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukomme. Die gegenständliche Entscheidung weiche weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehle es an Rechtsprechung. Die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es lägen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
6 In der gegen das Erkenntnis des LVwG erhobenen außerordentlichen Revision macht der Revisionswerber im Wesentlichen geltend, das vorliegende Erkenntnis des LVwG widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Der Verweis des LVwG auf einen angeblichen Einnahmeausfall der Gemeinde von rund EUR 20.000,-- erfolge willkürlich und ohne jede Beweisgrundlage. Es sei nicht nachvollziehbar, wie das LVwG zu diesem Betrag komme. Dem Revisionswerber sei eine Berechnung eines Einnahmeausfalls nie zur Äußerung zur Verfügung gestellt worden. Es habe den Anschein, als würde die Gemeinde ausschließlich die errechneten Anschlussgebühren ansetzen, ohne die Baukosten in Abzug zu bringen. Nach den zwingenden gesetzlichen Vorschriften sei kostenneutral zu kalkulieren. Es könne daher ausgeschlossen werden, dass tatsächlich ein Einnahmenausfall entstehe. Die Entscheidung des LVwG ergehe ohne entsprechende Grundlage und damit willkürlich. Das Recht auf Parteiengehör sei verletzt worden.
7 Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2016 erstattete die BH eine Revisionsbeantwortung, in der sie ausführte, im Erkenntnis des LVwG vom 3. März 2016 sei umfassend begründet worden, dass das Unterbleiben eines Anschlusses der Liegenschaft des Revisionswerbers an die nunmehr errichtete öffentliche Abwasserbeseitigungsanlange eine Beeinträchtigung von öffentlichen Interessen darstelle.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 2. Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen geltend, das LVwG weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, indem es willkürlich und ohne jede Beweisgrundlage entschieden habe. Zudem sei das Parteiengehör des Revisionswerbers verletzt worden.
12 Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch berechtigt.
13 2.1. Das LVwG stützt das angefochtene Erkenntnis und die aufgetragene Lösung der Vorfrage der Ausnahme vom Anschlusszwang maßgeblich auf eine im Erkenntnis genannte, datummäßig aber nicht näher konkretisierte Stellungnahme der Marktgemeinde (gemeint wohl: vom 12. Februar 2016) und führt in seiner rechtlichen Beurteilung dazu aus, es gelinge der Marktgemeinde, in einer nachvollziehbaren Berechnung der Folgekosten einer Ausnahmegenehmigung für den Revisionswerber nachzuweisen, in welchem Umfang der Gemeindehaushalt durch einen Einnahmeausfall geschädigt wäre.
Unter der Überschrift "I. Beschwerdevorbringen, Vorverfahren, mündliche Verhandlung, Sachverhalt" wird ebenfalls auf diese Stellungnahme der Gemeinde (ohne Datum) verwiesen; demnach sei dort von einem Einnahmeausfall von rund EUR 20.000,-- für den Gemeindehaushalt bei Erteilung einer Ausnahmegenehmigung die Rede.
14 2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Vorerkenntnis vom 17. Dezember 2015, Ra 2015/07/0125, darauf hingewiesen, dass in den damals angestellten Überlegungen zur Gefährdung des Projekts aus wirtschaftlichen Gründen zwar grundsätzlich ein Anhaltspunkt für die Schädigung öffentlicher Interessen im Sinne des § 4 Abs. 5 Stmk KanalG liegen könnte, dass es allerdings dazu einer detaillierteren Begründung der konkret gegebenen wirtschaftlichen Hintergründe bedürfe (vgl. auch die Ausführungen zum Begriff des öffentlichen Interesses im hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999, 98/06/0222).
Nun entspricht der im angefochtenen Erkenntnis allein ins Treffen geführte Einnahmeausfall im Falle des Entfalls des Anschlusses des Revisionswerbers diesen Vorgaben nicht, fehlt es doch jedenfalls an der konkreten Darstellung der finanziellen Situation der Gemeinde und an einer vor diesem Hintergrund vorgenommenen Bewertung des genannten konkreten Einnahmenverlusts; der allgemeine Hinweis darauf, dass die Errichtung der Anlage sonst "völlig unwirtschaftlich" wäre, genügt diesen Anforderungen nicht. Wie bereits im genannten hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999 betont, kann der bloße Umstand von aus einer gewährten Ausnahme resultierenden Mindereinnahmen für den Betreiber der öffentlichen Kanalanlage nicht als Schädigung öffentlicher Interessen im Sinne dieser Bestimmung gewertet werden. Auch hypothetische Mindereinnahmen für den Fall weiterer Ausnahmen spielen bei der Prüfung der Schädigung öffentlicher Interessen keine Rolle. Bereits darin liegt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses.
15 2.3. Aber selbst wenn man das vom LVwG herangezogene Begründungselement als ausreichend erachten würde, erwiese sich das angefochtene Erkenntnis aus nachfolgenden Gründen mit Rechtswidrigkeit belastet:
Im angefochtenen Erkenntnis heißt es nämlich weiters, die Stellungnahme der Gemeinde (vom 12. Februar 2016) und die Stellungnahme des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans sei dem Revisionswerber zum Parteiengehör übermittelt worden. Genau dieser Umstand wird vom Revisionswerber in Abrede gestellt; seinen Angaben zufolge sei ihm eine Stellungnahme der Gemeinde vom 12. Februar 2016 nicht zur Kenntnis übermittelt worden.
16 Aus dem Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass das LVwG den Revisionswerber mit Mail vom 26. Februar 2016 ersuchte, bezüglich "beiliegender Stellungnahmen" eine Äußerung von 4 Wochen zu erstatten.
Im vorgelegten Verwaltungsakt findet sich ein Ausdruck dieses Mails vom 26. Februar 2016 an zwei Stellen. Bei einem Ausdruck, der sich im Akt der belangten Behörde, ohne Seitenzahl, findet, liegen die Stellungnahmen der Gemeinde vom 3. Juli 2015 und des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans vom 26. Februar 2016 bei; beim anderen Ausdruck (AS 155 des Aktes des LVwG) finden sich keine Beilagen, sondern nur folgender automationsunterstützter Hinweis im Mail: "Anlagen: W Stellungnahme S.pdf; W Stellungnahme A14.pdf."
17 Die daraufhin erstattete Stellungnahme des Revisionswerbers vom 2. März 2016 nimmt ausdrücklich darauf Bezug, dass er zur Äußerung zur Stellungnahmen der Marktgemeinde vom 3. Juli 2015 sowie des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans vom 26. Februar 2016 aufgefordert worden sei.
18 Daraus ergibt sich nun, dass - offenbar aus Versehen - das LVwG dem Revisionswerber die Stellungnahme der Marktgemeinde vom 3. Juli 2015 bereits zum zweiten Mal übermittelte, es jedoch unterließ, dem Revisionswerber die für das gegenständliche Verfahren relevante Stellungnahme der Gemeinde vom 12. Februar 2016 in Wahrung des Parteiengehörs zu übersenden. Das LVwG übersah auch die explizite Bezugnahme des Revisionswerbers in seiner Äußerung auf die im zweiten Verfahrensgang nicht relevante Stellungnahme vom 3. Juli 2015 der Marktgemeinde und legt dem angefochtene Erkenntnis daher irrtümlich die Annahme zu Grunde, dass die - tatsächlich relevante - Stellungnahme vom 12. Februar 2016 gemeinsam mit der Stellungnahme des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans vom 26. Februar 2016 dem Revisionswerber zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt worden sei.
19 3. Nun ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Verwaltungsverfahren das sogenannte "Überraschungsverbot" zu beachten. Darunter ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, sowie vom 3. Mai 2005, 2002/18/0053). Die zum "Überraschungsverbot" entwickelten Grundsätze sind auch für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht maßgeblich, weil von den Verwaltungsgerichten auf dem Boden des § 17 VwGVG sowohl das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs. 2 AVG als auch der Grundsatz der Einräumung von Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG zu beachten sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066).
20 Dem Revisionswerber wurde vom LVwG keine Möglichkeit gegeben, sich zur Stellungnahme der Marktgemeinde vom 12. Februar 2016, auf welche sich das LVwG im angefochtenen Erkenntnis maßgeblich stützt, zu äußern. Damit verletzt das LVwG den im Verwaltungsverfahren zu beachtenden Grundsatz der Einräumung von Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG. Das angefochtene Erkenntnis des LVwG widerspricht daher auch unter diesem Aspekt der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
21 Bei Verfahrensmängeln, wie der Verletzung des Parteiengehörs und des "Überraschungsverbotes", muss in den Zulässigkeitsgründen auch die Relevanz des Verfahrensmangels dargetan werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels (etwa also auf Grund welchen konkreten Vorbringens) in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können (vgl. den hg. Beschluss vom 30. September 2015, Ra 2015/06/0083).
Indem der Revisionswerber in seinen Zulässigkeitsgründen im Zusammenhang mit der Verletzung des Parteiengehörs zusammengefasst ausführt, die Marktgemeinde setze bei dieser Summe offenbar ausschließlich die errechneten Anschlussgebühren an, ohne die Baukosten in Abzug zu bringen, obwohl nach den zwingenden gesetzlichen Vorschriften kostenneutral zu kalkulieren sei und daher ausgeschlossen werden könne, dass tatsächlich ein Einnahmeentfall entstehe, gelingt es dem Revisionswerber, die Relevanz des Verfahrensmangels der Verletzung des Parteiengehörs darzulegen.
22 4. Hinzuweisen ist auch darauf, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 17 VwGVG in Verbindung mit §§ 58 und 60 AVG in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen ist. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben (vgl. ua die hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2014, Ro 2014/03/0076, sowie vom 27. November 2014, Ra 2014/03/0036).
Dem angefochtenen Erkenntnis fehlt die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes. Das angefochtene Erkenntnis fasst unter der Überschrift "I. Beschwerdevorbringen, Vorverfahren, mündliche Verhandlung, Sachverhalt" offenbar mehrere Aspekte des Verfahrens unter einem zusammen, ohne diese klar zu trennen und wird daher in diesem Zusammenhang den obgenannten Vorgaben nicht gerecht. Bei der Wiedergabe des wesentlichen Inhalts der Stellungnahme der Gemeinde bzw. des wasserwirtschaftlichen Planungsorganes scheint es sich um die Darstellung der Ermittlungsergebnisse zu handeln, nicht aber um die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes. Diese Vorgangsweise widerspricht daher der Rechtsprechung zur Begründungspflicht verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen (vgl. dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2014, Ro 2014/03/0076).
23 5. Aus den obgenannten Gründen war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
24 6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung der Novelle BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 3. August 2016
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