VwGH Ra 2015/07/0006

VwGHRa 2015/07/000625.6.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Revision *****, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 30. Juni 2014, Zl. LVwG-AB-14-0371, betreffend eine Angelegenheit nach dem Niederösterreichischen Abfallwirtschaftsgesetz 1992 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Verbandsvorstand des Gemeindeverbandes für Aufgaben des Umweltschutzes im Bezirk Gmünd), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §509;
AVG §37;
AVG §8;
AWG NÖ 1992 §1;
AWG NÖ 1992 §11 Abs2;
AWG NÖ 1992 §11 Abs7;
AWG NÖ 1992 §26 Abs1;
AWG NÖ 1992 §9 Abs1;
AWG NÖ 1992 §9 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §26 Abs2 idF 2013/I/033;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015070006.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit Bescheid des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Aufgaben des Umweltschutzes im Bezirk Gmünd vom 8. August 2013 wurden der Erstrevisionswerberin und dem Zweitrevisionswerber für eine näher genannte, in ihrem Eigentum befindliche Liegenschaft in X mit Wirkung ab 1. September 2013 ein 120 Liter Restmüllbehälter mit dreizehn Abfuhren, ein Bereitstellungsanteil sowie ein 240 Liter Papierbehälter mit sechs Abfuhren zugeteilt.

Die gegen diesen Bescheid von der Erstrevisionswerberin und dem Zweitrevisionswerber erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Verbandsvorstandes des Gemeindeverbandes für Aufgaben des Umweltschutzes im Bezirk Gmünd vom 20. Dezember 2013 abgewiesen.

Mit dem angefochtenen, gegenüber der Erstrevisionswerberin und dem Zweitrevisionswerber erlassenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 30. Juni 2014 wurde die von den Genannten gegen den Berufungsbescheid vom 20. Dezember 2013 erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 22. September 2014, E 1068/2014-8, ab und trat sie mit Beschluss vom 31. Oktober 2014 an den Verwaltungsgerichtshof ab.

Gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 30. Juni 2014 richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der erst- bis drittrevisionswerbenden Parteien. Darin wird in der Sachverhaltsdarstellung unter anderem ausgeführt, dass die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber mit Übergabevertrag vom 13. Mai 2013 das Eigentum an der gegenständlichen Liegenschaft an ihren Sohn, den Drittrevisionswerber, übertragen und sich dabei ein grundbücherliches Fruchtgenussrecht vorbehalten hätten. Dieser Vertrag sei im September 2013 im Grundbuch einverleibt worden. In der Berufung vom 18. August 2013 sei auf den Abschluss des Übergabevertrages hingewiesen worden.

2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

3.1. In ihren Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision bringen die revisionswerbenden Parteien vor, zur Frage, ob § 9 und § 11 Niederösterreichisches Abfallwirtschaftsgesetz 1992 (NÖ AWG 1992) auch auf Liegenschaften mit Wohnhäusern anzuwenden seien, die überhaupt nicht benutzt würden, sei noch keine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes erfolgt. Den zu den genannten Bestimmungen bereits ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes seien andere Sachverhalte als im gegenständlichen Fall zugrunde gelegen. Während es dort um Liegenschaften gegangen sei, die zumindest zeitweise benutzt worden seien, werde die hier verfahrensgegenständliche Liegenschaft überhaupt nicht bewohnt und sie werde in absehbarer Zeit auch nicht bewohnt oder auf andere Weise benutzt werden. Es finde also nicht einmal eine sporadische Nutzung statt.

§ 9 NÖ AWG 1992 regelt die Erfassung und Behandlung von nicht gefährlichem Siedlungsabfall im Pflichtbereich (einer Gemeinde).

Gemäß § 9 Abs. 1 NÖ AWG 1992 sind im Pflichtbereich die Grundstückseigentümer bzw. Nutzungsberechtigten verpflichtet, nicht gefährliche Siedlungsabfälle nur durch Einrichtungen der Gemeinde oder deren sich die Gemeinde bedient, erfassen und behandeln zu lassen.

Nach § 9 Abs. 2 erster Satz NÖ AWG 1992 hat der Pflichtbereich einer Gemeinde alle Grundstücke zu umfassen, auf denen gewöhnlich nicht gefährlicher Siedlungsabfall anfallen kann, z. B. Grundstücke mit der Widmung Bauland, im Grünland erhaltenswerte Bauten etc.

Gemäß § 11 Abs. 2 NÖ AWG 1992 hat die Gemeinde Müllbehälter beizustellen und instandzuhalten. Die Müllbehälter sind vom Grundstückseigentümer bzw. Nutzungsberechtigten verschlossen und samt ihrer Umgebung sauber zu halten.

Nach § 11 Abs. 6 erster Satz NÖ AWG 1992 ist die Anzahl und die Größe der aufzuzeigenden Müllbehälter nach dem Holsystem mit Bescheid so festzusetzen, dass in den beigestellten Müllbehältern der zu erfassende (§ 9) und erfahrungsgemäß anfallende Müll innerhalb des Abfuhrzeitraumes nach dem Stand der Technik erfasst werden kann.

Gemäß § 11 Abs. 7 NÖ AWG 1992 sind Eigentümer bzw. Nutzungsberechtigte jener Grundstücke, auf denen sich keine Wohngebäude befinden, von der Pflicht zur Verwendung der Müllbehälter (Abs. 3) auszunehmen, wenn sie eine den Zielen und Grundsätzen des § 1 entsprechende Erfassung und Behandlung ihres Mülls nachweisen können.

Entsprechend den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen, insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen befinde sich auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft ein Gebäude, das als Wohnsitz nutzbar wäre, aber derzeit nach Aussage der Erstrevisionswerberin und des Zweitrevisionswerbers unbewohnt sei.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 10. Juni 1997, Zl. 96/07/0246) ist Voraussetzung für eine Ausnahmegenehmigung nach § 11 Abs. 7 NÖ AWG 1992, dass es sich um ein Grundstück handelt, auf dem sich kein Wohngebäude befindet. Der Wortlaut § 11 Abs. 7 NÖ AWG 1992 - so der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis - ist eindeutig. Eine von diesem eindeutigen Wortlaut abweichende Auslegung dieser Bestimmung ist nicht möglich.

Darüber hinaus wurde in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Anknüpfen an einen bewohnbaren Zustand als insofern rechtmäßig anerkannt, weil sich daraus die übliche Benutzung ergibt. Der tatsächliche Anfall von Abfall ist nicht ausschlaggebend (vgl. das zum Wiener Abfallwirtschaftsgesetz ergangene Erkenntnis vom 24. Jänner 2013, Zl. 2010/07/0232).

Im Übrigen geht der Gesetzgeber (hinsichtlich Grundstücken iSd § 9 Abs. 2 NÖ AWG 1992) nach dem klaren Wortlaut des § 11 Abs. 7 NÖ AWG 1992 grundsätzlich davon aus, dass auch auf einem Grundstück, auf dem sich kein Wohngebäude befindet, Müll anfällt, wäre es doch sonst unverständlich, für diesen Fall den Nachweis einer den Zielen und Grundsätzen des § 1 entsprechende Erfassung und Behandlung des Mülls vorzuschreiben. Umso mehr muss dies aber für ein Grundstück gelten, auf dem sich ein - wenngleich derzeit unbewohntes - bewohnbares Gebäude befindet.

Angesichts dessen kommt es auf den von den revisionswerbenden Parteien hervorgehobenen Umstand, dass die verfahrensgegenständliche Liegenschaft derzeit nicht bewohnt sei, nicht an.

Die von den revisionswerbenden Parteien behauptete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

3.2. Mit den weiteren Zulassungsausführungen, es sei - "wie unten noch zu zeigen sein wird" - dem Landesverwaltungsgericht "eine Vielzahl von gravierenden Verfahrensfehlern" unterlaufen, wird ausschließlich auf das in den Revisionsgründen erstattete Vorbringen verwiesen.

Damit wird allerdings dem Erfordernis des § 28 Abs. 3 VwGG, wonach eine (außerordentliche) Revision gesondert die Gründe zu enthalten hat, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, nicht entsprochen. Der bloße Verweis auf die Revisionsgründe reicht nicht aus, um dieses Erfordernis zu erfüllen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 26. Februar 2015, Zl. Ra 2015/07/0027, mwN).

3.3. Schließlich begründen die revisionswerbenden Parteien die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision wie folgt:

"Da § 9 Abs 1 und § 11 Abs 2 NÖ AWG 1992 dahingehend interpretiert werden können, dass die darin festgesetzten Verpflichtungen sowohl die Erstrevisionswerberin und den Zweitrevisionswerber als Fruchtgenussberechtigte als auch den Drittrevisionswerber als Eigentümer treffen, werden alle drei Revisionswerber durch das angefochtene Erkenntnis in ihren subjektiven Rechten verletzt.

Da der Drittrevisionswerber bereits vor der Erlassung des Berufungsbescheides das Eigentum an der gegenständlichen Liegenschaft erworben hat, hätte er dem Verwaltungsverfahren beigezogen werden müssen. Somit ist er als übergangene Partei zur Erhebung der Revision legitimiert."

Fruchtnießer haben nach § 509 ABGB das ausschließliche Recht auf Ausübung der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2005, Zl. 2005/07/0108). Die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber sind Fruchtgenussberechtigte an der gegenständlichen Liegenschaft. Sowohl der die Verpflichtung zur Erfassung und Behandlung nicht gefährlicher Siedlungsabfälle normierende § 9 Abs. 1 NÖ AWG 1992 als auch § 11 Abs. 2 NÖ AWG 1992 und die Ausnahmebestimmung des § 11 Abs. 7 NÖ AWG 1992 richten sich an Eigentümer bzw. Nutzungsberechtigte der betroffenen Grundstücke. Aus welchen Gründen im Zusammenhang mit der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes an die Erstrevisionswerberin und den Zweitrevisionswerber eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen sollte, wird mit den zitierten Ausführungen jedoch nicht konkret aufgezeigt.

Auch die Revision des Drittrevisionswerbers ist unzulässig.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes wurde eine von der Erstrevisionswerberin und dem Zweitrevisionswerber erhobene Beschwerde abgewiesen. In den Zulassungsausführungen der Revision selbst wird hervorgehoben, dass der Drittrevisionswerber dem Verfahren nicht beigezogen worden sei und eine Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses an ihn nie erfolgt sei.

Zwar kann gemäß § 26 Abs. 2 VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 in Fällen, in denen das Erkenntnis bereits einer anderen Partei zugestellt oder verkündet worden ist, die Revision bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Revisionswerber von dem Erkenntnis Kenntnis erlangt hat.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 2 VwGG in der bis 31. Dezember 2013 geltenden Fassung ist diese Bestimmung jedoch nicht auf den Fall einer "übergangenen Partei" im Mehrparteienverfahren, sondern nur auf Parteien anzuwenden, deren Parteistellung unstrittig war und die auch tatsächlich dem Verwaltungsverfahren beigezogen worden sind. Jedenfalls muss die Frage des Mitspracherechts als Partei des Verwaltungsverfahrens zunächst durch die Behörde entschieden werden, sei es durch Abweisung eines Antrages auf Bescheidzustellung, sei es durch Anerkennung der Parteistellung in Form der Parteifeststellung (vgl. etwa den Beschluss vom 12. August 2014, Zlen. Ro 2014/10/0065, 0066, mwN; vgl. auch das Erkenntnis vom 22. März 2012, Zl. 2008/07/0009, mwN).

Daran hat sich durch § 26 Abs. 2 VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 nichts geändert. Die genannte Bestimmung ist nur auf Parteien anzuwenden, deren Parteistellung unstrittig war und die auch tatsächlich dem bisherigen Verfahren beigezogen worden sind. Die Frage des Mitspracherechts als Partei des Verfahrens muss zunächst durch die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht entschieden werden.

Da der Drittrevisionswerber nach seinem eigenen Vorbringen dem Verfahren (einschließlich des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht) überhaupt nicht beigezogen worden ist, obwohl die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber bereits in ihrer Berufung vom 18. August 2013 auf den Abschluss des Übergabevertrages mit dem Drittrevisionswerber hingewiesen hatten, kommt dem Drittrevisionswerber nach der dargestellten Judikatur nicht das Recht auf Revision zu.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. Juni 2015

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