VwGH 2013/03/0145

VwGH2013/03/014519.12.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Beschwerdesache der W GmbH in W, vertreten durch B&S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in 1040 Wien, Gußhausstraße 6, gegen die Erledigung der Schienen-Control Kommission vom 15. Oktober 2013, Zl SCK-WA-12-017, betreffend Maßnahmen der Wettbewerbsaufsicht gemäß § 74 Abs 1 des Eisenbahngesetzes 1957 (mitbeteiligte Partei: Ö AG in W; weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §58;
B-VG Art130 Abs1 lita;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2013:2013030145.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

1.1. Dem Beschwerdevorbringen und der der Beschwerde beigelegten Erledigung ist Folgendes zu entnehmen: Die Beschwerdeführerin ist ein Eisenbahnunternehmen, welchem mit Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 29. Mai 2009 die eisenbahnrechtliche Verkehrsgenehmigung für die Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen im Personenverkehr erteilt wurde. Die Beschwerdeführerin erbringt Eisenbahnpersonenverkehrsleistungen auf der Strecke Wien-Salzburg und retour, wobei ihr der Zugang zur Schieneninfrastruktur in Österreich durch die mitbeteiligte Partei gewährt wird. Die Beschwerdeführerin hat hierfür Benutzungsentgelte an die mitbeteiligte Partei zu entrichten.

1.2. Mit Schreiben vom 13. März 2012 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, dass ein wettbewerbsaufsichtsbehördliches Verfahren gemäß § 74 iVm § 67 des Eisenbahngesetzes 1957 (EisbG 1957) hinsichtlich der Infrastrukturbenutzungsentgelte der mitbeteiligten Partei eingeleitet worden sei. Mit einem weiteren Schreiben der belangten Behörde vom 30. November 2012 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die belangte Behörde beschlossen habe, die Stationsentgelte der mitbeteiligten Partei in einem eigenen wettbewerbsaufsichtsbehördlichen Verfahren ergänzend zu den Infrastrukturbenutzungsentgelten zu untersuchen.

1.3. Im Rahmen des wettbewerbsbehördlichen Verfahrens betreffend die Stationsentgelte der mitbeteiligten Partei wurde durch die belangte Behörde ein auf den 25. Juni 2013 datierter Teilbescheid erlassen, mit dem der Entgeltbestandteil "Fernverkehrsfaktor" für ungültig erklärt und die entsprechenden Bestimmungen in den Produktkatalogen Netzzugang Stationen 2012, 2013 und 2014 der mitbeteiligten Partei für unwirksam erklärt wurden.

1.4. In weiterer Folge übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin zu Handen ihres rechtsfreundlichen Vertreters die mit 15. Oktober 2013 datierte Erledigung, die im Wesentlichen folgenden Inhalt hat:

"...

Betreff: Wettbewerbsaufsichtsbehördliches Verfahren zu den Stationsentgelten (GZ: SCK-WA-12-017)

Sehr geehrter Herr ...

Die (belangte Behörde) hat über die übermittelten Unterlagen

zum Stationsentgelt beraten.

Die (mitbeteiligte Partei) hat in ihren Schriftsätzen dargelegt, dass die Erhöhung der Stationspreise zu einer höheren Kostendeckung führen soll. Die in der Stellungnahme vom 13.09.2013 dargestellten Kostendeckungsgrade zeigen, dass die Kostendeckung im Geschäftsjahr 2012 in jeder der sechs Stationskategorien weit unter den Vollkosten liegen würde. Die Erhöhung der Stationspreise im Produktkatalog 2013 würde in keiner der sechs Stationskategorien zu einer Deckung der Vollkosten führen.

Betreffend den mit Produktkatalog 2012 eingeführten Entgeltbestandteil Bahnsteigkantenfaktor wurde von der (mitbeteiligten Partei) eine Begründung für die Differenzierung der Entgelte nach Anzahl der Bahnsteigkanten übermittelt.

Die (belangte Behörde) hat somit in ihrer Sitzung vom 20.09.1013 beschlossen, das Verfahren einzustellen.

Zur Überwachung der Entwicklung der Kosten und Einnahmen wird die (mitbeteiligte Partei) ersucht, laufend, aber zumindest einmal jährlich, die Kosten und Einnahmen je Stationskategorie der Schienen-Control GmbH zu übermitteln. Diese Übermittlung soll analog zu der von der (belangten Behörde) im Schreiben betreffend das Verfahren SCK-WA-10-005 vom 20.01.2011 aufgetragenen Übermittlung der Kosten und Erträge für die Trassenpreise stattfinden.

In der Anlage wird Ihnen die Stellungnahme der (mitbeteiligten Partei) vom 13.09.2013 übermittelt.

Mit dem Ausdruck der vorzüglichen Hochachtung

...

Vorsitzender der (belangten Behörde)

..."

1.5. Die Beschwerdeführerin wertet diese Erledigung als Bescheid. Sie beantragt, die von ihr als Bescheid qualifizierte Erledigung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

2.1. Die Beschwerde ist nicht zulässig.

2.2. Gemäß Art 130 Abs 1 lit a B-VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof über Beschwerden, womit Rechtswidrigkeit von Bescheiden der Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate behauptet wird. Gegenstand eines Bescheidbeschwerdeverfahrens im Sinne des Art 130 Abs 1 lit a B-VG vor dem Verwaltungsgerichtshof kann nur ein Bescheid sein; bestehen Zweifel, ob es sich bei einer Erledigung um einen Bescheid handelt, ist die Bescheidqualität der Erledigung zu klären (VwGH vom 30. Juni 2006, 2006/03/0029).

2.3. Bescheide nach § 56 AVG sind individuelle, hoheitliche Erledigungen der Verwaltungsbehörde, durch die in bestimmten Verwaltungssachen in einer förmlichen Weise über Rechtsverhältnisse materiellrechtlicher oder formellrechtlicher Art abgesprochen wird, sei es dass Rechtsverhältnisse festgestellt, sei es, dass sie gestaltet werden (vgl VwGH vom 16. Mai 2001, 2001/08/0046, 0047, VwSlg 15608 A). Die näheren Vorschriften, welche Bestandteile ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufzuweisen hat, finden sich in §§ 58 ff AVG; darunter ist insbesondere auch das Erfordernis genannt, dass jeder Bescheid als solcher zu bezeichnen ist und eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung (vgl dazu und zum Folgenden etwa VwGH vom 30. Juni 2006, 2006/03/0029, VwGH vom 18. Mai 2004, 2004/10/0060 und VwGH vom 16. Mai 2001, VwSlg 15608 A) ist das Fehlen der Bezeichnung als Bescheid für die Qualifikation einer Erledigung als Bescheid dann unerheblich, wenn eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung enthält.

Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat (für die Wertung als Bescheid ist ein strenger Maßstab anzulegen, vgl VwGH vom 9. November 2009, 2006/18/0450).

Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinn auch aus der Form der Erledigung ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, sowie Hinweise auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen und dergleichen können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs 1 AVG gewertet werden (vgl VwGH (verstärkter Senat) vom 15. Dezember 1977, Slg Nr 9458 A, sowie etwa auch VwGH vom 23. November 2011, 2011/12/0185, mwH).

In jedem Fall, in dem der Inhalt einer Erledigung (also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung) Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lässt, ist somit die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essentiell (vgl auch VwGH vom 23. November 2011, 2011/12/0185, mwH). Für die Beurteilung als Bescheid sind die objektiven Merkmale eines Schriftstückes maßgebend und nicht die subjektive Absicht der Behörde, von der das Schriftstück ausgegangen ist.

Sofern es daher an der für einen Bescheid vorgeschrieben Form mangelt, muss deutlich erkennbar sein, dass die Behörde dennoch den (objektiv erkennbaren) Willen hatte, gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Erledigung einer Verwaltungsangelegenheit vorzunehmen. Ist diese deutliche Erkennbarkeit nicht gegeben, ist - wie erwähnt - die ausdrückliche Bezeichnung der Erledigung als Bescheid essentiell (VwGH vom 21. Dezember 2012, 2012/17/0473, vgl in diesem Sinne auch VwGH vom 23. November 2011, 2011/12/0185). Die Rechtskraftfähigkeit der Erledigung ist im Übrigen kein neben der normativen Natur derselben selbstständig anzuführendes Merkmal eines Bescheides, weil die Rechtskraftfähigkeit nicht Ursache, sondern Folge der normativen Natur der Erledigung ist (vgl VwGH vom 16. Mai 2001, VwSlg 15608 A, mwH).

2.4. Die von der beschwerdeführenden Partei als Bescheid qualifizierte Erledigung ist - was die Beschwerde einräumt - nicht als ein solcher bezeichnet.

Ferner weist die Erledigung offenbar den Charakter einer bloßen Information der Beschwerdeführerin bezüglich der Vorgangsweise der belangten Behörde betreffend Stationsentgelte und der dabei von der belangten Behörde gesetzten Schritte auf. Die Behörde führt im Wesentlichen aus, dass sie über die übermittelten Unterlagen zum Stationsentgelt beraten habe, ferner dass die mitbeteiligte Partei in ihren Schriftsätzen dargelegt habe, dass die Erhöhung der Stationsentgelte zu einer höheren Kostendeckung führen solle, und dass die belangte Behörde beschlossen habe, das bei ihr anhängige wettbewerbsaufsichtsbehördliche Verfahren zu den Stationsentgelten der mitbeteiligten Partei (offenbar aufgrund der Stellungnahme) einzustellen. Ein normativer Abspruch über diese Einstellung - wie dies nach der Beschwerde von der beschwerdeführenden Partei nach dem Erhalt der Erledigung ohnehin beantragt wurde - ist der Erledigung aber nicht zu entnehmen. Der Entledigung ist aber zu entnehmen, dass die mitbeteiligte Partei durch die belangte Behörde ersucht wurde, laufend (mindestens jedoch einmal jährlich) die Kosten und Einnahmen je Stationskategorie zu übermitteln. Im Übrigen weist die Erledigung die in Briefen üblichen Grußformeln ("Sehr geehrter Herr", "mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung") auf, ihr ist die besagte Stellungnahme der mitbeteiligten Partei angeschlossen.

Ausgehend davon kann auf dem Boden der dargestellten Rechtslage nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit gesagt werden, dass mit dem in Rede stehenden Schreiben - auch bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise - eine normative Erledigung einer Verwaltungsangelegenheit durch die belangte Behörde erfolgte. Zudem mangelt es der Erledigung auch - was die Beschwerde selbst ins Treffen führt - an der für einen Bescheid charakteristischen Form bzw Gliederung (vgl dazu etwa VwGH vom 23. Oktober 2008, 2008/03/0147, und VwGH vom 26. August 2010, 2010/21/0250).

2.5. Damit steht es nicht außer Zweifel, dass der Erledigung der belangten Behörde vom 15. Oktober 2013 Bescheidcharakter zukommt, weswegen die Bezeichnung der Erledigung als Bescheid essentiell gewesen wäre (vgl dazu auch VwGH vom 11. Oktober 2011, 2011/05/0134). Eine solche Bezeichnung fehlt aber, weshalb diese Erledigung keinen Bescheidcharakter aufweist.

3. Da der Beschwerde somit kein vor dem Verwaltungsgerichtshof anfechtbarer Bescheid zu Grunde liegt, war sie gemäß § 34 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2013

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