VwGH 2006/03/0029

VwGH2006/03/002930.6.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, in den Beschwerdesachen der EB in A, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen die Erledigungen 1.) der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 16. August 2005, Zl. Agrar01-162-2004 (hg Zl. 2006/03/0030), und

2.) der Oberösterreichischen Landesregierung vom 11. Oktober 2005, Zl. Agrar-480157/65-2005-I/Mü (hg Zl. 2006/03/0029), betreffend eine Angelegenheit des Oberösterreichischen Jagdgesetzes, den Beschluss gefasst:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen;

Normen

AVG §56;
VwGG §34 Abs1;
AVG §56;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges die beiden - auftragsgemäß ergänzten - Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

1. Die Beschwerden richten sich gegen die "Bescheide" der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 16. August 2005 und der oberösterreichischen Landesregierung vom 11. Oktober 2005. Da Gegenstand eines Bescheidbeschwerdeverfahrens gemäß Art 130 Abs 1 lit a B-VG nur ein Bescheid sein kann und Zweifel bestehen, ob es sich bei den genannten - nicht als Bescheid bezeichneten - Schriftstücken um solche handelt, ist die Bescheidqualität dieser Erledigungen zu klären.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 16. Mai 2001, Zlen 2001/08/0046, 0047, seine bisherige Judikatur zur Bescheidqualität von Erledigungen, denen die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid fehlt, wie folgt zusammengefasst:

"Enthält eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung, dann ist das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. In jedem Fall, in dem der Inhalt einer Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lässt, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essenziell. Die Rechtskraftfähigkeit der Erledigung ist kein neben der normativen Natur derselben selbstständig anzuführendes Merkmal eines Bescheides, weil die Rechtskraftfähigkeit nicht Ursache, sondern Folge der normativen Natur der Erledigung ist ... . Für die Beurteilung als Bescheid sind jedenfalls die objektiven Merkmale eines Schriftstückes maßgebend und nicht die subjektive Absicht der Behörde, von der das Schriftstück ausgegangen ist ..."

3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kommt den angefochtenen Erledigungen beider belangten Behörden kein Bescheidcharakter zu.

Es fehlt den gegenständlichen Erledigungen die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid. Da es beiden Erledigungen, die die in Briefen üblichen Grußformeln

Begründung

I.

Dem Beschwerdevorbringen und den den Beschwerden beigelegten angefochtenen Erledigungen ist Folgendes zu entnehmen:

1. Die Beschwerdeführerin ist Grundeigentümerin im Genossenschaftsjagdgebiet der Gemeinde A. Laut einer vom Bürgermeister dieser Gemeinde an der Amtstafel in der Zeit vom 9. Mai 2005 bis 8. Juni 2005 angeschlagenen Kundmachung vom 7. Mai 2005 habe der Jagdausschuss der Gemeinde in seiner Sitzung vom 6. Mai 2005 beschlossen, das genossenschaftliche Jagdrecht für die Jagdperiode von 2005 bis 31. März 2011 gemäß § 19 des Oberösterreichischen Jagdgesetzes (Oö JagdG) durch freies Übereinkommen zu verpachten. Der Entwurf des Jagdpachtvertrages sei in einigen Punkten geändert worden. Gegen die Beschlüsse des Jagdausschusses vom 6. Mai 2005 stehe den Jagdgenossen gemäß § 33 Abs 1 leg. cit innerhalb der vierwöchigen Kundmachung ein schriftliches Einspruchsrecht zu.

In einem Einspruch an das Gemeindeamt A vom 3. Juni 2005 erhob die Beschwerdeführerin Einwendungen gegen die Art der Jagdvergabe und stellte den Antrag, ein öffentliches Versteigerungsverfahren nach § 26 Abs 2 Oö JagdG durchzuführen.

2. Mit Schreiben vom 9. Juni 2005 gab der Jagdausschuss A bekannt, dass nur die Beschwerdeführerin einen Einspruch im Sinne der genannten Kundmachung erhoben habe, gemäß § 33 Abs 4 Oö JagdG Einsprüche aber nur wirksam würden, wenn sie von mindestens der Hälfte der Jagdgenossen eingebracht würden, weshalb eine Entscheidung des Jagdausschusses über den Einspruch der Beschwerdeführerin nicht erforderlich sei.

Mit Schriftsatz vom 29. Juni 2005 erhob die Beschwerdeführerin eine an das Gemeindeamt A, den Jagdausschuss A zu Handen seines Obmannes und an die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen adressierte "Vorstellung".

3.1. Auf diese "Vorstellung" antwortete die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen (erstbelangte Behörde) mit Schreiben vom 16. August 2005 (das ist die zur hg Zl 2006/03/0030 angefochtene Erledigung). In diesem Schreiben wird unter dem Betreff "Genossenschaftsjagdgebiet A Jagdvergabe" und der Anrede "Sehr geehrte Frau B!" unter anderem ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin "in Ihrem Schreiben vom 29.06.2005" darüber Beschwerde geführt habe, dass bei der Verpachtung des Jagdausübungsrechtes im Genossenschaftsjagdgebiet A die Bestimmungen des Oö JagdG nicht eingehalten worden seien. Nach Hinweis auf § 33 Oö JagdG führt die Bezirkshauptmannschaft weiter aus, dass ein wirksamer Einspruch gegen die Jagdvergabe nicht vorliege, weil die gemäß dem Oö JagdG erforderliche Mehrheit der Jagdgenossen keinen Einspruch eingebracht habe. Aufgabe der Gemeinde sei es nicht, über unwirksame Einsprüche zu entscheiden, vielmehr habe der Bürgermeister bei Einsprüchen zu prüfen, ob der Einspruchswerber Jagdgenosse sei. Das "Informationsschreiben" des Jagdausschusses A vom 9. Juni 2005 stelle keinen Bescheid dar, zumal der Jagdausschuss keine Behörde, sondern Organ der Jagdgenossenschaft sei. Der Gemeinderat besitze nach dem Oö JagdG keine Zuständigkeit, über unwirksame Einsprüche zu entscheiden. Die Frist des § 26 leg cit stelle nur eine Ordnungsfrist dar, damit eine Verpachtung des genossenschaftlichen Jagdgebietes nicht hinausgezögert werden könne. Für die Durchführung der Jagdvergabe sei der Jagdausschuss zuständig, der das Vergabegesetz nicht anzuwenden habe; dies sei auch im Oö JagdG nicht vorgesehen. Der Jagdpachtvertrag sei nach den Bestimmungen des Oö JagdG zustande gekommen und enthalte keine gesetzwidrigen Bestimmungen, weshalb er am 16. Juni 2005 nach § 25 leg cit zu genehmigen gewesen sei. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen gehe "aufgrund des oben angeführten Sachverhaltes" davon aus, "dass eine Erledigung mittels Bescheid nicht erforderlich ist". Das Schreiben schließt wie folgt:

"Für weitere Auskünfte stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen ...".

Gegen diese Erledigung erhob die Beschwerdeführerin "Berufung", in der sie den Antrag stellte, den "angefochtenen Bescheid" dahingehend abzuändern, dass der Vorstellung in allen Punkten Folge gegeben werde, die Jagdvergabe durch den Jagdausschuss A an Dr. S nichtig gewesen sei und daher aufgehoben werde. Es werde anzuordnen sein, dass die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen die gesetzlich vorgesehene Versteigerung der Jagd durchführe.

3.2. Diese "Berufung" erledigte die oberösterreichischen Landesregierung (zweitbelangte Behörde) mit Schreiben vom 11. Oktober 2005 (der zweitangefochtenen Erledigung). Sie führt unter dem Betreff "Genossenschaftsjagdgebiet A; Jagdvergabe - Berufung von Frau E B" und der Anrede "Sehr geehrte Frau B!" aus, zu der "als Berufung bezeichneten Eingabe vom 1.9.2005" sei "Folgendes zu bemerken":

Das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 16. August 2005 sei zweifelsfrei in Briefform gehalten und beinhalte ausschließlich die Bekanntgabe jagdgesetzlicher Bestimmungen und die Mitteilung der Rechtsansicht der Behörde über deren Anwendbarkeit auf den von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Sachverhalt. Im Übrigen habe die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen in ihrem Schreiben unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass es sich dabei keineswegs um eine bescheidmäßige Erledigung handle, indem sie darauf hingewiesen habe, dass sie davon ausgehe, dass eine Erledigung mittels Bescheid nicht erforderlich sei. Gegen bloße schriftliche Mitteilungen von Behörden sei die Erhebung von Rechtsmitteln aber nicht vorgesehen. "Ihrem Begehren vom 1.9.2005" habe somit "mangels Vorliegen eines Bescheides nicht entsprochen werden" können. Das Schreiben schließt "mit freundlichen Grüßen".

4. Gegen die Erledigungen der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 16. August 2005 und der oberösterreichischen Landesregierung vom 11. Oktober 2005 brachte die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof ein, der die Behandlung der Beschwerden mit Beschluss vom 5. Dezember 2005, B 3145/05-3 und B 3498/05-3, ablehnte und mit Beschluss vom 1. Februar 2006,

B 3145/05-5 und B 3498/05-5, gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. II.

Begründung

("Sehr geehrte Frau B", "mit freundlichen Grüßen") verwenden, auch an einer

könnte nach der oben angeführten Rechtsprechung auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus den Erledigungen eindeutig ergäbe, dass die Behörde nicht nur individuelle Akte der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheiten des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Bestehen nach dem Inhalt der Erledigungen hingegen Zweifel über deren Bescheidcharakter, so ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigungen essentiell (vgl den Beschluss vom 17. September 2003, Zl 99/20/0116).

3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen bezieht sich in ihrer Erledigung vom 16. August 2005 (der erstangefochtenen Erledigung; oben I.3.1.) auf die gegen das Schreiben des Jagdausschusses A vom 9. Juni 2005 gerichtete "Vorstellung" der Beschwerdeführerin vom 29. Juni 2005. Sie zitiert und erläutert Bestimmungen des Oö JagdG und hält fest, dass ein wirksamer Einspruch (im Sinne des § 33 Abs 2 leg cit) nicht vorliege, weil nicht die erforderliche Mehrheit der Jagdgenossen einen Einspruch eingebracht habe. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat, indem sie ausführt, das Schreiben des Jagdausschusses A sei kein Bescheid und die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen gehe davon aus, dass (ihrerseits) eine Erledigung (dieser "Vorstellung") mittels Bescheid nicht erforderlich sei, ihren mangelnden Willen zur Erlassung eines Bescheides deutlich zum Ausdruck gebracht. Soweit die Bezirkshauptmannschaft in diesem Schreiben ausführt, dass sie festgestellt habe, dass der Pachtvertrag nach den Bestimmungen des Oö JagdG zustande gekommen sei und keine gesetzwidrigen Bestimmungen enthalte und daher von ihr am 16. Juni 2005 genehmigt worden sei, handelt es sich dabei nicht um einen normativen Abspruch über eine Rechtssache, sondern den Hinweis auf eine bereits früher ergangene Entscheidung dieser Behörde. Dieser Hinweis auf einen anderen Bescheid kann entgegen dem Beschwerdevorbringen keinesfalls als Feststellungsbescheid angesehen werden. Dass es sich bei dem Schreiben vom 16. August 2005 um keinen Bescheid handelt, kommt schließlich auch in der abschließenden - geradezu das Gegenteil einer Rechtsmittelbelehrung darstellenden - Bemerkung der Behörde, wonach sie "für weitere Auskünfte" jederzeit gerne zur Verfügung stehe, zum Ausdruck.

3.2. Zum Ergebnis, dass die erstangefochtene Erledigung keine

normative, im Hinblick auf die Beschwerdeführerin

rechtsgestaltende oder rechtsfeststellende Entscheidung der

Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen ist, kommt auch die

Oberösterreichische Landesregierung in der zweitangefochtenen

Erledigung vom 11. Oktober 2005 (oben I.3.2.). Bei diesem

Schreiben der oberösterreichischen Landesregierung steht der

Bescheidcharakter keinesfalls außer Zweifel. Die Behörde hat nicht

nur - wie schon die Bezirkshauptmannschaft - die in Briefen

üblichen Grußformeln ("Sehr geehrte Frau B", "mit freundlichen

Grüßen") verwendet und keine Gliederung der Erledigung in Spruch,

Begründung und Rechtsmittelbelehrung vorgenommen, sie hat auch,

bezugnehmend auf die die selben äußeren Merkmale aufweisende

Erledigung der Bezirkshauptmannschaft (oben I.3.1.) bemerkt, dass

"gegen bloße schriftliche Mitteilungen von Behörden ... die

Erhebung bzw Einbringung von Rechtsmitteln nicht vorgesehen" sei.

Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass die Behörde auch den

abschließenden Satzes dieses Schreibens, wonach "Ihrem Begehren

vom 1.9.2005 ... mangels Vorliegen eines Bescheides nicht

entsprochen werden" könne, nicht als normativen Abspruch über eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes gemeint hat, sondern im Gegenteil offenbar nicht den Willen hatte, über die "Berufung" der Beschwerdeführerin mittels eines Bescheides abzusprechen.

Damit steht aber der Bescheidcharakter der Erledigung keinesfalls außer Zweifel, sodass die ausdrückliche Bezeichnung der zweitangefochtenen Erledigung als Bescheid für deren Bescheidcharakter essenziell gewesen wäre. Indem es an dieser Bezeichnung mangelt, ist auch dieses Schreiben nicht als Bescheid zu qualifizieren.

4. Die belangten Behörden sind allerdings darauf hinzuweisen, dass unzulässige Rechtsmittel gemäß § 66 Abs 4 AVG mit Bescheid zurückzuweisen sind. Ein Anbringen, das sich - wie die im vorliegenden Fall eingebrachten Schriftsätze der Beschwerdeführerin - als Berufung (oder sonst als Rechtsmittel) versteht, ist, wenn es sich gegen einen Nichtbescheid richtet, mit verfahrensrechtlichem Bescheid zurückzuweisen (vgl Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Anm 9 und E 61 f zu § 66 AVG). Aus diesem Umstand ist für die Beschwerdeführerin jedoch deshalb nichts zu gewinnen, weil es für die Frage, ob eine Zuständigkeit der Berufungsbehörde zu der von der Beschwerdeführerin angestrebten Entscheidung in der Sache gegeben ist, nicht auf den der angefochtenen Erledigung zugrunde liegenden Antrag (hier: die von der Beschwerdeführerin eingebrachten Rechtsmittel), sondern den Inhalt der angefochtenen Erledigungen ankommt. Den angefochtenen Erledigungen mangelte es aber nach dem oben Gesagten am Bescheidcharakter. Auf die von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Fragen der Jagdvergabe und der Zuständigkeit zur Entscheidung über Einsprüche gegen diese war daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht einzugehen.

5. Somit waren die gegen die Erledigungen der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 16. August 2005 und der Oberösterreichischen Landesregierung vom 11. Oktober 2005 gerichteten Beschwerden mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 30. Juni 2006

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