VwGH 2011/08/0230

VwGH2011/08/02304.9.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten, die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der Berufsvereinigung von ArbeitgeberInnen in Rettungs- und zugehörigen Sanitätsberufen in Wien, vertreten durch Engelbrecht und Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Annagasse 3, gegen den Bescheid des Bundeseinigungsamtes beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 20. Juni 2011, Zl. BEA/4-1/2009, betreffend Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit (mitbeteiligte Partei: Verein "Österreichisches Rotes Kreuz" in Wien, vertreten durch die Teicht Jöchl Kommandit-Partnerschaft, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rathausstraße 19/DG/53), zu Recht erkannt:

Normen

ArbVG §18 Abs6;
ArbVG §2;
ArbVG §29;
ArbVG §4 Abs2 Z2;
ArbVG §4 Abs2 Z3;
ArbVG §4 Abs2;
ArbVG §4 Abs3;
ArbVG §5 Abs1;
ArbVG §5 Abs3;
ArbVG §7;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
RKG 2008 §1;
RKG 2008 §2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 17. März 2011 beantragte die beschwerdeführende Partei, eine auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende kollektivvertragsfähige Berufsvereinigung der Arbeitgeber iSd § 4 Abs. 2 des Arbeitsverfassungsgesetzes - ArbVG (Bescheid der belangten Behörde vom 28. Juli 2010), der mitbeteiligten Partei, ebenfalls eine auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende kollektivvertragsfähige Berufsvereinigung der Arbeitgeber iSd § 4 Abs. 2 ArbVG (Bescheid der belangten Behörde vom 27. Jänner 1998), diese Kollektivvertragsfähigkeit gemäß § 5 Abs. 3 ArbVG abzuerkennen. Sie begründete ihren Antrag damit, dass die mitbeteiligte Partei die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 ArbVG nicht erfülle. Diese sei keine auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Berufsvereinigung, weil deren Statuten nur ihre Landesverbände und deren Untergliederungen als Mitglieder zuließen. Es handle sich dabei um einen geschlossenen Verein, der durch die gemäß § 18 Abs. 1 ArbVG ermöglichte Satzungserklärung eines von ihm abgeschlossenen Kollektivvertrags die Marktgegebenheiten im Bereich der Rettungsdienste zu Lasten seiner Mitbewerber diktieren könne, ohne dass diese die Möglichkeit hätten, der mitbeteiligten Partei beizutreten und somit auf den Inhalt und Abschluss des Kollektivvertrags Einfluss zu nehmen. Die mangelnde freiwillige Mitgliedschaft und damit das Fehlen einer der Voraussetzungen für die Kollektivvertragsfähigkeit müssten nicht nur dann zur Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit führen, wenn ein solcher Umstand nachträglich eintrete, sondern auch dann, wenn er bereits zum Zeitpunkt der Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit vorgelegen sei.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag gemäß § 5 Abs. 3 iVm § 4 Abs. 2 ArbVG abgewiesen. Nach den Statuten der mitbeteiligten Partei seien die Landesverbände der mitbeteiligten Partei und deren Untergliederungen Mitglieder der mitbeteiligten Partei. Die in diesem Punkt unveränderten Statuten seien bereits dem Bescheid auf Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit zugrunde gelegen. Gemäß § 5 Abs. 3 ArbVG sei die Kollektivvertragsfähigkeit von Amts wegen oder auf Antrag einer kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung oder einer gesetzlichen Interessenvertretung abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 oder 3 ArbVG nicht mehr gegeben seien. Dieser Wortlaut spreche dagegen, die Kollektivvertragsfähigkeit auch dann aberkennen zu können, wenn eine der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 ArbVG bereits bei Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit gefehlt hätte. Im Hinblick auf die Besonderheit der Kollektivvertragsfähigkeit als Rechtssetzungsbefugnis könnte eine rechtswidrige Entscheidung des Bundeseinigungsamtes im Zusammenhang mit der Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit gegebenenfalls nach § 68 Abs. 3 AVG - bei Vorliegen der dort normierten Voraussetzungen - korrigiert werden, wofür es aber im gegebenen Fall keinen Anlass gäbe. Darüber hinaus erfülle die mitbeteiligte Partei ohnehin nach wie vor die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 ArbVG. "Freiwillige Mitgliedschaft" bedeute, dass der Eintritt und Austritt frei seien, also im Belieben des Beitrittswerbers bzw. Mitglieds stehen müssten. Das Kriterium der "Freiwilligkeit" verdeutliche den Gegensatz zu den gesetzlichen Interessenvertretungen, denen die Kollektivvertragsfähigkeit nach § 4 Abs. 1 ArbVG zustünde. Unstrittig sei, dass die nach den Statuten in Frage kommenden Mitglieder der mitbeteiligten Partei dieser beitreten bzw. aus dieser austreten könnten. Der Ein- und Austritt sei somit frei. Es handle sich nicht um eine Berufsvereinigung mit Pflichtmitgliedschaft. Dem § 4 Abs. 2 ArbVG sei kein Hinweis zu entnehmen, dass die darin aufgezählten Voraussetzungen der "freiwilligen Mitgliedschaft" und des "größeren fachlichen Wirkungsbereichs" zusammen gelesen und angewendet werden müssten. Es handle sich um separate Voraussetzungen, deren Vorliegen jeweils gesondert zu prüfen sei. Die Auffassung von Resch ("Freiwilligkeit der Mitgliedschaft und Kollektivvertragsfähigkeit", RdW 2010/309, 290 ff) wonach von einer "Freiwilligkeit der Mitgliedschaft" nicht mehr gesprochen werden könne, wenn die Kriterien für die Mitgliedschaft unsachliche seien, werde nicht geteilt. Zwar spräche allenfalls die potentielle Satzungserklärung eines Kollektivvertrages für eine derartige Zusammenschau der zitierten Bestimmungen, letztlich habe aber diese Frage "unbeachtet zu bleiben". Die Voraussetzungen der Kollektivvertragsfähigkeit seien nach § 4 ArbVG zu prüfen, die der Satzungserklärung eines Kollektivvertrags nach § 18 ArbVG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die beschwerdeführende Partei hat zu diesen Gegenschriften eine weitere Stellungnahme eingebracht.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/08/0064, verwiesen. Mit diesem hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 9. Februar 2009, mit dem ein Antrag der mitbeteiligten Partei auf Erklärung ihres Kollektivvertrages zur Satzung abgewiesen worden war, mit der im Folgenden auszugsweise wiedergegebenen Begründung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben:

"9. In inhaltlicher Hinsicht rügt die beschwerdeführende Partei (die mitbeteiligte Partei des vorliegenden Verfahrens), dass die belangte Behörde ihre Entscheidung im Ergebnis ausschließlich damit begründet hat, dass Arbeitgebern, die weder Landesverband ((der beschwerdeführenden Partei)) noch Untergliederung eines solchen Landesverbandes sind, die Mitgliedschaft (zur beschwerdeführenden Partei) als freiwilliger Berufsvereinigung der Arbeitgeber verwehrt sei und es der belangten Behörde aus diesem Grund rechtlich unzulässig erscheine, den Kollektivvertrag zur Satzung zu erklären. In der Gegenschrift der belangten Behörde wird das dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Verständnis noch dahingehend erläutert, dass sich die belangte Behörde in ihrer Entscheidung auf § 18 Abs. 6 ArbVG gestützt habe, wonach Kollektivverträge, die von einem kollektivvertragsfähigen Verein im Sinne des § 4 Abs. 3 ArbVG abgeschlossen wurden, nicht zur Satzung erklärt werden können. In der Literatur würden darüber hinaus diesen in § 18 Abs. 6 ArbVG ausdrücklich genannten Vereinskollektivverträgen im Wege der Analogie auch Kollektivverträge von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die auf deren Kollektivvertragsfähigkeit gemäß § 7 ArbVG beruhten, sowie Kollektivverträge von Arbeitgebern, die auf einer sondergesetzlich geregelten Kollektivvertragsfähigkeit des Arbeitgebers beruhten, gleichgesetzt. Die belangte Behörde sei bei ihrer Entscheidung 'von einer weiteren Lücke ausgegangen, die per analogiam zu § 18 Abs. 6 ArbVG zu schließen' gewesen sei.

10. Unstrittig ist, dass es sich bei der beschwerdeführenden Partei um eine Körperschaft handelt, der von der belangten Behörde mit rechtskräftigem Bescheid die Kollektivvertragsfähigkeit als auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhender Berufsvereinigung der Arbeitgeber im Sinne des § 4 Abs. 2 ArbVG zuerkannt wurde.

Wie auch aus der Gegenschrift hervorgeht, beurteilte die belangte Behörde den verfahrensgegenständlichen Kollektivvertrag jedoch offenbar als 'Quasi-Vereinskollektivvertrag', zumal sie darauf hinweist, dass die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit an die beschwerdeführende Partei deswegen nicht gemäß § 4 Abs. 3 ArbVG erfolgt sei, weil es sich bei der beschwerdeführenden Partei nicht um eine Rechtsperson (gemeint: die als Arbeitgeber fungiere) handle, sondern in ihr eine Mehrzahl von Rechtspersonen zusammengeschlossen sei, die ihrerseits als Arbeitgeber fungierten.

11. Die Argumentation der belangten Behörde übersieht zunächst, dass gemäß § 18 Abs. 6 ArbVG zwar Kollektivverträge, 'die von einem kollektivvertragsfähigen Verein (§ 4 Abs. 3) abgeschlossen wurden', nicht zur Satzung erklärt werden können, dass aber der in dieser Bestimmung ausdrücklich verwiesene § 4 Abs. 3 ArbVG die Verleihung der Kollektivvertragsfähigkeit nur 'für Arbeitsverhältnisse zu Vereinen', welche die in dieser Bestimmung näher genannten Voraussetzungen erfüllen, zulässt. Nun regelt aber der in Rede stehende Kollektivvertrag, der auf Arbeitgeberseite von der beschwerdeführenden Partei abgeschlossen wurde, gerade nicht Arbeitsverhältnisse zur beschwerdeführenden Partei, sondern Arbeitsverhältnisse zu anderen Dienstgebern (Vereinen), die Mitglieder der beschwerdeführenden Partei sind. Der Ausschlussgrund des § 18 Abs. 6 ArbVG liegt daher schon deshalb nicht vor.

12. Es ist für das Antragsrecht der beschwerdeführenden Partei aber auch unerheblich, ob sie tatsächlich eine auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Berufsvereinigung ist, als welcher ihr die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt wurde. Diese -

von der belangten Behörde ersichtlich verneinte - Frage kann deshalb auf sich beruhen, weil es § 18 Abs. 1 ArbVG für den Antrag auf Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung genügen lässt, dass der Antragsteller (kein kollektivvertragsfähiger Verein im Sinne des § 4 Abs. 3 ArbVG, im Übrigen aber) eine 'kollektivvertragsfähige Körperschaft' als Partei des zu satzenden Kollektivvertrages ist. Dies trifft aber für die beschwerdeführende Partei bis zu einer allfälligen Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit auch dann zu, wenn man mit der belangten Behörde Zweifel daran haben müsste, ob es sich bei der beschwerdeführenden Partei tatsächlich um eine 'auf freiwilliger Mitgliedschaft' beruhende Berufsvereinigung der Arbeitgeber handelt.

§ 18 ArbVG enthält keine Bestimmung, die es erforderte oder auch nur zuließe, dass die belangte Behörde aus Anlass der Antragstellung auf Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung über die von ihr vorzunehmende Prüfung hinaus, ob Kollektivvertragsfähigkeit vorliegt und kein Ausschlussgrund im Sinne des § 18 Abs. 6 ArbVG gegeben ist, jeweils zu untersuchen hätte, ob die antragstellende kollektivvertragsfähige Körperschaft in jeder Hinsicht auch eine auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Berufsvereinigung ist."

Die für den Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG) lauten auszugsweise wie folgt:

"Kollektivvertragsfähigkeit

§ 4. (1) Kollektivvertragsfähig sind gesetzliche Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, denen unmittelbar oder mittelbar die Aufgabe obliegt, auf die Regelung von Arbeitsbedingungen hinzuwirken und deren Willensbildung in der Vertretung der Arbeitgeber- oder der Arbeitnehmerinteressen gegenüber der anderen Seite unabhängig ist.

(2) Kollektivvertragsfähig sind die auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhenden Berufsvereinigungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, welche

1. sich nach ihren Statuten zur Aufgabe stellen, die Arbeitsbedingungen innerhalb ihres Wirkungsbereiches zu regeln;

2. in ihrer auf Vertretung der Arbeitgeber- oder der Arbeitnehmerinteressen gerichteten Zielsetzung in einem größeren fachlichen und räumlichen Wirkungsbereich tätig werden;

3. vermöge der Zahl der Mitglieder und des Umfanges der Tätigkeit eine maßgebende wirtschaftliche Bedeutung haben;

4. in der Vertretung der Arbeitgeber- oder der Arbeitnehmerinteressen gegenüber der anderen Seite unabhängig sind.

(3) Für Arbeitsverhältnisse zu Vereinen, die vermöge der Zahl ihrer Mitglieder, des Umfanges ihrer Tätigkeit und der Zahl ihrer Arbeitnehmer eine maßgebende Bedeutung haben, sind diese selbst kollektivvertragsfähig, soweit sie nicht für Arbeitsverhältnisse bestimmter Betriebs- oder Verwaltungsbereiche einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft der Arbeitgeber angehören.

Zuerkennung und Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit

§ 5. (1) Die Kollektivvertragsfähigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 und 3 ist auf Antrag nach Anhörung der zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen durch das Bundeseinigungsamt zuzuerkennen.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit ist im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' kundzumachen und dem Bundesministerium für soziale Verwaltung sowie jedem für Arbeits- und Sozialrechtssachen zuständigen Gerichtshof zur Kenntnis zu bringen. Die Kosten der Kundmachung hat die freiwillige Berufsvereinigung (der Verein), der (dem) die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt wurde, zu tragen.

(3) Die Kollektivvertragsfähigkeit ist durch das Bundeseinigungsamt von Amts wegen oder auf Antrag einer kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung oder einer gesetzlichen Interessenvertretung abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 oder 3 nicht mehr gegeben sind; die Bestimmungen des Abs. 2 sind sinngemäß anzuwenden.

Vorrang der freiwilligen Berufsvereinigung

§ 6. Wird einer freiwilligen Berufsvereinigung die Kollektivvertragsfähigkeit gemäß § 5 Abs. 1 zuerkannt und schließt diese einen Kollektivvertrag ab, so verliert die in Betracht kommende gesetzliche Interessenvertretung hinsichtlich der Mitglieder der Berufsvereinigung die Kollektivvertragsfähigkeit für die Dauer der Geltung und für den Geltungsbereich des von der Berufsvereinigung abgeschlossenen Kollektivvertrages.

(...)

Geltungsdauer des Kollektivvertrages

§ 17. (1) ...

(2) ...

(3) Wird einer freiwillige Berufsvereinigung gemäß § 5 Abs. 3 die Kollektivvertragsfähigkeit aberkannt, so erlöschen die von dieser Berufsvereinigung abgeschlossenen Kollektivverträge mit dem Tage, an dem die gemäß § 5 Abs. 3 ergangene Entscheidung des Bundeseinigungsamtes im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' kundgemacht wird. Im Falle des § 6 erlischt ein von der gesetzlichen Interessenvertretung abgeschlossener Kollektivvertrag für die Mitglieder der freiwilligen Berufsvereinigung mit dem Tage, an dem ein von dieser Berufsvereinigung abgeschlossener Kollektivvertrag in Wirksamkeit tritt. Dieser Umstand ist von der freiwilligen Berufsvereinigung dem Bundesministerium für soziale Verwaltung unverzüglich anzuzeigen.

...

Die Erklärung von Kollektivverträgen zur Satzung

Begriff und Voraussetzungen

§ 18. (1) Das Bundeseinigungsamt hat auf Antrag einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft, die Partei eines Kollektivvertrages ist, bei Vorliegen der in Abs. 3 angeführten Voraussetzungen diesem Kollektivvertrag durch Erklärung zur Satzung auch außerhalb seines räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereiches rechtsverbindliche Wirkung zuzuerkennen. Die in der Erklärung als rechtsverbindlich bezeichneten Bestimmungen des Kollektivvertrages bilden die Satzung.

(2) Gegenstand des Antrages auf Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung können alle oder auch einzelne Bestimmungen des Kollektivvertrages sein, die für die ihm unterliegenden Arbeitsverhältnisse rechtsverbindlich sind, doch dürfen einzelne Bestimmungen nicht aus einem unmittelbaren rechtlichen und sachlichen Zusammenhang gelöst werden.

(3) Ein Kollektivvertrag oder ein Teil eines solchen darf nur zur Satzung erklärt werden, wenn

1. der zu satzende Kollektivvertrag gehörig kundgemacht ist und in Geltung steht;

2. der zu satzende Kollektivvertrag oder der Teil eines solchen überwiegende Bedeutung erlangt hat;

3. die von der Satzung zu erfassenden Arbeitsverhältnisse im Verhältnis zu jenen, die dem Kollektivvertrag unterliegen, im wesentlichen gleichartig sind;

4. die von der Satzung zu erfassenden Arbeitsverhältnisse unbeschadet des Abs. 4 nicht schon durch einen Kollektivvertrag erfaßt sind.

(4) Kollektivverträge, die sich auf die Regelung einzelner Arbeitsbedingungen beschränken und deren Wirkungsbereich sich fachlich auf die überwiegende Anzahl der Wirtschaftszweige und räumlich auf das ganze Bundesgebiet erstreckt, stehen der Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung nicht entgegen.

(5) Kollektivverträge im Sinne des Abs. 4 können auch dann zur Satzung erklärt werden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 3 Z 3 nicht vorliegen.

(6) Kollektivverträge, die von einem kollektivvertragsfähigen Verein (§ 4 Abs. 3) abgeschlossen wurden, können nicht zur Satzung erklärt werden.

Rechtswirkungen

§ 19. (1) Die Bestimmungen der gehörig kundgemachten Satzung sind innerhalb ihres räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereiches unmittelbar rechtsverbindlich. § 3 und § 11 Abs. 2 sind sinngemäß anzuwenden.

(2) Kollektivverträge setzen für ihren Geltungsbereich eine bestehende Satzung außer Kraft. Dies gilt nicht für Kollektivverträge im Sinne des § 18 Abs. 4.

(...) "

Die Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 30. Juli 1987, mit der die Geschäftsführung des Bundeseinigungsamtes geregelt wird (Bundeseinigungsamts - Geschäftsordnung - BEA-GO.), BGBl. Nr. 415/1987, hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Abschnitt 2

Zuerkennung und Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit

§ 12. (1) Das Verfahren auf Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit ist auf Antrag der Berufsvereinigung (§ 4 Abs. 2 ArbVG) oder des Vereines (§ 4 Abs. 3 ArbVG), die bzw. der die Kollektivvertragsfähigkeit erlangen will, einzuleiten. Dem Antrag sind eine beglaubigte Abschrift der Statuten der Berufsvereinigung oder des Vereines, eine Bescheinigung der Vereinsbehörde über den aufrechten Bestand der Berufsvereinigung, sofern sie als Verein konstituiert ist, oder des Vereines und die zur Beurteilung der im § 4 Abs. 2 und 3 ArbVG vorgesehenen Voraussetzungen sonst erforderlichen Unterlagen anzuschließen.

(2) Der Vorsitzende hat vorerst zu prüfen, ob der Antrag mit den nach Abs. 1 erforderlichen Beilagen versehen ist, und allenfalls die nötigen Ergänzungen durch die antragstellende Partei zu veranlassen.

(3) Je eine Ausfertigung des Antrages ist den zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zur Stellungnahme zuzuleiten. Den Interessenvertretungen ist dabei eine angemessene, zumindest jedoch dreiwöchige Frist einzuräumen; sie sind gleichzeitig darauf hinzuweisen, daß ihr Einverständnis mit dem Antrag angenommen wird, wenn innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme erfolgt.

(4) Nach Einlangen der Stellungnahmen oder nach Ablauf der zur Stellungnahme eingeräumten Frist (Abs. 3) oder nach Durchführung allenfalls erforderlicher weiterer Erhebungen ist ein Senat zur Verhandlung und Beschlußfassung über den Antrag einzuberufen.

(5) Wird der Berufsvereinigung oder dem Verein die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt, so hat das Bundeseinigungsamt die Entscheidung darüber im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' kundzumachen. Die Kosten der Kundmachung hat die Berufsvereinigung (der Verein) zu tragen.

(6) Die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit ist dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, jedem für Arbeits- und Sozialrechtssachen zuständigen Gerichtshof und den zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zur Kenntnis zu bringen.

(7) Das Verfahren auf Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit wird eingeleitet

1. auf Antrag der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung (des kollektivvertragsfähigen Vereines) selbst, einer anderen kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung oder einer gesetzlichen Interessenvertretung;

2. von Amts wegen, wenn dem Bundeseinigungsamt Umstände bekannt werden, die vermuten lassen, daß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 oder 3 ArbVG nicht mehr vorliegen.

Im übrigen gelten die Abs. 2 bis 6 sinngemäß."

Gemäß Art. I Abs. 2 lit. A Z 10 EGVG sind auf das behördliche Verfahren des Bundeseinigungsamtes das AVG und das VStG anzuwenden.

2. Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung sei nach dem ArbVG unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich vorgesehen und erwünscht. Im konkreten Fall bestehe allerdings der entscheidende Unterschied, dass die von der Satzung erfassten Arbeitgeber - wie die beschwerdeführende Partei - jener freiwilligen Berufsvereinigung, die den Kollektivvertrag abgeschlossen habe, nicht beitreten und damit auch keinen Einfluss auf das Zustandekommen bzw. die Abänderung des gesatzten Kollektivvertrages nehmen könnten. Im Unterschied zu der vom ArbVG vorgesehenen Konzeption des Satzungssystems könne die mitbeteiligte Partei als "geschlossener" Verein durch die Satzung die kollektiven Arbeitsbedingungen am Markt der Rettungs- und Krankentransportdienste wie ein Monopolist auf Arbeitgeberseite diktieren. Eine Schwierigkeit, für alle Rettungsorganisationen mitgestaltbare kollektive Arbeitsbedingungen zu schaffen, liege auch darin, dass der beschwerdeführenden Partei zwar die Kollektivvertragsfähigkeit verliehen worden sei, die zuständigen Fachgewerkschaften es aber bisher abgelehnt hätten, mit der beschwerdeführenden Partei in Kollektivvertragsverhandlungen zu treten. Dies sei damit begründet worden, dass für die Gewerkschaft auf Grund der Satzung der mitbeteiligten Partei kein Verhandlungsbedarf bestünde. Der beschwerdeführenden Partei sei es daher faktisch unmöglich, einen Kollektivvertrag auszuverhandeln, der gemäß § 19 Abs. 2 ArbVG die Geltung der Satzung der mitbeteiligten Partei außer Kraft setzen würde.

Eine Verleihungsvoraussetzung iSd § 4 Abs. 2 Z 2 ArbVG sei, dass die Berufsvereinigung sich das Ziel setze, in einem größeren fachlichen und räumlichen Wirkungsbereich tätig zu werden. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen sei nicht anhand der faktischen Tätigkeit, sondern anhand der abstrakten, sich vom Verein selbst gesetzten Zielvorgaben zu beurteilen. Dieses Kriterium stelle auf die Überbetrieblichkeit der Berufsvereinigung ab. Eine Berufsvereinigung, die bloß auf ein Unternehmen oder auf einen Konzern beschränkt sei, erfülle dieses Kriterium nicht. Die Landesverbände der mitbeteiligten Partei seien zwar formal jeweils getrennte Arbeitgeber. Faktisch liege jedoch eine mit einem Konzern vergleichbare Struktur vor. Gerade von der mitbeteiligten Partei würden immer wieder das einheitliche Auftreten und Agieren sowie die einheitlichen Vorgaben an die Mitglieder hervorgehoben. Zwischen den Verleihungsvoraussetzungen "freiwillige Mitgliedschaft" und "größerer fachlicher (und räumlicher) Wirkungsbereich" bestehe ein inhaltlicher Zusammenhang. Mit der "auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhenden Berufsvereinigung der Arbeitgeber" im Sinn des § 4 Abs. 2 ArbVG habe der Gesetzgeber die Möglichkeit schaffen wollen, dass im Hinblick auf eine Erklärung des Kollektivvertrages zur Satzung allen davon betroffenen Arbeitgebern bei der Konzeption des Kollektivvertrages ein Mitspracherecht zukomme. Im Gegensatz dazu verhindere der Gesetzgeber bei Vereinskollektivverträgen im Sinn des § 4 Abs. 3 ArbVG, dass unbeteiligte Arbeitgeber, welchen keine Mitgestaltungsrechte an diesen Firmenkollektivverträgen zukämen, von deren Wirkungen erfasst werden könnten (§ 18 Abs. 4 ArbVG).

Der mitbeteiligten Partei sei von der belangten Behörde trotz klarer Aktenlage entgegen § 4 Abs. 2 ArbVG rechtswidrig die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt worden. Mit § 5 Abs. 3 ArbVG habe der Gesetzgeber eine besondere Rechtskraftdurchbrechungsregelung geschaffen. Ihm könne nicht unterstellt werden, gerade jene Fälle nicht erfassen zu wollen, in denen bereits ursprünglich eine rechtswidrige Zuerkennung erfolgt sei. Gerade die Möglichkeit einer Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit gemäß § 5 Abs. 3 ArbVG würde den notwendigen Verkehrsschutz für die von der Normsetzungsbefugnis erfassten Arbeitsverträge gewährleisten. Die Auslegung des § 5 Abs. 3 ArbVG durch die belangte Behörde widerspreche den vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29. September 1994, V 85/92, V 86/92, referierten Zielvorstellungen, einem freiwilligen Arbeitgeberverband beitreten zu können, um auf die Gestaltung bzw. den Abschluss von Kollektivverträgen Einfluss nehmen zu können.

3. Zunächst ist zu klären, ob gemäß § 5 Abs. 3 ArbVG die Kollektivvertragsfähigkeit auf entsprechenden Antrag einer Berufsvereinigung auch dann aberkannt werden kann, wenn deren Voraussetzungen schon zum Zeitpunkt deren in Rechtskraft erwachsenen Zuerkennung nicht vorgelegen sind.

Gemäß § 5 Abs. 1 ArbVG ist die Kollektivvertragsfähigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 und 3 ArbVG (an freie Berufsvereinigungen bzw. Vereine) auf Antrag nach Anhörung der zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen durch das Bundeseinigungsamt zuzuerkennen. Bei der Zuerkennung handelt es sich um einen rechtsgestaltenden Bescheid, mit dem der antragstellenden freien Berufsvereinigung eine qualifizierte Rechts- und Geschäftsfähigkeit und eine besondere Art von Rechtssetzungsbefugnis (vgl. §§ 2 und 29 ArbVG) verliehen wird (vgl. Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz, Wien 2002, § 5 Rz 4). Ab der Rechtskraft dieses Bescheides hat jede andere Behörde bei der Entscheidung von Streitigkeiten oder bei der Beurteilung von Vorfragen von der durch diesen Bescheid geschaffenen Rechtslage auszugehen. Der Bescheid auf Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit ist rechtskräftig mit der Verkündung bzw., wenn eine solche nicht erfolgt, mit seiner Zustellung. Gegen eine dem Antrag auf Zuerkennung stattgebende oder diesen abweisende Entscheidung des Bundeseinigungsamtes kann unter den Voraussetzungen des Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden (vgl. Strasser aaO § 5 Rz 7 bis 9).

Gemäß § 5 Abs. 3 ArbVG ist die Kollektivvertragsfähigkeit durch das Bundeseinigungsamt von Amts wegen oder auf Antrag einer kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung oder einer gesetzlichen Interessenvertretung abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 oder 3 ArbVG nicht mehr gegeben sind. Im Aberkennungsverfahren ist zu prüfen, ob im Falle einer freien Berufsvereinigung alle Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 ArbVG noch gegeben sind. Im Aberkennungsverfahren haben insbesondere die antragstellende freie Berufsvereinigung und die freie Berufsvereinigung, um deren Kollektivvertragsfähigkeit es geht, Parteistellung. Die Entscheidung des Bundeseinigungsamtes, mag sie auf Antragsabweisung oder auf Aberkennung lauten, kann unter den Voraussetzungen des Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG durch Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden.

Die materielle Rechtskraft eines gültigen Bescheides entfaltet sich u.a. in dessen Unabänderlichkeit bzw. Unwiderrufbarkeit (vgl. etwa Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht Rz 458 ff; Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht 234). Diese Rechtskraftwirkung wird aber durch § 5 Abs. 3 ArbVG teilweise durchbrochen: Der Gesetzgeber hat im Verfahren betreffend die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit (§ 5 Abs. 1 ArbVG) der antragstellenden Berufsvereinigung, nicht aber anderen freiwilligen Berufsvereinigungen Parteistellung zuerkannt. Im Verfahren betreffend die Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit (§ 5 Abs. 3 ArbVG) wird jedoch gerade diesen, am Zuerkennungsverfahren nicht beteiligten kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen - denen unter Umständen, wie das Beispiel der beschwerdeführenden Partei zeigt, Kollektivvertragsfähigkeit damals noch gar nicht zukam - Parteistellung eingeräumt. Könnte nun eine solche Berufsvereinigung nicht schon das ursprüngliche Fehlen von Voraussetzungen iSd § 4 Abs. 2 oder 3 ArbVG geltend machen, so würde dies dem in § 5 Abs. 3 ArbVG zum Ausdruck kommenden Anliegen des Gesetzgebers, den kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen ein gegenseitiges Kontrollrecht betreffend das Vorliegen der Voraussetzungen im Sinn des § 4 Abs. 2 ArbVG einzuräumen, zuwiderlaufen.

4.1. Bei der sohin vorzunehmenden Beurteilung, ob bei der mitbeteiligten Partei die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit insbesondere iSd § 4 Abs. 2 Z 2 und 3 ArbVG vorliegen, ist iSd Z 2 nach formalen Kriterien zu prüfen, ob die Vereinigung statutarisch die Zielsetzung hat, in einem größeren fachlichen und räumlichen Wirkungsbereich tätig zu werden, und iSd Z 3 nach tatsächlichen Kriterien zu prüfen, ob sie sich auch gemäß diesen Zielsetzungen mit Erfolg betätigt, was an der Zahl der Mitglieder und am Umfang der bisherigen tatsächlichen Tätigkeit (deren Spiegelbild auch die Anzahl der beschäftigten Dienstnehmer sein kann) abzulesen ist. Der erste Fall der Z 2 (größerer fachlicher Wirkungsbereich) und der erste Fall der Z 3 (maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung vermöge der Zahl der Mitglieder) hängen insoweit miteinander zusammen, als beiden Elementen eine Bezugsgröße gemeinsam ist, an der das Element "größere" bzw. "maßgebliche" zu messen ist. Sowohl die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen eines größeren fachlichen und räumlichen Wirkungsbereiches iSd § 4 Abs. 2 Z 2 ArbVG als auch die der "maßgebenden wirtschaftlichen Bedeutung" iSd § 4 Abs. 2 Z 3 ArbVG setzen daher voraus, dass der fachliche Wirkungsbereich einer Berufsvereinigung durch unterscheidungskräftige Kriterien hinreichend definiert ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 2010, Zl. 2010/08/0148, mwN).

Nach § 4 Abs. 2 der Satzungen der mitbeteiligten Partei (2009) sind ordentliche Mitglieder der mitbeteiligten Partei die mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Landesverbände. Nach § 4 Abs. 4 iVm§ 3 Abs. 2 Z 2.11 der Satzungen obliegt der mitbeteiligten Partei als Berufsvereinigung auf Arbeitgeberseite die Regelung der Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder auf Kollektivvertragsebene; hinsichtlich dieses Punktes sollen noch § 4 Abs. 4 der Satzungen die mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Untergliederungen von Mitgliedern selbst Mitglieder der mitbeteiligten Partei sei; sie werden dabei durch ihren Landesverband vertreten.

Die belangte Behörde hat nicht festgestellt, dass sich die mitbeteiligte Partei die Aufgabe stellen würde, Arbeitsbedingungen innerhalb eines konkret definierten fachlichen Wirkungsbereiches zu regeln. Die tatsächliche wirtschaftliche Bedeutung der Berufsvereinigung iSd § 4 Abs. 2 Z 3 ArbVG würde aber infolge der geschilderten starren, auf die Einbindung in die eigene Organisation abstellenden Mitgliedschaftsregelungen von diesem fachlichen Wirkungsbereich ohnehin nicht maßgeblich geprägt werden.

4.2. Dies führt zu der Frage, ob die mitbeteiligten Partei - auch in Anbetracht der in § 4 Abs. 3 ArbVG speziell geregelten Kollektivvertragsfähigkeit für Vereine - als "Berufsvereinigung" iSd Einleitungssatzes des § 4 Abs. 2 ArbVG betrachtet werden kann.

Der in § 4 Abs. 2 ArbVG verwendete Begriff "Berufsvereinigung" verlangt sowohl auf Arbeitgeber- wie auf Arbeitnehmerseite Überbetrieblichkeit. Sogenannte Werkvereine, das sind Vereinigungen von Arbeitnehmern eines Betriebes oder Unternehmens, sind damit ausgeschlossen. Das muss wegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Z 2 und 3 auch für Vereinigungen von Arbeitnehmern eines Konzerns gelten, die man streng genommen als überbetrieblich bezeichnen könnte (vgl. Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz, Wien 2002, § 4, Rz 17).

Die Bestimmungen des § 4 Abs. 2 Z 2 und 3 ArbVG, die unter anderem auf eine Absage an einen lohnpolitisch völlig freien Markt mit "Firmenkollektivverträgen" hinauslaufen, müssen im Zusammenhang mit § 4 Abs. 3 und § 7 ArbVG (äußerst eingeschränkte Zulassung von Kollektivverträgen, die sich lediglich auf ein Unternehmen oder auf einen einzelnen Betrieb beziehen) gesehen werden. Der Gesetzgeber des Arbeitsverfassungsgesetzes will auf diese Weise eine Lohnpolitik der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände gewährleisten, die auf gesamtwirtschaftlich erwünschte oder ausdrücklich vorgegebene Zielsetzungen Rücksicht nimmt (Strasser, aaO § 4 Rz 18). § 4 Abs. 3 ArbVG durchbricht den für Österreich im allgemein geltenden Grundsatz, dass echte "Firmenkollektivverträge" nicht zulässig sind (vgl. Strasser, aaO § 4 Rz 25, der u.a. die mitbeteiligte Partei als einen jener Vereine nennt, die gute Aussichten haben, die Kollektivvertragsfähigkeit bei entsprechender Antragstellung nach § 4 Abs. 3 ArbVG zuerkannt zu erhalten). Die restriktive Haltung des Gesetzgebers zu Kollektivverträgen, denen ein eingeschränkter Interessenausgleich auf bloß einzelbetrieblicher Ebene zu Grunde liegt, kommt auch darin zum Ausdruck, dass Kollektivverträge, die von einem kollektivvertragsfähigen Verein (§ 4 Abs. 3 ArbVG) abgeschlossen wurden, nicht zur Satzung erklärt werden können (§ 18 Abs. 6 ArbVG).

Die mitbeteiligte Partei bildet keine Berufsvereinigung der Arbeitgeber in dem Sinn, dass sie allgemein die Interessen von Arbeitgebern in dem von ihr bezeichneten fachlichen und räumlichen Wirkungsbereich vertreten würde, sondern sie fokussiert sich - ganz in der Art eines grundsätzlich unzulässigen "Firmenkollektivvertrags" - bei der "Regelung der Arbeitsbedingungen (ihrer) Mitglieder auf Kollektivvertragsebene" (§ 3 Abs. 2 Z 2.11. der Statuten) im Wesentlichen auf die Gegebenheiten des eigenen Unternehmens bzw. des eigenen "Konzerns" (vgl. §§ 1 und 2 Rotkreuzgesetz, BGBl. I Nr. 33/2008). Einer Anerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ArbVG steht sohin nicht der bloße Umstand entgegen, dass die mitbeteiligte Partei nach ihren Vereinsstatuten nur einem bestimmten Kreis von Mitgliedern offen steht, der sich an den von der mitbeteiligten Partei zu verfolgenden Interessen orientiert und der letztlich durch die Vereinsfreiheit geschützt ist, sondern vielmehr der Umstand, dass die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit iSd § 4 Abs. 2 ArbVG an die mitbeteiligte Partei in Ermangelung des Vorliegens einer überbetrieblichen Berufsvereinigung, die sich die Aufgabe stellen würde, Arbeitsbedingungen innerhalb eines konkret definierten fachlichen Wirkungsbereiches zu regeln, nicht möglich ist.

Da bei der mitbeteiligten Partei nicht sämtliche Voraussetzungen der Kollektivvertragsfähigkeit iSd § 4 Abs. 2 ArbVG vorliegen, hat die belangte Behörde den Antrag der an den Zuerkennungsbescheid nicht gebundenen beschwerdeführenden Partei auf Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit zu Unrecht abgewiesen.

5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

7. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 4. September 2013

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