VwGH 2011/23/0129

VwGH2011/23/012918.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Mag.a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunner Straße 26/3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Mai 2007, Zl. E1/198149/2007, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §54 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs2 impl;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §2 Abs1 Z15;
NAG 2005 §20 Abs1;
NAG 2005 §25 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2012:2011230129.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer, einem serbischen Staatsangehörigen, wurde auf Grund seines Antrags vom 11. Juni 2004 - im Hinblick auf seine Großmutter, eine österreichische Staatsbürgerin - eine bis zum 30. September 2005 gültige Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" erteilt, die in der Folge bis zum 24. August 2006 verlängert wurde.

Nach Einbringung eines weiteren Verlängerungsantrags am 10. August 2006 wurde von der Niederlassungsbehörde im Hinblick darauf, dass der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers nicht gesichert erscheine, das Verfahren gemäß § 25 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) eingeleitet.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 15. Mai 2007 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus, weil sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft iSd § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG führen könnte.

Die belangte Behörde stellte zunächst fest, dass der Beschwerdeführer keine festen und regelmäßigen eigenen Einkünfte habe. Eine aktuelle, den Erfordernissen des § 2 Abs. 1 Z 15 NAG entsprechende Haftungserklärung der Großmutter des Beschwerdeführers (der Zusammenführenden) liege nicht vor. Weiters ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich selbsterhaltungsfähig sei, zumal sich im Akt kein Anhaltspunkt dafür finde, dass er selbst bzw. seine Eltern nicht imstande wären, "(allenfalls in seinem Heimatland) für seinen Unterhalt zu sorgen". Demgemäß könne "auch nicht von einer gesetzlichen Unterhaltspflicht der Großmutter (§ 141 ABGB) ausgegangen werden".

Aber selbst für den Fall des Bestehens einer Unterhaltsverpflichtung bzw. des Vorliegens einer Haftungserklärung sei das Einkommen der Großmutter von monatlich EUR 1.209,-- nicht ausreichend, um den Unterhalt des Beschwerdeführers in der erforderlichen Höhe von EUR 726,-- (entsprechend dem Richtsatz nach § 293 ASVG) zu gewährleisten. Nach Auffassung der belangten Behörde sei der Unterhalt des Beschwerdeführers auch durch die Vorlage eines Sparbuchs seiner Großmutter mit einer Einlage in der Höhe von EUR 10.000,-- nicht sichergestellt, zumal der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich offensichtlich auf Dauer beabsichtigt sei. Zudem sei weder nachgewiesen worden, woher "diese Gelder" stammten, noch sei sichergestellt, dass sie zur Bestreitung des Unterhalts des Beschwerdeführers zur Verfügung stehen würden.

Die belangte Behörde ging angesichts des zweieinhalbjährigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie der Bindung zu seiner Großmutter von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des beruflich nicht integrierten Beschwerdeführers aus. Dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehe aber das "einen hohen Stellenwert genießende öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Sozialwesens" gegenüber. Bei Abwägung der gegenläufigen Interessenlagen kam die belangte Behörde zur Ansicht, dass die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wiegen würden als das im Versagungsgrund (des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG) liegende hohe öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und damit die Gefahr einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft abgewendet werde. Mangels sonstiger, besonders zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände sah die belangte Behörde auch keine Veranlassung, im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens von der Ausweisung Abstand zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 14. Dezember 2007, B 1229/07, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 16. Jänner 2008 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Über die im vorliegenden Verfahren ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG bzw. des NAG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die im Mai 2007 geltende Fassung.

Der Beschwerdeführer hielt sich während eines - über seinen rechtzeitigen Antrag (vom 10. August 2006) eingeleiteten - Verlängerungsverfahrens betreffend den ihm erteilten Aufenthaltstitel im Bundesgebiet auf. Er konnte daher gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 FPG ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund im Sinn des Fehlens einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 1 oder 2 NAG entgegenstand (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 31. Mai 2012, Zl. 2011/23/0309, mwN).

Die belangte Behörde begründete die Erlassung der Ausweisung damit, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft iSd § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG führen könnte.

Die behördliche Feststellung, dass der Beschwerdeführer über keine eigenen festen und regelmäßigen Einkünfte verfüge, wird in der Beschwerde nicht bestritten.

Aus § 11 Abs. 5 NAG ergibt sich, dass der Nachweis des Vorhandenseins der für einen Fremden notwendigen Unterhaltsmittel auch durch das Bestehen von Unterhaltsansprüchen erbracht werden kann. Der Unterhaltsanspruch kann sowohl aus einem gesetzlichen, etwa familienrechtlichen, als auch aus einem vertraglichen Titel herrühren (vgl. etwa das - die Versagung eines Aufenthaltstitels betreffende - Erkenntnis vom 12. Oktober 2010, Zl. 2007/21/0091).

Die belangte Behörde stellte in diesem Zusammenhang zunächst fest, dass eine (den Erfordernissen des § 2 Abs. 1 Z 15 NAG entsprechende) Haftungserklärung der Großmutter nicht vorliege. Weiters vertrat sie die Auffassung, es bestehe keine gesetzliche Unterhaltspflicht der Großmutter gegenüber dem Beschwerdeführer, weil dieser als grundsätzlich selbsterhaltungsfähig anzusehen sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass er nicht nur über die Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. November 2011, Zl. 2011/21/0157).

Es ist zwar im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde nicht vom Vorliegen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht der Großmutter gegenüber dem Beschwerdeführer ausging. Soweit die belangte Behörde ihrer Entscheidung allerdings das Fehlen einer Haftungserklärung der Großmutter zugrunde legte, ist ihr entgegenzuhalten, dass es sich dabei nicht um eine allgemeine Erteilungsvoraussetzung (iSd § 11 Abs. 2 NAG), sondern um eine besondere Erteilungsvoraussetzung (nach § 47 Abs. 3 NAG) handelt (vgl. das Erkenntnis vom 20. Jänner 2011, Zl. 2008/22/0866). Bei Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung wäre aber der Verlängerungsantrag von der Niederlassungsbehörde abzuweisen und nicht die Vorgehensweise nach § 25 Abs. 1 NAG (Verständigung der Fremdenpolizeibehörde zur allfälligen Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) einzuhalten gewesen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. Mai 2010, Zl. 2008/21/0608, mwN). Eine allein auf das Fehlen besonderer Erteilungsvoraussetzungen abstellende Erlassung einer Ausweisung nach § 54 Abs. 1 Z 2 FPG ist hingegen nicht zulässig (vgl. das Erkenntnis vom 22. März 2011, Zl. 2008/18/0028).

Die belangte Behörde prüfte aber ohnehin auch, ob dem Beschwerdeführer im Sinn der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG von seiner Großmutter Mittel in ausreichender Höhe zur Verfügung gestellt werden könnten. Diesbezüglich ging die belangte Behörde zwar im Ergebnis zutreffend davon aus, dass das monatliche Einkommen der Großmutter in der Höhe von EUR 1.209,-- für sich genommen nicht hinreiche, um dem Beschwerdeführer den - für seine Lebensführung entsprechend dem Richtsatz gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG damals erforderlichen - Betrag von EUR 726,-- zur Verfügung zu stellen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann der Unterhalt aber grundsätzlich auch durch Sparguthaben gedeckt werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. April 2012, Zl. 2008/18/0270, mwN). Die belangte Behörde erachtete das vom Beschwerdeführer in diesem Sinn geltend gemachte Sparguthaben der Großmutter in der Höhe von EUR 10.000,-- allerdings als nicht geeignet, den Unterhalt während des "offensichtlich auf Dauer beabsichtigten Aufenthalts" des Beschwerdeführers in Österreich zu sichern. Dem ist entgegenzuhalten, dass gemäß § 20 Abs. 1 NAG befristete Aufenthaltstitel, sofern nicht anderes bestimmt ist, (in der Regel) für die Dauer von zwölf Monaten auszustellen sind. Hochgerechnet auf ein Jahr wäre der Unterhalt des Beschwerdeführers mit dem erwähnten Sparguthaben aber jedenfalls gesichert (vgl. in diesem Zusammenhang das Erkenntnis vom 24. Juni 2010, Zl. 2008/21/0354). Zwar darf ein Guthaben nicht aus illegalen Quellen stammen; dies hat die belangte Behörde aber auch nicht festgestellt, sondern nur ausgeführt, dass die Herkunft der Gelder unbekannt sei. Das allein reicht aber nicht aus, diesen Beträgen die Eigenschaft abzusprechen, zum Unterhalt des Beschwerdeführers herangezogen werden zu können (siehe das Erkenntnis vom 31. Mai 2011, Zl. 2009/22/0260).

Gleiches gilt für die von der belangten Behörde geäußerten Bedenken hinsichtlich der Verfügbarkeit dieser Mittel für die Bestreitung des Lebensunterhalts des Beschwerdeführers, zumal im angefochtenen Bescheid festgestellt wurde, dass sich der Beschwerdeführer gegenüber der Niederlassungsbehörde auf dieses Sparguthaben berufen und eine diesbezügliche (allerdings nicht im Verwaltungsakt befindliche) Ablichtung vorgelegt habe. Diese Sachverhaltsgrundlage ist aber nicht ausreichend, um das Vorliegen ausreichender Unterhaltsmittel für eine Verlängerung des Aufenthaltstitels zu verneinen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. Oktober 2012

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