VwGH 2008/22/0866

VwGH2008/22/086620.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des M in B, geboren 1984, vertreten durch Dr. Manfred Winkler, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Henslerstraße 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Mai 2008, Zl. 121.138/2- III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §2 Abs1 Z15;
NAG 2005 §47 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §2 Abs1 Z15;
NAG 2005 §47 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "Angehöriger" gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der (volljährige) Beschwerdeführer strebe die Familienzusammenführung mit seinem (die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden) Vater an. Dieser sei als Zusammenführender im Sinn des § 47 Abs. 3 NAG anzusehen. Daher seien "von ihm" ein Einkommensnachweis und eine Haftungserklärung "zu erbringen".

Nach § 47 Abs. 3 NAG sei die Abgabe der Haftungserklärung durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich. Dies gelte auch dann, wenn die tatsächliche Unterhaltsleistung feststehe "und/oder eigene Unterhaltsmittel oder Vermögen des Angehörigen vorhanden" seien.

Trotz der dem rechtsfreundlichen Vertreter nachweislich zugestellten Aufforderung, aktuelle Lohnbestätigungen des Vaters des Beschwerdeführers für die letzten sechs Monate und eine vom Vater abgegebene Haftungserklärung beizubringen, sei keine Urkundenvorlage erfolgt. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass eine Haftungserklärung nicht vorliege. Somit mangle es an einer besonderen Erteilungsvoraussetzung, weshalb der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag einer Bewilligung nicht zugänglich sei.

Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Auffassung nach auch die Unterhaltsmittel nicht im geforderten Ausmaß vorlägen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 29. September 2008 ablehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegenständliche - im Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

§ 47 Abs. 1 (in der Stammfassung) und Abs. 3 NAG lautet:

"Familienangehörige und andere Angehörige

von dauernd in Österreich wohnhaften Zusammenführenden Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" und "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger"

§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt.

...

(3) Angehörigen von Zusammenführenden im Sinne des Abs. 1 kann auf Antrag eine quotenfreie "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1.

Teiles erfüllen und

1. Verwandte des Zusammenführenden oder seines

Ehegatten in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von

diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird;

2. Lebenspartner sind, die das Bestehen einer

dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen

tatsächlich Unterhalt geleistet wird; oder

3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,

a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat

Unterhalt bezogen haben;

b) die mit dem Zusammenführenden bereits im

Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben und

Unterhalt bezogen haben oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die

persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.

Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende

jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben.

..."

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 15 NAG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) ist eine Haftungserklärung die von einem österreichischen Notar oder einem inländischen Gericht beglaubigte Erklärung Dritter mit mindestens fünfjähriger Gültigkeitsdauer, dass sie für die Erfordernisse einer alle Risken abdeckenden Krankenversicherung, einer Unterkunft und entsprechender Unterhaltsmittel aufkommen und für den Ersatz jener Kosten haften, die einer Gebietskörperschaft bei der Durchsetzung eines Aufenthaltsverbotes, einer Ausweisung, einer Zurückschiebung oder der Vollziehung der Schubhaft, einschließlich der Aufwendungen für den Ersatz gelinderer Mittel, sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder eines Bundes- oder Landesgesetzes, das die Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG, BGBl. I Nr. 80/2004, umsetzt, entstehen, und die Leistungsfähigkeit des Dritten zum Tragen der Kosten nachgewiesen wird.

Der Beschwerdeführer bestreitet die behördliche Annahme nicht, dass eine gemäß § 47 Abs. 3 letzter Satz NAG von seinem Vater als Zusammenführenden abzugebende Haftungserklärung im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 15 NAG nicht vorliege.

Zutreffend hat die belangte Behörde in ihrer Entscheidung darauf hingewiesen, dass in § 47 Abs. 3 letzter Satz NAG die Abgabe einer solchen durch den Zusammenführenden als Erfordernis für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach dieser Bestimmung festgelegt ist.

Der belangten Behörde kann sohin nicht entgegen getreten werden, wenn sie davon ausging, das Fehlen der Haftungserklärung stehe der Bewilligung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages entgegen, weil eine vom Beschwerdeführer nachzuweisende Erteilungsvoraussetzung nicht erfüllt sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits klargestellt, dass es sich bei der Prüfung der Tragfähigkeit einer Haftungserklärung um die Prüfung des Vorhandenseins ausreichender Unterhaltsmittel (iSd § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG) handelt und die Niederlassungsbehörde verpflichtet ist, eine Beurteilung nach § 11 Abs. 3 NAG vorzunehmen, wenn sie die Antragsabweisung ungeachtet der Bezugnahme allein auf das in § 47 Abs. 3 NAG normierte Erfordernis des Vorliegens einer Haftungserklärung der Sache nach auf § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG - danach bestimmt sich die Tragfähigkeit der Haftungserklärung - gestützt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2010, 2008/21/0558).

Ein solcher Fall liegt hier allerdings nicht vor, weil die belangte Behörde im hier gegenständlichen Fall entscheidungswesentlich nicht (allein) auf die fehlende Tragfähigkeit einer Haftungserklärung, sondern - nachdem der Beschwerdeführer ausdrücklich zur Vorlage derselben aufgefordert worden war und der diesbezügliche Nachweis unterblieben ist - auf das gänzliche Fehlen einer solchen abgestellt hat und sohin auch davon ausgehen durfte, der Vater des Beschwerdeführers sei die mit der Haftungserklärung auszudrückende Verpflichtung zur Haftung für den Ersatz der in § 2 Abs. 1 Z 15 NAG genannten Kosten nicht eingegangen. Sohin handelt es bei der hier in Rede stehenden Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 47 Abs. 3 NAG um keine allgemeine Erteilungsvoraussetzung iSd § 11 Abs. 2 Z 4 NAG, sondern um eine besondere Erteilungsvoraussetzung.

Auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, es lägen ausreichende Unterhaltsmittel vor und es bestehe nach Art. 8 EMRK ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Niederlassungsbewilligung, musste daher - weil schon wegen des Fehlens der Abgabe einer Haftungserklärung durch den Zusammenführenden eine Antragsbewilligung zu Recht unterbleiben durfte - nicht weiter eingegangen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 2010, 2008/22/0368, mwN, wonach bei der Antragsabweisung wegen Fehlens einer besonderen Erteilungsvoraussetzung auf die familiären und privaten Interessen des Fremden im Sinn des Art. 8 EMRK nicht Bedacht zu nehmen ist).

Da sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 20. Jänner 2010

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