Normen
ASVG §293;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ASVG §293;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei auf Grund eines vom 12. Oktober bis 12. Dezember 2003 gültigen Visums C nach Österreich eingereist, wo sie erstmals ab 27. Oktober 2003 in Wien als behördlich gemeldet aufscheine. Sie habe am 4. Dezember 2003 einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigte Drittstaatsangehörige - § 49 Abs. 1 FrG" eingebracht, den sie von ihrer Tochter, einer österreichischen Staatsbürgerin, abgeleitet habe. In der Folge seien ihr die beantragten Niederlassungsbewilligungen als begünstigte Drittstaatsangehörige und zuletzt als "Angehörige" erteilt worden. Die Beschwerdeführerin habe beim Magistratischen Bezirksamt das reglementierte Gewerbe in der Betriebsart eines Kaffeehauses angemeldet, welches sie seit 1. Februar 2006 ausüben dürfe. Nach einem Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 24. Februar 2006 unterläge die Beschwerdeführerin nicht den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, weil sie als Komplementärin wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausübte.
Die Tochter der Beschwerdeführerin, welche als Zusammenführende eine Haftungserklärung abgegeben habe, sei geschieden und für ein zehnjähriges Kind unterhaltspflichtig. Als Angestellte der KG beziehe sie 14 mal pro Jahr ein Einkommen von EUR 1.200,--. Nach Mitteilung der Niederlassungsbehörde gemäß § 25 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, dass ein Ausweisungsverfahren eingeleitet werde, weil der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könne, habe die Beschwerdeführerin ein nicht auf Namen lautendes identifiziertes Kapitalsparbuch mit einer Einlage in der Höhe von EUR 5.000,-- und einer Laufzeit bis 3. September 2008 vorgelegt.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter anderem aus, die Haftungserklärung der Tochter der Beschwerdeführerin sei nicht tragfähig, weil auch deren im Berufungsverfahren nachgewiesenes Durchschnittseinkommen von monatlich EUR 1.517,-- nach Abzug des Existenzminimums von EUR 1.057,-- nicht ausreiche, den für die Beschwerdeführerin maßgeblichen Richtsatz des § 293 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG in Höhe von EUR 726,-- abzudecken. Das Einkommen der Beschwerdeführerin aus selbständiger Erwerbstätigkeit könne nicht berücksichtigt werden, weil sie dazu mangels entsprechenden Zweckumfangs des erteilten Aufenthaltstitels nicht berechtigt gewesen sei. Für das Sparbuch fehle der Nachweis der tatsächlichen Zugehörigkeit (offenbar gemeint: Verfügungsberechtigung der Beschwerdeführerin) sowie der Zweckbindung zur Sicherung des Lebensunterhalts der Beschwerdeführerin, und die Höhe der Einlage sei nicht ausreichend.
Schließlich legte die belangte Behörde noch dar, weshalb sich ihrer Ansicht nach die Ausweisung auch aus dem Blickwinkel des § 66 FPG als zulässig erweise.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Da sich die Beschwerdeführerin unstrittig während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhält, kann sie gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.
Gemäß § 11 Abs. 2 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn u.a. (Z. 4) der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Nach § 11 Abs. 5 NAG ist dies dann der Fall, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z. 3 NAG) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a Exekutionsordnung - EO, RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.
2.1. Die Beschwerde richtet sich (u.a.) gegen die Beurteilung der belangten Behörde, die tatsächliche Zugehörigkeit des Sparbuchs sowie monatliche Abhebungen zur Sicherung des Lebensunterhalts seien nicht nachgewiesen worden und die Einlagenhöhe sei angesichts der von der Beschwerdeführerin angestrebten dauernden Niederlassung in Österreich unzureichend.
2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 18. März 2010, Zl. 2008/22/0632, dargelegt, dass in einer Konstellation wie der vorliegenden das Einkommen des Zusammenführenden dann für ihn selbst und den Angehörigen als ausreichend im Sinn des § 11 Abs. 5 NAG anzusehen ist, wenn Unterhaltsmittel insgesamt in Höhe des doppelten Ausgleichszulagenrichtsatzes zur Verfügung stehen. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG beträgt der Ausgleichszulagenrichtsatz für alleinstehende Personen im Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde EUR 747,--. Der Richtsatz erhöht sich gemäß letzten Satz leg. cit. um EUR 78,29 für jedes Kind (§ 252 ASVG), dessen Nettoeinkommen den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres nicht erreicht.
2.3. Die belangte Behörde legte zur Berechnung ausreichender Unterhaltsmittel ein monatliches Einkommen der Zusammenführenden von EUR 1.517,-- zugrunde. Das würde ausreichen, um im Sinn des genannten Erkenntnisses den doppelten Ausgleichszulagenrichtsatz zu übersteigen. Selbst unter Bedachtnahme auf die Richtsatzerhöhung für das Kind der Zusammenführenden im Betrag von EUR 78,29 ergibt sich ein zur Lebenssicherung aller Familienmitglieder erforderliches Einkommen von EUR 1.572,29, welches mit dem festgestellten Nettoeinkommen von EUR 1.517,-- nur um EUR 55,29 nicht erreicht wird.
Der Unterhalt darf grundsätzlich auch durch Sparguthaben gedeckt werden, welche jedoch nicht aus illegalen Quellen stammen dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2011, Zl. 2009/22/0260). Letzteres wurde von der belangten Behörde auch nicht festgestellt, sondern nur ausgeführt, dass die tatsächliche Zugehörigkeit des Sparbuchs nicht nachgewiesen worden sei. Das allein reicht nicht aus, diesen Beträgen die Eigenschaft abzusprechen, zum Unterhalt der Beschwerdeführerin herangezogen werden zu können. Mit den Sparbeträgen kann die fehlende Differenz für den Unterhaltsbedarf der Beschwerdeführerin abgesichert werden.
Somit hätte die belangte Behörde diese Erteilungsvoraussetzung fallbezogen nicht verneinen dürfen.
3. Bereits aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
4. Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und Z. 6 VwGG unterbleiben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 19. April 2012
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