VwGH 2011/12/0128

VwGH2011/12/01281.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, in der Beschwerdesache des JB in G, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur 1.) vom 22. Dezember 2010, Zl. BMUKK- 1919.141153/0001-III/5b/2010, betreffend Ernennung des Erstmitbeteiligten auf die Planstelle eines Direktors der Höheren Bundeslehranstalt für Tourismus K, und 2.) vom 22. Dezember 2010, Zl. BMUKK-712/0030-III/5/2010, betreffend Ablehnung der Ernennung des Beschwerdeführers auf diese Planstelle (mitbeteiligte Parteien: 1. FK, K, und 2. MH in K, vertreten durch Dr. Ingrid Schwarzinger, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Stiftgasse 21/20),

I. den Beschluss

gefasst:

Die Mitbeteiligung der MH im Verfahren gegen den

erstangefochtenen Bescheid wird zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BDG 1979 §207f;
B-VG Art7 Abs1;
VerfGG 1953 §87 Abs2;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BDG 1979 §207f;
B-VG Art7 Abs1;
VerfGG 1953 §87 Abs2;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.652,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Antrag der Zweitmitbeteiligten auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Professor in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 10. September 2003 schrieb der Landesschulrat für Niederösterreich (im Folgenden: LSR) die Stelle eines Direktors/einer Direktorin der Verwendungsgruppe 1 an der HBLA für Tourismus K (im Folgenden: HBLA) aus, um die sich der Beschwerdeführer sowie die beiden Mitbeteiligten bewarben und auch in den Reihungsvorschlag des Kollegiums des LSR Eingang fanden. In der Folge wurde der Beschwerdeführer mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 26. April 2005 (mit Wirksamkeit vom 1. Juni 2005) auf die ausgeschriebene Leiterstelle ernannt. Mit (Intimations‑)Bescheid der belangten Behörde vom 24. Mai 2005 wurde er von dieser Ernennung in Kenntnis gesetzt.

Mit - gesondert vom Ernennungsbescheid erlassenen - Bescheid vom 1. Juni 2005 wies die belangte Behörde die Bewerbung des Erstmitbeteiligten um die genannte Planstelle gemäß § 4 in Verbindung mit §§ 8 und 207f des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, ab.

Nach der Aktenlage wurde dieser Bescheid dem Erstmitbeteiligten am 1. Juli 2005 zugestellt. Eine Anfechtung dieses Bescheides durch den Erstmitbeteiligten erfolgte nicht.

Mit einem weiteren - gesondert vom Ernennungsbescheid erlassenen - Bescheid vom 1. Juni 2005 wies die belangte Behörde auch die Bewerbung der Zweitmitbeteiligten um die genannte Planstelle gemäß § 4 in Verbindung mit §§ 8 und 207f BDG 1979 ab.

Gegen diesen Bescheid erhob die Zweitmitbeteiligte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der diese mit Beschluss vom 21. September 2005, Zl. 2005/12/0176, dem die Einzelheiten des Verfahrens entnommen werden können, mangels Rechtsanspruchs auf Ernennung und Parteistellung zurückwies.

Weiters erhob die Zweitmitbeteiligte gegen denselben Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser stellte mit Erkenntnis vom 25. September 2006, B 900/05, fest, dass die Zweitmitbeteiligte durch diesen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden sei und hob den Bescheid auf.

In seiner Begründung führte der Verfassungsgerichtshof aus, die belangte Behörde habe es verabsäumt, bei der von ihr zu treffenden (Auswahl‑)Entscheidung die für und gegen die Zweitmitbeteiligte sprechenden Kriterien einander gegenüber zu stellen, dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen und derart das Übergehen der Zweitmitbeteiligten zu begründen. Die belangte Behörde habe daher "objektive Willkür" geübt. Diesem Erkenntnis lag erkennbar die Auffassung zu Grunde, dass der Zweitmitbeteiligten auf Grund ihrer Reihung im Dreiervorschlag Parteistellung zukomme.

Mit der zur hg. Zl. 2007/12/0196 protokollierten Säumnisbeschwerde machte die Zweitmitbeteiligte sodann eine Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde über ihre obgenannte Bewerbung geltend.

Mit Beschluss vom 29. Februar 2008, Zl. 2007/12/0196, wies der Verwaltungsgerichtshof diese Säumnisbeschwerde zurück. Er führte aus, dass eine Entscheidung (auch) über die Bewerbung der Zweitmitbeteiligten durch Zustellung des (Intimations‑)Bescheides der belangten Behörde vom 24. Mai 2005 an den Beschwerdeführer getroffen worden sei. Eine Entscheidungspflicht der belangten Behörde (oder des Bundespräsidenten) in Ansehung der Frage, welcher der Parteistellung genießenden Bewerber zu bestellen sei, sei daher ab dem Zeitpunkt der Zustellung des (Intimations‑)Bescheides an den Beschwerdeführer nicht mehr vorgelegen. Allerdings sei der belangten Behörde eine Untätigkeit insoweit anzulasten, als sie es unterlassen habe, den (Intimations‑)Bescheid vom 24. Mai 2005, also die im Bestellungsverfahren getroffene Entscheidung, auch der Zweitmitbeteiligten als (einer) weiteren Partei dieses Verfahrens zuzustellen.

Daraufhin veranlasste die belangte Behörde die Zustellung des (Intimations‑)Bescheides vom 24. Mai 2005 an die Zweitmitbeteiligte, welche sodann auch gegen diesen Bescheid Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof erhob.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 22. September 2008, B 1158/08 = VfSlg. Nr. 18.527, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die Zweitmitbeteiligte durch den genannten Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden sei und hob auch diesen (Intimations‑)Bescheid auf.

In der Begründung dieses Bescheides sprach der Verfassungsgerichtshof sodann auch ausdrücklich aus, dass in den Besetzungsvorschlag aufgenommene Bewerber eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft bilden und daher Parteistellung genössen. Da es dem (Intimations‑)Bescheid an jeglicher Begründung fehle, sei die (Parteistellung genießende) Zweitmitbeteiligte in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

In der Folge wurde der Erstmitbeteiligte mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 20. Dezember 2010 (mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2011) auf die in Rede stehende Leiterstelle ernannt. Hierüber erging der erstangefochtene unbegründete (Intimations‑)Bescheid der belangten Behörde vom 22. Dezember 2010, von welchem alle Bewerber in Kenntnis gesetzt wurden.

Mit dem gleichfalls vom 22. Dezember 2010 datierten zweitangefochtenen Bescheid wurde die Ernennung des Beschwerdeführers auf die genannte Planstelle gemäß den §§ 2 bis 5 in Verbindung mit § 207f BDG 1979 "abgelehnt".

Lediglich dieser Bescheid enthält eine inhaltliche Begründung der Ernennungsentscheidung der belangten Behörde.

Mit einem weiteren Bescheid der belangten Behörde vom 22. Dezember 2010 wurde schließlich auch die Ernennung der Zweitmitbeteiligten auf die genannte Planstelle gemäß §§ 2 bis 5 iVm § 207f BDG 1979 "abgelehnt".

Gegen die beiden erstgenannten Bescheide erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss dieses Gerichtshofes vom 9. Juni 2011, B 213-214/11, abgelehnt wurde.

Auf Grund eines nachträglichen Antrages des Beschwerdeführers trat der Verfassungsgerichtshof diese Beschwerde mit Beschluss vom 2. August 2011, B 213-214/11-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In seiner über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, sie aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise deren Abweisung als unbegründet beantragt.

Der Erstmitbeteiligte erstattete keine Äußerung.

Die Zweitmitbeteiligte erstattete eine Äußerung, in welcher sie die Aufhebung des erstangefochtenen Bescheides beantragt.

Der Beschwerdeführer erstattete sodann eine weitere Beschwerdeergänzung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Jenen Parteien, die vor dem Verwaltungsgerichtshof - ebenso wie der Beschwerdeführer - die Aufhebung eines angefochtenen Bescheides (wie hier die Zweitmitbeteiligte in Ansehung des erstangefochtenen Bescheides) beantragt haben, fehlt die Stellung als Mitbeteiligte im Sinne des § 21 Abs. 1 VwGG, da Mitbeteiligter nur jemand sein kann, der die Abweisung der Beschwerde anstrebt. Die Mitbeteiligung der Zweitmitbeteiligten im Verfahren gegen den erstangefochtenen Bescheid war daher zurückzuweisen (vgl. zu all dem das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1999, Zl. 97/17/0301).

Demgegenüber kommt der Zweitmitbeteiligten im Verfahren betreffend den zweitangefochtenen Bescheid die Stellung als Mitbeteiligte zu, da der Fortbestand der "Ablehnung" der Ernennung des Beschwerdeführers (bei gleichzeitiger Aufhebung der Ernennung des Erstmitbeteiligten) die Rechtsstellung der Zweitmitbeteiligten günstig beeinflussen könnte (vgl. hiezu auch die tieferstehenden Ausführungen).

Gemäß § 87 Abs. 2 VfGG sind die Verwaltungsbehörden verpflichtet, im Falle einer Beschwerdestattgebung durch den Verfassungsgerichtshof in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Unabhängig davon, ob man die vom Verfassungsgerichtshof in den zitierten Erkenntnissen vom 25. September 2006 bzw. vom 22. September 2008 vertretene Rechtsauffassung teilt oder nicht, wurden die die jeweilige Aufhebung tragenden Gründe den im weiteren Bestellungsverfahren tätig werdenden Verwaltungsbehörden überbunden. Diese Bindungswirkung erstreckte sich nicht nur auf die Zweitmitbeteiligte als damals vor dem Verfassungsgerichtshof beschwerdeführende Partei, sondern auch auf den nunmehrigen Beschwerdeführer, welcher als damals Ernannter im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof Parteistellung genoss (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2007, Zl. 2006/12/0143 = VwSlg. Nr. 17.348 A/2007). Die Verwaltungsbehörden waren daher verpflichtet, den Beschwerdeführer als Partei des Bestellungsverfahrens zu behandeln und im Zuge ihrer Auswahlentscheidung seine rechtlichen Interessen in dem vom Verfassungsgerichtshof umschriebenen Umfang zu respektieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2004, Zl. 2003/12/0101). Bei Prüfung der von den Verwaltungsbehörden in weiterer Folge erlassenen Bescheide ist auch der Verwaltungsgerichtshof an diese Rechtsauffassung gebunden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2010, Zl. 2006/12/0112).

Ausgehend von der zu bejahenden Parteistellung der in den Dreiervorschlag aufgenommenen Bewerber im Verfahren über ihre Anträge auf Ernennung zum Schuldirektor war über diese Bewerbungen eine Sachentscheidung zu treffen. Diese hatte aber nicht in Form gesonderter Bescheide gegenüber den abgewiesenen Bewerbern zu ergehen, weil die Abweisung jener Bewerber, die bei der Besetzung der Planstelle nicht zum Zug kommen, die untrennbare Folge der Besetzung der Planstelle mit dem berücksichtigten Bewerber darstellt. Richtigerweise hätte die belangte Behörde daher nur einen einheitlichen Bescheid über die Besetzung der Planstelle zu erlassen gehabt, der allen Parteistellung genießenden Bewerbern um diese Planstelle zuzustellen ist. Eine unterschiedliche Betrachtungsweise ergibt sich auch nicht daraus, dass die Bestellung vorliegendenfalls mit Entschließung des Bundespräsidenten erfolgte. Auch diesfalls ist - bei Vorliegen eines Mehrparteienverfahrens - der über diese Bestellung ergehende (Intimations‑)Bescheid des zuständigen Bundesministers allen Parteistellung genießenden Bewerbern zuzustellen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2004, Zl. 2003/12/0101). Die von der Behörde zu erlassende Verfügung über die Besetzung der Planstelle umfasst somit nicht nur die Ernennung eines Bewerbers auf diese Planstelle, sondern auch die Nichtstattgebung der anderen Bewerbungen. Um eine (weitere) solche Nichtstattgebung handelt es sich aber bei der hier nach dem Spruch des zweitangefochtenen Bescheides vorgenommenen "Ablehnung" der Ernennung des Beschwerdeführers. Es bestand somit keine Rechtsgrundlage dafür, über die Bewerbungen des Beschwerdeführers und der weiteren Mitbewerber gesonderte Bescheide zu erlassen. Dass es sich bei den angefochtenen Bescheiden nicht um einen Verwaltungsakt und einen Bescheid handelt, ergibt sich schon daraus, dass die beiden angefochtenen Bescheide jeweils an unterschiedliche Adressaten gerichtet waren und überdies von verschiedenen Personen approbiert wurden.

Schließlich erweist sich der erstangefochtene Bescheid auch deshalb als rechtswidrig, weil er begründungslos ist (vgl. auch hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2010, Zl. 2006/12/0112). Aus diesem Erkenntnis folgt auch, dass die hier aufgezeigten, bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide unterlaufenen Rechtsirrtümer aus Anlass der vorliegenden (infolge der vom Verfassungsgerichtshof überbundenen Parteistellung des Beschwerdeführers) zulässigen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde aufzugreifen und die angefochtenen Bescheide deshalb wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben waren.

Darüber hinaus rügt der Beschwerdeführer zu Recht, dass die angefochtenen Bescheide auch deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet sind, weil der Erstmitbeteiligte im zweiten Rechtsgang des Ernennungsverfahrens weiter berücksichtigt und letztlich auch ernannt wurde, obwohl seine Bewerbung mit einem - jedenfalls nach der Aktenlage - nach wie vor rechtskräftigen Bescheid der belangten Behörde vom 1. Juni 2005 bereits abgewiesen worden war.

Zu Unrecht beruft sich die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf, dass der zitierte Bescheid vom 1. Juni 2005 deshalb aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sei, weil der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. September 2008, B 1158/08, den (Intimations‑)Bescheid über die Ernennung des Beschwerdeführers aufgehoben hat. Anders als die belangte Behörde offenbar meint, handelt es sich bei dem die Bewerbung des Erstmitbeteiligten abweisenden Bescheid vom 1. Juni 2005 nicht um einen von dem zitierten (Intimations‑)Bescheid vom 24. Mai 2005 als "Grundlagenbescheid" "abgeleiteten Bescheid", welcher nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts mit der Aufhebung des "Grundlagenbescheides" automatisch wegfiele.

So hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 1989, Zl. 88/17/0199, Folgendes ausgesprochen:

"Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid lediglich darauf gestützt, dass mit Bescheid vom 7. Juli 1988 die der Beschwerdeführerin am 5. Mai 1982 erteilte Devisenhandelsermächtigung gemäß § 2 Abs. 1 Devisengesetz entzogen worden sei. Andere Gründe für die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Ermächtigung zur Durchführung bestimmter Devisenhandelsgeschäfte hat die belangte Behörde nicht angeführt.

Mit Erkenntnis vom 3. Oktober 1989, B 1413/88-11, hat der Verfassungsgerichtshof den genannten Bescheid vom 7. Juli 1988 wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes aufgehoben. Diese Aufhebung wirkt auf den Zeitpunkt der Erlassung des aufgehobenen Bescheides zurück (ex-tunc-Wirkung). Damit tritt die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat. Eine diese Rechtsfolge ausdrücklich regelnde Bestimmung enthält das VfGG 1953 allerdings im Gegensatz zu § 42 Abs. 3 VwGG nicht, doch ergibt sich dies unmittelbar aus § 87 Abs. 2 VfGG 1953 (vgl. Klecatsky-Öhlinger,

Die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts, MGA 1984, E 5. und 18. zu § 87 VfGG 1953).

Diese ex-tunc-Wirkung bedeutet, dass der Rechtszustand zwischen Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses bedeutet auch, dass allen Rechtsakten und faktischen (Vollzugs‑)Akten, die während der Geltung des dann aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde (vgl. zur Vorschrift des § 42 Abs. 3 VwGG Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, 185, sowie die Erkenntnisse vom 31. Oktober 1978, Zlen. 1785-1788/78, und vom 29. November 1985, Zl. 85/17/0030).

Da der hier angefochtene Bescheid und der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bescheid auch nicht etwa darüber hinaus in einem gesetzlich normierten, untrennbaren Zusammenhang - etwa nach Art des stufenförmigen Aufbaues von Titelbescheid und einer Abfolge von Vollstreckungsakten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1956, Slg. Nr. 4084/A; aber auch die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 1976, Slg. Nr. 7908, und vom 23. Juni 1982, B 453/79, und die dort als untrennbar aufgefassten Verfahrenszusammenhänge) -

stehen, ist der angefochtene Bescheid durch die Aufhebung des Bescheides vom 7. Juni 1988 normativ nicht etwa in Wegfall geraten, sondern hat infolge der ex-tunc-Wirkung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes die von der belangten Behörde zur Begründung herangezogene Basis verloren (vgl. auch hiezu das bereits zitierte Erkenntnis vom 29. November 1985, Zl. 85/17/0030)."

Auch vorliegendenfalls standen der (Intimations‑)Bescheid vom 24. Mai 2005 und der die Bewerbung des Erstmitbeteiligten abweisende Bescheid vom 1. Juni 2005 keinesfalls in einem "gesetzlich normierten, untrennbaren Zusammenhang - etwa nach Art des stufenförmigen Aufbaues von Titelbescheid und einer Abfolge von Vollstreckungsakten"; es wäre vielmehr - wie oben ausgeführt - rechtens eine einheitliche Entscheidung im Mehrparteienverfahren geboten gewesen, wohingegen die belangte Behörde auch schon im ersten Rechtsgang des Ernennungsverfahrens rechtswidrigerweise eine vom Ernennungsakt abgesonderte Entscheidung betreffend die Abweisung der Bewerbung des Erstmitbeteiligten getroffen hat. Diese nach der Aktenlage dem Rechtsbestand nach wie vor zugehörige Entscheidung war daher ungeachtet der Aufhebung des (Intimations‑)Bescheides vom 24. Mai 2005 durch den Verfassungsgerichtshof von den Verwaltungsbehörden weiterhin zu beachten.

Im Übrigen wäre - selbst bei gedachter Zulässigkeit der Trennung von Abweisung und Ernennung - jedenfalls die Annahme unzutreffend, wonach die Abweisung der Bewerbung des Erstmitbeteiligten etwa stufenförmig auf der Ernennung des Beschwerdeführers aufgebaut habe. Charakteristisch für den "abgeleiteten Bescheid" ist es nämlich, dass er zwar das Vorhandensein des "Grundlagenbescheides" voraussetzt, darüber hinaus aber bei seiner Erlassung weitere Umstände zu prüfen sind. Nun setzte aber die Ernennung des Beschwerdeführers im ersten Rechtsgang denklogisch die Abweisung der Bewerbung des Erstmitbeteiligten voraus, im gedachten Fall der Zulässigkeit der Trennung der beiden Entscheidungen aber keinesfalls die Abweisung einer Bewerbung die Ernennung eines bestimmten anderen Bewerbers.

Aus all diesen Gründen ist der in Rede stehende Bescheid vom 1. Juni 2005 durch die Aufhebung des (Intimations‑)Bescheides vom 24. Mai 2005 nicht weggefallen und bewirkte auf Grund seiner Rechtskraft die Abweisung der Bewerbung des Erstmitbeteiligten, was dessen Ernennung durch den erstangefochtenen Bescheid ausschloss.

Indem die belangte Behörde all dies verkannte, belastete sie die angefochtenen Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass diese gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Der Zweitmitbeteiligten konnte im Verfahren über den zweitangefochtenen Bescheid schon deshalb keine Kosten zugesprochen werden, weil sie aus dem Grunde des § 47 Abs. 3 zweiter Halbsatz VwGG nur dann als obsiegende Partei anzusehen wäre, wenn die Beschwerde gegen diesen Bescheid abgewiesen worden wäre.

Wien, am 1. März 2012

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