VfGH B900/05

VfGHB900/0525.9.2006

Verletzung im Gleichheitsrecht durch objektive Willkür bei der Besetzung einer Direktorenstelle an einer Höheren Bundeslehranstalt; keine ausreichende Bescheidbegründung

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
BDG 1979
VfGG §88
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
BDG 1979
VfGG §88

 

Spruch:

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Sie ist an der Höheren Bundeslehranstalt (HBLA) für Tourismus in Krems als Professorin tätig. Die Beschwerdeführerin bewarb sich - mit weiteren Personen - fristgerecht um die im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 10. September 2003 ausgeschriebene Stelle eines Direktors an der genannten Schule.

Im Verfahren zur Besetzung dieser Stelle erstattete das Kollegium des Landesschulrates für Niederösterreich der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur einen Besetzungsvorschlag, in dem der Mitbewerber, mit dem die ausgeschriebene Stelle in der Folge besetzt wurde, an erster und die Beschwerdeführerin an zweiter Stelle gereiht war.

In weiterer Folge wurde dieser Mitbewerber auf Vorschlag der genannten Bundesministerin mit Entschließung des Bundespräsidenten zum Direktor der HBLA für Tourismus in Krems ernannt, wovon der erfolgreiche Bewerber mit Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Kenntnis gesetzt wurde.

2. Mit einem weiteren Bescheid der genannten Bundesministerin wurde die Bewerbung der Beschwerdeführerin um die genannte Direktorenstelle abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 Abs1 B-VG) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheids begehrt wird.

Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur als belangte Behörde erstattete - unter Vorlage der Verwaltungsakten - eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin legte in der Folge noch ein in ihrer Sache erstattetes Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission vor.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde auf das Wesentliche zusammengefasst vor, dass diese

"objektive Willkür ... durch eine Aneinanderreihung von [die Beschwerdeführerin] benachteiligenden Maßnahmen, Entscheidungen und Verhalten der belangten Behörde und deren 'Erfüllungsgehilfen' in der mittelbaren Bundesverwaltung zum Nachteil der Beschwerdeführerin ausgeübt [habe]. Ihre Vollendung hat der Willkürakt in der Erlassung eines in der Begründung absolut nicht auf die Erfahrungen und Qualifikationen der Beschwerdeführerin eingehenden Bescheides, sohin eines unbegründeten Bescheides gefunden".

2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und da kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

In Fällen wie dem hier vorliegenden ist - nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 16.906/2003 und 17.282/2004, jeweils mwN) - der Behörde ein willkürliches Verhalten unter anderem dann vorzuwerfen, wenn sie es unterlassen hat, in einem für die zu treffende Auswahl unter den vorgeschlagenen Bewerbern entscheidenden Punkt Gründe und Gegengründe einander gegenüberzustellen und gegeneinander abzuwägen. Dabei hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob die von der belangten Behörde getroffene Auswahl in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, wohl aber, ob die Behörde bei dieser Auswahl von sachlichen Erwägungen geleitet war. Im Hinblick darauf müssen aber die für die getroffene und beim Verfassungsgerichtshof bekämpfte Entscheidung maßgeblichen Erwägungen aus der Begründung des Bescheides hervorgehen. Nur auf diese Weise ist nämlich die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle solcher Bescheide durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts möglich.

3. Im vorliegenden Fall erschöpft sich die Begründung der von der belangten Behörde getroffenen Entscheidung in Folgendem:

"Unabhängig von den - auch den anderen in den Vorschlag des Landesschulrates aufgenommenen Personen - und sohin auch Ihnen zukommenden und anzuerkennenden Qualifikationen und Fähigkeiten, sprechen für den nunmehr ernannten Bewerber in Bezug auf das in der Ausschreibung genannte Kriterium 'Kooperation mit der Wirtschaft', seine Erfahrungen, die die Abhaltung von EDV-Kursen für Firmen, Vorbereitungskursen für Versicherungskaufleute, die Organisation von Sportveranstaltungen und die Leitung einer Übungsfirma umfassen.

Ebenso konnte der Ernannte auch durch die Tätigkeit in Verwaltungs- und Aufsichtsgremien im Bankbereich diesbezügliche Praxiserfahrungen und Kenntnisse sammeln. Daher überwiegen in diesem ausschreibungsrelevanten Anforderungspunkt, im Vergleich zum weiteren Mitbewerber und Ihnen, die fachspezifischen erforderlichen Erfahrungen des Ernannten.

Im Bereich Projektmanagement waren beim ernannten Bewerber (neben der Organisation von Schulprojekten), die gewonnenen Kenntnisse durch die Koordination des Ausbildungsschwerpunktes 'Medieninformatik' und die Betreuung und Organisation der Projektgruppe zur Umsetzung des Internetauftrittes humanberuflicher Schulen in Österreich hervorzuheben.

Aus einer alle vorliegenden Informationen einbeziehende Gesamtbeurteilung sprechen für den Ernannten seine Erfahrungen durch Berufspraxiszeiten in der Privatwirtschaft und auch die in der Ausschreibung angeführte Fähigkeit zur Übernahme von Führungsaufgaben.

Diese geht insbesondere aus der Übernahme der stellvertretenden ARGE-Leitung für kaufmännische Fächer, seiner Tätigkeit als Seminarleiter/Lehrbeauftragter am Pädagogischen Institut für Niederösterreich (Projektmanagement, Fachdidaktik für kaufmännische Gegenstände, ÜFA-Leiter) sowie des Vorsitzes des Dienststellenausschusses seit 1991 hervor.

Diese erworbenen Fähigkeiten und Erfahrungen waren im Vergleich zu den von Ihrem Mitbewerber und Ihnen vorgewiesenen Kenntnisse und Praxis als für die ausgeschriebene Planstelle gewichtiger zu werten.

Im Hinblick auf die weitestgehende Erfüllung der in der Ausschreibung angeführten und im BDG vorgesehenen Auswahlkriterien war daher die ausgeschriebene Planstelle an Ihren Mitbewerber zu verleihen und Ihre Bewerbung abzuweisen."

Damit hat es die belangte Behörde verabsäumt, bei der von ihr zu treffenden (Auswahl-)Entscheidung die für und gegen die Beschwerdeführerin sprechenden Kriterien einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen und derart das Übergehen der Beschwerdeführerin zu begründen. Der Bescheidbegründung ist zwar zu entnehmen, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung die Kriterien "Kooperation mit der Wirtschaft", "Projektmanagement" und "Fähigkeit zur Übernahme von Führungsaufgaben" als maßgeblich erachtet. Auf Grund welcher Überlegungen sie jedoch zum Ergebnis kommt, dass die diesbezüglichen "Fähigkeiten und Erfahrungen" des erfolgreichen Mitbewerbers als "gewichtiger zu werten" waren als die von der Beschwerdeführerin "vorgewiesenen Kenntnisse und Praxis", ist dem Bescheid nicht zu entnehmen.

Die belangte Behörde hat daher bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides, an der oben zitierten ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gemessen "objektive Willkür" geübt.

Hinzuweisen ist ferner darauf, dass eine derart krasse Mangelhaftigkeit der Bescheidbegründung nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 16.906/2003) auch nicht etwa dadurch behoben werden kann, dass die belangte Behörde ihre Motivation in der Gegenschrift darlegt.

4. Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid war daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie Eingabengebühr in der Höhe von € 180,-- enthalten.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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