Normen
AVG §13a
AVG §37
AVG §45 Abs2
EGVG Art8 Fall2
PolStG NÖ 1975 §1 lita
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1987100136.X00
Spruch:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den vier angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe a) in der Nacht vom 27. zum 28. April 1986 in der Zeit von 23.00 bis 4.45 Uhr (Bescheid vom 22. Juli 1987, Zl. I/2‑St‑8739), b) am 18. Mai 1986 in der Zeit zwischen 0.30 und 6.00 Uhr (Bescheid vom 21. Juli 1987, Zl. I/2‑St‑8740), c) in der Nacht vom 6. auf den 7. Juli 1986 in der Zeit von 23.45 bis 0.30 Uhr (Bescheid vom 22. Juli 1987, Zl. I/2‑St‑8741) und d) am 28. Juli 1986 gegen 23.23 Uhr (Bescheid vom 22. Juli 1987, Zl. I/2‑St‑8742) jeweils dadurch, daß sie es unterlassen habe, die Hunde in ihrem Tierheim schalltechnisch besser zu verwahren, durch deren lautes Bellen und Jaulen ungebührlicherweise störenden Lärm erregt und dadurch jeweils eine Verwaltungsübertretung nach § 1 lit. a des NÖ Polizeistrafgesetzes (LGBl. Nr. 4000‑0) begangen. Es wurde jeweils eine Geldstrafe verhängt sowie eine Ersatzarreststrafe festgesetzt.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof, in welchen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen des sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Er hat erwogen:
In den (im wesentlichen gleichlautenden) Beschwerden wird zunächst vorgebracht, die belangte Behörde habe es unterlassen, auf den Umstand Bedacht zu nehmen, daß das gegenständliche Tierheim ein (näher zitierter) Verein betreibe, deren Obfrau die Beschwerdeführerin sei; dies hätte bei der (jeweiligen) Umschreibung der Tat zum Ausdruck kommen müssen. Dazu hat die belangte Behörde in ihren Gegenschriften allerdings zu Recht vorgebracht, daß es sich hiebei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung handelt, sodaß darauf nicht näher einzugehen ist.
Gemäß § 1 lit. a des NÖ Polizeistrafgesetzes begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt.
Lärm ist dann störend, wenn er seiner Art und/oder seiner Intensität wegen geeignet ist, das Wohlbefinden normal empfindender Menschen zu stören; dazu gehört zweifellos auch Hundegebell. Lärm wird ungebührlicherweise erregt, wenn das Verhalten, das zur Erregung des Lärmes führt, jene Rücksicht vermissen läßt, die im Zusammenleben verlangt werden kann. Derjenige, welcher die Verantwortung für den Hund trägt, hat somit die nach den Umständen des Falles erforderlichen Vorkehrungen zur Vermeidung der Erregung ungebührlichen Lärmes zu treffen und es fällt ihm die Lärmentwicklung aufgrund der Unterlassung dieser Vorkehrungen zur Last (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1983, Zl. 83/10/0078). Die Strafbarkeit ist bereits gegeben, wenn die Lärmerregung nach einem objektiven Maßstab geeignet erscheint, von anderen nicht beteiligten Personen als ungebührlich und störend empfunden zu werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1984, Zl. 83/10/0298). Dieser objektive Maßstab ist - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin -, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Juni 1987, Zl. 85/10/0105, dargetan hat, unter Zugrundelegung der tatsächlichen Gegebenheiten (und nicht nach Ö-Normen oder Flächenwidmungen) zu finden. Weiters hat der Gerichtshof in diesem Erkenntnis zum Ausdruck gebracht, daß zur Feststellung, ob Lärm objektiv geeignet ist, von unbeteiligten Personen als ungebührlich und störend empfunden zu werden, die Erfahrungen des täglichen Lebens genügen; er hat daher auch die damalige Verfahrensrüge in Hinsicht auf eine unterlassene Schallpegelmessung als nicht berechtigt angesehen.
Soweit die Beschwerdeführerin in den vorliegenden Beschwerdefällen eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide mit dem Hinweis auf das von ihr im jeweiligen Verwaltungsverfahren vorgelegte lärmtechnische Gutachten der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt vom 27. Jänner 1986 darzutun versucht, vermag ihr der Gerichtshof schon deshalb nicht beizupflichten, weil dieses Gutachten auf Lärmmessungen (unter Zugrundelegung der Richtlinie Nr. 3, Blatt 1, des Österreichischen Arbeitsringes für Lärmbekämpfung) basiert, welche nicht zu den Tatzeiten vorgenommen wurden und sohin damit nicht dargetan wird (vgl. zur „Nicht‑Rekonstruierbarkeit“ das zitierte hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1987, Zl. 85/10/0105), daß die von der belangten Behörde herangezogenen Zeugenaussagen in Hinsicht auf die objektive Eignung des Hundegebells zur jeweiligen Tatzeit als ungebührlich und störend empfunden zu werden, den Erfahrungen des täglichen Lebens widersprächen. Vielmehr ergibt sich aus diesem Gutachten etwa, daß sich die von den Zeugen bewohnten Häuser in (nur) ca. 70 m Entfernung von dem in Rede stehenden Tierheim befinden. Im übrigen vermag der Gerichtshof der Beschwerdeführerin darin nicht zu folgen, daß von einem „störenden“ Lärm nur dann gesprochen werden könne, „wenn der Schallpegel ortsübliche Werte bzw. gesetzte Emissionsgrenzwerte erheblich überschreitet“ (vgl. in diesem Zusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1984, Slg. Nr. 11.333/A). Daher sind die von der Beschwerdeführerin in dieser Hinsicht behaupteten Mängel in der Begründung der angefochtenen Bescheide nicht wesentlich.
Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die belangte Behörde habe es unterlassen, die Beschwerdeführerin aufzufordern, weitere Beweise anzubieten, zumal sie sich „weitere Beweise“ vorbehalten habe, vermag sie gleichfalls eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun, war die Beschwerdeführerin doch nicht daran gehindert, weitere Beweisanträge zu stellen und auch die belangte Behörde nicht verpflichtet, sie in dieser Hinsicht anzuleiten.
Was schließlich die Verfahrensrüge betrifft, die belangte Behörde habe es unterlassen, mit der Beschwerdeführerin zu erörtern, in welcher Weise sie das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Gutachten zu würdigen beabsichtige, genügt der Hinweis, daß sich das Recht auf Gewährung des Parteiengehörs nur auf die sachverhaltsbezogenen Feststellungen der Behörde, nicht aber auch auf deren rechtliche Würdigung bezieht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. November 1985, Zl. 85/02/0208).
Die vorliegenden Beschwerden erweisen sich somit als unbegründet, sie sind daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 21. Dezember 1987
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