B-VG Art133 Abs4
DSG §1
DSG §4
DSGVO Art2 Abs1
DSGVO Art2 Abs2 litc
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2024:W252.2286224.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Elisabeth SCHMUT LL.M. als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichterinnen Dr.in Claudia ROSENMAYR-KLEMENZ und Mag.a Adriana MANDL als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX (mitbeteiligte Partei vor dem Verwaltungsgericht XXXX ), gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 04.01.2024, GZ XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung in einer datenschutzrechtlichen Angelegenheit zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird abgewiesen und der Spruch des bekämpften Bescheides mit der Maßgabe bestätigt, dass es zu lauten hat:
„1. Die Beschwerde hinsichtlich der Verarbeitung von Standortdaten des BF wird mangels Zuständigkeit der Datenschutzbehörde gemäß § 4 Abs 1 DSG und Art 2 Abs 1 DSGVO iVm § 6 Abs 1 AVG zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde hinsichtlich der behaupteten Abhörung der Umgebungsgeräusche des BF wird abgewiesen.“
B) Die Revision ist zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Eingabe vom 19.05.2021 erhob der Beschwerdeführer (in Folge „BF“) eine Datenschutzbeschwerde an die belangte Behörde und brachte zusammengefasst vor, die mitbeteiligte Partei (in Folge „MP“) habe ihn in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt, indem sie auf dem Handy der gemeinsamen Tochter eine App installiert habe, welche Standortabfragen und die Aufzeichnung von Umgebungsgeräuschen ermögliche. Die App auf dem Handy der Tochter erfasse damit nicht nur seine Standortdaten, sondern auch sensible Daten aus seinem beruflichen Umfeld.
2. Mit Bescheid vom 04.01.2024 wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte sie hinsichtlich der Standortabfragen zusammengefasst aus, dass die DSGVO im Hinblick auf die Haushaltsausnahme der DSGVO nicht anwendbar sei. Die Funktion Umgebungsgeräusche abzuhören habe die MP nicht verwendet.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde des BF vom 31.01.2024. Im Wesentlichen brachte er darin vor, dass die von der belangten Behörde herangezogene Haushaltsausnahme nicht anwendbar sei. Darüber hinaus sei weder der Sachverhalt gehörig erhoben worden, noch sei die Beweiswürdigung der belangten Behörde nachvollziehbar.
4. Die belangte Behörde legte die Beschwerde unter Anschluss des Verwaltungsakts mit Schriftsatz vom 05.02.2024, hg eingelangt am 09.02.2024, vor und beantragte die Beschwerde – unter Verweis auf die Begründung des Bescheids – abzuweisen.
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die MP und der BF haben eine gemeinsame Tochter, die ca 30% des Jahres beim BF verbringt.
1.2. Auf dem Handy der gemeinsamen Tochter installierte die MP mit Zustimmung der Tochter im Zeitraum September 2020 bis inklusive Mai 2021 die App „Pingo!“, mit der Eltern ua den Standort des Handys ihrer Kinder orten können.
1.3. Die MP installierte die App nachdem ihre damals elfjährige Tochter vom Land nach Wien gezogen ist und sich in der Gegend nicht auskannte, sich schwer orientieren konnte und sich verirrte. Die MP verfolgte mit der App den Zweck ihre Tochter zu finden, wenn sich diese in der Stadt verirrt.
1.4. Die MP führte über die App zumindest am 10.05.2021 um 06:07 Uhr eine Standortbestimmung des Handys der Tochter durch. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Tochter unter der Aufsicht des BF.
1.5. Die Funktion „Umgebungsgeräusche“ der App „Findmykids“ (Eltern-App) bzw „Pingo“ (dazugehörige Kinder-Begleitapp) war für die MP nicht verfügbar und wurde von ihr nicht benutzt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur gemeinsamen Tochter der MP und des BF, ergeben sich aus dem übereinstimmenden und glaubhaften Vorbringen der MP und des BF. Demnach hat die MP zwar das alleinige Sorgerecht, allerdings verbringt diese ca 30% ihrer Zeit beim BF (siehe die Datenschutzbeschwerde des BF, S 2; OZ 1, S 30; sowie die Stellungnahme der MP vom 03.09.2021; OZ 1, S 40).
2.2. Die Feststellung zum Namen der App, dem Nutzungszeitraum, sowie dem damaligen Alter der gemeinsamen Tochter ergibt sich nachvollziehbar aus dem Vorbringen des BF. Demnach wurde das Handy im September 2020 angeschafft und die Standortabfragen von ihm im Mai 2021 bemerkt, sowie mit Screenshots belegt (vgl die Datenschutzbeschwerde des BF, S 2 und Beilage ./A; OZ 1, S 26, 30; sowie die Bescheidbeschwerde, S 2, Abbildung 1; OZ 1, S 200). Darüber hinaus wurde die Installation der Ortungs-App „Pingo“ im September 2020 von der MP bestätigt bzw der vom BF selbst angegebene Nutzungszeitraum bis inklusive Mai 2021 nicht bestritten, weshalb keine Anhaltspunkte gegeben waren, um an diesen Angaben zu zweifeln (siehe die Stellungnahme der MP vom 03.09.2021; OZ 1, S 40; sowie die Stellungnahme der MP vom 28.11.2020, S 2; OZ 1, S 103). Das Ende des (hier relevanten) Nutzungszeitraumes ergibt sich ua auch aus den Ausführungen des BF, dass er seiner Tochter, ab Bekanntwerden der Standortbestimmung über die App, ein alternatives Handy bereitgestellt hat, um damit „weitere Aufzeichnungen“ zu unterbinden (vgl die Stellungnahme des BF vom 16.12.2022, S 2; OZ 1, S 120). Darüber hinaus gab die MP an, dass die Tochter mittlerweile ein neues Handy habe, auf dem die App nicht mehr installiert sei (vgl die Stellungnahme der MP vom 28.11.2022, S 1; OZ 1, S 102).
2.3. Die Feststellungen zum Zweck der Standortabfragen ergeben sich aus dem schlüssigen und überzeugenden Vorbringen der MP in ihrer Stellungnahme vom 03.09.2021 (OZ 1, S 40). Der Beginn der App-Nutzung in Verbindung mit dem Umzug der Tochter an einen neuen Wohnort, samt den damit verbundenen Schwierigkeiten der örtlichen Orientierung, waren jedenfalls nachvollziehbar. Das Vorbringen des BF in seiner Stellungnahme vom 08.04.2022, wonach die MP eine „Verfolgung/Überwachung“ anstrebte war hingegen nicht nachvollziehbar und konnte nicht überzeugen. Zum einen erfolgte die Standortbestimmung, wie der BF und die MP übereinstimmend angaben, automatisiert und zum anderen ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Tochter des BF auch an Tagen, an denen sie sich beim BF befindet verirrt, so geht sie auch an diesen Tagen in die Schule (Donnerstag bis Montag war die Tochter beim BF) bzw unternimmt Freizeitaktivitäten (vgl OZ 1, S 70). Es konnte daher die entsprechende Feststellung hinsichtlich des Zwecks getroffen werden.
2.4. Die Angaben zur Standortbestimmung am 10.05.2021, sowie dass sich die Tochter zu diesem Zeitpunkt in der Obhut des BF befand, wurden vom BF glaubhaft in seiner Datenschutzbeschwerde vorgebracht und mit entsprechenden Screenshots belegt (vgl die Datenschutzbeschwerde des BF, S 2 und Beilage ./A; OZ 1, S 26, 30).
2.5. Die Feststellung, dass die Funktion „Umgebungsgeräusche“ für die MP nicht verfügbar war bzw von ihr auch nicht benutzt wurde ergibt sich – wie bereits von der belangten Behörde ausgeführt – aus dem nachvollziehbaren und glaubhaften Vorbringen der MP, wonach sie die Abhörfunktion nie benutzt habe. Außerdem legte die MP diesbezüglich einen Screenshot vor, der klar zeigt, dass die Funktion Umgebungsgeräusche „aufgrund des Telekommunikationsgesetztes in Deutschaland nicht verfügbar“ ist (vgl die Stellungnahme der MP vom 03.09.2021, OZ 1, S 40 f). Darüber hinaus legte die MP ein E-Mail des Referats Z21, Zentrale Rechtsangelegenheiten, Datenschutz der Bundesnetzagentur in Bonn vom 19.10.2021 vor, indem ausgeführt wurde, dass die Funktion des Abhörens von Umgebungsgeräuschen bereits seit März 2019 deaktiviert wurde (vgl die Stellungnahme der MP vom 28.11.2022; OZ 1, S 106 f).
Die vom BF bereits vor der belangten Behörde geäußerten Zweifel konnten hingegen nicht überzeugen, zumal er (im Gegensatz zur Standortbestimmung) keine Angaben dazu machte, dass er jemals bemerkt hätte, dass eine tatsächliche Aufnahme der Umgebungsgeräusche stattgefunden habe (eine solche wäre wohl ebenso über eine Benachrichtigung am Handydisplay der Tochter ersichtlich). Der bloße Umstand, dass der Hersteller der verfahrensgegenständlichen App die Funktion in der Vergangenheit beworben hat, diese in Rezensionen kommentiert wurde bzw es Online-Artikel gibt, die sich mit der Funktion „Gespräche der Kinder abhören“ beschäftigten bedeutet noch nicht, dass die MP diese Funktion auch tatsächlich verwendet hat. Wie der BF selbst vorbringt, hat der Hersteller der App die Abhör-Funktion bereits im April 2022 nicht mehr beworben und auch die vom BF vorgelegten Rezensionen deuten darauf hin, dass die entsprechende Funktion „einfach entfernt wurde“ bzw deren Nutzung „neuerdings nicht mehr möglich war“ (siehe die Bescheidbeschwerde des BF, S 3 ff; OZ 1, S 201 ff). Selbst wenn die Funktion über Umwege (Änderung der Spracheinstellungen) verfügbar gewesen wäre (vgl zur Umgehungsmöglichkeit die vom BF vorgelegte Rezension vom 01.07.2022 in seine Bescheidbeschwerde, Abbildung 3; OZ 1, S 202), so kamen keinerlei Anhaltspunkte hervor, dass diese Funktion von der MP auch tatsächlich genutzt hat. Im Gegenteil bestätigte der BF damit sogar die – durch das vorgelegte E-Mail belegten – Angaben der MP, wonach die Abhörfunktion bereits seit einem Update im März 2019 deaktiviert wurde. Da keinerlei Hinweise dazu hervorkamen, dass die MP die Funktion über Umwege nutzbar machte, konnte die Feststellung getroffen werden, dass die Funktion „Umgebungsgeräusche“ der App „Pingo“ bzw „Findmykids“ für die MP nicht verfügbar war und von ihr somit auch nicht benutzt wurde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Die zulässige Beschwerde ist nicht berechtigt.
3.1. Zur Anwendbarkeit der DSGVO hinsichtlich der Standortdaten:
Gemäß Art 2 Abs 2 lit c DSGVO findet die DSGVO keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (zum dahingehend gleichlautenden Art 3 Abs 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 95/46/EG ) nimmt diese Bestimmung Datenverarbeitungen aus, die zur Ausübung von Tätigkeiten vorgenommen wird, von denen es nicht einfach heißt, dass sie persönlich und familiär sein müssen, sondern dass sie „ausschließlich“ persönlich oder familiär sein müssen. Es sind daher nur Tätigkeiten erfasst, die zum Privat- oder Familienleben von Privatpersonen gehören. Insofern kann eine Tätigkeit nicht als ausschließlich persönlich oder familiär im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden, wenn sie zum Gegenstand hat, personenbezogene Daten einer unbegrenzten Zahl von Personen zugänglich zu machen, oder wenn sie sich auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstreckt und dadurch auf einen Bereich außerhalb der privaten Sphäre desjenigen gerichtet ist, der die Daten verarbeitet (vgl EuGH 10.07.2018, C-25/17 , Jehovan todistajat, Rz 40 ff mwN).
Entscheidend für die in Art 2 Abs 2 lit c DSGVO normierte Ausnahme vom Anwendungsbereich der DSGVO („household exemption“) ist, dass der Datenumgang im privaten Aktionskreis stattfindet. Öffentlich sichtbare Datensammlung sind nicht aufgrund der household exemption ausgenommen. Der persönlich-familiäre Bereich ist zB überschritten, wenn ein Ehegatte E-Mail-Verkehr oder Chatprotokolle des anderen Ehegatten in einem die gemeinsamen Kinder betreffenden Pflegschaftsverfahren in Form von Ausdrucken dem Pflegschaftsgericht zur Verfügung stellt (vgl RIS-Justiz RS0132579).
Nicht übersehen werden sollte, dass es sich beim Begriff der „Haushaltsausnahme“ um einen umgangssprachlichen Terminus handelt, es jedoch gerade nicht darauf ankommt, ob Verantwortliche und betroffene Personen im selben Haushalt zusammenleben oder nicht. Vielmehr ist auf den rein privaten Zweck der jeweiligen Verarbeitungstätigkeit abzustellen. Korrespondierend dazu beziehen sich die Kriterien „persönlich“ und „familiär“ auf die Tätigkeiten jener Person, die personenbezogene Daten verarbeitet, und nicht auf die Person, deren Daten verarbeitet werden. Typisch „privat“ sind bspw Datenverarbeitungen im Zusammenhang mit der eigenen Freizeitgestaltung und Hobbies, oder die Anfertigung von Urlaubsaufnahmen zu rein privaten Unterhaltungszwecken. Die Auslegung, was letztlich als persönliche oder familiäre Tätigkeit anzusehen ist, richtet sich dabei nach der Verkehrsanschauung und kann der Begriff „Familie“ (losgelöst von einer streng familienrechtlichen Interpretation) auch unabhängig von Ehe und Kindschaft als „familiär“ anzusehende Beziehungen abdecken. Ob die in Frage kommenden Verarbeitungstätigkeiten diese Voraussetzungen im Ergebnis erfüllen, ist stets anhand des Einzelfalls zu beurteilen (vgl Gerhalter in Jahnel (Hrsg), Datenschutzrecht: Jahrbuch (2022) Das Verhältnis der „Haushaltsausnahme“ nach der DSGVO zu Art 8 GRC und § 1 DSG, S 10 ff).
Auf den Fall angewendet bedeutet das:
Verfahrensgegenständlich sind insbesondere jene Standortabfragen, an Tagen, an denen die gemeinsame Tochter beim BF war (hier 10.05.2021) und zu Uhrzeiten, an denen angenommen werden kann, dass ein elfjähriges Kind schläft bzw bei der Aufsichtsperson zuhause ist (hier 06:07). Allerdings lassen diese Daten indirekt (zumindest für die MP als Kindesmutter) Rückschlüsse auf den Standort des Vaters zu und sind daher auch im Hinblick auf den BF personenbezogen (vgl EuGH 07.03.2024, C-604/22 , IAB Europe, Rz 38 f; wonach die indirekte Identifizierung unter Heranziehung von zusätzlichen Informationen nach Art 4 Z 1 DSGVO, für den Personenbezug ausreichend ist).
Wie ausgeführt, führt der bloße Umstand, dass die MP und der BF nicht mehr verheiratet sind bzw nicht im gemeinsamen Haushalt leben – entgegen der Ansicht des BF – allerdings nicht automatisch zur Unanwendbarkeit der Haushaltsausnahme (vgl Bescheidbeschwerde, S 14 f; OZ 1, S 212 f). Wesentlich ist insbesondere, ob die Datenverarbeitung im Hinblick auf die Verantwortliche MP den Kriterien „persönlich“ und „familiär“ gerecht wird (vgl Gerhalter in Jahnel (Hrsg), Datenschutzrecht: Jahrbuch (2022) Das Verhältnis der „Haushaltsausnahme“ nach der DSGVO zu Art 8 GRC und § 1 DSG, S 10 ff).
Sofern der BF vorbringt, dass eine Anwendung der Haushaltsausnahme bereits deshalb ausgeschlossen sei, da seine Privatsphäre betroffen sei, übersieht er, dass nach der Rechtsprechung des EuGH selbst Verarbeitungen unter die genannte Ausnahme fallen können, die „nebenbei das Privatleben anderer Personen betreffen oder betreffen können“. (vgl EuGH 11.12.2014, C-212/13 , Ryneš, Rz 32). Als Beispiele nennt der EuGH Schriftverkehr und die Führung von Anschriftenverzeichnissen. In der Literatur werden diesbezüglich ua auch Urlaubsfotos/-videos angeführt (vgl ua Bergauer in Jahnel, Kommentar zur Datenschutz-Grundverordnung Art. 2 DSGVO Rz 24; bzw Heißl in Knyrim, DatKomm Art 2 DSGVO Rz 69). Diese Beispiele veranschaulichen, dass selbst Datenverarbeitungen, die andere Personen betreffen (zB Anschriftenverzeichnisse), oder gar den öffentlichen Raum betreffen (Urlaubsfotos) dennoch als „ausschließlich“ persönlich oder familiär gelten können. Ausschlaggebend ist somit, dass die Datenverarbeitung in der ausschließlich persönlichen oder familiären Sphäre desjenigen vorgenommen wird, der die Daten verarbeitet (vgl EuGH 11.12.2014, C-212/13 , Ryneš, Rz 31).
Wie festgestellt, verarbeitete die MP die Standortdaten des Handys ihrer Tochter mit dem Zweck dieser bei der Orientierung in der neuen Stadt zu helfen bzw diese wiederzufinden, wenn sie sich verirrt hat. Die Unterstützung der Orientierung der eigenen Tochter, die Erhöhung der Sicherheit der eigenen Tochter bzw auch die Erhöhung des eigenen Sicherheitsgefühls im Hinblick auf das eigenen Kind stellt zweifelsfrei eine persönliche und familiäre Tätigkeit der MP dar. Solange das Handy der Tochter – wie hier – ausschließlich von dieser genutzt wird, sind allfällige Rückschlüsse auf Daten anderer Personen allenfalls indirekt möglich. Somit sind im Hinblick auf den Zweck aber selbst die hier gegenständlichen Informationen, dass sich die Tochter am 10.05.2021 um 06:07 in Sicherheit beim Kindesvater (dem BF) befindet bzw die daraus ableitbare Information, dass sich der BF um diese Uhrzeit wohl ebenfalls bei der minderjährigen Tochter aufhält, weiterhin vom genannten Zweck umfasst und ausschließlich familiärer Natur.
Im Ergebnis ist der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO im Hinblick auf die Standortdaten nach Art 2 Abs 2 lit c DSGVO somit nicht eröffnet.
3.2. Zur Anwendbarkeit des DSG hinsichtlich der Standortdaten:
Zur Frage, ob die Haushaltsausnahme des Art 2 Abs 2 lit c DSGVO und auf das DSG anwendbar ist, bestehen unterschiedliche Literaturmeinungen: Nach Heißl ist die „Haushaltsausnahme“ nicht auf das DSG anwendbar, weil dies dem Wortlaut der Durchführungsbestimmung des § 4 Abs 1 DSG nicht zu entnehmen sei (vgl Heißl in Knyrim, DatKomm Art 2 DSGVO Rz 58). Kunnert geht davon aus, dass es der Regelungsansatz des DSG sei, mit einem Minimum an Durchführungsbestimmungen auszukommen und – wenn immer möglich – auf diese zu verweisen. Der Norminhalt erschließe sich daher aus einer Zusammenschau aus Art 2 DSGVO und § 4 DSG (vgl Kunnert in Bresich/Dopplinger/Dörnhöfer/Kunnert/Riedl, DSG § 4, Rz 1). Pollirer/Weiss/Knyrim/Haidinger gehen davon aus, dass der einfachgesetzliche Teil des DSG keine Anwendung auf durch Art 2 Abs lit c DSGVO privilegierte Datenverarbeitungen finden (vgl Pollirer/Weiss/Knyrim/Haidinger, DSG4 § 4, Anm 1).
Im Sinne des Art 8 Abs 2 EMRK können materiell rechtliche Einschränkungen zum Grundrecht gemäß § 1 Abs 1 DSG (auf einfachgesetzlicher Ebene) nur zu festgelegten Zwecken gemacht werden. Allerdings decken sich insbesondere die Ausnahmen des Art. 8 Abs. 2 EMRK mit Art. 52 Abs. 1 EU-GRC und der Einschränkung von Art. 8 Abs. 2 EU-GRC. Ebenso hatte der EuGH bei der Anwendung der „Haushaltsausnahme“ keine Zweifel an deren Rechtskonformität (vgl. EuGH vom 10.7.2018, Zeugen Jehovas, C-25/17 ). Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die „Haushaltsausnahme“ auch nicht auf eine Weise angewendet werden kann, dass sie das primärrechtliche Grundrechteschutzniveau unterschreiten darf. Es ergibt sich daher auch, dass eine Anwendung der „Haushaltsausnahme“ nicht mit einer materiellen Einschränkung des Grundrechteschutzes im Sinne des § 1 Abs. 1 DSG gleichzusetzen ist, sondern vielmehr einer Erleichterung der Ausübung des in Art. 8 EMRK genannten Grundrechts auf Familienleben dient.
Der erkennende Senat gelangt daher zum Ergebnis, dass die „Haushaltsausnahme“ des Art. 2 Abs. 2 lit. c) DSGVO sowohl auf den einfachgesetzlichen Teil des DSG als auch auf § 1 Abs. 1 DSG anzuwenden ist.
3.3. Ergebnis hinsichtlich der Standortdaten:
Die belangte Behörde war demnach für die Behandlung der Datenschutzbeschwerde mangels Anwendbarkeit der DSGVO bzw der einfachgesetzlichen Bestimmungen des DSG unzuständig. Da ihre fehlende Zuständigkeit auf Grund der fehlenden Rechtsprechung, sowie der unterschiedlichen Literaturmeinungen nicht offenkundig war bzw auch keine andere Verwaltungsbehörde zuständig erscheint, war die belangte Behörde aber nicht gehalten, die Beschwerde gemäß § 6 AVG weiterzuleiten, sondern hätte die Datenschutzbeschwerde mangels Zuständigkeit zurückweisen müssen (VwGH 25.05.2023 Ra 2021/05/0066 RS 1; vgl auch VwGH 23.11.1993, 93/04/0216 bzw zur Verwaltungsgerichtsbarkeit VwGH 20.12.2023, Ko 2023/03/0002 Rz 28).
Zwar hätte das Verwaltungsgericht grundsätzlich eine Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Verwaltungsbehörde im Beschwerdeverfahren aufzugreifen und den bekämpften Bescheid zu beheben (vgl. VwGH 21.10.2020, Ra 2018/11/0205, mwN; 20.12.2023, Ko 2023/03/0002). In einem Fall wie diesen, in dem die Behörde die Beschwerde nicht nach § 6 Abs 1 AVG weiterleiten, sondern einen zurückweisenden Bescheid erlassen hätte müssen, war der Bescheid aber entsprechend abzuändern.
3.4. Zur Funktion „Umgebungsgeräusche“:
Wie festgestellt, war die Funktion „Umgebungsgeräusche“ herstellerseitig weder verfügbar, noch wurde diese von der MP benutzt. Folglich wurden diesbezüglich auch keine Daten des BF (zB Stimmaufzeichnungen) verarbeitet.
Mangels Datenverarbeitung scheidet allerdings auch eine Verletzung in den Rechten des BF aus.
Für die Zulässigkeit einer Datenschutzbeschwerde nach Art 77 DSGVO (bzw nach § 24 DSG) ist es – im Hinblick auf den Grundrechtlichen Anspruch der betroffenen Person auf Transparenz – ausreichend, wenn die betroffene Person die begründete Vermutung darlegt, dass Daten über die eigene Person verarbeitet werden (vgl Körffer in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung3 Art 77, Rz 2). Ausschlaggebend ist nicht, dass tatsächlich Daten verarbeitet wurden, vielmehr genügt die begründete Vermutung (vgl Moos/Schefzig in Taeger/Gabel (Hrsg), DSGVO BDSG TTDSG4 Art 77, Rz 5). Sollte sich – wie hier – im Laufe des Verfahrens herausstellen, dass keine Datenverarbeitung stattgefunden hat, ist die Beschwerde somit abzuweisen.
Der Spruch der belangten Behörde war daher hinsichtlich der behaupteten Abhörung der „Umgebungsgeräusche“ zu bestätigen und die dagegen erhobene Beschwerde abzuweisen.
3.5. Von einer (nicht beantragten) mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits von der Verwaltungsbehörde vollständig und in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und im Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Gerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. In der Beschwerde wurde auch kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender bzw darüberhinausgehender relevanter Sachverhalt behauptet (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/19/0171).
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt war hinsichtlich der Standortabfragen im Wesentlichen unbestritten, weshalb das Bundesverwaltungsgericht diesbezüglich ausschließlich über eine Rechtsfrage zu erkennen hatte (vgl EGMR 20.6.2013, Appl. Nr. 24510/06, Abdulgadirov/AZE, Rz 34 ff).
Die (disloziert in der rechtlichen Beurteilung vorgenommene) Feststellung hinsichtlich des Zwecks der Datenverarbeitung konnte von der belangten Behörde im Wesentlichen übernommen werden und musste lediglich präzisiert werden. Aber auch die belangte führte bereits aus, dass die Standortbestimmung vorrangig dazu diente den Standort der Tochter zu ermitteln (vgl den Bescheid, S 8; OZ 1, S 154). Die Bescheidbeschwerde richtete sich diesbezüglich ausschließlich gegen die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde (vgl insbesondere das dahingehende Vorbringen des BF, wonach die Haushaltsausnahme nicht anwendbar sei; Bescheidbeschwerde, S 8 ff; OZ 1, S 206 ff).
Hinsichtlich der Funktion „Umgebungsgeräusche“ wiederholte der BF in seiner Bescheidbeschwerde lediglich sein bisheriges, bereits vor der belangten Behörde erstattetes, Vorbringen, wonach er davon ausgehe, dass die MP seine private, als auch berufliche Kommunikation abgehört habe bzw dass die genannte Funktion im entscheidungsrelevanten Zeitraum verfügbar war (siehe dazu die Datenschutzbeschwerde, S 2 f; OZ 1, S 12 f; sowie die Stellungnahmen des BF vom 08.04.2022 und vom 16.12.2022; OZ 1, S 70 ff, 118 ff). Die vom BF in seiner Bescheidbeschwerde wiederholte Vorlage derselben sowie weiterer Rezensionen, aus denen hervorgeht, dass die Funktion „Umgebungsgeräusche“ nicht (mehr) funktioniere, löst allerdings noch keine Verhandlungspflicht aus. So kann nach der Rechtsprechung des VwGH das bloße wiederholen (siehe dazu ua die sowohl in der Stellungnahme vom 08.04.2022, als auch in der Bescheidbeschwerde, Abbildung 3 vorgelegte Rezension vom 20.02.2021; OZ 1, S 72, 202), als auch das bloße Bekräftigen des eigenen Vorbringens (vgl ua die idente Behauptung, dass die Funktion beworben wurde bzw eine Umgehung der Sperre möglich gewesen sei sowohl in der Stellungnahme des BF vom 15.12.2022, S 2 f als auch in der Bescheidbeschwerde, S 3 ff; OZ 1, S 120 f, 201 ff) nicht als substantiiertes Bestreiten angesehen werden (vgl VwGH 31.01.2018, Ra 2018/19/0029).
Vor dem Hintergrund, dass die MP bereits vor der belangten Behörde anhand eines Screenshot und einer E-Mail belegte, dass die Funktion nicht für sie verfügbar war und sie diese auch nicht benützte, war anhand des bloß wiederholenden Vorbringens des BF nicht erkennbar, dass eine mündliche Erörterung zu einer weiteren Klärung der Rechtssache geführt hätte (vgl dazu VwGH 19.10.2022, Ro 2022/04/0001, RS 5). Dem Entfall der Verhandlung stand auch Art 6 Abs 1 EMRK bzw Art 47 GRC entgegen. Von der mündlichen Verhandlung konnte daher gemäß § 24 Abs 4 VwGVG abgesehen werden.
3.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist zulässig, weil es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof zur Frage fehlt, ob § 1 Abs 1 DSG vom Anwendungsbereich des Art 2 Abs 2 lit c) DSGVO erfasst ist und wie diesfalls Art 2 Abs 2 lit c DSGVO auszulegen ist.
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